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"Das Vater unser beruhigt mich" Papst Franziskus
Papst Franziskus gibt neue Einsichten in das beliebteste Gebet der Christen und bietet damit eine Anleitung zu einem sinnhaften und starken Leben. Vers für Vers befragt er das "Vater unser" und schlüsselt uns auf diese Weise die tiefgründigsten Worte Jesu auf, die auch für den Papst von größter Bedeutung sind. Denn es geht in diesem Gebet auch um die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Vergebung. So entdecken wir durch die Deutung des Papstes einen hoch aktuellen und inspirierenden Text.
»Wenn wir Hilfe brauchen, sagt Jesus uns nicht, wir sollten uns beruhigen und sehen, wie wir selbst damit zurechtkommen. Er lehrt uns, wie wir uns an den Vater wenden und Ihn vertrauensvoll um Hilfe bitten können. Alles, was wir brauchen, von den offensichtlichen und täglichen Bedürfnissen wie Brot, Gesundheit, Arbeit bis hin zu den seelischen wie Vergebung und Halt in der Versuchung, findet hier Berücksichtigung und zeigt uns, dass wir nicht einsam sind: Unser Vater ist für uns da, passt liebevoll auf uns auf und lässt uns ganz sicher nicht allein.«
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Seitenzahl: 97
Das Buch
Papst Franziskus gibt neue Einsichten in das beliebteste Gebet der Christen und bietet damit eine Anleitung zu inem sinnhaften Leben. Vers für Vers befragt er das Vaterunser und schlüsselt uns auf diese Weise die tiefgründigen Worte Jesu auf, die auch für den Papst von größter Bedeutung sind. Denn es geht in diesem Gebet auch um die Bedeutung von sozialer Gerechtigkeit, Barmherzigkeit und Vergebung. So entdecken wir durch die Deutung des Papstes einen hoch aktuellen und inspirierenden Text.
Der Autor
PAPSTFRANZISKUS ( Jorge Mario Bergoglio SJ), geboren am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires, wurde am 13. März 2013 zum 266. Oberhaupt der katholischen Kirche gewählt. Er ist der erste Jesuit und der erste Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri. Zuvor war er Erzbischof von Buenos Aires (1998–2013). Seine Bücher sind internationale Bestseller, zuletzt »Der Name Gottes ist Barmherzigkeit« (2016) und »Das Glück in diesem Leben« (2017).
PAPST FRANZISKUS
Mit Marco Pozza
VATER UNSER
DAS GEBET JESU NEU GELESEN
Übersetzt aus dem Italienischen von Elisabeth Liebl
Kösel
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Copyright © 2018 Kösel-Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Covergestaltung: Weiss Werkstatt, München
E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering
ISBN 978-3-641-23086-9V002
www.koesel.de
Titel der Originalausgabe: Padre Nostro
© Liberia Editrice Vaticana, Città del Vaticano
© 2017 Rizzoli Libri S.p.A. / Rizzoli, Milan
www.edizpiemme.it
DEN VATER BITTEN
»Vater« – ohne dieses Wort zu sagen, es zu hören, kann man nicht beten.
Zu wem bete ich denn? Zum Allmächtigen Gott? Viel zu weit weg, ich spüre ihn nicht an meiner Seite. Nicht einmal Jesus konnte ihn fühlen. Wen also spreche ich an? Den Gott des Universums? Das ist heute in Mode. Jeder betet zum universellen Gott: Das hat so etwas von mondäner Vielgötterei, die vielleicht für unsere auf Lightprodukte geeichte Kultur passen mag …
Nein, du musst mit dem Vater sprechen! Ein starkes Wort, dieses »Vater«. Du musst den bitten, der dich erschaffen hat, der dir das Leben gegeben hat. Freilich hat er es allen geschenkt, aber »alle« ist eben auch zu anonym. Er hat es dir gegeben und er hat es mir gegeben. Er ist es, der dich auf deinem Weg begleitet: Er kennt dein ganzes Leben. Das, was gut ist, und das, was daran weniger gut ist. Wenn wir das Gebet nicht mit diesem Wort beginnen, das nicht nur von unseren Lippen, sondern aus ganzem Herzen kommt, dann können wir nicht beten »wie Christen«.
Wir haben einen Vater. Einen Vater, der uns nahe ist, der uns in die Arme schließt. All der Kummer, all die Sorgen, die uns bedrängen, übergeben wir sie doch einfach dem Vater: Er weiß, was wir brauchen. Aber wie ist dieses »Vater« eigentlich gemeint? Ist es mein Vater? Nein, es ist unser Vater! Weil ich nicht sein einziges Kind bin. Keiner von uns ist es. Und wenn ich nicht Bruder oder Schwester sein kann, kann ich auch nicht Kind dieses Vaters sein, weil er eben uns allen Vater ist. Meiner, selbstverständlich, aber auch der Vater der anderen, meiner Geschwister. Und wenn ich mit meinen Geschwistern nicht in Frieden leben kann, dann kann ich ihn auch nicht »Vater« nennen.
