Über das Hirtenamt - Heinrich W. J. Thiersch - E-Book

Über das Hirtenamt E-Book

Heinrich W. J. Thiersch

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Beschreibung

In diesem Werk referiert der Verfasser über das Priesteramt und den Weg dorthin. Dabei geht es ihm aber nicht um eine vollständige Darstellung der Aufgaben des geistlichen Amtes, sondern um einzelne Themen, wie zum Beispiel die Berufung, Priester zu werden, die Vorbereitung zur Ordination, das Priestergelübde und vieles mehr. Diese Themen behandelt Thiersch in sieben längeren Vorträgen.

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Über das Hirtenamt

 

Eine praktische Hilfe für die Praxis

 

HEINRICH W. J. THIERSCH

 

 

 

 

Über das Hirtenamt, H. W. J. Thiersch

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988681027

 

Textquelle: "Edition Albury - Sammlung Peter Sgotzai des Netzwerks Apostolische Geschichte e.V.", bei der wir uns sehr für die freundliche Genehmigung der Nutzung des Textes bedanken.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

VORWORT.. 1

I. ÜBER DIE ANBIETUNG UND BERUFUNG ZUM AMT.. 2

II. DIE VORBEREITUNG ZUR ORDINATION.. 9

III. DAS GESETZ VON DEN  GEBRECHEN DER PRIESTER.. 25

IV. DIE GELÜBDE BEI DER  ORDINATION ZUM PRIESTERAMT.. 34

V. DIE HOHE AUFGABE DES OBERHIRTEN-AMTES. 59

VI. ÜBER DIE PRIVATBEICHTE UND ABSOLUTION... 99

VII. ÜBER DIE CHRISTLICHE EHE.. 124

VORWORT

Es war seit einer Reihe von Jahren ein Teil meines Berufes, meinen Brüdern bei ihrer Vorbereitung für die verschiedenen Stufen des Amtes zu dienen. Indem ich den Inhalt der in solcher Absicht gehaltenen Vorträge aufzeichnete, sind diese sieben Abhandlungen entstanden. Ich stellte die fertige Handschrift meinen Vorgesetzten in dem HErrn zur Verfügung; sie ist von denselben nicht ungeeignet gefunden und die Vervielfältigung durch den Druck ist angeordnet worden.

Diese Arbeit ist nicht eine vollständige Darstellung der Aufgaben des geistlichen Amtes. Wer eine solche erwartet, wird gewaltige Lücken bemerken. Es fehlt die ganze Unterweisung über das Diakonenamt, nicht weil ich sie für weniger wichtig gehalten hätte, sondern weil sie bereits anderswo veröffentlicht worden ist. Es fehlen aus einem anderen Grunde die Erörterungen über die Aufgabe der Evangelisten und über die Pflege der geistlichen Gaben. Indem ich die Mehrzahl dieser Unterweisungen in meiner Stellung als Pastor in der allgemeinen Kirche erteilte, hatte ich den Evangelisten und den Propheten zur Seite, und es geziemte mir, die eben erwähnten Gegenstände diesen Dienern des HErrn anheimzustellen. Ebenso wenig habe ich das archidiakonale Gebiet, die Lehre von den Zehnten und Opfern, die richtigen Grundsätze für die Armenpflege usw. behandelt, und zwar in der Hoffnung, dass dies von archidiakonaler Seite geschehen werde. Gewiss wäre es vielen erwünscht und dankenswert, wenn von den Vertretern des evangelistischen, des prophetischen und des archidiakonalen Amtes ähnliche Aufzeichnungen den Brüdern übergeben würden, wie diese, welche vorzugsweise pastoralen Inhalts sind.

Darf ich hoffen, dass durch diese Arbeit etwas Gutes gestiftet werde? Ich wage es allein im Blick auf den HErrn, der sich einst herabgelassen hat, den Staub der Erde als Mittel zu gebrauchen, um einen Blinden sehend zu machen.

Basel, den 13. August 1880.

Der Verfasser

I. ÜBER DIE ANBIETUNG UND BERUFUNG ZUM AMT

Als der Apostel Paulus die Ältesten der Gemeinde von Ephesus um sich versammelte, um von ihnen Abschied zu nehmen und ihnen seine letzten Aufträge und Ermahnungen zu geben, da sprach er die Worte: „So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, unter welche euch der Heilige Geist gesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, welche Er durch sein eigenes Blut erworben hat“ (ApG. 20, 28). Ebenso erinnert er seinen geliebten Sohn Timotheus an die Weissagungen oder Worte des Heiligen Geistes, welche einst über ihn ergangen waren, er solle gemäß denselben den guten Kampf kämpfen, den Glauben und das gute Gewissen bis ans Ende festhalten. (1. Tim 1, 18-19). Die Diener des HErrn, welche Seine Gemeinde im Gebet vor Gott vertreten, sie mit himmlischen Gütern versorgen und auf den Weg des Lebens leiten sollen, müssen durch den Heiligen Geist hierzu berufen sein. Gott sei Dank, dass dieses nun wieder eine Tatsache und eine volle Wahrheit geworden ist, dass die Gemeinde nicht mehr solche Lehrer sich aufladen lassen muss, die ohne göttlichen Beruf, durch den Willen des Fleisches und in der Weise weltlicher Beamten, in den geistlichen Stand gekommen sind! Wohl uns, die wir einen Ruf des Heiligen Geistes vernommen haben! Lasst uns die Worte des Heiligen Geistes, die über einen jeden von uns ergangen sind, im Gedächtnis halten. Wie könnte uns eine dringendere Aufforderung zur Treue, wie könnte uns bei den Mühen und Sorgen des Amtes ein süßerer Trost zuteilwerden als dieser: nicht meine eigene Wahl, nicht die Gunst und der Entschluss eines Menschen hat mich auf diese Bahn gebracht, sondern ein Licht vom Himmel hat auf meinen irdischen Lebenspfad geleuchtet; mein Gott und Vater, der mich geschaffen hat und auf dessen Buch meine Tage geschrieben waren, als derselben noch keiner da war. Er hat mich. von Ewigkeit her dazu ausersehen und bestimmt, Sein Diener in dem heiligen Amte zu werden. Christus ist es, der jetzt vom Himmel aus diejenigen ruft, die an Seinem priesterlichen Wirken teilnehmen sollen, so gewiss und wahrhaftig wie Er einst, da Er sichtbar auf Erden wandelte, mit eigenem Munde Seine jünger berufen hat. O köstliche Mitgabe für den Lebensgang eines Dieners Gottes, für die Tage seines Kampfes und seiner Leiden! Denn wahrlich, solche Tage kommen, und sie müssen kommen, wo nichts Geringeres uns aufrechterhalten kann als diese Gewissheit: es ist der HErr, der mich auf diese Bahn gebracht hat; Gott hat mich gerufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach meinen Werken, sondern nach Seinem Vorsatz und Gnade, die mir gegeben ist in Christo Jesu vor der Zeit der Welt (2. Tim. 1, 9).

