Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Bei Übergewicht empfindet man sich unbewusst als zu leicht. Es mangelt an Erdung und man beschwert sich mit Nahrung. Bei Untergewicht nimmt man sich als zu schwer wahr und erleichtert sich durch Verzicht auf Nahrung. Eine verblüffend einfache Erklärung, die sich bei der beliebten Autorin Rosina Sonnenschmidt in ihrer Praxis vielfach bewahrheitet hat. Rosina Sonnenschmidt versteht es, eine versöhnliche Haltung des Lesers zu sich selbst anzuregen und stellt ein ganzheitliches Behandlungskonzept vor. Dabei bilden Basistherapien mit Darmsanierung, Entsäuerung, Atemübungen und Hautpflege das Fundament. Darauf baut die Haupttherapie mit Ernährung und Homöopathie auf. Im Zentrum der Heilnahrung, rhythmisiert durch den „Lusttag“ (therapiefreien Tag), stehen Ernährungsangebote mit Dampfgegartem, Rohsäften, grünen Dicksäften und Heilgetränken. Obgleich Disziplin angesagt ist, haben die Betroffenen zu jedem Zeitpunkt die Gewissheit: „Ich schaffe das!“ Bei der homöopathischen Behandlung stehen Darmnosoden, miasmatische und konstitutionelle Arzneien im Vordergrund. Ausführlich besprochen werden Mittel wie Calcium, Graphites, Iodum, Nuphar luteum, Saccharum album und Hyoscyamus. Eindrückliche Fallbeispiele dokumentieren, wie erfolgreich dieses Konzept ist. Ein bahnbrechendes Werk, das sich sowohl an Therapeuten als auch an Betroffene richtet. Es hebt sich erfrischend von bisheriger Literatur ab, geht weit über Diätempfehlungen hinaus und macht dem Leser Mut, sich selbst zu verstehen und mit Begeisterung die Heilung selbst in die Hand zu nehmen. Neu in der 4. Auflage: Schüßlersalze und Therapie zur Hormonregulation Schatzkiste Über Gewicht - Set zum Buch
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 339
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Rosina Sonnenschmidt
ÜBERGEWICHT
Vom Ab- und Zunehmen Mit Heilnahrung und Homöopathie
Rosina Sonnenschmidt
ÜberGewicht
Vom Ab- und Zunehmen – Mit Heilnahrung und Homöopathie
978-3-95582-122-7
1. Auflage 2010
2. Auflage 2010
3. Auflage 2011
4. erweiterte Auflage 2013
© 2010 Narayana Verlag GmbH
Blumenplatz 2, 79400 Kandern, Tel.: +49 7626 974970-0
E-Mail: [email protected], Homepage: www.narayana-verlag.de
Coverabbildung: Stephanie Seidlitz, Pepkonzept
Alle Rechte vorbehalten. Ohne schriftliche Genehmigung des Verlags darf kein Teil dieses Buches in irgendeiner Form – mechanisch, elektronisch, fotografisch – reproduziert, vervielfältigt, übersetzt oder gespeichert werden, mit Ausnahme kurzer Passagen für Buchbesprechungen.
Sofern eingetragene Warenzeichen, Handelsnamen und Gebrauchsnamen verwendet werden, gelten die entsprechenden Schutzbestimmungen (auch wenn diese nicht als solche gekennzeichnet sind).
Die Empfehlungen dieses Buches wurden von Autor und Verlag nach bestem Wissen erarbeitet und überprüft. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Weder der Autor noch der Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gegebenen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.
Geleitworte
Einführung
Die Ursache für Über- und Untergewicht
1.1 Übergewicht, weil zu leicht befunden
1.2 Untergewicht, weil zu schwer befunden
Disstress und Eustress
2. Die Wirkung von Sympathikus und Parasympathikus
Die Basistherapie
3.1 Die Regulation des Säure-Basen-Gleichgewichts
3.1.1 Entsäuerung durch rhythmisches Atmen
3.1.2 Entsäuern mit Naturnatron
3.2 Die Darmsanierung mit „Schunkeln“
3.3 Die Darmsanierung mit „Klyso“
3.4 Die Darmsanierung mit Kaffee-Einlauf
3.5 Hautpflege
Die Haupttherapie mit Ernährung
4.1 Der Lusttag
4.2 Heilnahrung
4.3 Esskultur und Komposition der Mahlzeiten
4.4 Heilgetränke
4.5 Rohsaft-Therapie
4.5.1 Rohsäfte für Untergewichtige
4.5.2 Rohsäfte für Übergewichtige
4.6 Dicksafttherapie
4.6.1 Allgemeine Herstellung eines Dicksaftes
4.6.2 Dicksaft-Rezepte
Die Haupttherapie mit Homöopathie
5.1 Darmnosoden
5.2 Homöopathische Behandlung von Adipositas
5.2.1 Calcium carbonicum
5.2.2 Pulsatilla
5.2.3 Ferrum metallicum
5.2.4 Graphites
5.2.5 Phytolacca decandra
5.2.6 Kalium carbonicum
5.3 Homöopathische Behandlung von Kachexie und Anorexie
5.3.1 Jodum
5.3.2 Nuphar luteum
5.3.3 Arsenicum album und Carcinosinum
5.4 Homöopathische Behandlung der Bulimie
5.5 Homöopathische Behandlung der Früh-zeichen von Unter- und Übergewicht
5.5.1 Sulphur
5.5.2 China
5.5.3 Saccharum album (raffinatum)
5.5.4 Hyoscyamus
5.6 Begleittherapie mit Schüßler-Salzen
5.7 Die Hormonregulatio mit Komplex-mitteln
Heilungsverläufe
6.1 Frau J. mit Übergewicht
6.2 Frau G. mit Kachexie
6.3 Herr V. mit Adipositas als Folge von Kortison
6.4 Herta mit Osteomyelitis
6.5 Hansi mit Anorexia nervosa
6.6 Frau B. mit Bulimie
6.7 Bertrand mit Adipositas
Schlussgedanken
Anhang
Kinesiologische Balance zu Über-und Untergewicht
Bezugsquellen
Kurse
Literaturliste
Vita
Bilder und Tabellen
Heute war ein ganz ungewöhnlicher Arbeitstag für mich. Ein 60-jähriger Patient von ganz normaler Statur hat mir fröhlich erzählt, dass er in seinem ganzen Leben noch nie Probleme mit seinem Körpergewicht gehabt habe und dabei immer das gegessen habe, worauf er gerade Appetit hatte.
Wer von uns möchte nicht auch in so einer „Haut“ stecken? Der Praxisalltag sieht ja normalerweise ganz anders aus. Unzählige Patienten und Therapeuten müssen sich täglich mit zwei folgenschweren „Wichten“ herumplagen – dem „Überge-" und dem „Unterge-Wicht“. Kaum zu überblicken sind alle Versuche, den beiden langfristig beizukommen. Viel zu oft ist das offensichtliche Problem, also die Gewichtsabweichung, durch Veränderungen in der Kalorienzufuhr, Fettpunkte-Zählen, „Diäten“, mehr Bewegung, Eiweißoptimierung etc. auch in Kombination nachhaltig nicht zu normalisieren.
