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Die Geschichten dieses Bandes beschreiben Menschen in Ausnahmesituationen, in Zeiten persönlicher Krisen. Aber sie zeigen auch Auswege und Fluchtmöglichkeiten aus persönlicher und gesellschaftlicher Verstrickung, indem sie Gottes Verheißung konkret zur Sprache bringen. Ein Lese- und Arbeitsbuch für engagierte Christen. Für Leser, die über die gelesene Geschichte weiter nachsinnen wollen, und für Leiterinnen und Leiter von Gruppen und Diskussionskreisen, die bei Veranstaltungen in Gemeinschaften und in der Gemeinde weiter darüber diskutieren möchten, ist jeder Geschichte eine „Auswertung“, ein Leitfaden zur Vertiefung und Aufarbeitung der Erzählung, beigegeben.
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Seitenzahl: 106
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Unter Gottes Regenbogen
Kurzgeschichten aus der Alten und der dritten Welt
Helmut Ludwig
© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe
Autor: Helmut Ludwig
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-944187-64-8
Verlags-Seite: www.folgenverlag.de
Kontakt: [email protected]
Shop: www.ceBooks.de
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Helmut Ludwig (* 6. März 1930 in Marburg/Lahn; † 3. Januar 1999 in Niederaula) war ein deutscher protestantischer Geistlicher und Schriftsteller. Ludwig, der auch in der evangelischen Pressearbeit und im Pfarrerverein aktiv war, unternahm zahlreiche Reisen ins europäische Ausland und nach Afrika. Helmut Ludwig veröffentlichte neben theologischen Schriften zahlreiche Erzählungen für Jugendliche und Erwachsene.1
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Ludwig
Titelblatt
Impressum
Autor
Vorwort
Auf dem Flohmarkt
Geschichten aus der Alten Welt
Im Altenwohn- und Pflegeheim
Nur der Nebel war Zeuge
Hilferuf im U-Bahnschacht
Geheimnisvolles Paket
Der tödliche Dienstag
Sprühparole: »Ausländer raus!«
Der letzte Halt
Funk-Leidenschaft
Das neue Leben
Auf Anregung eines türkischen Gastarbeiters niedergeschrieben.
Umkehr in Cádiz
Geschichten aus der dritten Welt
Kein Anlass zur Panik …
Der Goldminen-Tänzer vom Compound
Honorato und ein richtiges Weihnachtswunder
Straßenbaby in Kalkutta
Keine Folter: »Tag der offenen Tür«
Der Gott der Reichen antwortet
Bethlehem in Afrika?
Der Schuhputzer
Ein Lift spielt verrückt
Vogelfrei für Pistoleiros
Hoffnung für Pilkhana
Unsere Empfehlungen
Wenn wir als Kinder einen in vielen Farben erglühenden Regenbogen entdeckten, betrachteten wir das stets als ein besonderes Ereignis. Während wir schon bald registrierten, dass der Regenbogen ein Zeichen dafür war, dass die Strahlen der Sonne endlich doch den Regen besiegt hatten, brauchten wir zur Erkenntnis, dass der zarte, offenbar vergängliche Regenbogen nirgendwo am Himmel richtig fest-gemacht war, länger. Er war doch deutlich zu sehen! Man konnte den Regenbogen sogar fotografieren! Nur anzufassen vermochte man ihn nie. Dazu war er viel zu zart und durchscheinend, obwohl er manchmal zum Greifen nahe schien …
So wurde uns der Regenbogen zu einer vertrauten und gleichzeitig doch unerreichbaren Erscheinung, die uns das Ende des Regens und den Sieg der Sonnenstrahlen über alle Dunkelheit anzeigte. Wahrscheinlich sind das Erfahrungen, tief verwurzeltes Wissen der Menschheit seit vielen tausend Jahren, das Menschen verschiedenster Rassen und Wohngebiete gemeinsam haben. Das war unseren frühen Vorfahren immerhin so wichtig, dass es in der Bibel, ziemlich am Anfang des Alten Testaments, festgehalten worden ist.
