Verhaltensstörung - Franziska König - E-Book

Verhaltensstörung E-Book

Franziska König

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Beschreibung

Nachdem Franziska die Jahre 2009 und 2014 bereits herausgegeben hat, muß nun eine gewisse Ordnung in die abgelebten Jahre hineingebracht werden: Die Erinnerungen ab dem Jahre 2000 stehen auf der Agenda. Als der Opa in Niederösterreich noch lebte - und auch die Omi Ella in Grebenstein. Chronik aus dem Leben einer Familie, die unter uns lebt.

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Seitenzahl: 242

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Erinnerungen

Meiner lieben Mutter!

Franziska (Kika) mit ihrer Violine – fotografiert von ihrer lieben Freundin Ute aus Rottweil.

„Wenn ich dereinst verstorben bin, so schweigt auch meine Violine!“ so denkt sie.

Und drum bringt Franziska alle vier Wochen ein schlankes Taschenbuch heraus:

Erzählt werden Geschichten aus ihrem Leben, die von erhöhtem Interesse sein dürften.

Jeden vierten Dienstags um 18.05 wird das fertige

Manuskript in die Umlaufbahn entsandt.

Alle Vorkömmlinge finden sich am Schluß des Buches im Personenverzeichnis

Hier aber die engste Familie:

Opa, (*1909)

Buz, mein Papa (*1938)

Rehlein, meine Mutter (*1939)

Ming, mein Bruder (*1964)

Linda, unsere Kusine aus Amerika (*1973)

Inhaltsverzeichnis

Januar 2000

Samstag, 1. Januar 2000

Sonntag, 2. Januar

Montag, 3. Januar

Dienstag, 4. Januar

Mittwoch, 5. Januar

Donnerstag, 6. Januar

Freitag, 7. Januar

Samstag, 8. Januar

Sonntag, 9. Januar

Montag, 10. Januar

Dienstag, 11. Januar

Mittwoch, 12. Januar

Donnerstag, 13. Januar

Freitag, 14. Januar

Samstag, 15. Januar

Sonntag, 16. Januar

Montag, 17. Januar

Dienstag, 18. Januar

Mittwoch, 19. Januar

Donnerstag, 20. Januar

Freitag, 21. Januar

Samstag 22. Januar

Sonntag, 23. Januar

Montag, 24. Januar

Dienstag, 25. Januar

Mittwoch, 26. Januar

Donnerstag, 27. Januar

Freitag, 28. Januar

Samstag, 29. Januar

Sonntag, 30. Januar

Montag, 31. Januar

Februar 2000

Dienstag, 1. Februar

Mittwoch, 2. Februar

Donnerstag, 3. Februar

Freitag, 4. Februar

Samstag, 5. Februar

Sonntag, 6. Februar

Montag, 7. Februar

Dienstag, 8. Februar

Mittwoch 9. Februar

Donnerstag, 10. Februar

Freitag, 11. Februar

Samstag, 12. Februar

Sonntag, 13. Februar

Montag, 14. Februar

Dienstag, 15. Februar

Mittwoch, 16. Februar

Donnerstag, 17. Februar

Freitag, 18. Februar

Samstag, 19. Februar

Sonntag, 20. Februar

Montag, 21. Februar

Dienstag, 22. Februar

Mittwoch, 23. Februar

Donnerstag, 24. Februar

Freitag, 25. Februar

Samstag, 26. Februar

Sonntag, 27. Februar

Montag, 28. Februar

Dienstag, 29. Februar

März 2000

Mittwoch, 1. März

Donnerstag, 2. März

Freitag, 3. März

Samstag, 4. März

Sonntag, 5. März

Montag, 6. März

Dienstag, 7. März

Mittwoch, 8. März

Donnerstag, 9. März

Freitag, 10. März

Samstag, 11. März

Sonntag, 12. März 2000

Montag, 13. März

Dienstag, 14. März

Mittwoch, 15. März

Donnerstag, 16. März

Freitag, 17. März

Samstag, 18. März

Sonntag, 19. März

Montag, 20. März

Dienstag, 21. März

Mittwoch, 22. März

Donnerstag, 23. März

Freitag, 24. März

Samstag, 25. März 2000

Sonntag, 26. März

Montag, 27. März

Dienstag, 28. März

Mittwoch, 29. März

Donnerstag, 30. März

Freitag, 31. März

Januar 2000

Samstag, 1. Januar 2000

Ofenbach / Niederösterreich

Bleich und bergend verschneit.

Äußerst reizvolle Dämmerstunde

Vorwissen:

Rehlein, Buz und ich verlebten die Weihnachts- und Neujahrstage mit dem seit einem halben Jahr verwitweten 90-jährigen Opa.