Wenn durch das Wort der Evangelisten eine Gemeinde zusammengebracht, wenn sie dem Hirtenamt feierlich übergeben worden ist, wenn sie den Besuch der Apostel und die Versiegelung mit dem Heiligen Geiste empfangen hat, dann ist es Zeit, dass die Ankündigung ergehe, es dürfen sich alle die Männer aus der Gemeinde melden, welche ein Verlangen in sich tragen, dem HErrn in irgendeiner Weise dienen und an Seinem heiligen Werke mitarbeiten zu dürfen. Es ist Sache des Engels, der über die Gemeinde wacht und für alles, was im Heiligtume vorgeht, Rechenschaft geben muss, die Brüder, welche sich anbieten wollen, zu prüfen und zu bestimmen, welche sich dazu eignen, vor dem HErrn dargestellt zu werden. Denn er ist es, der sie darzustellen und dem HErrn zu weihen hat.

Wie Abel von den Erstlingen seiner Herde Gott dem Herrn ein wohlgefälliges Opfer gebracht hat, so bringt Christus, der große Hirte der Schafe, die Erstlinge aus der von Ihm erlösten Menschheit dem Vater dar und weiht sie Ihm zum besonderen Eigentume. Wie nun solches im Großen und im Himmel geschieht, so soll es auch im Kleinen auf Erden geschehen. Die Männer, von denen wir die Überzeugung gewinnen, sie seien tauglich, etwas für den HErrn zu leisten, Seinem Namen Ehre zu machen und ein Segen für die Brüder zu werden, stellen wir dar vor Gott als die Erstlinge unter den Erstlingen. Clemens von Rom sagt, dass die Apostel die Erstlinge zu Bischöfen und Diakonen für die künftigen Gläubigen einsetzten. Dies waren Erstlinge, nicht nur nach der Zeit ihrer Bekehrung und Taufe, sondern in höherem Sinne solche, die vor anderen Gliedern der Herde sich eigneten, dem HErrn geweiht zu werden.

Wie der Gottesdienst überhaupt nicht eine Handlung des Engels oder des Priesters allein, sondern eine Tat der ganzen Gemeinde ist, wie das Opfer der heiligen Eucharistie unser gemeinsames Opfer ist und im Namen der ganzen Gemeinde dargebracht wird, so verhält es sich auch mit der Anbietung zum Amt. Der Engel vollbringt dieselbe nicht für sich und mit den wenigen, die dargestellt werden, abgelöst von der Gemeinde; die Gemeinde ist es, die vor dem HErrn erscheint; für sie ist der Tag der Anbietung ein Freudentag, sie darf aus ihrer Mitte das Beste, was sie hat, dem HErrn bringen und Ihn damit ehren.

Moses sagte einst zu den Kindern Israel: „Wo ist so ein herrliches Volk, zu dem Götter also nahe sich tun, wie der Herr unser Gott, so oft wir Ihn anrufen?“ (5. Mose 4, 7). Dies Wort gilt wohl von der Kirche zu allen Zeiten, aber es ist in besonderer Weise und in erhöhtem Maße wieder zur Wahrheit geworden, seitdem Gott das prophetische Amt aufs neue ins Leben gerufen und ihm die rechte Stelle im Heiligtum angewiesen hat. Durch dieses Amt antwortet Er Seinem Volke in übernatürlicher und wunderbarer Weise. Wir rufen den Allmächtigen an in Jesu Namen in kindlichem Vertrauen: „Blicke gnädig auf diese Erstlinge Deines Volkes und nimm an ihre Gelübde; rede zu uns, und berufe durch Dein Wort die, welche Du bestimmt hast zu Deinem priesterlichen Dienste.“ Der Allmächtige beschämt uns mit unserer Bitte und unserm Vertrauen nicht. Er kommt uns entgegen, Er tut sich nahe zu uns, Er offenbart Seine Gegenwart, Sein Geist gibt zu derselbigen Stunde dem Propheten Worte, die nicht aus menschlichem Willen oder menschlichem Verstande hervorgehen, Worte voll Weihe, Licht und Kraft. Der Geist, der alle Dinge erforscht, auch die Tiefen der Gottheit, der die geheimsten Gedanken des Menschen und die verborgenen Ratschlüsse des ewigen Gottes kennt, tut kund, was kein Mensch wissen oder vorher bestimmen kann, wer von Gott zum Genossen des Priestertums Melchisedeks ausersehen sei.