Rosina Sonnenschmidt hat dieses Buch aus ihrer großen praktischen Erfahrung sowohl für Patienten als auch für Therapeuten geschrieben, welche wie ich auf der Suche nach neuen erfolgreichen Konzepten und einem besseren Verständnis der Gewichtsproblematik sind.
Das Buch zeigt wunderbar auf, warum viele Patienten gar keine Wahlmöglichkeit für eine Gewichtsnormalisierung haben. Folglich können selbst ganz tolle Diäten allein zu keinem dauerhaften Erfolg führen. Damit werden ganz viele Menschen rehabilitiert, welche ungeachtet zahlloser diätetischer Versuche bisher immer und immer wieder gescheitert sind. Wir haben es hier mit chronischen Erkrankungen zu tun, welche ganzheitlich für Körper, Geist, Seele und systemisches Feld erfolgreich behandelt werden können.
Von Anbeginn der Therapie ist für Rosina Sonnenschmidt die Gesundung des Verdauungs-apparates ein zentrales Therapieziel. Ich kann diesen Therapieansatz aus meiner praktischen ärztlichen Erfahrung nur bestätigen. Im Buch wird der Mayr-Arzt Dr. Rauch mit seinen Worten zitiert, dass „der geschädigte Darm das verbreitetste, folgenschwerste und unbekannteste Übel ist“. Nur die Speisen, welche wir vollständig und gut verdauen können, sind für Kranke und Gesunde die richtige Heilkost.
Alle im Folgenden empfohlenen Maßnahmen zur Ernährung, Darmsanierung, Entsäuerung und Immunstärkung hat die nimmermüde Forscherin Rosina Sonnenschmidt immer wieder optimiert, selbst ausprobiert und mit vielen Patienten in ihrer Praxis als wirksam bestätigt gefunden. Wir können sie wunderbar aufbereitet 1:1 aus dem Buch übernehmen.
Alle Therapien werden rhythmisch verordnet, weil das Leben selbst Rhythmus ist. Einmal in der Woche hat jeder Patient „frei“ vom therapeutischen Alltag. Dieser „Lusttag“ ist ein genialer Einfall und hat sich auch in meiner Praxis als belebendes Instrument für die eigene Motivation und die Patientenführung bewährt.
Die Vielzahl aller Maßnahmen öffnen individualisiert den Patienten sanft die Augen, was sie alles selbst zu ihrer Heilung beitragen können. Denn die Heilung findet nicht in unserer Praxis oder in Krankenhäusern, sondern zu Hause statt.
Alle Konflikte, welche sich hinter den Gewichts- und Verhaltensproblemen verbergen, werden gemeinsam mit ihren Lösungen im Buch ausführlich beschrieben. Wussten Sie schon, dass sich übergewichtige Menschen oft zu leicht fühlen und untergewichtige zu schwer? Die Bedeutung dieser Erkenntnis wird im Buch ausführlich erläutert und war mir bis dato nicht bekannt.
Verschiedene Möglichkeiten für die systemische Familienarbeit, für energetisches Heilen, Anregungen für schöpferischen Selbstausdruck in der Therapie, eine wunderbare Darstellung von geeigneten und wirksamen homöopathischen Arzneien sowie lebendige Patientengeschichten komplettieren dieses sehr praxisnahe Buch.
Das hier vorgestellte Behandlungskonzept bewirkt Veränderungen von unbrauchbaren Glaubenssätzen, Gedanken- und Verhaltensmustern und verhilft Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben mit normalisiertem Körpergewicht zu führen.
Mit diesem „Ja zu sich selbst“, einer richtig guten Ernährung und heiterer Gelassenheit gelingt es immer besser, über die beiden „Wichte“ – den „Überge"- und „Unterge-Wicht“ – zu triumphieren.
Dr. Helge Jany
Querfurt, den 09.11.2009
Nach nahezu 30-jähriger Auseinandersetzung mit dem Thema Gewicht in meiner allgemeinmedizinischen Praxis nahe Stuttgart übergibt mir Dr. Rosina Sonnenschmidt ihr neuestes Werk.
In all den vielen Jahren der Beschäftigung mit diesem ge-wichtig-en Thema war mir aufgefallen:
Viele Patienten sind der Überzeugung, ihr Gewicht habe nichts mit ihnen zu tun: Es seien die Drüsen schuld oder die Erbanlagen, die Konstitution und die falsche Erziehung, die Überfütterung in den frühen Jahren und die Fettzellen, die Werbung und …, die Liste ließe sich fortsetzen.
Die Stuttgarter Zeitung schreibt am 3. März 2009: „Übergewicht im Mutterleib“. Das mittlere Geburtsgewicht in den westlichen Industrieländern sei in den letzten 20-30 Jahren auffällig angestiegen – in Europa um bis zu 25 Prozent.
Das hieße, die Gene können nicht schuld sein. Für eine Änderung im Erbgut ist dieser Zeitraum zu kurz. Es verdichten sich also die Hinweise, dass die Erbanlagen gar nicht so entscheidend sind und Übergewicht weniger vererbt als erlernt wird, und zwar bereits im Mutterleib sowie in den ersten vier Wochen nach der Geburt. Wir Ärzte nennen diesen Zeitraum „perinatal“, die entsprechende, noch junge Forschungsrichtung „Perinatale Programmierung“. Das ist eine der derzeitig gültigen Projektionen der vermeintlichen Ursache dieses Themas.
Dr. Rüdiger Dahlke versuchte 1989 mit einer Arbeit über die Be-Deutung und Chance von Übergewicht und Untergewicht diesen Projektionen zu begegnen. Sein Taschenbuch aus der Reihe Alternativ Heilen ist bei meinen Kollegen nahezu unbekannt geblieben.
Dr. Rosina Sonnenschmidt nimmt in ihrer Behandlung den Patienten in die Mit–Ver–Antwort – ung für seine Gesundung. Gleich zu Beginn weist sie darauf hin, dass ohne Änderung des Lebensstils, manche nennen es auch „lifestyle-modification“, ohne Veränderung im Denken, Fühlen und Handeln schwer etwas zu erreichen ist.
Auf diesem Weg des Wandels begleitet sie den Patienten und gibt, wo nötig, Hilfestellung. Sie bietet Hilfe zur Selbsthilfe an. Dabei schöpft sie aus ihrem immensen Fundus an komplementärmedizinischer Erfahrung. Ihre vielfältigen therapeutischen Möglichkeiten stimmt sie individuell auf den jeweiligen Patienten ab.
Auf diesem oft steinigen Weg des Wandels, des Heil-Werdens wird der Patient mit ausgesuchten therapeutischen Maßnahmen und Übungen behutsam flankierend begleitet. Durch regelmäßige Übungen kann dann Heilung zu Hause stattfinden. Eine von Rosinas Grundannahmen ist hier zu erwähnen: Die Behandlung ist nicht endlos: Sie hat einen Beginn und ein Ende. Sie begleitet den Patienten bis zu dessen Erkenntnis: Ich kann das jetzt alleine!
