Tyr in der Unterwelt - Der Zwergenkönig - Harry Eilenstein - E-Book

Tyr in der Unterwelt - Der Zwergenkönig E-Book

Harry Eilenstein

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Beschreibung

Die Reihe Die achtzigbändige Reihe "Die Götter der Germanen" stellt die Gottheiten und jeden Aspekt der Religion der Germanen anhand der schriftlichen Überlieferung und der archäologischen Funde detailliert dar. Dabei werden zu jeder Gottheit und zu jedem Thema außer den germanischen Quellen auch die Zusammenhänge zu den anderen indogermanischen Religionen dargestellt und, wenn möglich, deren Wurzeln in der Jungsteinzeit und Altsteinzeit. Daneben werden auch jeweils Möglichkeiten gezeigt, was eine solche alte Religion für die heutige Zeit bedeuten kann - schließlich ist eine Religion zu einem großen Teil stets der Versuch, die Welt und die Möglichkeiten der Menschen in ihr zu beschreiben. Das Buch Die Zwerge sind ursprünglich die Ahnen im Jenseits gewesen. Der Zwergenkönig ist der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr in der Unterwelt - er entspricht u.a. dem griechischen Hades, dem indischen Yama und auch Christus, die alle in ihrer jeweiligen Religion der "Herr der Toten" sind. Der Zwergenkönig hat einen großen Reichtum an Bildern und Mythen: den Sonnenzyklus, das Hügelgrab, den Unsichtbarkeits-Umhang, den magischen Ring, den Kraftgürtel, das goldene Trinkhorn und vieles mehr. Die früheren Bitten um Hilfe an den Zwergenkönig und die Ahnen allgemein finden sich heute u.a. in der moderneren Form der Familienaufstellungen wieder.

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Seitenzahl: 416

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Hathor und Re:

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Band 1: Die Struktur des kabbalistischen Lebensbaumes (370 S.)

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Über die Freude (100 S.)

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Das Beziehungsmandala (52 S.)

Die Symbolik der Krankheiten (76 S.)

König Athelstan (104 S.)

Die Themen der einzelnen Bände der Reihe „Die Götter der Germanen“

Die Entwicklung der germanischen ReligionLexikon der germanischen ReligionDer ursprüngliche Göttervater TyrTyr in der Unterwelt: der Schmied WielandTyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 1Tyr in der Unterwelt: der Riesenkönig Teil 2Tyr in der Unterwelt: der ZwergenkönigDer Himmelswächter HeimdallDer Sommergott BaldurDer Meeresgott: Ägir, Hler und NjördDer Eibengott UllrDie Zwillingsgötter AlcisDer neue Göttervater Odin Teil 1Der neue Göttervater Odin Teil 2Der Fruchtbarkeitsgott FreyrDer Chaos-Gott LokiDer Donnergott ThorDer Priestergott HönirDie GöttersöhneDie unbekannteren GötterDie Göttermutter FriggDie Liebesgöttin: Freya und MenglödDie ErdgöttinnenDie Korngöttin SifDie Apfel-Göttin IdunDie Hügelgrab-Jenseitsgöttin HelDie Meeres-Jenseitsgöttin RanDie unbekannteren JenseitsgöttinnenDie unbekannteren GöttinnenDie NornenDie WalkürenDie ZwergeDer Urriese YmirDie RiesenDie RiesinnenMythologische WesenMythologische Priester und PriesterinnenSigurd/SiegfriedHelden und GöttersöhneDie Symbolik der Vögel und InsektenDie Symbolik der Schlangen, Drachen und UngeheuerDie Symbolik der HerdentiereDie Symbolik der RaubtiereDie Symbolik der Wassertiere und sonstigen TiereDie Symbolik der PflanzenDie Symbolik der FarbenDie Symbolik der ZahlenDie Symbolik von Sonne, Mond und SternenDas JenseitsSeelenvogel, Utiseta und EinweihungWiederzeugung und WiedergeburtElemente der KosmologieDer WeltenbaumDie Symbolik der Himmelsrichtungen und der JahreszeitenMythologische MotiveDer TempelDie Einrichtung des TempelsPriesterin – Seherin – Zauberin – HexePriester – Seher – ZaubererRituelle Kleidung und SchmuckSkalden und Skaldinnen62 Kriegerinnen und Ekstase-KriegerDie Symbolik der KörperteileMagie und RitualGestaltwandlungenMagische WaffenMagische Werkzeuge und GegenständeZaubersprücheGöttermetZaubertränkeTräume, Omen und OrakelRunenSozial-religiöse RitualeWeisheiten und SprichworteKenningarRätselDie vollständige Edda des Snorri SturlusonFrühe SkaldenliederMythologische SagasHymnen an die germanischen Götter

Inhaltsverzeichnis

Der Zwergenkönig in der germanischen Überlieferung

I 1.

Alberich

in der germanischen Überlieferung

I 1. a) Der Name „Alberich“

I 1. b) Wieland-Lied

I 1. c) Beowulf-Epos

I 1. d) Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

I 1. e) Wie Norwegen besiedelt wurde

I 1. f) Grimnir-Lied

I 1. g) Nibelungenlied

I 1. h) Das Ortnit-Lied

I 1. i) König Ortnits Meerfahrt und Tod

I 1. j) Zusammenfassung

I 2.

Billing

in der germanischen Überlieferung

I 2. a) Der Name „Billing“

I 2. b) Die Vision der Seherin

I 2. c) Wolfdietrich

I 2. d) Zusammenfassung

I 3.

Andvari

in der germanischen Überlieferung

I 3. a) Der Name „Andvari“

I 3. b) Völsungen-Saga

I 3. c) Gylfis Vision

I 3. d) Nafna-Thulur

I 3. e) Skaldskaparmal

I 3. f) Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter

I 3. g) Zwergen-Namen

I 3. h) Fiölswin-Lied

I 3. i) Zusammenfassung

I 4.

Gust

in der germanischen Überlieferung

I 4. a) Der Name „Gust“

I 4. b) Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter

I 4. c) Die Saga über Thorstein Haus-Macht

I 4. d) Galdrbok: „Zauberspruch um einen Dieb zu finden“

I 4. e) Zusammenfassung

I 5.

Oinn

in der germansichen Überlieferung

I 5. a) Der Name „Oinn“

I 5. b) Zwergen-Namen

I 5. c) Völsungen-Saga / Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter

I 5. d) Die Vision der Seherin

I 5. e) Zusammenfassung

I 6.

Regin

in der germanischen Überlieferung

I 6. a) Der Name „Regin“

I 6. b) Odins Rabenzauber

I 6. c) Das erste Lied über Sigurd Fafnir-Töter

I 6. d) Das andere Lied über Sigurd Fafnir-Töter

I 6. e) Fafnir-Lied

I 6. f) Norwegisches Runenlied

I 6. g) Völsungen-Saga

I 6. h) Skaldskaparmal

I 6. i) Die Saga über Norna-Gest

I 6. j) Thidrek-Saga

I 6. k) Faröische Heldenlieder: Regin der Schmied

I 6. l) Die Stabkirche von Hylestad

I 6. m) Die Vision der Seherin

I 6. n) Snäfridardrapa

I 6. o) Mit „regin“ zusammengesetzte Worte

I 6. p) Kenningar

I 6. q) Hrolf Kraki und seine Berserker

I 6. r) Zusammenfassung

I 7.

Rögnir

in der germanischen Überlieferung

I 7. a) Der Name „Rögnir“

I 7. b) Odins Rabenzauber

I 7. c) Sigdrifa-Lied

I 7. d) Zusammenfassung

I 8.