Man kann nicht beten, wenn man im Herzen Feinde hat, und auch nicht, wenn man Feinde und Geschwister im Herzen hat. Ich weiß, dass das nicht leicht ist. »Ich kann nicht einfach ›Vater‹ sagen, das geht mir nicht von der Zunge.« Ja, das verstehe ich. »Ich kann nicht einfach ›unser‹ sagen, weil mein Bruder, mein Feind, mir dieses oder jenes angetan hat. Er ist einfach … Nein, sollen sie doch zur Hölle fahren. Ich will mit ihnen nichts zu tun haben!« Es stimmt schon, leicht ist es nicht. Aber Jesus hat uns den Heiligen Geist versprochen: Er ist es, der uns von innen heraus, vom Herzen her lehrt, wie wir »Vater« sagen können und ihn »unser« nennen. Bitten wir also den Heiligen Geist, dass er uns zeigen möge, wie man zum »Vater« spricht, zu »unserem Vater«, und Frieden schließt mit all seinen Feinden.
Dieses Buch gibt das Zwiegespräch wieder, das ich mit Don Marco Pozza über das Vaterunser geführt habe. Jesus hat uns dieses Gebet nicht gelehrt, damit wir uns formelhaft an Gott wenden können: Es ist seine Einladung an uns, mit dem Vater zu sprechen, damit wir uns selbst besser kennenlernen und wahrhaft leben wie seine Kinder mit all unseren Brüdern und Schwestern. Jesus zeigt uns, was es heißt, vom Vater geliebt zu werden. Und er offenbart uns, dass der Vater uns dieselbe Liebe zuteilwerden lässt, die er seit Ewigkeiten für seinen Sohn hegt.
Ich hoffe, dass jeder von uns künftig, wenn er sagt »Vater unser«, auch spürt, dass er geliebt wird, dass ihm verziehen ist, dass er durchdrungen ist vom erfrischenden Tau des Heiligen Geistes, sodass auch er fähig werde zur Liebe und zur Vergebung gegenüber all seinen Brüdern und Schwestern.
Denn das gibt uns einen Vorgeschmack auf das Paradies.
I
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde Dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
VATER UNSER
Heiliger Vater, am Abend des 13. März 2013 machte ich eine höchst bemerkenswerte Erfahrung. Ich hatte das Abendgebet gesprochen und saß vor dem Fernseher. Nach kirchlicher Tageseinteilung war für mich also schon der 14. März angebrochen, an dem meine Mutter Geburtstag hat. Und an jenem Abend des 13. März traten Sie auf den Balkon des Vatikans und verkündeten aller Welt, dass Sie sich künftig »Franziskus« nennen würden, Papst Franziskus. Sie müssen wissen, mein Vater heißt auch Franziskus … Und da überkam mich mit einem Mal die Empfindung, Gott sei mir so nahe wie niemals zuvor. Aus diesem Grund wollte ich dieses Gespräch auch mit der Anrede »Heiliger Vater« beginnen. Weil der Begriff »Vater« sofort an Kinder denken lässt. Und »heilig«, weil Sie ein Vater sind, der die Heiligkeit Gottes verkündet. Genau mit diesem Punkt möchte ich beginnen, mit dem Begriff des »Vaters«, denn in dem Gebet, das mein Vater mich gelehrt hat, als ich noch ein kleiner Junge war, im Vaterunser, werden wir ehrfürchtig Zeuge, wie Gott seinen Geschöpfen gleichsam das Du anbietet. Ich würde nun gerne wissen, wie es für Sie ist, wenn Sie das Vaterunser sprechen und mit Gott auf Du und Du stehen, selbst heute für Sie als Papst.
Mir schenkt es eine große Sicherheit. Das ist für mich der Anfang: Das Vaterunser gibt mir Sicherheit. Ich fühle mich nicht mehr entwurzelt, habe nicht mehr das Gefühl, ein Waisenkind zu sein. Ich habe einen Vater, der mir die Geschichte bringt. Er zeigt mir die Wurzel von allem, er beschützt mich, führt mich vorwärts. Er ist ein Vater, in dessen Angesicht ich mich stets als Kind fühlen darf, denn er ist groß, er ist Gott, und Jesus hat uns doch ermahnt, zu werden wie die Kinder. Gott schenkt uns die Sicherheit, die nur ein Vater uns geben kann. Aber er begleitet uns auch als Vater und wartet auf uns. Denken wir nur an die Gleichnisse in Kapitel 15 des Lukas-Evangeliums: die Geschichte vom verirrten Schaf und vom verlorenen Sohn … Da tritt uns ein Vater entgegen, der uns erwartet, wenn wir uns auf finsteren Pfaden verloren und den falschen Weg eingeschlagen haben. Wir wollen zurück zu ihm und zerbrechen uns den Kopf, was wir ihm zu unserer Entschuldigung sagen werden, er aber kommt uns entgegen, lässt uns nicht ausreden, umarmt uns und veranstaltet für uns ein Fest. Ein Vater, der uns ermahnt: »Gib acht. Bedenke dieses oder jenes.« Und uns doch die freie Wahl lässt. Ich glaube, dass die Welt heute den Sinn für die Qualitäten des Väterlichen ein wenig verloren hat. Unsere Welt krankt am Verwaistsein. Doch wenn wir im Vaterunser »unser« sagen, dann begreifen wir, dass wir keine Einzelkinder sind. Denn in diese Falle tappen wir als Christen häufig, wir fühlen uns als Einzelkinder. Nein, nein: Alle, auch der Geringste unter uns, sind wir Kinder desselben Vaters. Das sagt uns auch Jesus: Die Sünder, die Dirnen und die Ausgestoßenen sind es, die vor euch ins Himmelreich gelangen, samt und sonders.
