Tyr in der Unterwelt: Der Schmied Wieland - Harry Eilenstein - E-Book

Tyr in der Unterwelt: Der Schmied Wieland E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe „Die Götter der Germanen“ stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann – schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeit der Menschen in ihr zu beschreiben, Das Buch Der Schmied Wieland ist die Sagen-Variante des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr in der Unterwelt. Tyr wurde in jedem Herbst von dem Wintergott Loki getötet, wobei auch Tyrs Schwert zerbrach, das er dann in der Unterwelt neu schmiedete. Im Frühjahr kehrte er dann in das Diesseits zurück und besiegte seinerseits Loki – ein endloser Zyklus, der die Entstehung der Jahreszeiten beschrieb. Später hat Tyr-Wieland dann die Schmiedetätigkeit auf seine beiden Söhne übertragen, die im Jenseits zu zwei Zwergen wurden – von ihnen stammt die Vorstellung ab, dass die Zwerge gute Schmiede sind.

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Astrologie (496 S.)Photo-Astrologie (64 S.)Tarot (104 S.)Handbuch für Zauberlehrlinge (408 S.)Physik und Magie (184 S.)Der Lebenskraftkörper (230 S.)Die Chakren (100 S.)Meditation (140 S.)Drachenfeuer (124 S.)Krafttiere – Tiergöttinnen – Tiertänze (112 S.)Schwitzhütten (524 S.)Totempfähle (440 S.)Muttergöttin und Schamanen (168 S.)Göbekli Tepe (472 S.)Hathor und Re:

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Über die Freude (100 S.)Das Geheimnis des inneren Friedens (252 S.)Von innerer Fülle zu äußerem Gedeihen (52 S.)Das Beziehungsmandala (52 S.)Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und SkaldinnenKriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Wieland in der germanischen Überlieferung

I 1. Der Name „Wieland“

I 2. Wieland im Völund-Lied (Edda)

I 3. Die Wieland-Brosche von Uppakra

I 4. Wieland in der Thidreksage

I 5. Runenstein von Ardre

I 6. Wieland in dem Lied „Deor“

I 7. Gosforth-Kreuz

I 8. Sigurd/Siegfried

I 9. Hrolf Kraki und seine Berserker

I 10. Wieland im Waltharis-Lied

I 11. Wieland im Waldere-Lied

I 12. Thorsdrapa

I 13. Geirröd in der Edda

I 14. Beowulf-Epos

I 15. Julius Cäsar: de bello gallico

I 16. Wieland auf den Runensteinen

I 17. Wieland auf dem Runenkästchen von Auzon

I 18. Odin als Schmied

I 19. Ein Schmied in der Gesta danorum

I 20. Zwerge als Meisterschmiede

I 21. Vogel-Verwandlungen bei den Germanen

I 22. Vogelverwandlungen in den Grimm'sche Märchen

I 23. Jakob Grimm: Deutsche Mythologie

I 24. Verletzte Götter bei den Germanen

I 25. Zusammenfassung

Die Schmiedegötter der Indogermanen

II 1. Wieland bei den Kelten

II 2. Der keltische Schmiedegott Goibhniu

II 3. Der römische Schmiedegott Vulcanus

II 4. Der slawische Schmiedegott Svarog

II 5. Der griechische Schmiedegott Hephaistos

II 6. Der griechisch-kretische Schmied Daidalos

II 7. Der kretische Gott Velchanos

II 8. Der ossetische Schmiedegott Kurdalagon

II 9. Der persische Schmiedegott Kaveh

II 10. Der indische Schmiedegott Kavja

II 11. Der etruskische Schmiedegott Sethlans

II 12. Der finnische Schmiedegott Ilmarinen

II 13. Weitere nicht-indogermanische Schmiedegötter

II 14. Vergleich der Schmiedegötter

Die Erfindung des Schmiedens in der Jungsteinzeit

Wielands Biographie

Wielands Aussehen

Hymne an Wieland

Traumreisen zu Wieland

Wieland heute

Verzeichnis der Themen

I Wieland in der germanischen Überlieferung

Die Religion der Germanen ist hauptsächlich durch die Schriften aus der Zeit von ca. 1250 n.Chr. bekannt, in der in Island, Dänemark und Skandinavien die Mythen („Edda“) und die Geschichte („Isländersagas“) der Germanen niedergeschrieben wurden. Ältere schriftliche Quellen sind vor allem das Beowulf-Epos, das um 750 n.Chr. von den Angelsachsen in England verfaßt worden ist, sowie einige Bruchstücke von Skaldenliedern mit mythologischem Inhalt, die von ca. 950 n.Chr. stammen.

I 1. Der Name „ Wieland“

„Wieland“ ist ein beschreibender Name – er bedeutet „Kunstwerk“. Wieland ist somit ein Künstler, ein Kunsthandwerker oder jemand, der etwas auf kunstvolle Weise herstellen kann. Diese Fähigkeit macht daher das Wesen des Wieland aus. Die Bedeutung des Namens „Wieland“ weist zunächst einmal nicht darauf hin, daß Wieland speziell ein Schmied ist.

Der Name „Wieland“ lautete im Althochdeutschen „Wiolant“, im Angelsächsischen „Veland“ und im Altnordischen „Welent“ oder „Völundr“.

Die germanische Wurzel dieser Namen ist das Substantiv „wäla“, das sich seinerseits von einer älteren Form „wilu“ ableitet. Es bedeutet „Kunst, List, Betrug“. Eine „Wilu-Person“, also ein „Wieland“ ist somit jemand, der sehr geschickt ist und dies in jeder Hinsicht auch anwendet. Ein typischer „Wilu“ in den germanischen Mythen ist der Gott Loki, der zugleich ein geschickter Handwerker und ein listenreicher Ränkeschmied ist.