Hreidmar

in der germanischen Überlieferung

I 8. a) Der Name „Hreidmar“

I 8. c) Die Geschichte des Hreidmar

I 8. d) Zusammenfassung

I 9.

Niblung

in der germanischen Überlieferung

I 9. a) Der Name „Niblung“

I 9. b) Waltharius

I 9. c) Walther und Hildegunde

I 9. d) Der Hürne Siegfried

I 9. e) Förnaldarsögur Nordurlanda

I 9. f) Völsungen-Saga

I 9. g) Nibelungenlied

I 9. h) Die Niflungen und die Giukungen

I 9. i) Zusammenfassung

I 10.

Eugel

in der germanischen Überlieferung

I 10. a) Der Name „Eugel“

I 10. b) Seyfrid-Lied

I 10. c) Zusammenfassung

I 11.

Albewin

in der germanischen Überlieferung

I 11. a) Der Name „Albewin“

I 11. b) Garel von Blumenthal

I 11. c) Albewin in der Burg Runkelstein

I 11. d) Zusammenfassung

I 12. Der

Jamtaland-Zwerg

in der germanischen Überlieferung

I 12. a) Die Saga über Thorstein Hausmacht

I 12. b) Zusammenfassung

I 13.

Diurnir

in der germanischen Überlieferung

I 13. a) Der Name „Diurnir“

I 13. b) Heimskringla

I 13. c) Zwergen-Namen

I 13. d) Laufas-Edda

I 13. e) Die Vision der Seherin

I 13. f) Zusammenfassung

I 14.

Thorin

in der germanischen Überlieferung

I 14. a) Der Name „Thorin“

I 14. b) Fiölswin-Lied

I 14. c) Die Vision der Seherin

I 14. d) Gylfis Vision

I 14. e) Eiriksdrapa

I 14. f) Zusammenfassung

I 15.

Modsognir

in der germanischen Überlieferung

I 15. a) Der Name „Modsognir“

I 15. b) Die Vision der Seherin

I 15. c) Gylfis Vision

I 15. d) Zusammenfassung

I 16.

Thjodrerir

in der germanischen Überlieferung

I 16. a) Der Name „Thjodrerir“

I 16. b) Havamal

I 16. c) Zusammenfassung

I 17.

Lofar

in der germanischen Überlieferung

I 17. a) Der Name „Lofar“

I 17. b) Die Vision der Seherin

I 17. c) Gylfis Vision

I 17. d) Zusamenfassung

I 18.

Aurwang

in der germanischen Überlieferung

I 18. a) Der Name „Aurwang“

I 18. b) Zwergen-Namen

I 18. c) Die Vision der Seherin

I 18. d) Gylfis Vision

I 18. e) Zusammenfassung

I 19.

Dagfinnr

in der germanischen Überlieferung

I 19. a) Der Name „Dagfinnr“

I 19. b) Zwergen-Namen

I 19. c) Zusammenfassung

I 20.

Delling

in der germanischen Überlieferung

I 20. a) Der Name „Delling“

I 20. b) Zwergen-Namen

I 20. c) Zusammenfassung

I 21.

Draupnir

in der germanischen Überlieferung

I 21. a) Der Name „Draupnir“

I 21. b) Die Vision der Seherin

I 21. c) Gylfis Vision

I 21. d) Zwergen-Namen

I 21. e) Zusammenfassung

I 22.

Swaf

in der germanischen Überlieferung

I 22. a) Der Name „Svaf“

I 22. b) Fiölswin-Lied

I 22. c) Zusammenfassung

I 23.

Thror

in der germanischen Überlieferung

I 23. a) Der Name „Thror“

I 23. b) Nafna-Thulur

I 23. c) Grimnir-Lied

I 23. d) Grimnir-Lied

I 23. e) Die Vision der Seherin

I 23. f) Gylfis Vision

I 23. g) Zusammenfassung

I 24.

Alwis

in der germanischen Überlieferung

I 24. a) Der Name „Alwis“

I 24. b) Alwis-Lied

I 24. c) Ragnarsdrapa

I 24. d) Zusammenfassung

I 25.

Botewart

in der germanischen Überlieferung

I 25. a) Der Name „Boteward“

I 25. b) Brendans Reise

I 25. c) Zusammenfassung

I 26.

Althiof

in der germanischen Überlieferung

I 26. a) Der Name „Althiof“

I 26. b) Die Vision der Seherin

I 26. c) Die Vision der Seherin

I 26. d) Zwergen-Namen

I 26. e) Zusammenfassung

I 27.

Goldemar

in der germanischen Überlieferung

I 27. a) Der Name „Goldemar“

I 27. b) Goldemar

I 27. c) Anhang des „Heldenbuches“

I 27. d) Reinfried von Braunschweig

I 27. e) Zimmerische Chronik

I 27. f) Die Sage über Burg Hardenstein

I 27. g) Zusammenfassung

I 28.

Laurin

in der germanischen Überlieferung

I 28. a) Der Name „Laurin“

I 28. b) Die Laurin-Sage

I 28. c) Zusammenfassung

I 29.

Comandion

in der germanischen Überlieferung

I 29. a) Der Name „Comandion“

I 29. b) Demantin-Lied

I 29. c) Zusammenfassung

I 30. Zusammenfassung: Der Zwergenkönig

I 30. a) Die Eigenschaften des Zwergenkönigs

I 30. b) Der „Stammbaum“ des Zwergenkönigs

Der Zwergenkönig bei anderen Völkern

Die Biographie des Zwergenkönigs

Das Aussehen des Zwergenkönigs

Hymne an den Zwergenkönig

V 1. Das Lied des Zwergenkönigs

V 1. a) Gesang des Austri

V 1. b) Gesang des Sudri

V 1. c) Gesang des Westri

V 1. d) Gesang des Nordri

Traumreise zu dem Zwergenkönig

Der Zwergenkönig heute

Themenverzeichnis

I Der Zwergenkönig in der germanischen Überlieferung

Der Zwergenkönig ist eine der vielfältigeren Gestalten aus der germanischen Mythologie. Ein Zwerg ist ein Toter – das germanische Substantiv „dwergaz“ bedeutet wörtlich „Totengeist“. Der König der Totengeister ist der Sonnengott-Göttervater Tyr in der Unterwelt.

Diese Funktion des ehemaligen Göttervaters Tyr ist nach seiner Absetzung durch Thor und Odin um 500 n.Chr. in den Hintergrund getreten und in viele einzelne Facetten und Gestalten zerfallen.

Dadurch, daß man alle diese Zwergenkönige in einem Bild zusammenfassen kann, läßt sich das ursprüngliche Bild des „Totenkönigs“ jedoch weitestgehend wieder rekonstruieren.

Derselbe Zerfalls- und Umdeutungsprozeß wie bei dem Zwergenkönig läßt sich auch bei „Tyr in der Unterwelt“ als Riese beobachten – wobei es bei dem Zwergenkönig im Vergleich zu dem Tyr-Riesen nur sehr wenige Umdeutung gibt.

Ein weiteres verwandtes Motiv ist der „Friedenskaiser im Berg“, der einst aus dem Berg zurückkehren soll. Der bekannteste „schlafenden Kaiser“ ist Kaiser Friedrich Barbarossa im Kyffhäuser. Der zyklische Wechsel von Tod und Wiedergeburt des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr ist in der Barbarossa-Sage noch deutlich zu erkennen.

I 1. Alberich in der germanischen Überlieferung

Alberich ist den Mythen und Sagen der Germanen meistens, aber nicht immer ein Zwerg, der einige magische Gegenstände besitzt.