Nach dem kindlichen Erlebnisstaunen über den durchscheinenden, farbenprächtigen, leuchtenden Regenbogen haben wir später mit neuem Staunen von der Erschaffung des Regenbogens in der Bibel gelesen. Da spiegelte sich kindliches Erleben wider: Dunkelheit, Wolken und flutartige Regenfälle, die zu einer gewaltigen menschen- und tiervernichtenden Oberschwemmungsflut heraufbeschworen wurden. Gottes Strafgericht, das er über die Menschen hatte hereinbrechen lassen, war vorüber. Gottes Barmherzigkeit und Zuwendung zu seiner Schöpfung hatten über seinen Zorn gesiegt. Gott schuf ein Zeichen seines Versöhnungsbundes mit den Menschen. Ein Zeichen seiner siegenden Liebe gegenüber »der Erde«, wie es in der alten Übersetzung heißt. Die Geschichte ist nachzulesen im 1. Buch Mose, im 9. Kapitel, Verse 8 bis 17. Eine biblische Geschichte, so faszinierend wie der Regenbogen am Himmel, der den Sieg von Licht und Leben gegen Dunkelheit und Dunkles anzeigt und mit seinen fröhlichen Farben das Positive im Menschen weckt. Spätestens seit Aufzeichnung dieser Geschichte in den Schriften des Alten Testaments gilt der Regenbogen als Symbol der Liebeszuwendung Gottes »an alles Fleisch auf Erden«.
So leben wir Menschen alle, rund um den Erdball, unter dem Zeichen der Vergebung und der Liebe Gottes. Und was braucht unsere am Abgrund zum selbstgemachten Untergang balancierende Welt mit all ihren Menschen und der ganzen Schöpfung mehr, als Gottes Vergebung und Liebe gegenüber allem Hass, aller Angst, aller Naturzerstörung und allem, was der Selbstvernichtung des Menschen Vorschub leistet?
So sind auch all die nachdenklich stimmenden, kritischen und sich in Grenzsituationen des Lebens bewegenden Geschichten dieses Buches, die vorwiegend in der Alten und dritten Welt spielen und auf weiten Reisen zusammengetragen wurden, als Anstöße gedacht. Sie verdeutlichen menschliche Schuld, menschliches Versagen, das in der einen oder anderen Geschichte dieses Buches die Katastrophe heraufbeschwört. Und sie zeigen zugleich, dass wir ohne Vergebung nicht leben können. Dass wir auf Gottes Liebe und seinen neuen Anfang mit uns immer neu angewiesen bleiben. All diese Geschichten spielen in unserer Welt, auf unserer Erde »unter Gottes Regenbogen«, unter dem Zeichen seiner Zuwendung und Liebe gegenüber seiner Schöpfung. Manche dieser Geschichten, die das Leben schrieb, sind hintergründig und durchscheinend wie der Regenbogen. Hier und da leuchtet Gottes vergebende Liebe deutlicher, greifbarer auf. Manchmal ist sie auch verschüttet, verstellt von menschlicher Schuld und menschlichem Versagen, das doch nie Gottes letzter Wille mit uns ist.
Für nachdenkliche Leser, die über die gelesene Geschichte weiter nachsinnen wollen, und für Leiterinnen und Leiter von Gruppen und Diskussionskreisen, die bei Veranstaltungen in Gemeinschaften und in der Gemeinde weiter darüber diskutieren möchten, ist jeder Geschichte eine »Auswertung«, ein Leitfaden zur Vertiefung und Aufarbeitung der vordergründigen Erzählung, beigegeben.
Über allem schwebt, sichtbar oder unsichtbar, »Gottes Regenbogen« als Zeichen und Erinnerung an Gottes vergebende, wieder in Ordnung bringende Liebe. Freilich ist diese Liebe freiwillige Zuwendung Gottes. Sie ist ebenso wenig einklagbar oder ertrotzbar, wie der Regenbogen am Himmel nicht mit Händen greifbar, aber doch existent ist.
Plötzlich sah die alte Dame, die auf dem Weg zu ihrem Hausarzt den Flohmarkt mit seinem Gedränge durcheilte, eine blaue Vase am Stand eines jungen Flohmarktverkäufers und wurde magisch davon angezogen.