Das Substantiv „wilu“ leitet sich von dem indogermanischen Verb „wel“ für „wälzen, rollen, drehen“ ab. Hier scheint die Herstellung des Rades das prägende Motiv gewesen zu sein – ein „Wilu“ scheint daher ursprünglich ein Radmacher oder Wagner gewesen zu sein. Die Wichtigkeit des Rad ergibt sich daraus, das es ein wesentliches Teil des Streitwagens war, der das zentrale Element in der Kriegführung der Indogermanen gewesen ist. So konnte aus dem Verb „wel“ für „drehen“ das Substantiv „wilu“ für „Kunstfertigkeit, Geschick“ werden. Ein „Wilu“ ist somit ursprünglich jemand gewesen, der verschiedene Teile herstellen und zu etwas sinnvollem Ganzen zusammenfügen kann – wie die Nabe, die Felgen und die Achse zu einem Rad.

Da das Rad zudem das Symbol der Indogermanen für die „Richtigkeit“ war, hat ein „Wilu“ auch eine Verwandtschaft mit dem Priester und später auch mit dem Fürsten, deren Aufgabe es war, diese „Richtigkeit“ aufrechtzuerhalten. Ein „Wilu“ im Sinne von „Handwerker“ wurde demnach von den (Indo-)Germanen mit dem Krieger auf dem Streitwagen und mit dem Priester assoziiert.

Die Fähigkeit, in dem eigenen Bereich Richtigkeit herzustellen zu können, machte einen Krieger zu einem Helden, einen Priester zu einem Magier und einen Handwerker zu einem „Wilu“, also zu einem Künstler.

Die Wurzel „wel“ für „drehen“ hat sich u.a. in dem englischen Substantiv „wheel“ für „Rad“ erhalten.

Das indogermanische Wort „wel“ bzw. „kwel“ mit der Bedeutung „drehen, rollen, Kreis, Rad“ geht auf ein noch älteres „kolu“ in der nostratischen Sprache zurück, die von den Menschen nach dem Ende der letzten Eiszeit um 10.500 v.Chr. gesprochen wurde. Diese Menschen erfanden in Mesopotamien den Ackerbau und die Viehzucht. Von ihnen stammen neben den Indogermanen auch die Sumerer, die Ägypter, die Semiten, die Berber, die Kreter, die Elamiter und noch einige Völker mehr ab.

Zu dieser Zeit hat das Wort „kolu“ noch nicht die Bedeutung „Rad“ gehabt, da das Rad erst um ca. 3.500 v.Chr. in Sumer erfunden wurde. „Kolu“ bedeutete damals noch „rund, gedreht“.

Die nostratische Sprache ist wiederum ein Zweig der borealischen Sprache, die von den Menschen in der späten Altsteinzeit in Eurasien gesprochen wurde. Bei ihnen wurde die Qualität „rund“ mit dem Wort „kulu“ bezeichnet.

Die Worte der indogermanischen, der nostratischen und der borealischen Sprache konnten zu einem großen Teil durch den Vergleich der heutigen, von ihnen abstammenden Sprachen rekonstruiert werden.

I 2. Wieland im Völund-Lied (Edda)

In der Edda (1220 n.Chr.) ist ein ganzes Lied dem Schmied Wieland (Völundr) gewidmet, das recht verschiedene Szenen enthält. Es liegt daher nahe, die Betrachtung von Wieland dem Schmied mit diesem Lied zu beginnen.

Da Lieder sind in der Edda von den allgemeinen Mythen-Liedern über die Götter-Lieder zu den Helden-Liedern hin angeordnet. Das Wieland-Lied folgt auf das letzte Götterlied und wurde daher anscheinend als ein „halb-mythologisches Lied“ empfunden. Es ist also anzunehmen, daß Wieland um 1200 n.Chr. noch teilweise als eine mythologishe Gestalt angesehen worden ist.

Nidud hieß ein König in Schweden. Er hatte zwei Söhne und eine Tochter; die hieß Bödwild.

Drei Brüder waren Söhne des Finnenkönigs; der eine hieß Slagfid, der andere Egil, der dritte Wölund.

Die Namen in dieser Einleitung haben folgende Bedeutung:

Bödwild: „Bödwild“ könnte sich aus „bedjan“ für „bitten“ und aus „wild“ für „Wille, Wunsch“ zusammen. Das ergäbe „Wunsch-Bitte“, was offenbar kein sinnvoller Name ist. In dem ca. 200 Jahre älteren Lied Lied „Deor“ wird sie „Beadohild“: „beado“ (germanisch: „badja“) für „Bettgenossin“ und aus „hild“ für „Kampf“ zusammen. Dies ist anscheinend der Name einer Walküre, die auch die Jenseitsgöttin als Wiederzeugungs-Geliebte ist.

Egil, Bogenschütze, Sohn des Königs von Finnland: „der Spitze“

Wölund, Schmied, Sohn des Königs von Finnland: „kunstfertiger Handwerker“

Die drei Söhne des finnischen Königs sind ihren Namen nach zu urteilen alle in einer Sache besonders geschickt: Slagfid im Kampf, Egil im Bogenschießen und Wölund im Schmieden. Diese Dreiheit erinnert an Odin, Wili und Ve in der germanischen Schöpfungsgeschichte. Vermutlich stellen diese drei Königssöhne daher eine größere Ganzheit dar.

Odin wurde im Germanischen „Woden“ genannt, woraus im Altnordischen „Odin“ und bei den Germanen südlich von Dänemark „Wotan“ wurde. Die Namen der drei Asen bildeten daher ursprünglich einen Stabreim: „Woden, Wili, We“ (Das „w“ und das „v“ wurde im Germanischen nicht unterschieden.)

Dieser Stabreim läßt vermuten, daß es sich bei den drei Asen um eine grundlegende Dreiheit handelt. Sie könnten den drei sozialen Ständen entsprechen: Krieger/Fürsten, Priester/Heiler und Bauern/Handwerker.