I 1. a) Der Name „Alberich“

Dieser Name ist eigentlich ein Titel und bedeutet „König der Alfen“. Die „Alfen“ sind die Totengeister in Muspelheim im Süden, das ursprünglich vermutlich „Alfheim“ genannt worden ist. Nachdem der ehemalige Sonnengott-Göttervater Tyr um 500 n.Chr. von Thor, Odin und Freyr gestürzt worden war, erhielt Freyr dieses „Alfen-Jenseits“ als seinen Anteil an der Beute. Ab dem Zeitpunkt wurde „Alfheim“ als die Halle des Gottes Freyr aufgefaßt.

Die Bezeichnung „Alfen“ für die Totengeister bedeutet „Weiße, Leuchtende“ und bezieht sich vermutlich zum einen auf die hellsichtige Wahrnehmung von Totengeistern als leuchtende, milchigweiße Schemen und zum anderen auf das „helle Jenseits“ des Tyr am südlichen Himmel (siehe „Asgard“ in Band 52).

„Alberich“ ist somit der „König der Totengeister im hellen, südlichen Himmelsjenseits“ oder, etwas kürzer formuliert, der „Totengott Tyr im Jenseits“. „Alberich“ ist daher auch ein Name des „Tyr-Riesen“ – auch wenn Tyr unter dem Namen „Alberich“ nicht als Riese, sondern nur als Mensch oder als Zwerg erscheint.

I 1. b) Wieland-Lied

Wieland der Schmied ist der ehemalige Göttervater Tyr, der in der Unterwelt (Toteninsel) von dem Jenseitsgott Loki (König Nidud) und seiner Frau Sigyn-Hel (König Niduds Frau) während des Winters, in dem Loki über die Welt herrscht, gefangen ist. Die Königin ist die Göttin, um die sich Tyr und Loki in den früheren Mythen endlos gestritten haben, da sie nur nach der Vereinigung mit ihr von ihr wiedergeboren und in das Diesseits zurückkehren konnten. Das Zerschneiden der Sehnen bei Wielands Gefangenschaft ist auch von dem griechischen Göttervater Zeus bei dessen Gefangenschaft in der Unterwelt durch die Riesenschlange Python bekannt.

Loki-Nidud, der hier als der Fürst („Drost“) der Niaren bezeichnet wird, nennt Tyr-Wieland „Weiser der Alfen“.

Da rief Nidud, der Niaren Drost:

„Wo erwarbst Du, Wölund, Weiser der Alfen,

Unsere Schätze in Ulfdalir?“

Die Schätze des Wieland sind vor allem sein Ring und sein Schwert. Der Ring ist nach Tyrs Absetzung in Odins Besitz übergegangen – er heißt „Draupnir“. Das Sonnen-Schwert des Tyr-Wieland ist u.a. auch von dem Tyr-Riesen Surtur bekannt.

Wölund:

„Hier war kein Gold wie auf Granis Wegen,

Fern ist dies Land den Felsen des Rheins.

Mehr der Kleinode mochten wir haben,

Da wir heil daheim in der Heimat saßen.“

Mit die „Felsen des Rheins“ ist die Loreley gemeint, von der aus der Nibelungenhort in den Rhein geworfen wurde.

König Nidud gab seiner Tochter Bödwild den Goldring, den er vom Baste gezogen in Wölunds Haus; aber er selber trug das Schwert, das Wölund hatte.

Der Ring als Symbol der Jenseitsreise wechselte bei dem Streit zwischen dem Göttervater Tyr und dem Jenseitsgott Loki je nach dem Kampfglück den Besitzer.

Der Ring gehörte eigentlich der Jenseitsgöttin, mit der sich der Göttervater und der Jenseitsgott vereinten (nachdem sie die Göttin dem jeweils anderen geraubt hatten), da sie nur durch diese Göttin anschließend an die Wiederzeugung wiedergeboren werden konnten.

Der Wechsel des Ringes zwischen Diesseits und Jenseits wird auch in der Mythe über Baldurs Tod beschrieben, in der Odin seinem Sohn Baldur den Ring Draupnir auf seinem Weg zur Hel mitgibt und der dann später von dem Schamanen-Priester und Odins-Sohn Hermodr als Gruß des Baldur an Odin wieder ins Diesseits gebracht wird.

Eine Variante dieses Themas ist die Mythe über den Streit zwischen Heimdall und Loki um Freyas goldenen Halsreif Brisingamen.

Ursprünglich ist dieser Ring ein Symbol der Sonne gewesen (siehe „Ring“ in Band 57).

Da sprach die Königin:

„Er wird die Zähne blecken vor Zorn, erkennt er das Schwert

Und unseres Kindes Ring.

Wild glühen die Augen dem gleißenden Wurm.

So zerschneidet ihm der Sehnen Kraft

Und laßt ihn sitzen in Säwarstad.“

Die Totengeister wurden als Schlangen oder Drachen aufgefaßt. Da die Germanen aufgrund der Bestattungsfeuer zudem die Vorstellung hatten, daß aus den Hügelgräbern Flammen loderten, wenn der Geist des Toten in ihnen anwesend war, ergab sich daraus das Motiv des Feuerdrachens, also des „gleißenden Wurmes“.

„Säwarstad“ ist eine Insel vor der schwedischen Küste. Ihr Name bedeutet vermutlich „Insel der Meeresgöttin“. Inseln waren bei den Germanen und auch bei den meisten anderen Völkern ein beliebtes Symbol für das Jenseits – die bekannteste von ihnen ist sicherlich Atlantis.

So wurde getan, ihm die Sehnen in den Kniekehlen zerschnitten und er in einen Holm gesetzt, der vor dem Strande lag und Säwarstad hieß. Da schmiedete er dem König allerhand Kleinode, und niemand getraute sich, zu ihm zu gehen als der König allein.

Ein „Holm“ ist eine Insel (wie z.B. in „Bornholm“).

Wölund sprach:

„Es scheint Nidud ein Schwert am Gürtel,

Das ich schärfte so geschickt ich mochte,

Das ich härtete so hart ich konnte.

Diese lichte Waffe ist mir entwendet:

Säh ich's nur Wölund zur Schmiede getragen!

Bödwild trägt nun meiner Getrauten

Roten Ring: rächen will ich das!“

Schlaflos saß er und schlug den Hammer;

Trug schuf er Nidud schnell genug.

Später in dem Lied spricht König Nidud-Loki Wieland mit „König der Alfen“ an:

„Bekenne mir, Wölund, König der Alfen,

Was ward aus meinen wonnigen Söhnen?“

Der Schmied Wieland ist somit mit „Alberich“ identisch und ist folglich „Tyr im Jenseits“ (siehe den Band 4 über „Wieland“).

I 1. c) Beowulf-Epos

Nun ward Beowulf schnell / in die Burg berufen,

Der siegreiche Held. / Von den Seinen begleitet

Ging der edle Kämpfer / bei Anbruch des Tages

Dorthin, wo der Greis / grübelnd weilte,

Ob vom Unheil endlich / der Albenkönig,

Der Lenker der Welt / ihn erlösen würde.

Das angelsächsische „alf walda“ entspricht dem altnordischen „alfregin“ (Alberich, Elberich), was „Alfen-König“ bedeutet.

Hier ist diese alter Titel des Tyr offenbar für den christlichen Gott benutzt worden – was zeigt, daß er einst für den germanischen Göttervater benutzt worden sein muß, denn sonst hätte man diesen Titel nicht auf den christlichen Gott Vater übertragen können.

I 1. d) Die Saga über Hervor und König Heidrek den Weisen

Alf war der König, der über Alfheim herrschte. Alfhild war seine Tochter. Alfheim lag zwischen dem Goten-Fluß und dem Raum-Fluß.