Es bewegt mich immer wieder, wenn im Dialog mit ihr deutlich wird, dass es keine allselig machende Antwort gibt, dass ich auf die guten Erfahrungen meiner seitherigen ärztlichen Tätigkeit vertrauen und darauf zurückgreifen kann.
So kennt jeder Arzt den Disput zwischen dem Mikrobiologen Louis Pasteur (1822-1895), der postulierte: „Die Mikrobe ist alles!“ und dem Physiologen Claude Bernard (1813-1878) der den Standpunkt vertrat: „Die Mikrobe ist nichts, das Terrain ist alles!“
Mit diesem Buch kann der Therapeut dem Patienten die Hilfe anbieten, mit der der Patient sich sein physisch-psychisches Terrain wieder erschafft, um heil zu werden.
Dieses Buch ist gleichermaßen für Patienten und Therapeuten gedacht. Und ich hoffe, dass auch viele meiner Kollegen aus der Allgemein-Medizin, Gynäkologie und Kinderheilkunde darauf aufmerksam werden. Möge es einer breiten Schar zum Segen werden.
Dr. med. Hanns-Jürgen Roll
Facharzt für Allgemeinmedizin, Arbeitsmedizin, Homöopathie
Kirchheim unter Teck
Wir können noch so sehr archaische Skulpturen unförmiger dickleibiger Göttinnen im Museum bewundern, noch so sehr matriarchale Kulturen verherrlichen, keiner will heute so aussehen. Dickleibigkeit oder Magersucht sind keine Schönheitsideale mehr. Darüber täuschen auch nicht die Hungergestalten der Model-Branche hinweg. Welcher Mann möchte ein Gerippe im Arm halten? Welche Frau möchte resigniert feststellen, dass sie ihren fettleibigen Mann nicht umarmen kann? Welcher Mann ist glücklich, wenn er nicht mehr seine Geschlechtsorgane sehen kann? Welche Frau findet sich schön, wenn sie wie ein Biafra-Hungerkind hohläugig in die Welt schaut? Abgesehen von diesen beiden Extremen – zu dick, zu dünn – kenne ich sehr viele Menschen, die mit ihrer Figur unzufrieden sind. Frauen sind die meiste Zeit ihres Lebens auf dem „Abnehm-Trip“, Männer verbannen Waage und Spiegel in eine Ecke, weil sie keine Lust haben, jedes Jahr den Wechsel vom „Winterspeck“ zur „Frühlingsrolle“ anzuschauen.
Abb. 1
Woran messen wir eigentlich die Behauptung, zu dick oder zu dünn zu sein? Ist es die Garderobe? Kann sein. Rock und Hose sind feste Formen, mit Größenetikett versehen, und wenn wir nicht mehr in sie hineinpassen, sind wir zu dick. Wenn die Knochen vorstehen und selbst Größe 34 an uns herumschlottert, sind wir offenbar zu mager. Oder ist es der Blick in eines der zahllosen Modemagazine, das uns vorgibt, wie man auszusehen habe? Ab 40 braucht man nicht mehr in solche Blätter zu schauen, denn darin gibt es nur junge durchgestylte Frauen und Männer, die lebhaft an Barbie-Puppen erinnern. „Dick ist schick“, solche Magazine verheißen, dass man sich auch als Walküre oder Mister Universum geschickt kleiden kann. Die Mager-Mode „Twiggy“ ist „out“, weil der Krieg über 60 Jahre zurückliegt und man nicht mehr aus der Hungersnot eine Tugend machen muss. Wer heute mager sein will, muss hungern. Angebote, wie man schnell ein paar Kilos los wird, überschwemmen alljährlich den Markt – Pillen, Pflaster, Fettabsaugmethoden, Cremes und Diäten. Drastische Operationen firmieren absurderweise unter „Schönheitschirurgie“. Jedes Frühjahr offerieren die Frauenmagazine neue ultimative Kuren zur Gewichtsabnahme in kurzer Zeit. Immer ist es eine spezielle Diät. Immer heucheln schlanke Frauen vor, sie wären durch besagte Kurzanwendung und ohne Änderung ihres Lebensstils vom Übergewicht ins Idealgewicht gewechselt. Der Winterspeck soll weg und zwar schnell. Viele Frauen reißen sich zusammen und machen die neue angepriesene Diät. Sie funktioniert mehr oder weniger schnell, die Kilos fallen und dann steigt das Gewicht schneller wieder an als je zuvor. Ebenso steigt der Frust, der Hass auf sich selbst. Bald kann man sich nicht mehr leiden, geschweige denn im Spiegel sehen. Alles klemmt, alles ist zu eng, man wechselt auf flatterige, weite Gewänder. Aber unter dem schönsten Stoff wölben sich die Fettpolster und schwelt die Frustration und der Glaubenssatz erhärtet sich: Ich habe es wieder nicht geschafft. Dem folgt der Fatalismus: Ich schaffe das sowieso nicht. Deshalb fange ich gar nicht erst wieder an. Ob Frau oder Mann, beide durchlaufen das Martyrium, so schlank aussehen zu wollen wie die Person, die die Schlankheitsdiät und Appetitzügler verkauft.
Auch der Büchermarkt ist überschwemmt von guten Ratschlägen und Ratgebern, wie man dünner wird. Alle haben einen wahren Kern in sich und können sicher sein, dass viele Leser die Verheißung der guten Figur begierig aufnehmen und ausprobieren. Meistens profitieren davon erstens die Autoren und zweitens die, die gar kein Gewichtsproblem haben. Irgendwann stellen sich aufgrund der Gewichtsproblematik Gesundheitsprobleme ein. Irgendwann suchen die Diätgeschädigten eine Praxis auf und hoffen auf eine hilfreiche Therapie. Übergewichtige sind deutlich häufiger anzutreffen als Untergewichtige. Manche klagen von vornherein über ihr Gewicht, manche kommen wegen bestimmter Organbeschwerden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Arthrose oder Krebs. Jeder Therapeut wird mit einer Menge Konflikte konfrontiert, die sich um Gewichtsprobleme ranken. Es sind nicht allein die physisch-psychischen Folgen von Über- und Untergewicht, sondern die Ursache liegt in einem Dschungel von Verhaftungen und Verstrickungen, die zu entwirren in den meisten Fällen einer Herkulesarbeit gleichkommt – für den Patienten wie für den Therapeuten. Denn, man kann es drehen und wenden, wie man will: ohne Disziplin ist Heilung nicht möglich. Ohne zu seinem Original zu werden und nicht mehr Kopie von irgendetwas oder irgendjemandem zu sein, bleibt man krank. Das mag hart klingen, es klingt vielleicht auch nach Verboten und Entsagung. Aber heil und ganz werden geschieht durch eine ordnende Kraft, die den Menschen in seine Mitte, in seinen Lebensrhythmus bringt. Heilung bedeutet Veränderung im Denken, Fühlen und Handeln, und niemand ist nach einem Heilungsprozess derselbe/dieselbe wie zuvor. Heilung gebiert den neuen Menschen. Heilung ist wie eine gute Geschichte mit Anfang – Drama – Ende. Beim Drama hält sich der Patient am längsten auf, um alte Gewohnheiten und Verhaltensmuster gegen neue einzutauschen. Das Ende ist meistens ein Problem der Therapeuten, denn viele unter uns produzieren endlose Geschichten gemäß dem linearen Denken Symptom – Mittel – Symptom – Mittel usw. in alle Ewigkeit. Das ist der Weg in die Abhängigkeit, bei dem beide, Patient und Therapeut, immer mehr das Vertrauen in die Naturgesetze verlieren.