Wili und Wieland sind vom Wort her sehr ähnlich. „Wili“ leitet sich über „welja, wilja“ für „wollen, wünschen, wählen“ von indogermanisch „wel“ mit derselben Bedeutung ab. Ob das dem „Wilu“ (Handwerker) zugrundeliegende „wel“ („drehen“) mit dem „wel“ („wollen“), von dem sich „Wili“ ableitet, identisch ist, ist nicht sicher, aber doch gut denkbar. Es ist zumindestens sehr wahrscheinlich, daß die Germanen „Wili“ und „Wilu“ als nah verwandt angesehen haben. Es ist auch gut denkbar, daß der Name des Schmiedes „Wieland“ in der Sage von dem Namen des Gottes „Wili“ in den Mythen abgeleitet worden ist.

Die Zuordnung von Egil zu den Kriegern ist recht wahrscheinlich, aber nicht ganz sicher. Da Egil aber in vielen späteren Sagen über Dietrich von Bern bis hin zu Wilhelm Tell die Rolle des fähigen Kriegers und Meister-Bogenschützen hat, wird diese Zuordnung aber doch ausreichend verläßlich sein.

Für den Priester („We“) bleibt somit Slagfid übrig, der jedoch keinen sehr passenden Namen für einen Priester hat – möglicherweise ist seine ursprüngliche Funktion zur Zeit der Niederschrift der Edda schon undeutlich geworden. Seine Umdeutung als Kämpfer entspricht der Betonung des Schmiedehandwerks bezüglich des Standes der Bauern und Handwerkern, da die Schmiede auch die Waffen der Krieger herstellten.

Eine solche allgemeine Verschiebung der mythologischen Motive ins Kriegerische läßt sich in der germanischen Religion während der Völkerwanderungszeit feststellen (375 – 568 n.Chr.). Dies liegt darin begründet, daß diese Zeit von vielen und heftigen Kämpfen geprägt gewesen ist.

Die drei Königssöhne repräsentierten daher vermutlich bis ca. 400 n.Chr. die drei Stände der germanischen Sozialordnung, wobei Wieland den Stand der Bauern und Handwerker darstellt. Ab 400 n.Chr. wurden sie zunehmend zu drei „Waffenbrüdern“.

Woden, Wili, We

Name

Bedeutung

Stand

Völund-Lied

Bedeutung

Woden

Wut (Ekstase der Schamanen; Kampfekstase der Berserker und Ulfhedinn)

Krieger, Fürsten

Egil der Schütze

der Spitze

Wili

Wille

Handwerker, Bauern

Völund der Schmied

kunstfertiger Handwerker

We

Weihe

Priester, Heiler

Slagfid der Kämpfer

schlagender Finne

Die (drei Brüder) schritten auf dem Eis und jagten das Wild. Sie kamen nach Ulfdalir und bauten sich da Häuser. Da ist ein Wasser, das heißt Ulfsiar.

Das Überqueren des Eises ist manchmal ein Symbol für eine Reise in die Unterwelt, da die von den Germanen „Eliwagar“ („Eiswellen“) genannten Gletscher im Norden manchmal als Grenze zum Jenseits angesehen wurden. Diese Deutung wird durch die Namen „Ulfdalir“ (“Wolfstal“) und „Ulfsiar“ („Wolfsee“) bestätigt, da der Wolf ursprünglich als der Begleiter auf dem Weg ins Jenseits angesehen wurde und erst später zu einer Gefahr auf diesem Weg umgedeutet worden ist.

Möglicherweise ist der „Wolfsee“ identisch mit dem See „Amswartnir“, in dem die Insel lag, auf der der Fenriswolf gefangengehalten wurde. Der Name dieses Sees bedeutet „Rücken-Wächter“, also „Wächter, der hinter etwas wacht“.

Früh am Morgen fanden sie (die drei Brüder) am Strand drei Frauen, die spannen Flachs; bei ihnen lagen ihre Schwanenhemden; es waren Walküren. Zwei von ihnen waren Töchter König Hlödwers: Hladgud Swanwit und Herwör Alwit; aber die dritte war Aelrun, die Tochter Kiars von Walland.

Die Brüder führten sie mit sich heim. Egil nahm die Aelrun, Slagfid die Swanwit und Wölund die Alwit.

Die Namen der drei Walküren, der beiden Könige und des Landes haben folgende Bedeutung:

König Hlödwer: „Ruhm-Krieger“ (heutige Form: „Ludwig“)

Hladgud Swanwit, Tochter des Königs Hlödwer: „Weberin des Kampfes“ – „Schwanenweiß“

Herwör Alwit, Tochter des Königs Hlödwer: „Heer-Kriegerin“ – „Allweiß“

Walland: „Welschland“ (Frankreich)

König Kiar von Walland: „Cäsar“ von Frankreich

Aelrun, Tochter des Königs Kiar von Walland: „Bier-Rune“

Die Namen der drei Walküren sind offenbar beschreibende Namen. Hladgud Swanwit ist eine Walküre („Kampf-Weberin“) und sie ist die weiß wie ein Schwan.

Herwör Alwit ist als „Heer-Kriegerin“ wohl sehr kriegerisch und sie ist ganz weiß (wie ein Schwan).

Aelrun besitzt vermutlich den Göttertank (Ale, Bier, Met).

Da alle drei Frauen Walküren sind, wird man ihre Namen zu einer Gesamtbeschreibung ihres Charakters zusammenfassen dürfen: Diese drei Walküren können die Gestalt von Schwänen annehmen, sie lenken den Kampf, sind kämpferisch und bringen den Kriegern im Jenseits, d.h. in Walhalla den Göttermet, durch den sie dann dort ewig leben.

Das Spinnen des Flachses assoziiert sie zudem mit den drei Nornen, die den Lebens- und Schicksalsfaden aller Wesen spinnen. Die Walküren verkünden den Beschluß der drei Nornen und setzen ihn um.

Die Walküren sind aus der Kombination mehrerer mythologischer Vorstellungen entstanden.

Zunächst einmal sind sie Vögel und als solche Symbole der Seele. Die Seelenvogelsymbolik ist dadurch entstanden, daß man sich bei einem Nahtod als über dem eigenen materiellen Körper schwebend erlebt („Astralreise“).