An einem Herbsttag veranstaltete König Alf ein großes Disen-Opfer und Alfhild ging zu den Opferungen. Sie war schöner als alle Frauen und auch alle anderen Leute in Alfheim waren schöner anzusehen als andere Menschen zu jener Zeit. Aber in der Nacht, als sie den Altar rötete, raubte Starkad Ala-Krieger die Alfhild und nahm sie mit zu sich heim.

„König Alf“ wird der ehemalige Göttervater Tyr als „Alberich“ sein, da „König Alf“ und „Alfen-König“ miteinander identisch sein werden.

Alfs Tochter Alfhild wird die Jenseitsgöttin sein, die oft zu der Tochter des Göttervaters umgedeutet worden ist.

I 1. e) Wie Norwegen besiedelt wurde

Alfi der Alte herrschte über Alfheim. Er war der Vater des Alfgeir, Vater des Gandalf, Vater der Alfhilda; Alfhilda war die Mutter des Ragnar Lodbrök, Vater des Sigurd Schlangen-Auge, Vater der Aslaug, Mutter des Sigurd Hirsch, Vater der Ragnhild, Mutter von Harald Haarschön.

Auch „Alf der Alte“, der als „Herrscher von Alfheim“ ein König ist, wird der „alte Tyr in der Unterwelt (Alfheim)“, also „Alberich“ sein.

I 1. f) Grimnir-Lied

Nach der Absetzung des Tyr als Götterkönig der Germanen erhielt Freyr Tyrs Halle „Alfheim“ und wurde dadurch auch zu einem „König von Alfheim“, d.h. zu einem „Alberich“ – auch wenn Freyr nirgendwo so genannt wird.

Alfheim gaben dem Freyr die Götter im Anfang

Der Zeiten als Zahngeschenk.

I 1. g) Nibelungenlied

In dieser Saga erscheint Alberich an mehreren Stellen in der Gestalt eines Zwerges.

Von wilden Gezwergen hab ich hören sagen,

Daß sie in hohlen Bergen wohnen und Schirme tragen,

Die heißen Tarnkappen, von wunderbarer Art;

Wer sie am Leibe trage, der sei gar wohl darin bewahrt

Vor Schlägen und vor Stichen; ihn mög' auch niemand sehn,

So lang er drin verweile; hören doch und spähn

Mag er nach feinem Willen, daß niemand ihn erschaut;

Ihm wachsen auch die Kräfte, wie uns die Märe vertraut.

Die Tarnkappe führte Siegfried mit hindann,

Die der kühne Degen mit Sorgen einst gewann

Von einem Gezwerge mit Namen Alberich.

Da schickten sich zur Reise Recken kühn und ritterlich.

Wenn der starke Siegfried die Tarnkappe trug,

So gewann er drinnen der Kräfte genug,

Zwölf Männer Stärke, so wird uns gesagt.

Er erwarb mit großen Listen diese herrliche Magd.

Auch war so beschaffen die Nebelkappe gut,

Ein Jeder mochte drinnen tun nach seinem Mut,

Was er immer wollte, daß ihn doch niemand sah.

Damit gewann er Brunhild, durch die ihm bald viel Leid geschah.

Die „Tarnkappe“ ist keine „Kappe“, sondern im alten Sinne dieses Wortes ein „Cape“, also ein Umhang. Die Unsichtbarkeit, die dieser Umhang verleiht, ist eine Analogie zu der der Darstellung der Seele als Vogel: Wenn die Seele (Astralkörper) den physischen Leib verläßt, ist sie unsichtbar und schwebt („wie ein Vogel“) über dem physischen Körper. Als Seele ist man zudem unverletzlich, da man keinen physischen Körper mehr hat, der verletzt werden könnte.

Eine Seherin, ein Priester, ein Schamane oder eine andere Person, die in der Lage ist, mit der eigenen Seele willentlich den eigenen Körper zu verlassen und an einen anderen Ort zu reisen, ist während dieser Zeit unsichtbar. Das führte durch die schon damals bestehende Neigung zu „technischen Erklärungen“ von magischen Fähigkeiten zu dem Motiv des Unsichtbarkeits-Umhanges.

Die Bezeichnung „Nebelkappe“, d.h. „Nebelumhang“ ist zum einen ein Bild dafür, daß sein Träger unsichtbar ist, d.h. „wie im Nebel geht“, und zum anderen dafür, daß er ein Wesen des Jenseits ist, das man als „Nebelheim“ bezeichnete.

Als Symbol der Eigenschaften der Seele befindet sich dieser Mantel logischerweise im Besitz der Zwerge, die die Totengeister sind. Der Held erhält diesen Mantel nach seiner Jenseitsreise.

Auch Mannanan McLir, der keltische Gott der Meeresunterwelt, der dem germanischen Meeresjenseits-Riesen Hler entspricht, besitzt solch einen Unsichtbarkeits-Umhang.

Dazu die reichen Könige die schlug er beide tot.

Er kam durch Albrichen darauf in große Not:

Der wollte seine Herren rächen allzuhand,

Eh er die große Stärke noch an Siegfrieden fand.

Mit Streit bestehen konnt ihn da nicht der starke Zwerg.

Wie die wilden Leuen liefen sie an den Berg,

Wo er die Tarnkappe Albrichen abgewann:

Da war des Hortes Meister Siegfried der schreckliche Mann.

Die sich getraut zu fechten, die lagen all erschlagen.

Den Schatz ließ er wieder nach dem Berge tragen,

Dem ihn entnommen hatten, die Niblung untertan.

Alberich der Starke das Amt des Kämmrers gewann.

Er mußt ihm Eide schwören, er dien ihm als sein Knecht,

Zu aller Art Diensten ward er ihm gerecht.

Alberich bleibt in der Saga der Hüter des Schatzes. Dieser Schatz hat seinen Ursprung in den Grabbeigaben, die die Wikinger beim Plündern in den Hügelgräbern fanden. Auch das Motiv des „Drachens auf dem Schatz“ hat seinen Ursprung in dem Grabschatz, den man dem Toten in sein Grab mitgegeben hatte. Dieser Totengeist wurde zu einer Schlange bzw. zu einem Drachen und lag dann als Wächter auf seinem Schatz.

… … …

Später in dieser Sage wird noch einmal über Alberich berichtet. Während Siegfried in der vorigen Textstelle dem Alberich den Unsichtbarkeits-Umhang („Tarnkappe“) raubte, besitzt er ihn in der folgenden Stelle bereits, als er dem Alberich begegnet:

Von dannen ging da Siegfried zum Hafen an den Strand

In seiner Tarnkappe, wo er ein Schifflein fand.

Darin stand verborgen König Siegmunds Kind:

Er führt' es bald von dannen, als ob es wehte der Wind.

Den Steuermann sah niemand, wie schnell das Schifflein floß

Von Siegfriedens Kräften, die waren also groß.

Da wähnten sie, es trieb es ein eigner starker Wind:

Nein, es führt' es Siegfried, der schönen Sieglinde Kind.

Nach des Tags Verlaufe und in der einen Nacht

Kam er zu einem Lande von gewaltger Macht:

Es war wohl hundert Rasten und noch darüber lang,

Das Land der Nibelungen, wo er den großen Schatz errang.

Der Held fuhr alleine nach einem Werder breit:

Sein Schiff band er feste, der Ritter allbereit.

Er fand auf einem Berge eine Burg gelegen

Und suchte Herberge, wie die Wegemüden pflegen.

Da kam er vor die Pforte, die ihm verschlossen stand:

Sie bewachten ihre Ehre, wie Sitte noch im Land.

Ans Tor begann zu klopfen der unbekannte Mann:

Das wurde wohl behütet; da traf er innerhalben an

Einen Ungefügen, der da der Wache pflag,

Bei dem zu allen Zeiten sein Gewaffen lag.