Alles in der Natur und ihrem Ebenbild des menschlichen Organismus ist jedoch zyklisch und rhythmisch. Alles ist in ständigem Wandel, im Prozess der Erneuerung begriffen. Das gute Ende einer Heilungsgeschichte ist die Erkenntnis des Patienten: Ich kann das jetzt alleine. Die Botschaft des Therapeuten lautet dann: Sie können das jetzt alleine, nämlich Ihr Leben leben. Keine Botschaft könnte heilsamer auf das Immunsystem eines Patienten wirken.
Heilung bedeutet nach meiner Erfahrung wesentlich häufiger (Los-)Lassen statt Tun.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie treffen sich mit Freunden. Statt sich gegenseitig zu schildern, was jeder alles getan, absolviert, erledigt und abgehakt hat, welche Probleme sich aufgetürmt haben und der Klärung harren, würden Sie sich erzählen, was Sie alles gelassen, losgelassen und positiv verändert haben. Probieren Sie es aus. Die Erkenntnis ist geradezu umwerfend. Beim ersten Mal fällt das Gespräch noch dürftig aus, so sehr sind wir an den Aktionismus gewohnt. Doch schon beim zweiten Mal kommt jeder mit einer interessanten Heilungserfahrung in seinem Alltag zum Treffen. Denn über das, was verändert und losgelassen wurde, muss man erst nachdenken. Der Fokus ändert sich auch im Alltag, denn das Loslassen erfordert wesentlich mehr Aufmerksamkeit und Bewusst-Sein als das Aufzählen von Tätigkeiten. Es wird einem auch klar, dass die bewusste Änderung im Denken, Fühlen und Handeln deutlich schwerer fällt als das Abspulen von Tätigkeiten. Loslassen beginnt beim Innehalten, denn man muss ja erst begreifen, was man festhält. Woran klebe ich, was klebt an mir? Darüber lassen sich viele (diagnostische) Gespräche führen. Aber dem Freund, der Freundin mitzuteilen, was ich losgelassen, gelassen habe, obliegt der absoluten Aufrichtigkeit. Aktionismus lebt von der Übertreibung und dem Erheischen von Bewunderung, wie fleißig, strebsam und abgearbeitet man ist. Total modern ist heute die Aussage, man arbeite am Limit, man habe das Limit erreicht. Limit ist das magische Wort, dessen Unterton Stolz anklingen lässt.
Loslassen ist ein spiritueller Akt und erfordert die Fähigkeit zu erkennen und anzuerkennen, eine Entscheidung zu treffen und schließlich etwas Altes loszulassen und dem inneren neuen Menschen Raum zu verschaffen, in dem das höhere Selbst wieder Platz nehmen kann.
Das mag die andere Instanz in uns ganz und gar nicht: das Ego-Bewusstsein.
Aus der erwähnten Übung, Freunden mitzuteilen, was man alles gelassen habe, resultieren letztlich vier grundlegende Erkenntnisse für meine ganzheitliche Behandlungsweise:
1. Heilung findet zu Hause statt.
2. Übung und Ritual verändert.
3. Heilungsprozesse basieren auf Gesetz-mäßigkeiten.
4. Heilung ist das Resultat von Disziplin und (Neu-)Ordnung.
Gewichtsprobleme gehören zu den besten Beispielen dafür, dass in der Praxis nur Impulse an Körper, Geist und Seele des Patienten gerichtet werden können. Manchmal hält die Heilenergie, die wir durch den Funken der Begeisterung für unsere therapeutische Arbeit auf den Patienten übertragen, für eine Weile. Aber machen wir uns klar: Der Patient kehrt zurück in sein privates und familiensystemisches Feld, zu seinen gewohnten Denkweisen und Verhaltensmustern. In diesem Feld ist er/sie krank geworden, in diesem Feld soll Heilung stattfinden. Es gibt die Ausnahme, dass ein chronisch kranker Mensch schlagartig sein Leben ändert und durch eine radikale Änderung Heilung bewirkt. Aber wir können nicht die Ausnahme zur Regel erheben und darauf bauen, dass ein Patient nur aufgrund einer Diagnose, Arzneieinnahme oder eines Gesprächs sein Bewusstsein ändert, denn das ist die Voraussetzung für Heilung. Die Regel ist der Prozess mit seinen schrittweisen, manchmal mäanderreichen Bewegungen fort von den alten Strukturen in ein neues Lebensgefühl hinein.
Kommen wir zum zweiten Punkt. Ihn verdanke ich meinem früheren Beruf als Konzertsängerin bzw. Berufsmusikerin. Üben verändert, entfaltet Potenziale, strukturiert den Alltag und gibt ein gutes Gefühl, im Leben voranzukommen. Durch Üben weitet sich der innere und äußere Horizont. Durch endloses Üben haben wir als Baby essen und aufrecht gehen gelernt. Weniger lustig fanden wir vielleicht das Üben der Schulaufgaben oder in der Berufsausbildung. Üben hat mit Lernen zu tun. Die Tragweite dieser Aussage wird einem erst bewusst, wenn wir das Fakten-lernen beiseite lassen und uns dem Leben-Lernen zuwenden. Zu leben will geübt sein. Tag für Tag wiederholen wir bestimmte Tätigkeiten, Gedanken, Gefühle und üben sie ein. Wir können uns schlechte Gewohnheiten einüben, wir können uns auch gesundmachende Gewohnheiten einüben. Das Erfreuliche ist: Wir haben die Wahl. Das ist vielen kranken Menschen durchaus nicht klar. Eine der Hauptaufgaben von uns Therapeuten ist, dies jedem Patienten klar zu machen. Das geht wiederum nur, wenn es uns selbst klar ist.
Von Künstlern können wir hier viel lernen, denn sie üben nicht einfach vor sich hin, sie definieren ein Ziel: Wofür übe ich? Was übe ich? Wie übe ich? Auf unsere Thematik der Therapie mit kranken Menschen übertragen ergeben sich drei Fragen, die ich auch Patienten als Hausaufgabe mitgebe, darüber zu reflektieren:
► Was ist mein Ziel, warum will ich gesund werden? (Meistens lasse ich hierzu 100 Gründe aufschreiben, warum jemand gesund werden will.)
► Was ist der tiefere Sinn meines Tuns, mei- ner Arbeit, meiner Lebensausrichtung?