Aber da stand schon ein Junge vor ihr am Stand, dreizehn oder vierzehn Jahre alt vielleicht. Er nahm gerade die blaue Vase in die Hand und fragte den Verkäufer nach dem Preis. Der alten Dame entfuhr ein kleiner, spitzer Schrei der Enttäuschung, so dass sich der Junge, der die Vase in der Hand hielt, umsah. Ob es an den bittenden Augen, dem enttäuschten Gesichtsausdruck der alten Dame lag oder woran sonst: der Junge sagte freundlich: »Wenn Ihnen so viel an der Vase liegt, trete ich zurück. Ich finde schon etwas anderes für meine Mutter zum Geburtstag.« Bevor die alte Dame dankbar und verlegen zugleich die passenden Worte fand, nannte der Verkäufer den Preis: »Unter fünfundzwanzig Mark kann ich die Vase nicht abgeben. Aber sie hat einen Sprung, lässt also sicherlich Wasser durch. Sie scheint mir eher als Ziervase geeignet …!«
Der Junge errötete, stellte die Vase an ihren Platz zurück und überließ nicht ungern den Handel der offensichtlich stark daran interessierten alten Dame, während er zugab: »So viel hätte ich ohnehin nicht anlegen können, wissen Sie!«
Die alte Dame schien überglücklich, nahm die gesprungene Vase so zärtlich in die Hände, als wollte sie das alte Porzellan liebkosen, und drückte sie wie einen Schatz so fest an sich, als wollte sie das alte Stück nie wieder hergeben. Dann zückte sie ihre Geldbörse, kramte darin herum und zählte die geforderten fünfundzwanzig Mark auf das Auslagebrett des rohgezimmerten Standes.
»Sie ist alt, die Vase, aber sie ist wirklich nur als Zierrat zu gebrauchen«, mahnte der junge Verkäufer noch einmal, so als wollte er sich für den hohen Preis der Vase entschuldigen.
»Die Vase ist mir die fünfundzwanzig Mark und noch mehr wert«, gestand die Käuferin offen und fragte dann mit einem abwartenden, gespannten Blick in ihren ausdruckvollen Augen: »Wo haben Sie denn die Vase her? Das würde mich doch sehr interessieren …!«
Der junge Verkäufer blickte der Käuferin freundlich in die Augen und gestand freimütig: »Am Waldrand vor der Stadt steht ein ausgeschlachteter Pritschenwagen, ein VW-Transporter, den irgend jemand einfach stehengelassen hat. Und den dann irgendwelche anderen Leute ausgeplündert haben. Die Reifen sind abgeschraubt, das Radio herausgerissen …
Ich wollte nachsehen, ob da noch ein Autositz für unser Gartenhaus zu holen war, weil das Wrack ja doch keinen mehr interessierte. Aber die Sitze waren längst herausgerissen und abtransportiert worden. Nur die Vase mit dem Sprung lag achtlos im Wagen herum. Die hatte keiner mitgenommen. Vielleicht weil sie gesprungen war …?«
Die Dame drückte die Vase noch einmal an sich und antwortete: »Ich glaube Ihnen, junger Mann. Sie haben einen ehrlichen Blick.« Und dann fügte sie einschränkend und misstrauisch hinzu: »Obwohl man sich heutzutage sehr damit irren kann … Aber ich glaube Ihnen.« Dann, nach kurzer Überlegung, fuhr sie fort: »Diese Vase und andere schöne Dinge wie zum Beispiel ein wertvoller Teppich sind mir im Sommer bei einem Einbruch aus meiner Wohnung gestohlen worden. Ich hatte die Dinge nicht versichert. Meine Rente ist klein, müssen Sie wissen. Die Kripo war da. Aber dann tat sich nichts mehr.« Nach kurzer Pause fuhr die alte Dame fort: »Wirklich, ich glaube Ihnen Ihre Geschichte von der Auffindung der Vase. Ich hing immer besonders daran. Mein Großvater hat sie aus China mitgebracht. Sie ist echt, stammt aus einer sehr alten Zeit, aus der Ming-Dynastie, wenn ich mich richtig erinnere. Es war eine ausgesprochene Familientragödie, als ich als Kind die Vase umstieß und den Sprung verursachte. Der Wert der Vase ist dadurch beträchtlich gesunken und doch ist sie für mich schier unbezahlbar! Und nun habe ich sie wieder und bin überglücklich!«
Der junge Verkäufer hörte gespannt zu. Ein so wertvolles Stück in einem abgewrackten VW-Pritschenwagen. Wer hätte das gedacht …!? Hätte er mehr fordern sollen …? Aber dann sah er die Tränen der Freude in den Augen der alten Dame und erinnerte sich an die besagte, kleine Rente.