Die Ankunft im Jenseits wurde von so gut wie allen Völkern als eine Wiedergeburt durch die „Große Mutter“ angesehen. Da die Seelenvögel die „Jenseits-Kinder“ der Großen Mutter waren, konnte diese Göttin auch selber die Gestalt eines Vogels annehmen. Diese Vogelgestalt der Großen Mutter findet sich bei den Germanen in dem Falkenhemd der Göttin Freya, die den, der es trug, in einen Falken verwandelte. Das Falkenhemd der Göttin Freya entspricht offensichtlich den Schwanenhemden der Walküren.

Die eine Vogel-Muttergöttin Freya wurde vermutlich unter dem Eindruck der vielen Toten in eine Vielzahl von Vogel-Frauen, d.h. in Walküren umgewandelt. Der Name „Walküre“ bedeutet „die die Toten auswählt“, wobei mit den „Toten“ nur die heldenhaft im Kampf gefallenen Krieger gemeint sind. Dieser kriegerische Aspekt der Walküren wird wohl auch aus der Völkerwanderungszeit stammen – vorher werden sie eher wie eine Vielzahl von „Freya-Göttinnen“ gewesen sein.

Vermutlich wird auch Freya ursprünglich ein Schwanenhemd besessen haben, das dann zu einem Falkenhemd umgedeutet wurde. Vielleicht war der Falke aber auch der Seelenvogel der Fürsten – dann könnte die Vorstellung von Freyas Falkenhemd im Zusammenhang mit den Bestattungen der Fürsten entstanden sein. Der Falke ist auch der Seelenvogel des Loki gewesen, der sich des öfteren in einen Falken verwandelt – der Göttervater Tyr-Thiazi-Odin verwandelt sich hingegen in einen Adler.

Da die Wiedergeburt in sehr vielen Mythologien durch das Motiv der Wiederzeugung ergänzt worden ist, wurde die Vogel-Frau auch zur Geliebten der Toten. Diese Kombination von Sexualität und Tod führte zu der Vorstellung von der verführerischen Frau, die den Tod bringt. Diese Frau wohnt oft am oder im Wasser, da die Unterwelt als ein großes Wasser angesehen wurde: Nixen, Nymphen, Circe, die Lorelei, Grendels Mutter, Frigg (in Fensalir) u.ä.

Diese Bedeutung der Walküren legt nahe, daß sich die drei Brüder bei den drei Walküren im Wolfstal eigentlich im Jenseits bei der vervielfachten Jenseitsgöttin (Frigg-Freya) befinden.

Eine ähnliche Szene findet sich z.B. in dem Edda-Lied über den Göttermet, in dem Odin zu der Riesentocher Gunnlöd ins Jenseits reist, sich dort mit ihr vereint, ihren Met trinkt und dann in der Gestalt eines Adlers nach Asgard zurückkehrt. Diese Verwandlung in einen Adler entspricht der Wirkung des Falkenhemdes der Freya, sodaß Gunnlöd und Freya von ihrer Funktion her identisch sind.

Die Parallele zwischen „Odin und Gunnlöd“ und „den drei Brüdern und den drei Walküren“ ist insofern besonders interessant, weil Egil, einer der drei Brüder, Odin entspricht.

In der Prosa-Einleitung zur Wölund-Sage wird zunächst der Stammbaum aller wichtigen Personen beschrieben:

Alle Beteiligten sind Söhne und Töchter von Königen bzw. selber Könige. Dies könnte daraufhin deuten, daß die Vorgänge in dieser Sage aus einer Götter-Mythe stammen, die in den Bereich der Könige übertragen worden ist. Solche Übertragungen finden sich häufig in den Überlieferungen, weil die Fürsten und Könige durch ihre Krönung eng mit den Göttern verbunden waren.

Sie wohnten sieben Winter beisammen: da flogen die Frauen davon, Kampf zu suchen, und kamen nicht wieder. Da schritt Egil aus, die Aelrun zu suchen, und Slagfid suchte Swanwit; aber Wölund saß in Ulfdalir. Er war der kunstreichste Mann, von dem man in alten Sagen weiß.

Am Ende der Prosa-Einleitung wird angegeben, daß nach sieben Jahren die Beziehung zwischen den drei Königssöhnen und den drei Walküren endet. Der Grund, der dafür angegeben wird, ist nicht besonders überzeugend und wirkt wie eine neuere Erklärung für einen Vorgang aus einer älteren Mythe, der nicht mehr ganz verstanden wurde. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, daß zwar Egil und Slagfid sich auf die Suche nach ihren Walküren machen, aber Wieland zurückbleibt und stattdessen seinem Schmiedehandwerk nachgeht.

Vielleicht liegt hier eine der Wurzeln für die Vorstellung vom „verflixten siebten Jahr“, in dem so viele Beziehungen enden …

Diese Prosa-Einführung des Wieland-Liedes erinnert an die Siegfried-Sage, an deren Anfang die drei Söhne des Zwergenkönigs und Zauberers Hreidmar stehen:

Regin, der habgierige, boshafte und listige Schmied, der der Ziehvater des jungen Siegfried war,Fafnir, der sich in einen Drachen verwandelte und später von Siegfried erschlagen wurde, undOter, der sich in einen Otter verwandeln konnte und in dieser Gestalt von dem Gott Loki mit einem Steinwurf getötet wurde.

Sowohl der Schmied Wölund als auch der Zwergenschmied Regin haben durch ihr Geschick, ihre Listigkeit und ihre Boshaftigkeit eine große Ähnlichkeit mit Loki. Man wird davon ausgehen können, daß Wieland und Regin mythologisch gesehen dieselbe oder zumindestens nah verwandte Gestalten sind.

Egil und Slagfid würden dann den beiden Zwergen Fafnir und Oter entsprechen. In der Wölund-Sage treten diese beiden nur am Anfang auf. In anderen Sagen erscheint Egil jedoch als Meisterschütze. Aus ihm wurde später Wilhelm Tell. Auch der berühmte Apfelschuß, bei dem er einen Apfel vom dem Kopf seines eigenen Sohnes schoß, wird bereits von Egil berichtet.