Der sprach: „Wer pocht so heftig da draußen an das Tor?“

Da wandelte die Stimme der kühne Siegfried davor

Und sprach: „Ich bin ein Recke: tut mir auf alsbald,

Sonst erzürn ich etlichen hier außen mit Gewalt,

Der gern in Ruhe läge und hätte sein Gemach.“

Das verdroß den Pförtner, als da Siegfried also sprach.

Der kühne Riese hatte die Rüstung angetan,

Den Helm aufs Haupt gehoben, der gewaltge Mann:

Den Schild alsbald ergriffen und schwang nun auf das Tor.

Wie lief er Siegfrieden da so grimmig an davor!

Wie er zu wecken wage so manchen kühnen Mann?

Da wurden schnelle Schläge von seiner Hand getan.

Der edle Fremdling schirmte sich vor manchem Schlag;

Da hieb ihm der Pförtner in Stücke seines Schilds Beschlag

Mit einer Eisenstange: so litt der Degen Not.

Schier begann zu fürchten der Held den grimmen Tod,

Als der Türhüter so mächtig auf ihn schlug.

Dafür war ihm gewogen sein Herre Siegfried genug.

Sie stritten so gewaltig, die Burg gab Widerhall:

Man hörte fern das Tosen in König Niblungs Saal.

Doch zwang er den Pförtner zuletzt, daß er ihn band;

Kund ward diese Märe in allem Nibelungenland.

Das Streiten hatte ferne gehört durch den Berg

Alberich der kühne, ein wilder Zwerg.

Er waffnete sich balde und lief hin, wo er fand

Diesen edeln Fremdling, als er den Riesen eben band.

Alberich war mutig, dazu auch stark genug.

Helm und Panzerringe er am Leibe trug

Und eine schwere Geißel von Gold an seiner Hand.

Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand.

Sieben schwere Knöpfe hingen vorn daran,

Womit er vor der Linken den Schild dem kühnen Mann

So bitterlich zergerbte, in Splitter ging er fast.

In Sorgen um sein Leben geriet der herrliche Gast.

Die „Geißel“ scheint eine Art Morgenstern mit sieben „Sternen“ zu sein, also mit sieben Kugel mit eingefügten Nägeln o.ä., die an Ketten an der Spitze des Stabes der Geißel hängen.

Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang:

Da stieß er in die Scheide eine Waffe, die war lang.

Seinen Kammerwärter wollt er nicht schlagen tot:

Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.

Mit den starken Händen Albrichen lief er an,

Und erfaßte bei dem Barte den altgreisen Mann.

Den zuckt' er ungefüge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz.

Des jungen Helden Züchtigung ging Alberichen ans Herz.

Laut rief der Kühne: „Nun laßt mir das Leben:

Und hätt ich einem Helden mich nicht schon ergeben,

Dem ich schwören mußte, ich war ihm untertan,

Ich dient euch, bis ich stürbe,“ so sprach der listige Mann.

Er band auch Alberichen wie den Riesen eh:

Siegfriedens Kräfte taten ihm gar weh.

Der Zwerg begann zu fragen: „Wie seid ihr genannt?“

Er sprach: „Ich heiße Siegfried: ich wähnt, ich wär euch bekannt.“

„So wohl mir diese Kunde,“ sprach da Alberich,

„An euern Heldenwerken spürt ich nun sicherlich,

Daß ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein.

Ich tu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn.“

Da sprach der Degen Siegfried: „So macht euch auf geschwind

Und bringt mir her der Besten, die in der Veste sind,

Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn.

So laß ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn.“

Der „Tarnkappe“ genannte Unsichtbarkeits-Umhang wurde auch als „Nebel-Umhang“ bezeichnet, was ihn als „Jenseits-Gegenstand“ kennzeichnet.

Alberich ist als „Alfenkönig“ der König des Totenreichs. Seine Burg wird daher ursprünglich ein Hügelgrab gewesen sein.

Die „Nibelungen“ sind „Nebel-Leute“, d.h. „Jenseits-Männer“ und somit Tote, also Zwerge.

Daß Alberich („Totenkönig“) der König der Nibelungen („Jenseits-Männer“) ist, ergibt sich schon aus den beiden Namen.

Später wurde aus Alberich und seinen tausend Nibelungen Odin und die wilde Jagd.

Albrichen und den Riesen löst' er von dem Band.

Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand.

Sorglich erweckt' er die in Niblungs Lehn

Und sprach: „Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt zu Siegfrieden gehn.“

Diese Szenerie wird die in die Sage übertragene Jenseitsreise des Sigurd-Siegfried sein. Alberich ist der Göttervater Tyr im Jenseits, dem der angehende König bzw. Held im Jenseits begegnete. In der Nibelungen-Sage ist Sigurd-Siegfried nicht mehr der Schützling des Tyr-Alberich, sondern seines Nachfolgers Odin (siehe den Band 38 über „Sigurd/Siegfried“).

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Siegfried benutzte seinen Unsichtbarkeits-Umhang noch ein zweites mal. Die folgende Szene ist die Sagen-Version der Reise des Odin zu Gunnlöd, also das Treffen des Jenseitsreisenden mit der Jenseitsgöttin als der Wiederzeugungs-Geliebten.

Da diese Reise in das Jenseits von der Seele unternommen wurde und nicht von dem physischen Leib, war man bei dieser Reise wie Sigurd unsichtbar. Auch die Totengeister, also die Zwerge, sind unsichtbar.

Da die Zwerge bereits tot waren und keinen physischen Leib mehr hatten und somit auch nicht mehr verletzt werden konnten, entstand das Motiv, daß der Unsichtbarkeits-Umhang auch unverletzbar machte. Eine andere Version dieses Motivs ist die Unverletzbarkeit des Siegfried, nachdem er sich mit dem Drachenblut eingerieben hatte und dadurch symbolisch gesehen zu einem Drachen, also zu einem Totengeist geworden war.

Wieder neue Märe erhob sich überm Rhein:

Man sagte sich, da wäre manch schönes Mägdelein.

Sich eins davon zu werben sann König Gunthers Mut.

Das dauchte seine Recken und die Herren alle gut.

Es war eine Königin gesessen überm Meer,

Ihr zu vergleichen war keine andre mehr.

Schön war sie aus der Maßen, gar groß war ihre Kraft;

Sie schoß mit schnellen Degen um ihre Minne den Schaft.

Den Stein warf sie ferne, nach dem sie weithin sprang;

Wer ihrer Minne begehrte, der mußte ohne Wanken

Drei Spiel' ihr abgewinnen, der Frauen wohlgeboren;

Gebrach es ihm an Einem, so war das Haupt ihm verloren.

Die Königstochter hatte das manchesmal getan.

Das erfuhr am Rheine ein Ritter wohlgetan.

Der seine Sinne wandte auf das schöne Weib.

Drum mußten bald viel Degen verlieren Leben und Leib.

Als einst mit seinen Leuten saß der König hehr,

Ward es von allen Seiten beraten hin und her,

Welche ihr Herr sich sollte zum Gemahl erschaun,

Die er zum Weibe wollte und dem Land geziemte zur Fraun.

Da sprach der Vogt vom Rheine: „Ich will an die See

Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh.

Um ihre Minne wag ich Leben und Leib,

Die will ich verlieren, gewinn ich nicht sie zum Weib.“

„Das möcht ich widerraten,“ sprach Siegfried wider ihn:

„So grimmiger Sitte pflegt die Königin,

Um ihre Minne werben, das kommt hoch zu stehn:

Drum mögt ihrs wohl entraten, auf diese Reise zu gehn.“

Da sprach der König Gunther: „Ein Weib ward noch nie

So stark und kühn geboren, im Streit wollt ich sie

Leichtlich überwinden allein mit meiner Hand.“

„Schweigt,“ sprach da Siegfried, „sie ist euch noch unbekannt.

