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Nicht mein Tag – das denkt sich Sascha, als er zusammen mit Arne einen unliebsamen Auftrag erledigen muss. Der lässt niemanden an sich heran, wer es dennoch versucht, muss mit verletzenden, zynischen Verbalattacken rechnen. Zu ihrer beider Überraschung entwickelt sich daraus ein Wettstreit, der unentschieden ausgeht. Ein Ergebnis, das sie beide nicht wirklich als befriedigend empfinden … Ca. 10.700 Wörter Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte rund 52 Normseiten.
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Kurzbeschreibung
Nicht mein Tag – das denkt sich Sascha, als er zusammen mit Arne einen unliebsamen Auftrag erledigen muss. Der lässt niemanden an sich heran, wer es dennoch versucht, muss mit verletzenden, zynischen Verbalattacken rechnen. Zu ihrer beider Überraschung entwickelt sich daraus ein Wettstreit, der unentschieden ausgeht. Ein Ergebnis, das sie beide nicht wirklich als befriedigend empfinden …
Ca. 10.700 Wörter
Im normalen Taschenbuchformat hätte diese Geschichte rund 52 Normseiten.
von
Sandra Gernt
„Sascha, hilfst du mir bitte mal?“
Einen Moment lang überlegte Sascha ernstlich, ob er sich taub stellen sollte. Wenn Nobbi Noppel um Hilfe bat, artete das grundsätzlich in Schufterei aus. Er war Sportlehrer und hieß eigentlich Norbert Hennings. Da er allerdings sehr klein war, dazu schmal, hyperaktiv und extrem schnell, hatte sich bereits in der fünften Klasse der Spitzname ‚Nobbi Noppel, der laufende Meter’ eingebürgert. Das durfte man allerdings nicht laut sagen, es sei denn, man hatte Verlangen nach einem 5000-Meter-Lauf, egal bei welchem Wetter und egal, welche wichtige Stunde man dafür verpasste. Nobbi organisierte gerade das Sportfest sowie die Skifahrt der zehnten Klasse. Wer auch immer von ihm eingespannt wurde, konnte mit dem Schlimmsten rechnen.
„Sascha Mayer, ich weiß, dass du mich gehört hast, also komm gefälligst her!“
Verflucht, er hatte zu lang gezögert. Schicksalsergeben drehte Sascha sich um. „Fein. Diese Kartons da müssen in den Keller. Arne wird dir helfen. Der zweite Lagerraum, nicht rumtrödeln und alles wird ordentlich einsortiert!“
Sascha starrte von dem guten Dutzend Kartons mit diversen neuen Sportgeräten zu Nobbi, der ungeduldig zurückstarrte, hinüber zu Arne Meier – mit ‚ei’, bitte schön, keine Verwechslungen! – und zurück zu Nobbi. Diskutieren war bei diesem Lehrer völlig sinnlos, das wusste er. Es hatte schon seinen Grund, warum Nobbi sich strikt weigerte, seine Oberstufenschüler zu Siezen. Trotzdem hätte er es gerne versucht, denn Arne war ein echter Albtraum.
„Heut’ noch, Jungs, wenn’s geht!“, rief Nobbi und tippte heftig gegen seine Uhr. „In einer halben Stunde ist alles fertig, klar?“
„Ja, Herr Hennings“, murmelten Sascha und Arne brav.
Nun denn, es half nichts, sie mussten es hinter sich bringen. Sascha hatte sich auf die Freistunde gefreut, nachdem er eben eine fünfstündige Matheklausur überlebt hatte. War nicht sein Tag heute …
Er warf seinem Schicksalsgenossen einen warnenden Blick zu – wehe, der Kerl machte auch nur eine seiner blöden Bemerkungen! Arne war für seine sarkastischen Kommentare berüchtigt. Jede noch so kleine Schwäche seiner Mitmenschen nutzte er gnadenlos aus und traf jedes Mal ins Schwarze. Gelegentlich konnte man darüber lachen, aber zumeist waren es verletzende Attacken, die die Opfer hilflos zurückließen. Niemand wollte sein Freund sein, genau das war vermutlich sein Ziel. Da half es wenig zu wissen, dass Arne erst vor zwei Jahren solch ein Misanthrop geworden war. Dass die Lehrer und Vertrauensschüler, bei denen die Opfer um Hilfe baten, mit Erklärungen Verständnis zu wecken versuchten – Arne wollte niemanden mehr an sich heranlassen, nachdem er einen geliebten Menschen verloren hatte – machte es nicht leichter. Im Gegenteil, man fühlte sich anschließend erst recht beschissen, weil man Mitleid mit dem armen Täter haben sollte.