► Wie gehe ich mit mir um? Arbeite ich ständig am Limit? Wie steht es mit der Proportion von Arbeit und Muße?
Wer diese Fragen für sich gewissenhaft beantwortet, befindet sich unweigerlich in einem Wandlungsprozess und auf einem Heilungsweg. Sich um seine Belange, um sein Leben zu kümmern, ist zu Beginn der Therapie noch neu und ungewohnt. Aber die Fragen regen an, Neues auszuprobieren, neue Denkwege zu üben und wecken Neugier auf neue Erfahrungen. Übung macht nicht erst den Meister, sie IST der Meister. Übungen kleide ich gerne in kleine Rituale, weil ich noch nie für sinnloses Wiederholen irgendwelcher Bewegungen oder Affirmationen oder Handlungen war. Ein Ritual sollte einen tieferen und spirituellen Sinn haben. So wie ich mein Leben lang in allem, was ich je erforschte und übte, einen Sinn erkennen musste, um motiviert zu sein, möchte ich auch, dass die Patienten den Sinn der Therapie und ihres eigenen Beitrags zur Heilung begreifen und gerne üben. Üben muss Freude bereiten, sonst degeneriert es zur Routine und Langeweile. Das hat den Patienten bereits krank gemacht, darum ist für uns Therapeuten Kreativität angesagt.
Ein letzter Aspekt meines ganzheitlichen Verständnisses von Heilung durchdringt alle vorgenannten: die sensitive Wahrnehmung, der Blick auf die Ursache und die Potenziale, die ein Patient mitbringt, um heil und ganz zu werden. Schwergewichtige, grobknochige oder magersüchtige, ausgezehrte Menschen bieten ein äußeres Erscheinungsbild, das einen dazu verleitet, sich frontal auf die Symptomatik, ja, sogar auf einzelne Symptome zu fixieren. Sie können einen emotional und mental so gefangen nehmen, dass es schwerfällt, hinter die Kulissen auf das zu schauen, was unversehrt, heil und ganz ist. Diese Art der Wahrnehmung konnte ich reichlich bei Krebspatienten üben. Ist man nur auf den Tumor fixiert, reduziert man den Kosmos Mensch auf dieses eine Faktum. Erst wenn wir fragen: Welche Persönlichkeit hat den Tumor produziert? Wer ist es, der dieses Symptom hat? Dann eröffnen sich ganz andere Räume und Betrachtungsstandorte. Das gleiche gilt auch für Menschen mit Über- und Untergewicht. Sie erwarten, dass man sich als Therapeut an das Phänomen Adipositas oder Magersucht heftet. Das hat mich nie interessiert. Mich interessiert das Bewusstsein des Menschen vor mir, der das Über- oder Untergewicht durch Üben bestimmter Denk- und Verhaltensweisen erschaffen hat. Der sensitive Blick ist – wenn geübt und geschult – untrüglich. Täuschung kann sein, ist aber die Ausnahme. Mit den inneren Augen, Ohren und Sensorien erschließt sich einem viel leichter die Ursache der Krankheiten als durch hundert Fragen. Das ist inzwischen nicht nur meine Erfahrung, sondern die vieler Kollegen, die gelernt haben, ihrer sensitiven Wahrnehmung zu trauen. Diese Art der Wahrnehmung hat an sich schon etwas Heilsames, weil sie den positiven Potenzialen eines Patienten gilt. Sie schließt die Wahrnehmung mit den physischen Sinnen ein, so dass man auch die Abweichungen vom gesunden Zustand feststellt.
Warum ist das so wichtig?
Weil die positiven Potenziale des Patienten die Quelle bilden, aus denen er schöpft, um heil und ganz zu werden.
Jeder Therapeut, der Über- und Untergewichtige behandelt, kennt die große Problematik, dass es nun mal ums Essen, Essverhalten, um Esskultur und Essgewohnheiten geht. Wir im Westen mit hohem Lebensstandard können uns solche Krankheiten leisten: sich zu überessen oder Abscheu vor Nahrung zu entwickeln, auf alles und jedes allergisch zu reagieren und eine ganze Industrie darauf aufzubauen. Das Problem des Über- oder Untergewichts ist wie so vieles andere auch ein Artikel des Marktes, ein Geschäft, mit dem man viel Geld verdienen kann. Man muss eigentlich nur zwei Botschaften hinausposaunen: „Dieses Mittel ist gut gegen Krebs“, oder „Dieses Mittel reduziert Ihr Gewicht“, dann hat man finanziell ausgesorgt.
Fernab vom Marktgeschrei kümmern wir Therapeuten uns um das Heer derer, die etliche Wundermittel ausprobiert haben und – davon bin ich fest überzeugt – tief im Herzen spüren, dass es keine schnelle Lösung, keine Abkürzung gibt, sondern dass Arbeit an sich selbst angesagt ist.
Ich halte es mit Wolfgang Amadeus Mozart, der nach unvorstellbar fleißiger und genialer Arbeit kurz vor seinem frühen Tod mit 36 Jahren sagte: „Der Erfolg bedeutet 5% Genie, 95% Arbeit – aber sie lohnt sich.“ Wenn wir das unter qualitativen Gesichtspunkten sehen, befinden wir uns bereits in der Heilkunst und begreifen, wie sinnreich es ist, die positiven Potenziale der Patienten zu erschauen, das Original, das Genie. Die Arbeit der Patienten besteht darin, sich der Kopien bewusst zu werden, die sie bisher gelebt haben und die es loszulassen gilt. Dann strahlt der Diamant von innen nach außen. Gibt es etwas Erhabeneres, als wenn der Patient die Praxis nach einer Weile aufrecht, strahlend verlässt, wissend: „Das habe ich selbst geschafft!“, nachdem er gramgebeugt, über- oder untergewichtig gekommen war? Ich kann mir nichts Schöneres ausmalen und gewinne aus dieser Freude am Menschen, am Menschsein, am Allzumenschlichen die Inspiration für meinen Beruf.
So mag denn der Funke meiner Begeisterung die Leser, Patienten, Therapeuten erreichen und Ideenreichtum für die eigene verdienstvolle Arbeit daraus erwachsen.
Es klingt auf Anhieb vermessen, im Singular, also von einer Ursache bei übergewichtigen oder untergewichtigen Menschen zu sprechen. Und doch hat es sich bisher bei meinen und bei den Patienten vieler Kollegen bewahrheitet. Dem Zuviel und Zuwenig liegt eine Ursache zugrunde, die gleich einer Wurzel viele Triebe in alle möglichen Richtungen bilden kann, so dass es so aussieht, als gebe es viele Ursachen. Es gibt zweifellos viele Auslöser von „Kopierprogrammen“, die in der Persönlichkeit des Kranken selbst, vor allem aber in seinem familiensystemischen Feld liegen und sich mehr oder minder weit von seinem Original entfernt haben.