Und wären eurer viere, die könnten nicht gedeihn

Vor ihrem grimmen Zorne: drum laßt den Willen sein,

Das rat ich euch in Treuen: entgeht ihr gern dem Tod,

So macht um ihre Minne euch nicht vergebliche Not.“

„Sei sie so stark sie wolle, die Reise muß ergehn

Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn.

Ihrer hohen Schönheit willen gewagt muß es sein:

Vielleicht daß Gott mir füget, daß sie uns folgt an den Rhein.“

„So will ich euch raten,“ begann da Hagen,

„Bittet Siegfrieden, mit euch zu tragen

Die Last dieser Sorge; das ist der beste Rat,

Weil er von Brunhilden so gute Kunde doch hat.“

Er sprach: „Viel edler Siegfried, willst Du mir Helfer sein

Zu werben um die Schöne? Tu nach der Bitte mein;

Und gewinn ich mir zur Trauten das herrliche Weib,

So verwag ich Deinetwillen Ehre, Leben und Leib.“

Zur Antwort gab ihm Siegfried, König Siegmunds Sohn:

„Ich will es tun, versprichst Du die Schwester mir zum Lohn,

Kriemhild die schöne, eine Königin hehr:

So begehr ich keines Dankes nach meinen Arbeiten mehr.“

„Das gelob ich,“ sprach Gunther, „Siegfried, Dir an die Hand.

Und kommt die schöne Brunhild hieher in dieses Land,

So will ich Dir zum Weibe meine Schwester geben:

So magst Du mit der Schönen immer in Freuden leben.“

Des schwuren sich Eide diese Recken hehr.

Da schuf es ihnen beiden viel Müh und Beschwer,

Eh sie die Wohlgetane brachten an den Rhein.

Es mußten die Kühnen darum in großen Sorgen sein.

... ... ...

Als man des Schatzes willen vom Rhein Krimhilde kommen sah,

Alberich der Kühne sprach zu den Freunden da:

„Wir dürfen ihr wohl billig den Hort nicht entziehn,

Da sein als Morgengabe heischt die edle Königin.

Dennoch sollt es nimmer,“ sprach Alberich, „geschehn,

Müßten wir nicht leider uns verloren sehn

Die gute Tarnkappe mit Siegfried zumal,

Die immer hat getragen der schönen Kriemhild Gemahl.

Nun ist es Siegfrieden leider schlimm bekommen,

Daß die Tarnkappe der Held uns hat genommen,

Und daß ihm dienen mußte all dieses Land.“

Da ging dahin der Kämmerer, wo er die Schlüssel liegen fand.

Da standen vor dem Berge, die Kriemhild gesandt,

Und mancher ihrer Freunde: man ließ den Schatz zur Hand

Zu dem Meere bringen an die Schiffelein

Und führt' ihn auf den Wellen bis zu Berg in den Rhein.

Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen:

Zwölf Leiterwagen konnten ihn kaum von dannen tragen

In vier Tag und Nächten aus des Berges Schacht,

Hätten sie des Tages den Weg auch dreimal gemacht.

Es war auch nichts anders als Gestein und Gold.

Und hätte man die ganze Welt erkauft mit diesem Gold,

Um keine Mark vermindern möcht es seinen Wert.

Wahrlich Hagen hatte nicht ohne Grund sein begehrt.

Der Wunsch lag darunter, ein golden Rütelein:

Wer es hätt erkundet, der möchte Meister sein

Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann.

Von Albrichs Freunden zogen mit Gernot Viele hinan.

Die „goldene Rute“, die seinem Besitzer Macht über die ganze Welt gab, entspricht vermutlich u.a. dem Zauberstab des keltischen Gottes Mannanan McLir, der mit seinem Stab Menschen und Götter töten und wieder zum Leben erwecken konnte.

Es ist denkbar, daß die „goldene Rute“ auch Odins Ring Draupnir entspricht, da der Schatz nicht weniger wird, wenn man etwas von ihm fortnimmt.

Als Gernot der Degen und der junge Geiselher

Des Horts sich unterwanden, da wurden sie auch Herr

Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:

Die mußten ihnen dienen zumal durch Furcht und Gewalt.

Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land,

Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand,

Kammern und Türme die wurden voll getragen;

Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder sagen.

Dieser „Nibelungen-Hort“ ist ursprünglich der Grabschatz in dem Hügelgrab des ehemaligen Sonnengott-Göttervaters Tyr gewesen – der natürlich der größte aller Schätze gewesen ist.

Da „Gold“ oft als „Sonne im Meer“ umschrieben worden ist, ist der Sonnengott in seinem Grab natürlich das größte „Gold“, das überhaupt in einem Grab sein kann. Dieser Schatz liegt in dem Berg des Alberich, der der ehemalige Sonnengott-Göttervater in der Unterwelt, d.h. in seinem Grab ist.

Das wertvollste in diesem Schatz ist der goldene Ring Draupnir, der ursprünglich das Symbol der Sonne und ihrer Wiedergeburt gewesen ist – er ist der „Ring der Nibelungen“.

I 1. h) Das Ortnit-Lied

In der Sage über König Ortnit von Lampart wird die Begegnung des Helden mit dem Zwerg Alberich sehr viel ausführlicher geschildert.

Die Bedeutung des Männernamens „Ortnit“ ist unsicher; möglicherweise setzt er sich aus „Odd“ für „Schwert“ und „nid“ für „Neid, Groll, Missetat“ zusammen.

Das Land „Lampart“ ist die heutige Lombardei. Die Hauptstadt von Ortnits Reich war die Stadt Garda („befestigter Ort“) am Gardasee, die in den folgenden Versen „Garten“ genannt wird. Der Gardasee wird entsprechend als „Gartensee“ bezeichnet. Nach seinem Reich „Lampart“ wird König Ortnit auch der „Lamparter“ genannt.

„Mir träumt' ein Abenteuer: / Vor einer Felsenwand

Da sollt ich gewinnen / ein gutes Sturmgewand.“

Mit klagenden Worten / sprach das edle Weib:

„Sohn, willst Du das nicht lassen, / so verlierst Du Leben und Leib.“

Ein „Sturmgewand“ ist eine Ritterrüstung. „Vor einer Felsenwand“ klingt zwar so, als ob Ortnit die Rüstung in den Bergen findet würde, aber mit „Berg“ wird ein - gemeint sein.

Ortnits Mutter erkennt die Gefahr, die mit der Suche nach dieser Rüstung verbunden ist. Ein die Zukunft vorhersehender Traum, ein Orakel oder eine Vision ist die Standard-Eröffnung von germanischen Mythen und Sagen.

Da sprach der Lamparter: / „Frau und Mutter mein,

Es mag ohn alles Unglück / ein Mann wohl nimmer sein.

Dem ich mich befehle, / der möge mich bewahren,

Geruht hab ich mich lange, / ich will wieder irre fahren.

Ich bin auf Abenteuer / nun lange nicht geritten:

Frau und liebe Mutter, / ihr sollt mir Heil erbitten.

Ich hab' Euch nie erzürnet; / doch also steht mein Sinn:

Und wehrt Ihr mir die Reise, / so will ich gleichwohl dahin.

Bringt mir meine Ringe,“ / sprach der kühne Mann,

„Ich muß auf Abenteuer / reiten in die Tann'.

Mir ist so leicht zu Mute, / gewiß gelingt mir wohl;

Auf alle Weis' ein Biedrer / sein Heil versuchen soll.“

Mit den „Ringen“ ist die aus Metallringen zusammengesetzte Rüstung König Ortnits gemeint.