Wer könnte wohl anders als mit heiliger Scheu, mit Furcht und Zittern zu dieser heiligen Handlung schreiten! Einst sah Jesajas die Herrlichkeit des HErrn, die den Tempel erfüllte, und hörte den himmlischen Gesang der Seraphim: „Heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth.“ Da sprach Jesajas: „Wehe mir, ich vergehe, denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volke von unreinen Lippen.“ So muss es wohl auch uns zumute sein, wenn wir vor dem Herzenskündiger dargestellt werden. Darum legen die Kandidaten im Beginne der heiligen Handlung ihr Sündenbekenntnis ab, und Er, der einst de Jesajas entsündigt hat, spricht auch uns Vergebung und Friede zu, und heiligt unsere Lippen, so dass wir dann mit freudiger Zuversicht das Gelübde der Hingebung sprechen können, wie Jesajas. Er vernahm die Frage des HErrn: Wen soll ich senden, wer will unser Bote sein?“ und er antwortete: „Hier bin ich, sende mich!“

Möchte es doch niemand übersehen, was dies Gelübde zu bedeuten hat. Die Anbietung zum Amt ist eine selbstständige, gültige und folgenreiche Handlung, ob eine zum Priestertum darauffolgt oder nicht.

Auch wenn gar keine Weissagung zu derselben Stunde geschähe, so würde doch das Gelübde seine volle Gültigkeit behalten. Denn die Männer, die bei dieser Gelegenheit als Erstlinge aus der Gemeinde vor dem HErrn erscheinen, weihen sich Ihm und werden Ihm geweiht. Sie versprechen, die Zeit und Kraft, die Er ihnen verleiht, Seinem Dienst zu widmen, sei es im Priesteramt oder im Diakonat, oder auf einer anderen untergeordneten Stufe. Ein jeder stellt es ganz dem Herrn anheim, welche Stelle im Hause Gottes Er ihm anweisen will, ein jeder verspricht, mit der Verfügung, die der Herr durch den Apostel oder durch den Engel über ihn treffen wird, zufrieden zu sein. Die Kandidaten sind Männer, welche sich freuen, wenn sie irgendetwas für den Herrn tun dürfen. Sie sind solche, die, wie der Apostel sagt, sich zum Dienst der Heiligen verordnen (1. Korinther 16, 15). Sie tragen in ihrem Herzen, was David ausgesprochen hat: „Ich will lieber die Tür hüten in meines Gottes Hause, denn lange wohnen in der Gottlosen Hütten.“ Psalm 84, 11. Ein jeder bekennt es feierlich: „Ich bin nicht wert der geringsten Stelle in Deinem Hause; Dir zu dienen ist Seligkeit.“ Sie geloben, auch dann zufrieden und dankbar zu sein, wenn sie in ihrer gegenwärtigen Stellung bleiben sollen. Alles Fleisch sei stille vor dem Herrn.“ Der Ehrgeiz und das Gelüsten des Fleisches nach hohen Dingen darf sich nicht ins Allerheiligste eindrängen. Wenn wir uns dem Herrn zum Opfer bringen, so muss der alte Mensch mit seiner Torheit und Tücke gänzlich abgeschlachtet und in den Tod Christi dahingegeben werden; die eigene Ehre, das Fett des Opfers, muss von dem heiligen Feuer völlig verzehrt werden.

Ist jemand bei der Anbietung nicht berufen worden, so kann ihm gestattet werden, sich bei einer späteren Gelegenheit noch einmal vor dem HErrn darzustellen. Gesetzt aber, es erfolge kein Ruf und es würde auch kein aufmunterndes Wort des Geistes an den Kandidaten gerichtet, so wäre auch dies kein Grund für ihn, zaghaft und mutlos zu werden. Er darf in solchem Fall keinen Gefühlen der Unzufriedenheit Eingang gestatten, er muss sein Herz gegen die Einflüsterungen des Teufels verschlossen halten, jeden Gedanken des Argwohns gegen den Propheten, jeden Zweifel an der Weissagung muss er weit von sich wegweisen. Denn, wie gesagt, die Anbietung ist auch ohne prophetische Antwort an und für sich ein heiliges und gottgefälliges Werk. Lasst es volle Wahrheit in unseren Herzen sein, was der Engel im Namen der Kandidaten betet: Verleihe uns allen eine solche Versicherung Deiner Huld und Gegenwart, dass wir uns freudig in Deinen Willen fügen und uns Deiner gnädigen Annahme getrösten, ob Du jetzt einen dieser Deiner Knechte berufen wirst oder nicht.“

Als der HErr dem König David Ruhe gegeben hatte von allen seinen Feinden umher, da sprach David zu dem Propheten Nathan: „Siehe, ich wohne in einem Zedernhause und die Lade Gottes wohnet unter den Teppichen“, d.h. in einem hinfälligen Gezelt. David hatte den Wunsch, dem HErrn einen Tempel zu bauen. Dies sein Anerbieten wurde nun zwar von Gott nicht genehmigt, aber doch wurde er von Ihm, der das Herz ansieht, gnädig angenommen und des göttlichen Wohlgefallens versichert. „Solltest du mir ein Haus bauen, dass ich darinnen wohnte? Der HErr verkündigt dir, dass der HErr dir ein Haus bauen will. Dein Haus und dein Königreich soll beständig vor mir sein ewiglich“ (2. Sam. 7, 1-16). David dankte dem HErrn und getröstete sich der Zusicherung göttlicher Huld, wiewohl ihm versagt war, den Tempel zu bauen.

Die Anbietung darf nicht geschehen mit einem knechtischen Sinn, mit einem misstrauischen, zweifelhaften und lauernden Gemüt, nicht mit der unlauteren Absicht, auf außerordentlichem Wege zu erfahren, ob man einen gnädigen Gott habe oder nicht. Nein, sie muss vielmehr aus einem kindlichen, mit Gott versöhnten Herzen hervorgehen, aus der freudigen Zuversicht, dass Gott unsere Sünden getilgt, dass Er uns zu Seinen Kindern angenommen hat und uns um Jesu willen gnädig ist.