Man könnte vermuten, daß es einen Zusammenhang zwischen Egil und dem Bogen-, Winter- und Jenseitsgott Ullr gab. Sowohl der Umstand, daß Regin, Fafnir und Oter Zwerge, also Totengeister sind, als auch der vermutete Zusammenhang zwischen Egil und Ullr bestätigen den Verdacht, daß es sich bei der Wieland-Sage ursprünglich um eine Jenseits-Mythe gehandelt haben könnte.

Da Fafnir als sehr kriegerisch geschildert wird, wird er wohl dem Kriegerstand vertreten. Seine Drachenverwandlung wäre dann eine Erinnerung daran, daß die Drachen ursprünglich die Geister der toten Fürsten und wichtiger Krieger waren, die in der Gestalt von Schlangen oder Drachen ins Jenseits reisten und in dieser Gestalt auch ihr Hügelgrab und den Grabschatz in ihm bewachten.

In vielen „drei Brüder“-Märchen der Gebrüder Grimm beherrschen die drei Brüder das Schmieden, das Bogenschießen und die Heilkunst.

In dem Edda-Lied „Rigsmal“ besucht der Ase Rigr (Heimdall) drei Familien, lehrt sie viele Dinge und zeugt jedesmal zusammen mit der Frau einen Sohn, der der Ahnherr vieler Kinder wird. Auf diese Weise wird die Entstehung der Stände erklärt. Diese drei Standes-Ahnen sind Thräl der Leibeigene, Karl der Bauer und Jarl der Krieger-Fürst.

Da Rigr dem Jarl auch magische Runen-Kenntnisse lehrt, scheint im Jarl der Krieger und der Schamanen-Priester zusammengefallen zu sein. Diese Entwicklung entspricht u.a. dem Odin, der auch zugleich Krieger und Magier ist. Es wird daher ursprünglich wohl einmal vier Stände, also Sklaven, Bauern/Handwerker, Krieger/Fürsten und Schamanen/Magier/Priester gegeben haben – wobei man sicherlich die Sklaven nicht als den anderen drei Ständen gleichwertig angesehen haben wird.

Thräl, Karl und Jarl reimen sich wie Woden, Wili und We – wenn auch auf eine andere Weise.

die drei Brüder

Stand

Rigr

Asen

Wielandsage

Siegfriedsage

Märchen

Krieger, Fürsten

Jarl

Woden

Egil

Fafnir

Bogenschütze

Priester, Heiler

We

Slagfid

Oter

Heiler

Bauern, Handwerker

Karl

Wili

Völund

Regin

Schmied

Sklaven

Thräl

König Nidud ließ ihn (Wölund) handgreifen, so wie hier besungen ist.

König Nidud von Schweden ist in dieser Geschichte ein selbstsüchtiger Herrscher, der den Schmied Wölund „handgreifen“, d.h. fangen, fesseln und zum Sklaven machen läßt – ein damals keineswegs ungewöhnliches Vorgehen. Das waren damals harte Zeiten …

Wieland und Nidud könnten auf ein mythologisches Gegensatz-Paar zurückgehen.

Nach dieser Prosaeinführung folgt die alte Überlieferung in Versform, die mit der Begegnung zwischen den drei Brüdern und den drei Walküren beginnt.

Durch Myrkwid flogen Mädchen von Süden,

Alwit die junge, Urlog zu entscheiden.

Sie saßen am Strande der See und ruhten;

Schönes Linnen spannen die südlichen Frauen.

„Urlog“ bedeutet „Schicksal“ und auch „Kampf“. Die Walküren entschieden (in Odins Auftrag) den Verlauf der Kämpfe und der Kriege. Dies ist eine Übertragung der früheren Vorstellungen über die das Schicksal verkündenen Seelenvogel-Schwanenfrauen in den Bereich des Kriegerischen.

Das Herbeifliegen der Walküren von Süden her erinnert an einen Vers aus dem „Sonnenlied“ in der Edda, in der der Sonnenhirsch von Süden her kommt. Dieser Sonnenhirsch, der von zwei Männern an einem Halfter geführt wird, hat in dem Lied eine rituelle Funktion und könnte das Zugtier vor dem Wagen der Sonne sein.

Im „Atlilied“, das sich ebenfalls in der Edda befindet, wird beschrieben, daß man „bei der südlichen Sonne“ Eide auf den Ring des Gottes Ullr ablegte und dabei auf einem dem Gott Sig-Tyr geweihten Hügelgrab stand. Da Tyr ursprünglich der Sonnengott-Göttervater der Germanen gewesen ist und Ullr wahrscheinlich der Gott Tyr auf seiner nächtlichen Reise durch die Unterwelt war, stellt die „südliche Sonne“ wohl Tyr in seiner ganzen Kraft dar.

Es ist daher gut denkbar, daß der Sonnenhirsch bei einer Prozession vor den Wagen des Tyr gespannt worden ist – Hirsche als Zugtiere sind u.a. von den Kelten gut bekannt, die z.T. dieselben Gebiete bewohnten wie die Germanen.

Aus dem Süden kommt auch am Ende eines Götterzyklus (Ragnarök) der Feuerriese Surt.

Der Süden scheint für die Germanen vor allem die Himmelsrichtung des „Tyr am Tage“ gewesen zu sein. Entsprechend war der Norden die Richtung des Ski-Asen Ullr, also des „Tyr in der Nacht“. Daraus ergibt sich, daß der Osten die Richtung des Sonnenaufgangs und somit der (Wieder-)Geburt des Tyr gewesen ist und der Westen die Richtung des Sonnenunterganges und somit des Todes des Tyr.