Im Stockwerk über uns (im „Ashram“) wohnten Ming und Linda.

Die Linda, unsere Kusine aus Amerika, war im Jahre 1997 nach Europa gekommen, „um sich zu finden“, wie man so sagt.

Fast wäre sie für immer geblieben, doch die Arbeit beim Dr. Kroath in Wien behagte ihr nicht, und zudem wurde sie von den väterlichen Genen benagt: Entscheidungsschwäche und Unzufriedenheit, gepaart mit einem ratlos stimmenden Gefühl quälender Wurzellosigkeit hatten unserem ägyptischstämmigen Ex-Onkel Ric schon seit jeher das Leben zur Qual gemacht, und nun quälte sich auch das Lindalein mit Entscheidungskonflikten bzgl. der Zukunftsgestaltung.

Im Mai 1999 war sie nach Amerika zurückgereist – aber bereits im Dezember wieder nach Österreich zurückgekehrt, um ein letztes Weihnachtsfest mit uns zu verbringen.

Nun jedoch rieselte Lindaleins Zeit in Europa ab.

Die letzten Tage vor dem endgültigen Abschied hatten angehoben.

Viele von uns sind wohl der Meinung, das Jahr 2000 sei schlicht der „Deckel“ den man nun auf das abgelebte Jahrtausend draufschrauben könne, um diese Geschichtslatte, als „gewesen“ zur Seite zu stellen. So wie die „10“ ja keinesfalls der Beginn einer neuen, sondern der Abschluß einer Maßeinheit von 10 cm ist.

Händeringend wird argumentiert, daß das Gefühl eines Schwellenübertritts, das andere wiederum in einen seltsamen Taumel gestürzt hat, in diesem Sinne erst auf das nächste Jahr passen würde – und tatsächlich ging bei uns alles weiter wie bisher.

Rehlein erzählte, daß die Lampe im Duschhäusl, in die ich gestern abend noch eine Glühbirne eingeschraubt hatte, zu Boden gefallen, und in tausend Scherben zersprungen sei.

Im Fernsehen bestaunte man das Neujahrskonzert unter Riccardo Muti, und das Wiener Publikum schaute aus wie ein Blumenbeet.

Der Opa saß wie alle Tage mit geschlossenen Augen vor sich hindurmelnd, zusammengesunken auf der Eckbank, den Kopf leicht hinabgebogen.

Seine malerische lange und an der Spitze leicht eingekerbte Nase berührte sachte die Oberfläche des erkaltenden Kaffees, den Rehlein ihm wie alle Tage liebevoll zubereitet und direkt unter die Nase geschoben hatte.

Aber einmal kam etwas Leben in den Greisen, und er erheiterte sich freudig, als ich von der leicht verhaltensgestörten Nachbarin Frau Kastner erzählte: Einer Dame, die so schüchtern sei, daß sie ihren Kopf am liebsten nach Art einer Schildkröte in ihren Panzer bzw. Pullover zurückziehen würde wenn sie jemandem begegnet, dieweil sie Lampenfieber vor dem Leben verspürt.

Der Opa freute sich auf seine z.Zt. vielleicht eher etwas freudlose Moribundenart kurz auf, und legte ein Karteikärtchen für seine immer üppiger werdende Nokixel-Kartei an:

VERHALTENSSTÖRUNG:

LAMPENFIEBER VOR DEM LEBEN

Rehlein und ich brachen zur Mittagsstund´ zu einem Spaziergang im Schneepürée auf. Wir liefen den Kalgassenbuckel entlang ins Dorf hinab – vorbei an dem schmuddelig industrieweiß gestrichenen Haus des Ehepaars Zöckel. Einem Würfelzuckerhaus mit Milchglasscheibentüre und hohlen dunkelbräunlich gerahmten Fenstern, das wie fast alle Häuser hier eine Beleidigung für´s Auge ist.

Der Artus stand bereits in freudiger Grußpose hinter dem Gatter, doch als er mit Rehleins Pelzmantel in Berührung kam, schauderte ihn, er drehte sich um, und zeigte uns nurmehr den Po!

Und auch wenn´s vielleicht „nur“ ein Hund ist, so macht sich doch in leichter Form jenes deprimierende Gefühl breit, als habe man sich mit jemandem zunächst fantastisch verstanden, doch dann kommt irgendein Mißverständnis auf, und die Freundschaft ist im Keim verdorben.

Rehlein und ich liefen durchs Dorf. An jenem Brett mit den Mitteilungen für die Bürger, hatte jemand einen Zettel angebracht auf welchem etwas ärmlich doch gleichsam international „2000 comes“ zu lesen stand.