Die Anbietung zum Amt ist nicht zu betrachten wie eine bloße Anfrage, so dass wir, wenn die gewünschte Antwort nicht erfolgt, nach Hause gehen könnten, als wäre nichts vorgefallen und keine Änderung in unseren Obliegenheiten gegen Gott eingetreten. Wir tragen das Bewusstsein davon Gott hat mein Gelübde gehört, Er hat es nicht verschmäht, mein Opfer ist Ihm angenehm um Jesu Christi willen; ich halte nun eine erhöhte Verpflichtung, nicht mir selbst, sondern dem HErrn zu leben, und jede Gelegenheit, etwas für Ihn zu tun, die mir angewiesen wird, treulich zu benützen.

Erfolgt ein Ruf zum priesterlichen Amt, so ist es geziemend, dem HErrn mit freudigem Herzen zu danken und auf Ihn, der die Last auferlegt und der sie auch tragen hilft, zu vertrauen. Es ist Sache des Apostels zu bestimmen, wann die Ordination erfolgen soll. Die Apostel sind die Baumeister welche einem jeden Steine, wenn sie ihn gehörig zubereitet finden, seine Stelle in dem Tempel Gottes anzuweisen haben. Dazu ist ihnen der Auftrag und die nötige Weisheit von oben gegeben, und wir warten auf ihre Bestimmung. Gesetzt es käme in diesem Leben nicht dazu, dass ein zum Priesteramt Berufener die Weihe empfinge, so ist damit, wenn es ohne seine Schuld unterbleibt, der an ihn ergangene Ruf dennoch nicht vereitelt und nicht zur Unwahrheit geworden. Zwar wenn Menschen einen Menschen anstellen, so gilt die Anstellung nur für dieses zeitliche Leben, mit dem Eintritt des Todes oder der Wiederkunft Christi erlischt sie von selbst. Aber ganz anders verhält es sich, wenn Christus durch den Heiligen Geist Diener in Sein Priestertum beruft. Er ist der Priester in Ewigkeit nach der Weise Melchisedek, Er lebt und stirbt hinfort nicht mehr. So ist auch der Anteil an Seinem priesterlichen Wirken, den Er Seinen Dienern zukommen lässt, nicht auf dieses vergängliche Erdenleben beschränkt. Der Ruf des Heiligen Geistes behält seine Gültigkeit auch in dem zukünftigen herrlichen Reiche Christi. Der Tod ändert an unserer Berufung und an der Zusage des HErrn: du sollst mein Priester sein, gar nichts, und die Wiederkunft Christi in Herrlichkeit wird nur unserer Hinfälligkeit und Schwäche ein Ende machen, den Verheißungen Gottes aber zur Bestätigung dienen, und uns in eine bessere und vollkommenere Tätigkeit auf erhöhter Lebensstufe einführen. Die Gültigkeit der Berufung, auch abgesehen von der Ordination, wird von den Aposteln anerkannt, indem sie jeden, der einen solchen Ruf empfangen hat, einen berufenen Priester nennen, und sein Dienstalter nicht nach dem Tag der Weihe, sondern nach dem Tag der Berufung bestimmen.

Es ist in vergangener Zeit großer Fleiß angewendet und manche wohltätige Stiftung und Einrichtung ist getroffen worden, um Knaben und Jünglinge für den geistlichen Stand zu erziehen und vorzubereiten. Schon von früher Jugend an bringt man ihnen Kenntnisse bei, die ihnen einst im Amte zugute kommen sollen. Wir aber sind in der Lage, dass wir meist solche Männer dem HErrn zum Priesteramt anbieten, die keine theologische Vorschule durchgemacht haben. Wohl wäre es erwünscht, wenn wir alle die nützlichen Vorkenntnisse, die Übung und Ausbildung der natürlichen Fähigkeiten, wofür man anderwärts bedacht ist, verbinden könnte mit der Hingebung, die Gott gefällt, mit dem prophetischen Ruf und der apostolischen Weihe! Aber es verhält sich bei uns in der Regel anders; wir können es nicht ändern, und wir finden uns darein.

Als der HErr das Wort nahm und durch die Apostel das Zeugnis an die Vorsteher der Christenheit ablegen ließ, da wurde es kundgemacht, dass es nicht Seine Absicht sei, die Bischöfe und Geistlichen von ihren Stellen wegzustoßen, sondern vielmehr sie darin zu bestätigen und ihnen alles zu gewähren, was ihnen etwa noch mangelt an Licht und Kraft, um mit ihren Gemeinden die Versuchungen der letzten Zeit zu bestehen und vor dem HErrn, wann Er kommt, mit Freuden erscheinen zu können. Er hat auf die Geistlichen gewartet, in dem Verlangen sie zu segnen und als Werkzeuge Seines Heils zu gebrauchen. Er hat die wenigen, die sich ihm hingaben, willkommen geheißen und Seine Huld und Treue an ihnen bewiesen. Ebenso würde Er wohl auch junge Männer, die eine Vorbildung für den geistlichen Stand genossen haben vor anderen willkommen heißen, wenn sie Seinen Ruf hören und sich Ihm zur Verfügung stellen wollten, um für Ihn ein Volk zu sammeln in der letzten Zeit. Wer sollte die Betrübnis des HErrn nicht mitfühlen, wenn bei der Anbietung zum Amt keine oder nur sehr wenige von diesen allen hervortreten und mit Jesajas sprechen. Siehe, hier bin ich, sende mich!

Sollte Er aber nun etwa immerfort warten und Seine Arbeit liegen lassen? Sollen seine Gemeinden ohne Hirten, soll die Christenheit ohne Evangelisten bleiben, soll das prophetische Amt für und für daniederliegen, weil die Geistlichen und die für den geistlichen Stand Bestimmten sich ferne halten? Der HErr hat es anders beschlossen. Einst, als die Weisen und Gelehrten in Israel sich nicht wollten unter die Flügel Jesu sammeln lassen, da die Hochgebildeten in der Königsstadt Jerusalem Ihn verschmähten, rief Er aus Galiläa Fischer und Zöllner, die von der Welt gering geachtet, aber von dem himmlischen Vater innerlich für Ihn vorbereitet waren, in Seinen Dienst. So lässt Er sich auch jetzt gnädig herab, und beruft mitunter einfache Männer ohne gelehrte Bildung, ohne feine Erziehung. Dies tut Er, um zu zeigen, was Seine Gnade vermag.