Die „Tann'“ sind die „Tannen“, d.h. der Wald.

Da sprach seine Mutter: / „Willst Du in Sorgen leben

Und Abenteuer suchen, / ein Ding will ich Dir geben,

So wert, daß Du mir immer / mußt desto holder sein:

Wenn Du von hinnen reitest, / so nimm dies Ringelein.

Ich gebe Dir das Ringelein, / das lichte rote Gold;

Gibst Du es anders jemand, / so werd' ich nie Dir hold.“

Da sprach der Lamparter: / „Ich schwör' Euch einen Eid,

Ich geb es anders niemand: / Ich seh, es wär euch Leid.“

Als er das kleine Ringelein / empfing und recht besah,

Er schaut' es an gar lange, / mit Lachen sprach er da:

„Nun nimmt mich immer Wunder, / liebe Mutter mein,

Warum ihr also liebet / dieses kleine Ringelein?“

Sie sprach: „Du weist noch wenig / von dem kleinen Ringelein;

Gib es nicht weg und würden / auch alle Reiche Dein.

Das Gold ist wenig nütze, / doch ist der Stein so stark,

Es frommt in diesem Jahre / Dir wohl achtzigtausend Mark.

Das Ringlein ist so kleine, / es dünkt Dich wenig wert;

Doch suchst Du Abenteuer / wie es Dein Herz begehrt,

Wenn Du von hinnen reitest, / so laß es nicht zu Haus;

Du findest Abenteuer, / die wirkt der Stein Dir aus.

Wenn Du von Garten reitest, / so kehr zur linken Hand,

Durch Wälder und Gebirge / zu Tal die Felsenwand

Und merke wo die Linde / auf einem Anger steht

Und gar ein kühler Brunnen / aus der Steinwand geht.

Grün ist die Linde, / der Anger ist nicht schmal,

Fünfhundert Rittern schattete / der Baum wohl auf Mal.

Und kommst Du zu der Linden, / so magst Du selbst gestehn,

Sollst Du Abenteuer finden, / so muß es hier geschehn.“

Mit Dank schied der Werte / da von der Mutter sein.

Sie sprach: „Du sollst nicht bergen, / Sohn, das Ringelein.

Wohin Du immer reitest, / so blink es offenbar:

Du findest Abenteuer, / es weist der Stein Dich dar.“

Die magischen Ringe der Germanen besaßen im Gegensatz zu dem Ring von Ortnits Mutter keinen gefaßten Stein.

Der riesige Baum mit dem Brunnen in seiner Nähe, zu dem ein magischer goldener Ring führt, ist offensichtlich die Weltesche Yggdrasil mit der Quelle Hvergelmir und der Ring Draupnir. Das Abenteuer, zu dem sich König Ortnit durch seinen Traum gerufen fühlt, scheint daher ursprünglich eine Jenseitsreise gewesen zu sein.

Diese Jenseitsreise könnte ein Hinweis darauf sein, daß diese Sage ihren Ursprung in den Tyr-Mythen hat, wozu auch der „Schwert-Name“ des Ortnit passen würde, da Tyr der Schwertgott gewesen ist.

Wenn diese Deutung zutreffen sollte, wäre Ortnits Mutter die Saga-Nachfolgerin der Jenseitsgöttin als der Wiederzeugungs-Geliebten und der Wiedergeburts-Mutter des Tyr. Zu dieser Auffassung paßt, daß sie ihrem Sohn den magischen Ring gibt.

Da schied der Lamparter / gar unverzagt hindann

Von der Burg zu Garten / und seinem ganzen Bann.

Das war den Getreuen / und den Biedern leid,

Daß er das verschmähte, / daß ihm jemand gab Geleit.

Der „Bann“ sind seine Untertanen und insbesondere die Männer auf seiner Burg. Auf diese Leute bezieht sich auch „Getreue“ („treue Männer“) und „Biedern“ („tapfere Männer“).

Da mied er das Gefilde, / wie ihn die Mutter bat,

Und wandte sich zur Wilde / wohl ohne Straß und Pfad.

Stets hielt er vor die Sonne / das Gold an seiner Hand,

Und ritt durch Dick und Dünne / zu Tal die Felsenwand.

Er kam in eine Aue / dort an dem Gartensee,

Da entsprangen auf der Heide / Blumen und süßer Klee.

Die Vögel sangen lieblich, / ihr Schallen wurde groß:

Die Nacht war ihm vergangen, / des Reitens ihn verdroß.

Am Morgen über Berge / die Sonne warf den Schein;

Er besah an seinem Finger / das Gold und auch den Stein.

Da fand er auf dem Anger / das grüne Gras geknickt,

Und sah mit kleinen Füßen / einen schmalen Pfad gedrückt.

Dem Pfade folgt er immer / zu Tal die Felsenwand,

Bis er den kühlen Brunnen / und auch die Linde fand,

Dazu die breite Heide / unter dem Lindenast:

Da saß auf grünem Reise / so mancher werte Gast.

Die sangen laut zur Wette / und kürzten sich die Zeit.

„Ich bin schon recht geritten,“ / sprach König Ortneit.

Da freute sich sein Herze, / daß er die Linde fand;

Er stieg von seinem Rosse / und nahm es an die Hand.

Den Baum beschaut' er lange, / sein Mund mit Lachen sprach:

„Das weiß wohl Gott im Himmel, / Du hast ein schönes Dach.

Es ging von einem Baume / nie so süßer Wind.“

Unter der Linde, / da sah er ein kleines Kind.

Diese Strophe, in denen Elberich dem König Ortnit wie ein Kind erscheint, ist möglicherweise die früheste Stelle, an der ein Zwerg als „klein“ beschrieben wird. Die Kleinheit der Zwerge, also der Totengeister, liegt folglich darin begründet, daß sie die wiedergeborenen Toten, d.h. Kinder sind.

Die Wiedergeborenen als Kinder sind ein sehr altes Motiv, das weit vor die Indogermanen zurückreicht, da es sich aus dem Motiv der Wiedergeburt fast zwangsläufig ergab. Dieses Motiv findet sich u.a. bei den Sonnengöttern der meisten Völker, die sich nachts im Jenseits in der Gestalt deines Stieres o.ä. mit der Muttergöttin als Kuh vereinen und daraufhin am Morgen von ihr als Kälbchen wiedergeboren werden.

Ihre Bärte, die zunächst einmal nicht zu diesem Bild passen und die in den frühen Texten auch nirgendwo erwähnt werden, sind vermutlich aus der Vorstellung, daß die Toten im Jenseits immer älter werden, weil sie dort ja nicht noch einmal sterben können. Daraus ergab sich das Motiv der „alten Kinder“, d.h. der „kleinen, bärtigen Menschen“.

Das hatte sich gar artig / hier in das Gras geschmiegt:

„Was für ein Kindlein ist es,“ / gedacht er, „das da liegt?“

Es trug an seinem Leibe / Gewand so wunderschön,

An keinem Fürstenkinde / wirds in der Welt gesehn.

Mit Gold und mit Gesteine / geziert war sein Gewand.

Als er das Kind alleine / unter der Linde fand:

„Weh, wo ist Deine Mutter,“ / sprach König Ortnit,

„Daß man Dich unbehütet / unter diesem Baume sieht?

Du trägst an Deinem Leibe / Gewand, das ist so gut,

Ich darf Dich nicht erwecken, / ich habe nicht den Mut.

Deiner Kindesschöne willen / wag ich Dir nichts zu tun;

Gern hätt ich Dich zum Sohne, / wollt es nur Gott geruhn.