Früher war er ein netter, fröhlicher Junge gewesen, mit vielen Freunden und sehr mittelmäßigen Noten. Heute, im Abschlussjahrgang, war er einsam, verbissen, zynisch und mit meilenweitem Abstand der beste Schüler des Robert Koch-Gymnasiums.
Sascha packte sich einen der Kartons, beschloss, dass er auch zwei davon tragen konnte und hastete mit seiner Last in Richtung Keller. Wenn er Glück hatte, war Arne ebenfalls müde nach der langen Klausur und wollte schnellstmöglich mit dem Packeseldienst fertig werden. Der Kerl hatte ihn bis jetzt zumeist komplett ignoriert, da Sascha eher zu den ruhigen Vertretern gehörte und stets einen weiten Bogen um ihn schlug. Auch früher war er niemand gewesen, den Arne als Kumpel um sich haben wollte. Einige seiner Freunde hatte der Spinner allerdings bereits heftig angegangen, was Sascha ihm übel nahm.
Er beschleunigte seine Schritte unwillkürlich, als er Arne hinter sich auf der Treppe hörte. Gut, dass er von Natur aus kräftig und ausdauernd war, körperliche Anstrengung machte ihm nichts aus. Leider war Arne ebenfalls kein Schwächling … Ob er spürte, dass Sascha ihn abhängen wollte? Er erhöhte nämlich ebenfalls das Tempo und hielt mit ihm Schritt, sodass sie nebeneinander durch den Kellergang marschierten. Stumm, ohne sich anzuschauen. Nobbi hatte ihnen den Lagerraum aufgeschlossen, er gab quasi nie einen Schlüssel in Schülerhände. Als sie zeitgleich die Tür erreichten, mussten sie kurz verharren, da sie nicht gemeinsam hindurchpassten. Sascha wollte ihm nicht den Vortritt lassen, gewaltsam darauf bestehen würde er aber auch nicht. Einen Moment später rempelte Arne ihn aus dem Weg und drängte sich vor.
„Hey!“, motzte Sascha wütend. Beinahe hätte er seine Last fallen gelassen! Das dämliche Arschloch gönnte ihm einen spöttischen Blick. Na warte … Er rannte in den Raum, räumte die Kartons in Rekordzeit leer und schaffte es, einen Hauch schneller zu sein als sein Konkurrent. Schon stürmte er die Treppe hoch, um die nächste Ladung zu holen. Arne gab sich nicht geschlagen, sondern folgte ihm auf den Fuß. Als sie wieder in dem Seitengang standen, der das Hauptgebäude mit der Sporthalle verband, und gleichzeitig nach den nächsten Kartons griffen, wandten sie sich einander kurz zu. Blitzte da etwa Vergnügen in den blaugrauen Augen? Wäre ja mal was ganz Neues!
Ihr Wettrennen verlief weiterhin stumm. Trotzdem verspürte Sascha mit jeder weiteren Runde mehr Spaß an der Sache. Was seltsam war, er wollte eigentlich gar keinen Spaß haben … Einige ihrer Laststücke waren zu schwer oder zu sperrig, um zwei gleichzeitig zu tragen, wodurch sich das Spiel in die Länge zog. Sie blieben beide fair, nahmen immer dieselbe Menge mit wie der Gegner, behinderten sich nicht offensiv und rempelten sich bloß auf harmlose Weise an und niemals auf der Treppe. Auf gefährliche Weise bösartig war Arne nie gewesen, weder beim Sport noch wenn er jemanden verbal attackierte, der ihm zu nah kam, darum erstaunte es Sascha nicht.
Nach knapp einer halben Stunde waren sie fast fertig – fast, es waren lediglich zwei Kartons übrig. Wieder gelangten sie zeitgleich an, und ohne sich abzusprechen verharrten sie beide kurz. Arnes schulterlanges hellblondes Haar, das er zu einem strengen Zopf gebunden trug, war nicht weniger schweißdurchtränkt als Saschas dunkelblonde Wuschelfrisur. Sie atmeten beide schwer, es war anstrengend gewesen, über einen solch langen Zeitraum alles zu geben.