Vergleichen wir die Gestalt, welche das jetzige Werk des HErrn in verschiedenen Ländern genommen hat, so ist es merkwürdig wahrzunehmen, wie verhältnismäßig viel hervorragende und theologisch gebildete Männer in England und Amerika in den Dienst unter den Aposteln eingetreten sind, und wie wenige dagegen in Deutschland. Wir haben Ursache, uns um unser Vaterland zu betrüben; es tut uns leid, dass so wenige von unseren reich ausgerüsteten Geistlichen sich diesem Dienste des HErrn, der Ihm jetzt am meisten am Herzen liegt, widmen. Aber vielleicht können wir etwas von der göttlichen Absicht, welche hier waltet, verstehen und in diesem Verständnis Beruhigung finden. Einst war Griechenland das Land, wo die Bildung am meisten geschätzt wurde, und wo sie wirklich am höchsten entfaltet und am allgemeinsten verbreitet war. Sie wurde überschätzt und irrigerweise als das höchste aller Güter angesehen. Ganz ähnlich verhält es sich jetzt in Deutschland. Mitten in Griechenland rief der HErr die Korinthische Gemeinde ins Leben und versah sie reichlich mit den Gaben Seines Geistes. Aber wie sah es mit dieser Gemeinde und mit ihren Dienern aus, wenn man den Maßstab der hohen weltlichen Bildung anlegte? Der Apostel schrieb an die Korinther: „Sehet an, lieben Brüder, euren Beruf: nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen, sondern was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass Er die Weisen zuschanden mache, und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, dass Er zuschanden mache, was stark ist, auf dass sich vor Ihm kein Fleisch rühme“ (1. Kor. 1, 2629). So mag es sein, dass Gott unseren deutschen Wissensstolz demütigen und die Vergötterung des Genies, zu der wir vor allen anderen Völkern geneigt sind, in den Staub werfen wollte. Er will uns zeigen, was Sein Geist und Seine Gnade vermag, auch ohne die viel gerühmte Bildung der Hochschulen. Er kann auch aus Steinen Abraham Kinder erwecken. Er kann Männer ohne Gelehrsamkeit und ohne Glanz der Rede als Seine Werkzeuge gebrauchen, um das alleredelste Werk, nämlich die Zubereitung der Kinder Gottes auf den Tag der Erlösung, auszuführen. Geht dieses Werk vonstatten und gelangt es endlich zum Ziel, so soll die Ehre dafür dem HErrn allein gehören.

Dies gereicht uns zum Trost, wenn wir nach menschlichem Urteil das Werk Gottes in unserer Mitte auf unvollkommene Weise ausgeführt sehen. Aber dabei steht die Verpflichtung fest, uns nach solchen umzusehen und solche zum Amt anzubieten, die durch Fähigkeiten und Kenntnisse dasselbe zieren können; und sind Brüder zum Priesteramte berufen, so liegt ihnen und ihren Vorgesetzten ob, alles zu tun, was in unserer Macht steht, um sie in jeder Hinsicht würdig vorzubereiten auf die apostolische Ordination.

II. DIE VORBEREITUNG ZUR ORDINATION

1. Die Erfordernisse der Ordination

Die Ordination zum Priesteramt, wie sie von den Aposteln angeordnet ist und wie sie von ihnen oder“ von ihren Gehilfen vollzogen wird, ist eine von den hochfeierlichen Handlungen, bei denen wir die Gegenwart des HErrn erfahren und seine Schritte im Heiligtum vernehmen.

In dem ersten Teil des Gottesdienstes hören wir aus dem Munde des Apostels die Unterweisung über die Pflichten des Priestertums und die väterliche Ermahnung an die Kandidaten. Diese Anrede beruht ihrem Hauptinhalt nach auf einer alten Oberlieferung. Ähnliches findet bei der Priesterweihe in der römischkatholischen Kirche statt. Die Apostel erfüllen ihre Aufgabe, indem sie das in der Christenheit noch vorhandene Gold der Wahrheit auffinden, anerkennen und es zur Zierde des Hauses Gottes anwenden.

In dem zweiten Teil des Gottesdienstes wird die Gemeinde angeleitet, ein Gott gefälliges Brandopfer zu bringen. Wir gedenken mit Reue und Leid daran, wie mannigfaltig das Priesteramt missbraucht und entweiht, und wie es infolgedessen verachtet und verworfen worden ist. Wir bekennen die Schuld vieler Geschlechter, die Sünden der Priester und des Volkes, wir suchen die göttliche Vergebung; und Gott sei Dank, wir finden sie. jedes christlich fühlende Herz sollte erkennen, wie vollkommen dieser Dienst der Demütigung dem Sinne Christi und unserer Pflicht in der Gegenwart entspricht. Etwas Ähnliches wie dieser Teil des Gottesdienstes findet sich unter den alten Ordnungen nicht. Hier ist den Aposteln gegeben worden, etwas Neues ins Leben einzuführen. Dieses Neue ist aber zugleich uralt, denn die mosaische Weihe Aarons und seiner Söhne im 3. Buch Moses Kap. 8 enthält das Schattenbild, welches hier in geistlicher Weise zur Erfüllung gelangt.

Indem wir uns also vor Gott demütigen, empfangen wir Gnade durch das alleinige Verdienst Christi und durch Seine Fürbitte im Himmel, so dass dann die priesterliche Weihe in ihrer ursprünglichen Reinheit und Kraft ausgespendet werden kann. Dies geschieht im dritten Teil des Gottesdienstes mit Einfügung in die Feier der heil. Eucharistie.