Ja, vermutlich würden wir gern überall ein Schild anbringen, auf dem in großen Lettern steht: »Privateigentum!« Die Versuchung ist groß, etwas ganz allein für sich haben zu wollen. Es wäre ja leicht, zu einem Gott zu beten, der nur ein Kind hat, nämlich mich. Wenn wir aber wissen, dass der Vater »unser« ist, fühlen wir uns ein bisschen weniger allein, in den Momenten der Prüfung ebenso wie in unseren unbeschwerten Augenblicken.
ICH WERDE EUCH NICHT ALS WAISEN ZURÜCKLASSEN
Ein Wort ist für uns Christen bedeutsamer als jedes andere, denn es ist das Wort, das Jesus uns zur Anrede Gottes ans Herz gelegt hat: »Vater«. Der Sinn dieses Wortes hat eine ganz neue Tiefe erlangt durch die Art und Weise, wie Jesus selbst sich damit an Gott gewandt und seine ganz besondere Beziehung zu ihm ausgedrückt hat. Das heilige Geheimnis der Vertrautheit mit Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist –, das uns von Jesus offenbart wurde, ist das Herzstück unseres christlichen Glaubens.
»Vater« ist ein Wort, das jeder von uns kennt, ein universeller Begriff. Es verweist auf eine grundlegende Beziehung, die so alt ist wie die Geschichte der Menschheit. Heute aber sind wir an einen Punkt gekommen, dass wir unsere Gesellschaft als »Gesellschaft ohne Väter« bezeichnen müssen. Anders ausgedrückt: In unserer abendländischen Kultur ist die Figur des Vaters symbolisch abwesend, verschwunden, ja verdrängt worden. Im ersten Augenblick empfand man dies wohl als befreiend: Freiheit vom Vater als Herrschaftsinstanz; vom Vater als Repräsentanten des Gesetzes, das einem von außen auferlegt wird; vom Vater, der dem Glück seiner Kinder im Weg steht, weil er ihr Flüggewerden, ihre Unabhängigkeit behindert. Früher herrschte in der Familie zuweilen ein brutaler Autoritätsanspruch, der die Kinder manchmal regelrecht erstickte: Die Eltern behandelten ihre Kinder wie Sklaven, ohne jede Achtung vor deren persönlichen Bedürfnissen und ihrer ureigensten Entwicklung. Das waren Väter, die ihre Kinder nicht unterstützten, damit sie frei ihren Weg gehen konnten – auch wenn es nicht leicht ist, Kinder in Freiheit zu erziehen. Viele Väter lehrten ihre Kinder auch nicht, Verantwortung zu übernehmen, um so ihre eigene Zukunft und die der Gesellschaft zu gestalten.
Das ist sicher keine gute Haltung. Doch sind wir – wie das häufig geschieht – wohl von einem Extrem ins andere verfallen. Heute jedenfalls ist das Problem nicht mehr die übermächtige Präsenz der Väter, sondern eher deren Ferne, deren Abwesenheit. Die Väter sind bisweilen so mit sich selbst beschäftigt, mit ihrer Arbeit, ihrer individuellen Selbstverwirklichung, dass sie darüber die Familie vollkommen vergessen. Sie lassen die Kinder allein, kleine und große. Schon als ich Bischof in Buenos Aires war, spürte ich dieses Gefühl des Verwaistseins, unter dem die Kinder heute leiden. Dann fragte ich die Väter, ob sie mit ihren Kindern spielten, ob sie den Mumm und die Liebe hatten, um Zeit mit ihren Kindern zu »verlieren«. Die Antwort fiel in den meisten Fällen einfach und brutal aus: »Aber ich kann nicht, ich habe viel zu viel Arbeit …« Solche Väter waren nicht anwesend im Leben ihrer heranwachsenden Kinder. Sie spielten nicht mit ihnen, und sie »verloren« mit ihnen keine Zeit.