Da kam es über den jungen Verkäufer mit dem »ehrlichen Blick« (so hatte sie doch gesagt); es kam über ihn, und er lief der alten Dame
durch das Gedränge nach, erreichte sie noch vor dem Parkausgang zur belebten Straße hin. Er tippte sie vorsichtig an. Sie aber zuckte erschrocken zurück und packte die Vase fester, um sie sich nicht erneut entreißen zu lassen.
»Ich wollte Ihnen nur«, und der junge Verkäufer wurde rot vor Verlegenheit, »Ihre fünfundzwanzig Mark wieder zurückbringen! Ich kann Ihnen nicht gut Ihr Eigentum verkaufen. Als ich die Vase anbot, wusste ich nicht, dass sie aus einem Diebstahl stammte, aber jetzt…« Da kehrte die alte Dame aus ihrer traumwandlerischen und übergroßen Wiederfindensfreude ganz in die Wirklichkeit zurück, sah den jungen Flohmarkt-Verkäufer mit dem »ehrlichen Blick« voll an und sagte bestimmt: »Nein, kommt nicht in Frage! Behalten Sie das Geld! Sie haben mir schon so eine übergroße Freude bereitet! Behalten Sie, junger Mann, die fünfundzwanzig Mark als Zeichen meiner Freude und meines großen, unbezahlbaren Dankes!«
Und nach kurzer, verlegener Pause:
»Sie haben mich überglücklich gemacht, junger Mann. Gott vergelte es Ihnen. Danke!«
Dann, als sich die alte Dame bewegt zum Gehen wendete, noch einmal ganz leise und verhalten vor Rührung und Verlegenheit: »Danke!«
Es hatte unzufriedene Angehörige gegeben, denen der Pflegesatz im Altenwohn- und Pflegeheim zu hoch vorkam. Sie waren zwar nicht bereit, ihre Angehörigen selbst zu pflegen, wohl aber zu Kritik. Und wie das so zuzugehen pflegt: Einer sagts dem ändern, und zum Schluss glaubts jeder… Da der Heimleiter dem Gerede in der Stadt fair begegnen wollte, lud er die Redaktionen der beiden Tageszeitungen ein, ihre Reporter am Heimalltag teilnehmen zu lassen und dann darüber zu berichten. Und damit es keine gestellten Situationen gäbe, schlug der Heimleiter mit Zustimmung des Personalrats den Redaktionen vor, ihre Reporter unangemeldet und zu jedem Termin, der ihnen gemäß sei, zu schicken. Der Vorschlag fand Gegenliebe bei den Redaktionen.
Acht Tage später erschien tatsächlich ein Redakteur der »Tagespost« und brachte einen Fotoreporter mit. Man wollte eine große Reportage vom Heimalltag mit entsprechenden Fotos bringen. Der Heimleiter war zum Termin des Pressebesuches nicht da. Das war den beiden Reportern umso lieber, als sie dann noch freier schalten, walten und fragen konnten. Sie kamen vom Unfallort an der Autobahn, wo vor zwei Stunden eine Massenkarambolage stattgefunden hatte. Bis zur Magistrats-Sitzung am Nachmittag waren noch einige Stunden Zeit. Und so hatte man sich der Einladung des Heimleiters erinnert.
Der Pfleger, der den Heimleiter vertrat, war ein durchaus sympathischer jüngerer Mann, der sich, wie man bald merkte, gut auskannte. Die Reporter waren erstaunt, weil sie sich einen Altenpfleger viel älter vorgestellt hatten. Nach einem längeren Rundgang mussten die Reporter der »Tagespost« zugeben: »Dies hier ist ein wirklich schönes Heim mit aufgeschlossenem, freundlichem Personal!«