Die Symbolik der vier Richtungen

Richtung

Sonne

Tyr

Symbolik

Osten

Sonnenaufgang

Geburt des Tyr

(Wieder-)Geburt

Süden

Tag

Tyr in seiner Kraft

Leben

Westen

Sonnenuntergang

Tod des Tyr

Tod

Norden

Nacht

Ullr (Tyr im Jenseits)

„Leben“ in der Unterwelt

Das Herbeifliegen der Walküren aus dem Süden könnte somit bedeuten, daß sie als Botinnen des „Tyr am Tage“ aufgefaßt worden sind. Dies könnte ein Vorläufer der Vorstellung sein, daß die Walküren dem Göttervater Odin unterstanden, da Odin während der Völkerwanderungszeit der Nachfolger des Tyr wurde.

Die Walküren, die von Süden zu den drei Brüdern kamen, könnten somit den drei Brüdern einen „Segen“ des Göttervaters Tyr/ Odin gebracht haben.

Ihrer eine hegte sich Egil,

Die liebliche Maid, am lichten Busen;

Die andre war Swanwit, die Schwanenfedern trug,

Um Slagfid schlang sie die Hände;

Doch die dritte, deren Schwester,

Umwand Wölunds weißen Hals.

So saßen sie sieben Winter lang;

Den ganzen achten grämten sie sich

Bis im neunten die Not sie schied:

Die Mädchen verlangte nach Myrkwid;

Alwit die junge wollt Urlog treiben.

„Myrkwid“ bedeutet „Düsterwald“. Dieser Begriff ist vor allem aus den Romanen von Tolkien als „Mirkwood“ gut bekannt. Da die Walküren jenseits von ihm „Urlog treiben“, d.h. Schicksal bestimmen wollten, könnte „Myrkwid“ ein Symbol für die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits sein. Dazu paßt auch, daß die Krieger auf dem Schlachtfeld starben, wenn sie von den Walküren für das Festmahl in Odins Saal Walhalla ausgewählt wurden.

Vielleicht hat es einmal die Vorstellung gegeben, daß die Halle des Tyr/Odins im Süden gelegen hat, also dort, wo die Sonne und somit der Sonnengott-Göttervater Tyr am stärksten war.

Hladgud und Herwör stammten von Hlödwer;

Verwandt war Aelrun, die Tochter Kiars.

Die schritt geschwinde den Saal entlang,

Stand auf dem Estrich und erhob die Stimme:

„Sie freuen sich nicht, die aus dem Forste kommen.“

Hladgud ist der Name der Walküre, deren Beiname „Swanwit“ ist; Herwör ist der eigentliche Name der „Alwit“.

Die Hauptaussage dieser Verse ist, daß es den drei Walküren nicht mehr gefiel, nur bei den drei Königssöhnen zu leben.

Der zweite Vers scheint daraufhin zuweisen, daß König Hlödwer und König Kiar von Frankreich miteinander verwandt waren.

Vom Waidwerk kamen die wegmüden Schützen,

Slagfid und Egil, fanden öde Säle,

Gingen aus und ein und sahen sich um.

Da schritt Egil ostwärts Aelrunen nach

Und südwärts Slagfid Swanwit zu finden.

Der Süden, in dem Slagfid nach Swanwit sucht, ist plausibel, da die drei Walküren von dort durch den Düsterwald gekommen waren. Der Osten, in dem Egil sucht, könnte hier wegen seiner Verbindung zum Sonnenaufgang und somit der Wiedergeburt gewählt worden sein – aber diese Deutung ist recht unsicher.

Derweil im Wolfstal saß Wölund,

Schlug funkelnd Gold und festes Gestein

Und band die Ringe mit Lindenbast.

Also harrt er seines holden

Weibes, wenn sie ihm wieder käme.

Wölund fädelte die von ihm geschmiedeten Ringe an einer Schnur aus Lindenbast auf. Diese goldenen Ringe scheinen das Wichtigste gewesen zu sein, das er hergestellt hat. Die Analogie zwischen Wieland und dem Zwerg Regin erinnert daran, daß auch Odins goldener Ring Draupnir von Zwergen geschmiedet wurde. Loki, der Regins Bruder Oter durch einen Steinwurf getötet hatte, zahlte an Oters Vater Hreidmar als Wergeld den Goldschatz des Zwerges Andvar („Vorsicht“), zu dem der goldene Ring Andvarinaut („Gabe des Andvar“) gehörte. In der Nibelungensage heißt der Zwerg Andvar „Alberich“, d.h. „Zwergenkönig“. Hreidmar und Andvar/Alberich scheinen daher dieselbe Gestalt zu sein.

Der Zwergenkönig ist der ehemalige Göttervater Tyr in der Unterwelt – „dwergaz“ bedeutet „Totengeist“.

Wölund erscheint zunehmend selber wie ein Zwerg (Totengeist) im Jenseits, der wie die Zwerge ein Meister des Schmiedehandwerks ist.

Die Ringe waren bei den Germanen (und auch bei den Kelten) vor allem ein Symbol für die bestandene Jenseitsreise eines Schamanen, eines Königs bei seiner Krönung oder eines Mannes oder einer Frau bei einer Einweihung. Daher stellt Wieland im Wolfstal vor allem die Symbole der Jenseitsreise her, die die Jenseitsreisenden dort (symbolisch) von Wieland erhielten – auch wenn sie natürlich im Diesseits von einem normalen menschlichen Schmied hergestellt wurden.

Da hörte Nidud, der Niaren Drost,

Daß Wölund einsam im Wolfstal säße.

Bei Nacht fuhren Männer in genagelten Brünnen;

Ihre Schilde schienen wider den geschnittenen Mond.

„Drost“ ist ein germanischer Titel, der „Fürst, König“ bedeutet. Die Niaren sind offenbar die Schweden, da Nidud der König der Schweden ist. Die Brünnen sind die Rüstungen der Krieger. Der „geschnittene Mond“ ist die Mondsichel.

Stiegen vom Sattel an des Saales Giebelwand,

Gingen dann ein, den ganzen Saal entlang.

Sahen am Baste schweben die Ringe,

Siebenhundert zusammen, die der Mann besaß.