Ich habe mir die zentrale Frage gestellt, warum und wann jemand zunimmt und abnimmt. Die Antwort gibt der Mond. Er nimmt zu und ab in einem ungefähren Rhythmus von 26 Tagen. Jeder von uns, ob Frau oder Mann, nimmt mit dem Mond Monat für Monat zu und ab. Wir Menschen leben auf der Erde und das Leben auf der Erde wird durch die Rhythmik der Jahreszeiten, d.h. auch der Sonneneinstrahlung, und durch den einzigen Trabanten, den Mond bestimmt. Jeder kann mit einer elektronischen Waage das natürliche Zu- und Abnehmen über ein paar Monate hinweg überprüfen. Viele Menschen spüren das, nicht nur Frauen infolge ihres Menstruationszyklus. Auch ohne Waage spüren Menschen, wenn sich 1 Pfund oder 1-2 Kilo mehr Gewicht eingeschlichen haben und dass sie um ein natürliches Gewicht pendeln. Niemand hat ein statisches Gewicht. Bei dem einen ist die Pendelbewegung klein, beim andern größer, aber die gute Botschaft ist: Das muss nicht behandelt werden, das Zu- und Abnehmen um einen mittleren Wert herum ist normal und gehört zu einem gesunden Körpergefühl. Was davon abweicht und sich zu den beiden Extremen des Übergewichts und Untergewichts entfernt, muss behandelt werden.
Damit meine Erkenntnis der Ursache für beide Extreme verständlich wird, muss ich vorausschicken, dass ich zu 100 % dem höheren Selbst eines Patienten vertraue. Er/sie hat ein untrügliches Wissen auf einer momentan unterbewussten Ebene, warum er/sie zu dick oder zu dünn wird. Es reicht aber nur ein diffuses Gefühl in diese Ebene hinein. Ich könnte auch sagen, es sei eine Mischung aus Instinkt und Ahnung. Aus diesem „diffusen Gefühl“ heraus tut der Mensch etwas für sich Richtiges. Diese instinktive Handlung nimmt über die Dauer der Zeit autonome Züge an und mündet in eine Sympathikotonie. Es ist aber zunächst noch kein so hoher Stressgrad erreicht, der das Großhirn gänzlich ausschaltet. Es gibt immer noch Phasen, in denen die Patienten bewusst wahrnehmen, dass sie das Falsche essen und tun, aber da ist zugleich die stammhirngesteuerte Gier, die sie nicht (mehr) kontrollieren können. Der Konflikt zwischen dem instinkthaften richtigen Handeln und dem bewussten Erkennen des falschen Handelns ist das eigentliche Problem. Die Über- und Untergewichtigen befinden sich in diesem Zwiespalt und spüren den Teufelskreis, aus dem sie selten allein herausfinden. Unsere Aufgabe ist es, diesen Circulus vitiosus zu erkennen und das jeglicher Vernunft widersprechend Richtige in der Handlungsweise der Patienten zu erkennen.
Damit komme ich zur Ursache:
Der/die Übergewichtige empfindet sich auf dieser unterbewussten Ebene als zu leicht. Es mangelt an Erdung. Darum beschwert er/sie sich mit materieller Nahrung. Durch die Leichtigkeit ist zu wenig Körpergefühl vorhanden, darum das Bedürfnis, sich physisch schwerer zu machen. Im Fettleibigen das tuberkuline Naturell zu erkennen, ist hier hilfreich.
Der/die Untergewichtige nimmt sich auf dieser unterbewussten Ebene als zu schwer wahr und erleichtert sich durch Verzicht auf Nahrung.
Nachdem mir diese Zusammenhänge klar wurden, war es wesentlich einfacher, einen Weg aus dem Teufelskreis zu erkennen. Aber, und das sage ich mit allem Ernst: das Einfache ist nie leicht. Zu einer schlichten Erkenntnis zu kommen ist eine Sache. Sie in die Praxis umzusetzen, erfordert Kreativität und Disziplin. Das betone ich, weil ich kein Freund von Rückfällen bin. Auch das verdanke ich meiner früheren Profession, in der man nicht auf die Bühne gehen kann und sagen: „Ich probier´s mal, vielleicht klappt es ja“. Eingedenk der Tatsache, dass ich fehlbar bin und mir zugestehe, nicht jeden Patienten erfolgreich behandeln zu können, erhebe ich dennoch den Anspruch auf einen optimalen Heilungsprozess für den Patienten.
Die Ursache des Übergewichts („Ich bin zu leicht“) kann sich durch viele Grade manifestieren. Alles Kranke hat einen harmlosen Anfang. So auch hier. Es gibt eine ganz normale Verhaltensweise, die uns nur nicht bewusst wird, die aber genau das widerspiegelt, was ich oben beschrieben habe: Wann greifen wir als Gesunde zur beschwerenden Nahrung? Wann haben wir das dringende Gefühl, jetzt sofort etwas essen zu müssen, um „runter“ zu kommen?
Die Antwort: Wenn wir uns durch etwas vom Boden der Tatsachen hinauf in geistige, spirituelle, gefühlsmäßige Höhen geschwungen haben. Wieder bezeugen gerade die darstellenden Künstler, wie dies vonstatten geht: Vor dem Auftritt herrscht Eustress, die Erwartungshaltung, gemischt aus Vorfreude und Angst, ob denn wohl alles perfekt ablaufen werde. Dann folgt der Auftritt, bei dem rein physiologisch gesehen Adrenalin durch Noradrenalin wieder abgebaut wird und der Organismus wieder in ein Gleichgewicht der Lebenskräfte gelangt. Das ist notwendig, weil es auf der Bühne um Höchstleistung und Perfektion geht. Kein Künstler kann Disstress auf der Bühne gebrauchen, also reine sympathikotone Energielage. Denn die mündet in die Lähmung, wenn der das Blut vergiftende Adrenalinspiegel zu hoch wird. Es würden Blackouts und Gedächtnisschwund sowie Körperschwäche folgen.
Während nun die Stresshormone auf ein gesundes Maß reduziert werden, geschieht auf der geistigen Ebene eine Transformation, denn der Künstler entfaltet die unfassbare Kraft, durch seine geordnete Energie die ungeordnete Energie der Zuhörerschaft zu strukturieren, das Energierad von Geben (Künstler) – Nehmen (Publikum) – Geben (Publikum) – Nehmen (Künstler) in Schwung zu bringen. Er nährt sich und die Zuhörer und schwingt dieses Zusammenspiel der Kräfte spiralförmig auf eine erhöhte Transformationsebene jenseits von Raum- und Zeitbegrenzung. Eine solchermaßen gelungene Darbietung ist ein mystisches Erlebnis zwischen Künstler und Publikum. Die geordnete Energie des Künstlers resultiert aus der oben genannten Mozart-Erkenntnis: Begabung und Übung. Kein Profi betritt die Bühne ohne zahllose Übungsstunden und viele Proben. Die höhere Schwingung heilt, sagen wir in der Ganzheitsmedizin. Hier wird es erlebbar, was das wirklich bedeutet. Die höhere Schwingung ist immer eine geordnete Kraft, die das Chaos zu ordnen vermag. Diesen Prozess erleben wir als Publikum sehr deutlich, indem wir Raum und Zeit vergessen und mit ungeteilter Aufmerksamkeit dem Geschehen auf der Bühne zugewandt sind. Aufmerksamkeit ist das Resultat von Ordnungsprozessen, sei es durch die innere Einkehr in der Meditation oder sei es im Energieaustausch von Künstler und Publikum.