In kindlicher Weise / vier Jahre scheinst Du alt;

Führt' ich Dich von hinnen, / was hülfe die Gewalt?

Mir brächt' es wenig Ehre, / niemand hütet Dein:

Wo ist nun Deine Mutter, / viel liebes Kindelein?“

Von Gold und von Gesteine / war das Gewand ihm gar;

Der König stund und schaute / seinen Leib und auch sein Haar.

Sein Leib und seine Hülle / schien ihm gar zu schön.

Es kam von einem Steine, / daß er es mochte sehn:

Den trug er allerwegen / mit dem Ring an seiner Hand.

Er stand mit sich im Streite, / da er es liegen fand.

Er sprach: „Du bist so lieblich, / auch ist Dein Kleid so gut:

Find ich Dich gleich alleine, / Du bist nicht ohne Hut.

Ich bin auf Abenteuer / geritten all die Nacht,

Nun hat mich Gott der Gute / zu der Linde hier gebracht.

Da ich Abenteuer suchend / hieher geritten bin,

Und nichts anders finde, / so mußt Du mit mir hin.“

Der Ring hat nicht nur die Gabe, König Ortnit zu dem Kind an der Felswand („Hügelgrab“ an dem (Welten-)Baum zu führen, sondern der Stein an dem Ring ermöglicht es dem König überhaupt erst, das Kind zu sehen.

Der Stein ist somit eine Entsprechung zu dem Unsichtbarkeits-Umhang, den Alberich dem Sigurd gab:

- der Umhang verbirgt einen Lebenden vor den anderen Lebenden, sodaß der Träger des Umhangs unsichtbar wie ein Totengeist wird,

- der Stein in dem Ring ermöglicht es einem Lebenden, die Toten zu sehen.

Der Stein ist eine Entsprechung zu dem blinden („toten“) Auge des Odin, mit dem er im Totenreich sehen kann.

Diese Wirkung des magischen Ringes hat auch der „Eine Ring“ in Tolkiens „Herr der Ringe“-Trilogie.

Das Motiv des Steines, der es ermöglicht, die Toten zu sehen, spielt auch in den beiden letzten Bänden des „Harry-Potter“-Romans eine große Rolle.

Sein Roß band der König / an den Lindenast;

Er sprach: „Ich muß versuchen / ob Du wen bei Dir hast.

Wie lange willst Du schlafen?“, / der Lamparter rief.

Der Kleine ließ ihn schauen, / daß er so fest doch nicht schlief.

Er wollt in Kindesweise / zu seinem Roß ihn tragen:

Da ward nach seinem Herzen / ein starker Schlag geschlagen.

„Wie schlägst Du ungefüge,“ / sprach der König hehr,

„So große Leibesstärke, / wo nimmst Du, Kind, sie her?

Du willst mir entrinnen, / das geht nicht so geschwind.“

Es verdroß den Großen, / daß er rang mit einem Kind.

Doch half dem seine Stärke, / daß er nicht weit es trug:

Wie stark das Kind den Großen / mit seinen Fäusten schlug!

Da sprach der Lamparter: / „Wer seine Feinde spart

Und seinen Freund erzürnet, / der ist nicht wohl bewahrt.

Er mag von ihnen beiden / wohl großen Schaden nehmen:

Kleiner Feinde, schmaler Wunden / darf sich ein Mann nicht schämen.

Wie bist Du ungefüge,“ / sprach er, „kleiner Gast?

Wie kommt Dir solche Stärke, / Kind, wie Du sie hast?

Du willst mir entrinnen; / ich halte Dich mit Zwang.“

Sich segnet' oft der Große, / da er mit dem Kleinen rang.

„Wie dünk ich Dich so wenig,“ / sprach da Elberich,

„Ich hieß ein reicher König / eh ich gesehen Dich.

Gesteint ist meine Krone, / das wisse nur, so reich,

Du magst sie nicht bezahlen / mit Deinem Königreich.“

Da sprach der Lamparter: / „Dem siehst Du wenig gleich,

Daß Deine Krone besser / wäre als mein Königreich.

Wie Du auch prahlen mögest, / es hilft Dir jetzt nicht mehr,

Ich nehme Dir das Leben,“ / so sprach der König hehr.

Der Große war im Zorne, / der Kleine sah es froh;

Der Kleine laut erlachte; / dem Großen war nicht so.

Ihm schuf zuletzt die Größe, / die Länge doch Gewinn:

Da betrog den Kleinen / sein allzu hochfährtger Sinn.

Seines Spottens willen / ward ihm der Preis genommen:

Er wär, wenn er nicht lachte, / nicht so zu Fall gekommen.

Der Große nahm den Kleinen / und warf ihn in das Gras:

Dem ward des Sieges Ehre, / weil er zu spotten vergaß.

Zwölf Männer Stärke / hatte der große Mann;

Doch zwang er kaum den Kleinen, / daß er ihm nicht entrann.

Da so er auf der Erde / vor ihm bezwungen lag,

Da griff er nach dem Schwerte, / und wollt ihm geben einen Schlag:

Der Schlag hätt ihm genommen / Leben und Leib.

Der Kleine sprach: „Du schlügest / besser wohl ein Weib.

Du pfändest mich zu teuer, / willst Du mich erschlagen:

Du magst mich lieber fangen, / wenn Du Ehre willst erjagen.“

Da sprach der Lamparter: / „So bin ich nicht gesinnt:

Wie brächt es mir wohl Ehre, / daß ich Dich fing, ein Kind?

Wollt ich Dich gefangen / mit mir führen hin,

Des spotteten die Leute, / weil ich der größere bin.

Will mein Schwert Dich schneiden, / so ist es Dein Tod;

Ich kam von einem Manne / nie in so große Not.

Du möchtest mich verraten, / ließ' ich Dich länger leben.“

„In Treuen,“ sprach der Kleine, / „ich will mich Dir gefangen geben.“

Da fiel er ihm zu Füßen / und fleht' ans Herzenskraft:

„Laß mich leben, Ortnit, / bei Deiner Ritterschaft!

So geb ich Dir zu Lohne / das beste Sturmgewand,

Das jemals auf Erden / jung oder alt wohl fand.

Wohl achtzigtausend Marken / ist die Brünne wert.

Zu diesem Halsberge / geb ich Dir ein Schwert,

Das jeden Panzer schneidet / als wär er nicht von Stahl;

Wie fest ein Helm auch wäre, / es schlüg ihm manch ein Mal.

Ich wähne, daß auf Erden / kein besser Schwert nun sei.

Ich bracht es aus dem Lande, / das heißet Almarei.

Es ist geziert mit Golde, / und lauter wie ein Glas;

Ich schufs in einem Berge, / der heißet Kaukasas.

Das Schwert will ich Dir geben: / Seine Farbe die ist licht;

Wie viel Du mit ihm streitest, / gewinnt es Scharten nicht.

Es ist geheißen Rose, / den Namen hat das Schwert;

Wo es Schwerter gilt zu ziehen, / da bist Du wohl bewehrt.

Zu dem Halsberge / gehört ein Beingewand,

All seine Ringe wirkt' ich / mit meiner eignen Hand.

Und geb ich Dir die Ringe, / so wirst Du ihnen hold:

Da ist kein Falsch zu finden, / es ist das lautre Gold.

Zu den lichten Ringen / wird Dir ein Helm so schön,

Daß man auf Kaisers Häupten / noch bessern nie gesehn.

Der solchen Helm darf tragen, / wie selig ist der Mann!

Da man in Meilenbreite / sein Haupt erschauen kann.

Zu allem dem Geschmeide / geb ich Dir einen Schild,

So festen und so starken, / gewiß, Du nennst mich mild,