So heilig ist die Weihe, die hier erteilt wird! Fürwahr auch die Männer, die wir zum Empfang dieser Weihe darstellen, sollen ein reines und wohlbereitetes Opfer sein. Wir alle müssen darnach trachten, dem HErrn ein so vollkommenes Opfer wie möglich zu bringen, damit Er nicht über uns klagen müsse, wie Er einst durch den Propheten Maleachi (1, 13. 14.) über die Juden klagte: „Ihr opfert, das geraubt, lahm und krank ist; wie sollte mir solches gefallen von eurer Hand, spricht der HErr Zebaoth!“ Es fällt eine schwere Verantwortung auf jeden, durch dessen Schuld oder Mitschuld ein Unwürdiger oder Unfähiger zu einer solchen Weihe gelangt! Diese Verantwortlichkeit ruht auf der Gemeinde, denn jedes Gemeindeglied ist verpflichtet, falls ihm ein Hindernis gegen die Weihe eines Kandidaten bekannt ist, dieses zur rechten Zeit kundzugeben. Sie ruht auf dem Kandidaten selbst; sie ruht auf dem Apostel und seinen Mitarbeitern. Doch das größte Gewicht der Verantwortlichkeit liegt auf dem Engel, denn er ist es, der die Kandidaten darstellt, und an ihn richtet der Apostel die Frage: „Bist du überzeugt, dass sie rechtschaffene, heilige und treue Männer sind, wohlunterrichtet in der Schrift, fähig und würdig für dieses heilige Amt?“ Der Engel ist es, der hierauf mit ja antwortet und für die Würdigkeit der Kandidaten sich verbürgt.

Es geht zwar der Ordination eine prophetische Berufung voraus, aber diese befreit den Engel von seiner Obliegenheit nicht, in ähnlicher Weise wie die Bischöfe der alten christlichen Kirche für die Vorbereitung der Kandidaten zu sorgen. Sind ihm Männer durch das Wort des Heiligen Geistes bezeichnet worden, die der HErr im Priesteramt gebrauchen will, so ist es nun seine Aufgabe, über diese Männer zu wachen, sich um sie anzunehmen und sie, so weit es in seiner Macht steht, für ihr künftiges Amt auszurüsten. An diese Pflicht sind wir durch ein Zirkular des Apostels vom Dezember 1860 erinnert worden, worin gesagt ist:

„Kein Engel soll wagen, einen Priester zur Ordination darzustellen, bis er ihn in der Lehre unterrichtet, sich von dessen gründlicher Kenntnis der Heiligen Schrift überzeugt, sich mit dessen Charakter bekannt gemacht hat und falls der berufene Priester vorher ein Amt in der Kirche erfüllt hat bis er mit dessen Treue in der Erfüllung der Pflichten dieses Amtes zufrieden ist.“ Sammlung kirchlicher Zirkulare 1876 S. 18.

Worin besteht nun die rechte Vorbereitung auf die Ordination? Wir suchen die Antwort aus der Schrift zu schöpfen; und die Erfordernisse, welche da aufgestellt werden, sind: die Lauterkeit des christlichen Sinnes und Wandels die untadelige Leitung des Hauswesens die in einem niederen Amte bewiesene Treue die Bewährung durch Leiden endlich die Erfahrung in der Schrift und die Tüchtigkeit, die Gemeinde das Wort Gottes zu lehren.

2. Die Lauterkeit des christlichen Sinnes und Wandels

Die Lauterkeit des christlichen Sinnes und Wandels ist das erste und wichtigste Erfordernis. „Das ist je gewisslich wahr, so jemand ein Bischofsamt begehret, der begehret ein köstliches Werk.“ So schreibt Paulus seinem Gehilfen Timotheus, und unterweist ihn, worauf er bei denen, die nach einem so heiligen Amte begehren, sehen soll: „Es soll aber ein Bischof unsträflich sein, eines Weibes Mann, nüchtern, mäßig, sittig, gastfrei; nicht ein Weinsäufer, nicht pochen“ d.h. nicht gewalttätig sein „nicht unehrliche Hantierungen treiben« d.h. nicht nach unrechtem und schändlichem Gewinn streben – „sondern gelinde, nicht haderhaftig, nicht geizig. Er muss aber auch ein gutes Zeugnis haben von denen, die draußen sind, damit er nicht in Schmach falle und in einen Strick des Teufels“ (1. Tim. 3, 1-7).

Dies sind hohe Anforderungen, ernste Mahnungen, auch an jeden, der schon in einem heiligen Amte steht. Sie sind gerecht und notwendig; sie sind nicht zu hoch gespannt; denn ist nicht das, was hier von den Priestern verlangt wird, im Grunde das nämliche, was man von jedem christlichen Manne, auch wenn er kein Amt bekleidet, erwarten soll? Der Apostel selbst, indem er die Vorschrift über die notwendigen Eigenschaften für die Diakonen (welche nicht Priester, sondern Vertreter des christlichen Volkes sind) folgen lässt, wiederholt in der Hauptsache dieselben Gebote, die er soeben für die Bischöfe aufgestellt hat. 1. Tim. 3, 8-13. So verhält es sich denn in der Tat: der HErr verlangt dieselbe Gottseligkeit und Reinheit des Wandels von den Laien und von den Priestern, wie Paulus den Gläubigen zuruft: „Werdet meine Nachahmer, gleich wie ich Christi Nachahmer bin.“

Es ist zwar ein altes und weitverbreitetes Vorurteil in der Christenheit, als würde eine andere Heiligkeit und eine höhere Art der Tugend von den Geistlichen verlangt, eine andere und zwar eine geringere von den Laien. Aber diese Ansicht besteht nicht vor dem Worte des Herrn. Es ist wahr, der Geistliche soll eine höhere Begabung haben, die der Laie nicht bedarf; es ist ebenfalls wahr, diese Geistlichen sollen in allen christlichen Tugenden den Laien vorangehen, und wenn ein Geistlicher Ärgernis gibt, so richtet er damit größeren Schaden an als ein Laie. Doch bleibt es dabei, dass dieselben Tugenden Christi in den Laien, wie in den Geistlichen erscheinen sollen. Was die Reinheit des Sinnes und Wandelns betrifft, so verlangt der HErr von der Gemeinde nicht weniger als von den Priestern, und von den Priestern nicht mehr als von der Gemeinde.