Die siebenhundert Ringe erinnern an die sieben glücklichen Jahre, die die drei Königssöhne und die drei Walküren miteinander verbrachten. Diese 7(00) wird wohl auf die sieben Planeten hinweisen, die allerdings sonst kaum eine Bedeutung bei den Germanen gehabt zu haben scheinen. Da die Wieland-Sage auch Wurzeln im Alpenbereich hatte, ist bezüglich der „7“ ein römischer Einfluß denkbar.

Sie banden sie ab und wieder an den Bast,

Außer einem, den ließen sie ab.

Da kam vom Waidwerk der wegmüde Schütze,

Wölund, den weiten Weg daher.

Briet am Feuer der Bärin Fleisch:

Bald flammte am Reisig die trockene Föhre,

Das winddürre Holz, vor Wölund.

Ruht auf dem Bärenfell, die Ringe zählt er,

Der Alfengesell: einen vermißt er,

Dachte, den hätte Hlödwers Tochter:

Alwit die Holde wär' heimgekehrt.

Saß er so lange bis er entschlief:

Doch er erwachte wonneberaubt.

Merkt harte Bande um seine Hände,

Fühlt um die Füße Fesseln gespannt.

„Wer sind die Leute, die in Bande legten

Den freien Mann? Wer fesselte mich?“

Da rief Nidud, der Niaren Drost:

„Wo erwarbst Du, Wölund, Weiser der Alfen,

Unsere Schätze in Ulfdalir?“

König Nidud nennt Wölund „Weiser der Alfen“, d.h. er sieht Wölund als einen Alfen an. Der Schmied wird bereits einige Zeilen vorher „Alfengesell“ genannt. In der Edda werden die Asen und Alfen oft zusammen erwähnt. Die Alfen sind insbesondere mit dem Fruchtbarkeitsgott Freyr verbunden, der in Alfheim wohnt. In Alfheim bei Freyr wohnen die Lichtalfen, während die Schwarzalfen unter der Erde wohnen. Diese beiden verschiedenen Arten von Alfen entsprechen den beiden Formen des Jenseits: im Himmel und unter der Erde. Die Schwarzalben sind sehr wahrscheinlich mit den Zwergen identisch. Aus den Lichtalfen wurden in den Vorstellungen späterer Zeiten die Elfen.

Letztlich sind die Alfen somit die Geister der Toten. Auch die Asen sind, religionshistorisch gesehen, „vergrößerte Ahnen“. Aus diesem Grund erscheinen in den germanischen Texten Asen und Alfen oft parallel. Das Jenseits der Asen (Asgard) und das Jenseits der Ahnen (Hel) sind daher letztlich identisch, auch wen sie in den germanischen Mythen sehr verschieden beschrieben werden. Das Asgard der Götter ist allerdings noch deutlich als Jenseits erkennbar, da die gefallenen Krieger dorthin gelangen.

Das germanische Wort „dwergaz“ („Zwerg“), das mit „Schwarzalfen“ identisch ist, bedeutet wörtlich „Totengeist“.

Die Bezeichnung „Weiser der Alfen“ gleicht sehr der Bezeichnung des Hreidmar, dem Vater des Zwergenschmiedes Regin, als Zwergenkönig und Zauberer. In der Siegfriedsage wird Hreidmar „Alberich“ genannt, was „Zwergenkönig, Alfenkönig“ bedeutet.

Der Schmied Wölund ist somit ein Zwergenkönig, ein Ahn im Jenseits und ursprünglich wohl auch ein Ase, der dann in den Bereich der Königssage verlegt wurde. Wölund steht somit auf einer Stufe mit Siegfried, der aus einer Übertragung des Tyr/ Odin, des Thor und zu einem Teil auch des Baldur in den Bereich der Königssage entstanden ist.

Als Zwergenkönig ist Wölund somit ein „Herrscher im Totenreich“ – dieser Titel würde auch gut zu Odin passen, da dieser der Herr der toten Krieger in Walhalla ist.

Dies bestätigt, daß sich die drei Brüder Egil (Odin), Wieland (Wili) und Slagfid (We) im Jenseits befinden. Dieser Aufenthaltsort wurde in der Prosa-Einleitung des Völund-Liedes als „Wolfstal“ und „Wolfssee“ „hinter den Eiswogen“ beschrieben.

Eine recht ähnliche Umschreibung des Jenseits findet sich noch in dem Märchen „Schneewittchen“: „bei den sieben Zwergen hinter den sieben Bergen“.

Wölund:

„Hier war kein Gold wie auf Granis Wegen,

Fern ist dies Land den Felsen des Rheins.

Mehr der Kleinode mochten wir haben,

Da wir heil daheim in der Heimat saßen.“

Hier spielt Wölund auf den Nibelungenschatz an: Grani ist der Name von Siegfrieds Roß. Der Nibelungenhort wurde der Sage zufolge an der Loreley in den Rhein geworfen, damit der auf ihm liegende Fluch des Andvari/Alberich kein weiteres Unheil mehr anrichten konnte.

König Nidud gab seiner Tochter Bödwild den Goldring, den er vom Baste gezogen in Wölunds Haus; aber er selber trug das Schwert, das Wölund hatte.

Da sprach die Königin:

„Er wird die Zähne blecken vor Zorn, erkennt er das Schwert

Und unseres Kindes Ring.

Wild glüh'n die Augen dem gleißenden Wurm.

So zerschneidet ihm der Sehnen Kraft

Und laßt ihn sitzen in Säwarstad.“

König Nidud hatte seiner Tochter den Goldring gegeben, den seine Leute in Wölunds Haus von der Lindenbastschnur gezogen hatten. Daraus ergibt sich zumindestens der Anfangsverdacht, daß Bödwild und die Walküre Alwit ähnliche mythologische Gestalten sind.