Abb. 2: Übergewicht, weil zu leicht befunden
In einer gelungenen künstlerischen Darbietung steigert sich die Transformation in Richtung auf einen Höhepunkt. Darin zeigt sich die orgastische Potenz eines Künstlers. Ist der Höhepunkt erreicht – hier Darbietungsende, dort Orgasmus im physischen wie geistigen Sinne – folgt der Abstieg in die Raum- und Zeitbegrenzung, in den Alltag, ins Hier und Jetzt. Das Publikum klatscht sich selbst durch den Applaus wieder in die Niederungen des irdischen Lebens hinein und hilft durch sein lautes Feedback dem Künstler, ebenfalls wieder in seinen irdischen Leib zurückzukehren. Doch dann trennen sich die Wege – die Zuhörer fahren oder gehen nach Hause, der Künstler packt seine Sachen, fährt ein paar Stunden Auto oder kehrt in sein Hotel zurück. Und genau hier kommt der entscheidende Punkt, auf dem Harald Knauss und ich 1989 die Musik-Kinesiologie einst aufbauten: das Stress-Management vor dem Auftritt und die Verhaltensweise nach dem Auftritt. Letzteres erwies sich als noch viel wichtiger, weil „das Danach“ ganz entscheidende Botschaften enthält für „das nächste Davor“. Darstellende Künstler befinden sich noch eine ganze Weile nach dem Auftritt energetisch abgehoben, sie schweben gleichsam an der Decke und suchen nun einen Weg hinunter. Was tun die meisten Künstler? Sie essen und trinken. Was essen und trinken die meisten? Etwas Ungesundes: Alkohol, Hausmannskost, rauchen dazu noch Zigaretten. Sie essen zu spät (ab 22 Uhr), sie essen Schwerverdauliches. Aber sie genießen diese erdende Kost mit Nudeln, Kartoffeln, Fleisch usw., weil sie spüren, wie sie wieder schwer werden, die flüchtige Leichtigkeit verlieren und wieder ganz in ihren Körper zurückfinden. Ich habe das seinerzeit in die kurze Feststellung zusammengefasst: Vorher Askese, nachher Orgie. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich mich viele Jahre über mich selbst geärgert habe, als Gesundheitsbewusste dennoch in dieses Hamsterrad geraten zu sein, nämlich mit einem Heißhunger alles Ungesunde in mich hineinzustopfen, um wieder auf die Erde zu kommen. Ich weiß, wie sich das anfühlt, wenn das Frontalhirn sagt: "Lass das" und das Stammhirn gierig sagt: "Nimm das". Ich kenne diese Vorstufen zur Hölle, zur Abhängigkeit und zum bedingten Reflex : „Ich kann nur, wenn …“. In 20 Jahren Bühnenerfahrung habe ich nur sehr wenige Male erlebt, dass ein Schauspieler, Tänzer, Sänger oder Musiker nach dem Auftritt vernünftig im Alltagssinne eine leichte, gesunde Speise zu sich nahm oder gänzlich aufs Essen verzichtete.
Solange man die eigene Verhaltensweise noch im Griff hat und alternative Lösungen zur „Schocktherapie“ der Energiekörper durch schwere Kost findet, nimmt sie keine kranken Züge an. Dann hat man noch die Wahl, zwar zu essen und zu trinken, um wieder in den Körper zu gelangen, aber man wählt leichte Kost wie etwa eine Suppe. Ich habe viel gelernt in meiner Künstlerzeit über das Danach, denn hier liegt der Grund für ein fortschreitendes Fehlverhalten, für unkontrolliertes Essen, für instinktives Gierverhalten. Ich habe auch einen deutlichen Generationenwechsel unter den darstellenden Künstlern erlebt. Meine eigene Gesangslehrerin war Wagnersängerin in Budapest, zwei Zentner schwer, 1,80 m groß, eine Walküre mit einem ungeheuren Stimmvolumen und einer enormen energetischen Ausstrahlung. Noch in den 80er Jahren waren schwergewichtige Sänger und Sängerinnen ein gewohntes Bild
Abb. 3: Opernsängerin
in Konzert, Theater und Opernhaus. Mit der körperlichen Polsterung der Nerven verband man eine gefühlvolle Künstlernatur und künstlerische Ausdruckskraft. Das änderte sich gravierend durch das Erscheinen amerikanischer Sänger und Musiker, die vor körperlicher Fitness strotzten, in perfekter Technik brillierten und mit stählernen Nerven den Stress an die Wand spielten und sangen. Rein äußerlich nahmen sich die pummeligen Künstler dagegen wie ungehobelte Klötze aus. Der amerikanische Funke sprang leider auch hier über, indem plötzlich der Fitnesswahn unter den Künstlern ausbrach – je dünner, je fitter, desto besser die Technik. So ist ein Heer von perfekt gestylten Künstlern entstanden, die zwar durch ihre Virtuosität beeindrucken, aber oftmals nichts zu sagen haben. Sie bieten dar, vielen ist es völlig egal, wie und was das Publikum empfindet. Der Vorteil dieser Entwicklung ist unbenommen die höhere Qualität der künstlerischen Leistung. Die Schattenseite ist die hemmungslose Vermarktung von Talent, angefangen bei den „Wunderkindern“, die schon ab dem 10. Lebensjahr mit Erlaubnis von Ärzten Betablocker und Psychopharmaka (Ritalin etc.) konsumieren. Nachwuchskünstler werden heute schon erwachsen mit der Vorstellung, es gebe nur chemische Mittel zur Stressbewältigung. Hinzu kommt der Jugendwahn, dass man in der darstellenden Kunst im Ballett schon mit 21 Jahren, in der Musik ab 24 zum „alten Eisen“ zählt und daher der Leistungsdruck auf nicht ausgereiften Persönlichkeiten lastet. Die so geförderten Nachwuchskünstler, oft zusätzlich durch zahllose Wettbewerbe gestresst, verbrauchen sich schnell, so dass wir letztendlich in der Praxis menschliche Wracks aus dem Leistungssport und aus der darstellenden Kunst zu beklagen haben. Während in vielen Berufssparten außerhalb der Kunst längst die Ganzheitsmedizin ein Begriff ist, Alternativen zur konventionellen Medizin immer häufiger gesucht werden, ist die Kunstszene eine der letzten Bastionen, von denen die Pharmaindustrie gut lebt. Wer junge Künstler in der Praxis erlebt, weiß, dass ich nicht übertreibe, sondern dass das künstlerische Burn-Out alles übertrifft an Schädigung, was wir aus anderen Berufen kennen. Dazu sei am Rande noch bemerkt, dass das Gros der Künstler am Existenzminimum lebt, dass viele für fast nichts konzertieren und tanzen, um sich auf dem hohen Leistungsniveau zu halten. Davon erfährt man nichts in der Presse. Auch in Therapeutenkreisen und vor allem in der so genannten „Musik-Medizin“ wird wenig zur Klärung der eigentlichen Problematik beigetragen, weil man auf die vordergründigen Symptome fixiert ist. Das ist einerseits auch verständlich, weil wenig Therapeuten aus der professionellen Darbietungskunst kommen und andererseits die Künstlerszene selbst, wie gesagt, sich noch auf einem medizinischen Verständnisstand wie vor 30 Jahren befindet. Viele Künstler investieren lieber Tausende Euro in komplizierte Behandlungen und Operationen, als zum Homöopathen zu gehen, obgleich sie dort wahrlich am besten aufgehoben wären. Denn keine westliche Heilkunst kann so detailliert auf die Bedürfnisse der Künstler eingehen wie sie.