Was ein untadeliger Charakter, woran ein gesundes Christentum zu erkennen sei, ist uns in prophetischern Licht über das Gesetz von den reinen und unreinen Tieren gezeigt worden (3. Mose 14).

Unter den vierfüßigen Tieren sind diejenigen rein, welche den Huf spalten und wiederkäuen. Der gespaltene Huf, der auf dem Boden eine zweifache Spur zurücklässt, deutet auf einen Wandel, in welchem die Erfüllung der zwei großen Gebote Liebe zu Gott und Liebe zu den Menschen wahrzunehmen ist. Matth. 22, 37. Das Wiederkäuen bedeutet das Nachsinnen über Gottes Gesetze (Psalm 1, 2), wie von Maria gesagt ist: „Sie bewahrte alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“ Dies sind die zwei notwendigen Erfordernisse für sittliche Reinheit und geistlichen Fortschritt. Nur wenn diese sich bei uns finden, nehmen wir teil an dem Wachstum der Kirche zur Vollkommenheit.

Auch diejenigen Tiere, bei denen zwar eines dieser Merkmale vorhanden ist, aber das andere fehlt, sind unrein. Es gibt Christen, die in ihrem Wandel Liebe beweisen und in Werken der Barmherzigkeit, in Unternehmungen für christliche Zwecke eine rege Tätigkeit entwickeln; aber sie haben keinen Sinn für die Tiefen der christlichen Wahrheit, keine Sammlung und Aufmerksamkeit, um von Gott zu lernen; sie legen wenig Wert auf die gesunde Lehre. Da ist zwar der gespaltene Huf, aber das Wiederkäuen fehlt. Es gibt andere Christen, welche in der Schrift forschen nach den Geheimnissen Gottes fragen und wirklich in der Erkenntnis es weit bringen, aber an ihrem Wandel bemerkt man große Gebrechen. Es mangelt die rechte in der Demut wurzelnde, anbetende, weihevolle Liebe zu Gott; es gebricht mitunter gänzlich an der tätigen Liebe zu den Menschen, an der Milde und Barmherzigkeit, selbst gegen die eigenen Hausgenossen. Es ist Gottes gnädiger Wille, in uns beide Eigenschaften hervorzurufen und zur Entfaltung zu bringen. Er will nur solche Männer als Priester Seinen Aposteln zugesellen, welche die Liebe mit der Tat beweisen, welche zugleich Seine Wahrheit im Herzen tragen und über Seinem Gesetze sinnen Tag und Nacht.

Unter den Fischen waren diejenigen rein, die Floßfedern und Schuppen haben. Die Geschöpfe, die im Wasser leben, sind ein Sinnbild der Christen, die sich in der Welt bewegen und mit den Weltmenschen verkehren müssen. Da gilt es, dass der Christ sich zu leiten und zu beherrschen vermöge, er muss. mit festem Willen die Richtung, die Gottes Wort und Gottes Geist ihm vorzeichnet, einhalten; er muss imstande sein, auch gegen den Strom zu schwimmen. Er muss dem Fisch ähnlich sein, der durch seine Flossen befähigt ist, den geraden und richtigen Lauf einzuhalten. Der Christ muss stark genug sein, schädliche Einflüsse zurückzuweisen und sein Inneres gegen die Wirkungen des Weltgeistes verschlossen zu halten, so dass die Verlockungen der Welt von ihm abprallen. er muss mit dem Brustharnisch der Gerechtigkeit angetan sein, ähnlich dem Fisch, der durch einen Schuppenpanzer geschützt ist. Es gibt Christen, die viel gute Regungen in sich tragen, Erkenntnis haben, wohlmeinend sind, aber sich schwach zeigen, sobald sie mit der Welt in Berührung kommen. Ehe man sich's versieht, lassen sie sich zu etwas hinreißen, das sie bereuen müssen, und sie tragen in jedem Kampf mit der Welt Verwundungen ihres Inneren davon. Solche sinken ins Weltwesen herab; sie sind jenen Wassertieren ähnlich, die keine Flossen und keine Schuppen haben und gewöhnlich im Schlamm leben.

Ein Priester soll eine Stütze für andere sein. Wie kann er dies, wenn er sich selbst nicht zu leiten und zu schützen vermag, Wenn keine Festigung und Selbstbeherrschung im Handeln da ist oder keine Kraft, um die Waffenrüstung Gottes anzuziehen, so können wir nicht zur Vollkommenheit voranschreiten, also auch nicht Führer für andere auf dem Weg zur Vollkommenheit werden.

3. Die untadelige Leitung des eigenen Hauswesens

Der Apostel nennt noch eine besondere Eigenschaft, auf welche Timotheus sehen soll: Der Bischof soll ein Mann sein, „der seinem eigenen Hause wohl vorsteht, der gehorsame Kinder hat mit aller Ehrbarkeit; denn so jemand seinem eigenen Hause nicht weiß vorzustehen, wie wird er die Gemeinde Gottes versorgen?“

Die Erfüllung der Aufgabe eines christlichen Gatten und Vaters ist also eine Vorschule für das Amt eines Aufsehers in der Kirche. Beide Aufgaben, die des Hausvaters und die des Vorstehers einer Gemeinde, haben große Ähnlichkeit miteinander; doch besteht der Unterschied, dass die Aufgabe eines Bischofs und seine Verantwortlichkeit größer und schwerer ist als die eines Familienvaters. Bei der Erziehung ist es nötig, Wohlwollen und Festigkeit zu vereinigen, sowohl übermäßige Strenge als Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit zu vermeiden, stets über sich zu wachen, sich nie von Leidenschaften und Launen beherrschen zu lassen. Ein Vater und Erzieher darf auch bei schweren Erfahrungen den Mut nicht verlieren; er muss immer noch für die Seinen hoffen und die Liebe zu ihnen festhalten. Dasselbe, nur in noch höherem Maße, wird zur Leitung und Versorgung einer Gemeinde erfordert. Ist es einem christlichen Manne durch Gottes Gnade gelungen, in seinem eigenen Hause nach Christi Sinn zu walten, so dass er mit seiner Familie ein gutes Beispiel gibt, so hat man Grund zu erwarten, er werde auch der Gemeinde zum Segen gereichen.