Die berühmten Schwerter aus den Isländersagas wurden mehrfach von Zwergen hergestellt. Hier liegt offenbar ein altes Motiv vor, das letztlich wohl auf die Herstellung des Schwertes des Gottes Tyr zurückgeht. Nach ihm wurde eines der berühmtesten germanischen Schwerter benannt: „Tyrfing“, d.h. „Finger des Tyr“. In der Siegfriedsage schmiedet Regin für Siegfried das zerbrochene Schwert Gram („Grimm“) seines Vaters Siegmund wieder neu zusammen. Dieses Neuschmieden des Schwertes (des Tyr) entspricht vermutlich der Wiedergeburt des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr.

Die Kombination von Schwert und Ring zusammen mit dem Methorn ist auf einer ganzen Reihe von Runensteinen zu finden. Das Schwert ist das Schwert des Tyr, der Ring ist der Ring Draupnir des Odin und das Horn ist das Horn mit dem Göttermet der Großen Mutter, die in der Edda u.a. als die Riesentochter Gunnlöd erscheint. Das Schwert, das am Morgen bzw. im Frühjahr neu geschmiedet wird, der goldene Ring und der Göttermet sind alle drei Symbole der Jenseitsreise.

Die dem Wölund-Lied zugrundeliegende Symbolik ist offenbar die Reise in die Unterwelt.

Die Bezeichnung „gleißender Wurm“ für Wölund erinnert sehr an Fafnir, den Bruder des Regin, der sich in einen Drachen verwandelte, die von den Germanen auch als „Wurm“, d.h. „Schlange“ bezeichnet wurden. Wieland wird an dieser Stelle des Liedes als „Totengeist in Schlangengestalt auf dem Schatz in seinem Hügelgrab“ angesehen – was mit seiner Auffassung als Zwerg und Alf, also als Totengeist übereinstimmt.

So wurde getan: Ihm wurden die Sehnen in den Kniekehlen zerschnitten und er in einen Holm gesetzt, der vor dem Strande lag und Säwarstad hieß. Da schmiedete er dem König allerhand Kleinode, und niemand getraute sich, zu ihm zu gehen als der König allein.

Ein Holm ist eine Insel oder auch im übertragenden Sinne ein eingegrenzter Bereich. „Säwarstad“ ist eine Insel vor der schwedischen Küste. Ihr Name bedeutet möglicherweise „Regeninsel“.

Wölund sprach:

„Es scheint Nidud ein Schwert am Gürtel,

Das ich schärfte so geschickt ich vermochte,

Das ich härtete so hart ich konnte.

Diese lichte Waffe ist mir entwendet:

Säh' ich sie doch zu Wölund zur Schmiede getragen!

Bödwild trägt nun meiner Getrauten

Roten Ring: rächen will ich das!“

Schlaflos saß er und schlug den Hammer;

Trug schuf er Nidud schnell genug.

In der germanischen Sprache wird Gold meistens als „rot“ bezeichnet und nicht als „gelb“. Möglicherweise lag dies an einem hohen Kupferanteil im Gold, der es dann zu Rotgold werden ließ. Der „rote Ring“ der Bödwild ist also ein Goldring.

Liefen zwei Knaben, lauschten an der Türe,

Die Söhne Niduds, nach Säwarstad;

Kamen zur Kiste den Schlüssel erkundend;

Offen war die üble, als sie hineinsahn.

Viel Kleinode sahn sie, den Knaben daucht es

Rotes Gold und glänzend Geschmeid.

„Kommt allein, ihr zwei, kommt andern Tags,

So soll euch das Gold gegeben werden.

Sagt es den Mägden nicht noch dem Gesinde,

Laßt es niemand hören, daß ihr hier gewesen.“

Zeitig riefen die Zweie sich an,

Bruder den Bruder: „Komm die Brustringe schaun!“

Mit den „Brustringen“ sind die vermutlich die um den ganzen Körper reichenden breiten Ringe gemeint, aus denen schon die Römer ihre einfachen Brustpanzer hergestellt haben.

Sie kamen zur Kiste die Schlüssel erkundend;

Offen war die üble, da sie hineinsahn.

Um die Köpfe kürzt er die Knaben beide;

Unterm Fesseltrog barg er die Füße.

Aber die Schädel unter dem Schopfe

Schweift er in Silber, sandte sie Nidud.

Aus den Augen macht er Edelsteine,

sandte sie der falschen Frau des Nidud.

Das Wort „falsch“ hat die hier die alte Bedeutung von „böse, hinterhältig, gemein“ u.ä.

Die Zweizahl der Jungen hat wahrscheinlich eine tiefere Bedeutung, da es auch oft zwei Zwerge sind, die gemeinsam den Schmuck, die Schwerter, die Ringe u.ä. herstellen. Das bekannteste Jungen-Paar in den indogermanischen Mythen sind die Pferdezwillinge, die den Streitwagen des Sonnengott-Göttervaters Dhyaus (Zeus, Jupiter, Tyr usw.) ziehen und die auch die Gestalt von Menschen annehmen konnten. Bei den Germanen wurden sie „Alcis“ genannt.

Es ist gut denkbar, daß man sich vorstellte, daß diese beiden Pferde-Menschen am Abend zusammen mit der Sonne starben und ihr im Jenseits bei ihrer Wiedergeburt halfen. Aus ihnen entstand dann mit der Zeit das Zwergenpaar, das nicht nur das Schwert des Tyr neu schmiedete, sondern nach der Absetzung des Tyr als Göttervater durch Odin und Thor um 500 n.Chr. auch all die magischen Gegenstände der Götter herstellte. Ihr Tod am Abend wurde in den Mythen zu dem Motiv der sterbenden Zwillinge, die in der Wieland-Mythe als die beiden Söhne des Königs Nidud erscheinen.

Trinkschalen aus menschlichen Schädeln, die vermutlich vor allem im Ritual beinutzt wurden, sind bereits von den Neandertalern verwendet worden. Solche Schädelschalen sind vermutlich aus dem tibetischen Buddhismus am bekanntesten. Interessanterweise werden diese Schädelschalen auch in Tibet in Silber gefasst.