Doch kehren wir zurück zum Ausgangspunkt: Der Übergewichtige „fühlt“ sich zu leicht, deshalb erdet er/sie sich mit Nahrung, oft schwer verdaulicher Kost. Der Weg über das Verständnis eines künstlerischen Höhenfluges diente dazu, die Frage ins Bewusstsein zu rücken: Was hat den Menschen denn leicht gemacht? Der künstlerische Schaffensprozess im Austausch mit einem Publikum ist der Maßstab. Doch kann man ihn auf jede Stufe einer das ganze Sein erfüllenden schöpferischen Tätigkeit heruntertransformieren. Dann erkennen wir die gleichen Parameter und Verhaltensweisen.
Wenn nun ein übergewichtiger Patient in die Praxis kommt, gehe ich folgendermaßen vor:
2. In der Regel wird meine sensitive Wahrnehmung durch die physische bestätigt, indem die Stimme dieser Patienten angenehm, weich, wohlklingend, vielleicht im Moment etwas zu laut oder verhaucht ist. Aber die Sprache, die Wortwahl und die Artikulation weisen auf das zugrunde liegende Potenzial hin.
3. Auf diese Wahrnehmung baue ich die erste Anamnese auf. Das eigentliche vordergründige Symptom des Übergewichts lasse ich zunächst bewusst beiseite.
4. Ich erkläre dem Patienten meine Wahrnehmung und frage, wie sie/er den geistigen Höhenflug erlebt und in welcher Weise das Gefühl von Leichtigkeit auftaucht.
5. Dann frage ich, wie die Person von dieser Höhe wieder herunter, „in die Erde“ kommt, wie sie sich erdet.
6. Hier ist der Moment, in dem die meisten Patienten sich erstmals erkannt und ver-standen fühlen. Sie beschreiben präzise das Phänomen, das ihnen bis dahin gar nicht bewusst war. Sie meinen, keine an-dere Wahl der „Erdung“ zu haben als durch Essen. Sie sind unglücklich darüber.
7. Ich erkläre ihnen, dass sie mittels ihres Unterbewusstseins das Richtige tun, näm-lich sich durch Nahrung erden. Dadurch, dass sie aber keine weiteren Wahlmög-lichkeiten erschaffen haben, fixieren sie sich aufs Essen, meist aufs wahllose, un-kontrollierte, gierige Essen. Frauen sind hier besonders „begabt“, etwas Unzuträg-liches so schnell unzerkaut zu essen, so dass sie sich einbilden, gar nichts geges-sen zu haben.
8. Das ist der nächste Moment, in dem sich die Patienten verstanden fühlen. Sie be-stätigen durch ausführliche Darstellung ihres Problems, keine andere Wahl zu haben als zu essen, damit das innere Zittern aufhört, damit die Flüchtigkeit in Festigkeit wechselt. Schließlich endet das Dilemma in Schuldgefühlen.
9. Ich erkläre den Patienten, dass die Therapie darin besteht, andere Wahlmöglich-keiten zu schaffen, um sich gut zu erden, so dass die Nahrungsaufnahme eine von mehreren Möglichkeiten wird.
10. Es folgt eine Aufklärung darüber, wie der Stress in der stammhirngesteuerten Erdung mit Nahrung abgebaut wird: Wahl verschiedener Nahrung, Darmsanierung, konstitutionelle Homöopathie, gegebenenfalls, wenn die Folgekrankheiten des Übergewichts chronischen Charakter angenommen haben, eine miasmatische Therapie, Atemübungen, Drüsenübungen, Harmonieübungen, schöpferischer Selbstausdruck, rhythmisierte Behandlungsweise.
Das sind im Groben die Elemente der ganzheitlichen Behandlung. Im Detail sind mir allerdings folgende Fakten wichtig, die ich für eine individuelle Gestaltung berücksichtige:
► Welcher körperliche Konstitutionstyp (asthenisch, pyknisch, athletisch) überwiegt beim Patienten?
► Wie alt ist der Patient?
► Wie groß ist der Patient?
► Welches Temperament (melancholisch, sanguinisch, cholerisch, phlegmatisch) herrscht beim Patienten vor?
► Welcher Blutgruppe gehört der Patient an?
► Wie sieht der Berufsalltag des Patienten aus?
► Wie viele kleine Pausen lassen sich im Berufsalltag des Patienten verwirklichen?
► Welche familiensystemischen Kopien (z.B. „Alle waren immer dick", „Essen, was auf den Tisch kommt", „Keine Nahrung verkommen lassen" usw.) liegen beim Patienten vor?
► Für wen übernimmt der Patient ungelöste Konflikte und belastet damit seinen Körper und Geist?
► Welche Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung hat der Patient bis jetzt ergriffen?
► Liegt eine Arzneikrankheit (Parasitose) durch Medikamentenabusus, Laxantien, Diuretika, Appetitzügler, regelmäßige Impfungen, Stimulanzien oder Drogen vor?
Die Antworten auf diese Fragen dienen dazu, ein Gesamtbild und ein Psychogramm von der Persönlichkeit des Patienten zu erhalten, das natürlich wertfrei zu betrachten ist. Bei der Behandlung Übergewichtiger ist von zentraler Bedeutung, die Frage „Wie kann man bloß?!“ ersatzlos aus dem Bewusstsein zu eliminieren. Man(n) kann, frau kann, jeder von uns kann. Die wesentlichen Aktionen in unserem Leben sind irrational. Deshalb müssen wir als Therapeuten kreativ sein, um dem kreativen Wesen des Patienten adäquat zu begegnen.
In einem ganzheitlichen Behandlungskonzept, wie es auch im Detail ausgestattet sein mag, hat die Disziplin oberste Priorität. Das bedeutet für den übergewichtigen Patienten schrittweise Erarbeitung seiner Heilung. Ich bevorzuge viele kleine Schritte, so dass die Patienten jederzeit das Gefühl haben, ihren Heilungsprozess meistern zu können.
Meine Erfahrung und die vieler Kollegen, die bei mir gelernt haben, bestätigen, dass die adipösen Patienten gewiss am Anfang stöhnen ob der vielen Arbeit, aber es trägt sie die Gewissheit,