Eli, der ausgeartete Söhne hatte und durch seine Gutmütigkeit und durch Mangel an Tatkraft mitschuldig war an ihrer Ausartung, wurde endlich von Gottes Gericht ereilt, und das Priestertum wurde von seinem Hause genommen. Von dem Priester wie auch von dem Diakon wird verlangt, dass seine Kinder gehorsam seien. Wie könnte auch. ein Diener des HErrn der Gemeinde gegenüber seinen Mund freudig auftun, wenn in seinem eigenen Hause Ärgernisse vorliegen? Wie kann er andere aufmuntern und stärken, ihre Kinder in Zucht und Ordnung zu halten, wenn seine eigenen Kinder in Schwelgerei leben oder ihm den Gehorsam verweigern! Vgl. Tit. 1, 6.

4. Treue in einem niederen kirchlichen Amt

Die Treue, die ein Diener des HErrn in einem niederen kirchlichen Amte bereits bewiesen hat, ist eine köstliche Vorbereitung und Empfehlung für die priesterliche Weihe. Es ist zwar möglich und zulässig, dass ein Laie, in welchem durch Gottes Gnade die für das Priestertum erforderlichen Eigenschaften ans Licht kommen, ohne Durchgang durch den Diakonat aus dem Laienstande sogleich in das Priestertum erhoben werde; aber wünschenswert bleibt es, und die Regel sollte es sein, dass ein Priester die Erfahrungen des Diakonats mitbringe. Zu einem treuen Diakon kann der HErr schon jetzt sagen: „Du bist über wenigem treu gewesen, ich will dich über viel setzen.“ Hier gilt der göttliche Grundsatz: „Wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er die Fülle habe.“ Es hat dem HErrn gefallen, unter uns das Diakonenamt aufs neue ins Leben zu rufen. Er hat uns durch das Licht prophetischer Erkenntnis und durch Vorschriften apostolischer Weisheit über die mannigfaltigen Pflichten der Diakonen unterwiesen; wir haben erfahren dürfen, wie segensreich die Erfüllung dieser Pflichten ist. Nun ist im Diakonenamt die heilsamste Vorschule und Bildungsanstalt für das Priesteramt eröffnet, und wir sehen es mit Freude, wie der HErr selbst durch die Wirkung Seines Geistes auf diesem Wege Männer, die Er zu Priestern ausersehen hat, für ihren höheren Beruf heranwachsen lässt.

5. Die Bewährung durch Leiden

Wunderbares Wort der Schrift, dass der Sohn Gottes durch Leiden vollendet worden ist“ und zwar als Hohepriester musste er durch Leiden vollendet werden! Hebr. 2, 10; 5, 8. 9. Er ist in Seiner Menschheit unbefleckt und ohne Sünde erfunden worden, nie war Sünde in Ihm; da sollte man meinen, Er wäre schon im Stande kindlicher Unschuld oder jugendlicher Reinheit für das Priestertum vollkommen tüchtig und ausgerüstet gewesen. Dennoch hat Gott Ihn erst dann als Hohenpriester nach Melchisedeks Weise eingesetzt, als Er das Kreuz getragen hatte, als Er ein Mann der Schmerzen geworden war, als Er das ganze Maß der Leiden erfüllt und in der allerhärtesten Prüfung sich bewährt hatte. Wie sollten wir sündige und gebrechliche Menschen tauglich werden, als Priester in Christi Sinn zu wirken und Ihm als Werkzeug zu dienen, wenn wir nicht zuvor durch ein Feuer der Leiden geläutert worden sind!

Diese Wahrheit ist dem gegenwärtigen Geschlecht fremd geworden. Es gab eine bessere Vorzeit, wo es nicht so war. Die Männer Gottes in früheren Jahrhunderten haben es bezeugt, dass die Theologie des Kreuzes die einzig wahre Theologie sei. Drei Dinge machen es aus, dass einer ein Gottesgelehrter werde: oratio, meditatio, tentatio Gebet, Betrachtung und Anfechtung, das ist Erduldung innerer und äußerer Leiden. Es ist nicht unsere Sache, die Brüder, welche der HErr berufen hat, nach menschlicher Willkür mit Leiden zu belasten, und sie einer harten Disziplin zu unterwerfen, wie sie in den strengen Orden der Vorzeit den Neulingen auferlegt wurde. Aber wir müssen darauf gefasst sein, dass der HErr selbst jedem, den Er ins Amt beruft, früher oder später ein Kreuz zu tragen auflegt. Wohl uns, dass solches Kreuz nicht nach den Gedanken der Menschen, sondern nach den Gedanken der ewigen Weisheit und Liebe ausgesucht und bestimmt wird! Der Herr weiß für jeden Seiner jünger diejenige Prüfung zu finden, welche gerade für ihn am wohltätigsten ist. Werden wir also vor anderen schwer heimgesucht, so mangelt uns nicht der süße Trost: Es ist die Hand des Herrn, die uns züchtigt und bereitet. Er führt uns in Leiden, damit wir mit Teilnahme für die Leidenden erfüllt werden; Er tröstet uns reichlich, damit auch wir die Traurigen trösten können. Er lässt uns auf einige Zeit in Anfechtung geraten und führt dann wieder Ruhe herbei, damit wir die Lage der Angefochtenen verstehen, damit wir sie warnen, unterrichten und beschützen können. Er erzieht uns, damit wir als Fürsprecher und als Segensspender mit einem Herzen voll Liebe, Geduld und Mitgefühl den priesterlichen Beruf erfüllen können, in dieser Welt und in der zukünftigen.