Irgendjemand hatte sich die Mühe gemacht, die vereinzelten Buchstaben dieses lächerlichen Passus´ aus Silberpapier auszuschneiden und aufzukleben, um das Jahr noch besser willkommenzuheißen.

Abends:

Dem Opa war ein lustiger Spruch eingefallen, der sehr belacht wurde:

„Mein Opa als Vollgreis sitzt inmitten seiner Lieben im Halbkreis.“

Sonntag, 2. Januar

Üppig verschneit und bleich

Das Lindalein servierte mir so nett einen dünnen, blassgrünen Tee, und ich erzählte den jungen Leuten von der rumänisch-orthodoxen Taufe, bei der die rumänisch-orthodoxen Geistlichen ihre - durch wiederum ihre eigene rumänisch-orthodoxe Taufe in Gang gesetzten – sadistischen Neigungen austoben können, indem sie den wehrlosen Säugling in abscheulicher Röhe in seiner Gänze ins eisige Wasser tunken, und dies angeblich zu seinem besten.

Rehlein kredenzte zum Frühstück die ersten beiden jener vier selbstgebackenen Hefezöpfe, die in ihrer Gesamtheit die Jahreszahl 2000 ergeben.

Die Familie hielt dem Opa, der altersgrämlich und müde im grünen Sorgenstuhle saß eine der drei Nullen über den Kopf, so daß er ausschaute, wie ein weiser alter Mann mit Heiligenschein, und zum Beweis, daß er damals noch gelebt hat, wurde ein Foto geschossen.

„Das muß man schon sehen, daß das „2000“ ist!“ sagte der Opa die ganze Zeit etwas moribund, “sonst hat das keinen Zweck!“

Hernach gruppierten wir uns als Familie um den Tisch herum, und Rehleins Hefezopf schmeckte so was an köstlich!

Es hätte nett sein können, zumal Linda und Ming heut so gut gestimmt waren, doch der Opa verfolgte mit den Blicken grämlich, was und wie Buz ißt?

Als Buz sich etwas Honig nahm, wurde der Opa noch grämlicher und meckerte, daß Honig am Rand kleben würde. Er wurde belehrend und unangenehm, und sogar Rehlein war plötzlich angewidert und sagte klar und deutlich: „…und du verdirbst dafür dauernd die Stimmung. Wegen nichts und wieder nichts!“

Etwas, das den Opa äußerst wohltuend von den meisten älteren Erwachsenen unterscheidet ist seine Einsichtskraft, und so ging er ein wenig in sich, und sah sein Unrecht ein, auch wenn er in seinem Stolze als Vorkriegsmann mit sechsfachem Testosteron-Konzentrat im Blute(?) seinen Schwiegersohn wohl schlecht um Verzeihung bitten konnte. Er tat´s indem er schwieg, und seine Altersgrämlichkeit entweichen ließ, doch die Linda ist trotzdem schnell gegangen, weil sie Ausbrüche dieser Art hasst, und Rehlein und auch dem Opa selber ging das sehr nahe.

Buz retirierte sich ins Musikzimmer und ich schämte mich vor dem Hinwegstrebenden für meinen Großvater, da ich lieber einen Großvater hätte, über den ein ununterbrochenes Loblied gesungen werden dürfte.

Schließlich brachen wir, ohne irgendetwas Gescheites vollbracht zu haben, zu einem langen Neujahrsspaziergang auf, und ich schleppte meinen Groll auf den Opa die ganze Zeit mit, und wußte nicht so recht, wohin damit?

Und so, wie man die Dörfer mit bunten Kennenlernungs-, Einsamkeits-, und Abholbänken schmücken sollte, so wäre es ratsam einen Mülleimer mit der Aufschrift „Grollentsorgung“ hinzustellen.

Ich lief neben Rehlein her, und Rehlein erzählte plastisch und einleuchtend, warum alles so gekommen ist, wie es nunmal gekommen ist.

Die Anderen vorne weg liefen immer schneller, und manchmal hatte sich der Abstand der „Bartäääin“ (Parteien) derart vergrößert, daß man überhaupt niemanden mehr sah, sondern nurmehr auf die verschneite, leere, sich den Blicken entwindende Melberleitner Straße draufblicken konnte.

Rehlein erzählte, wie Buz in jungen Jahren immer an einem Herrn mit Namen Messlinger geklebt habe, solcherart, als wolle dieser das Evangelium verkünden.

Und während wir noch mit dem Messlinger beschäftigt waren, schob sich Frau Derdak in ihrer leuchtend roten Haube in unsere Sichtlinie. Die malerische Kopfbestülpung über dem jahresgegerbten Gesicht verlieh der Aussicht einen künstlerischen Tupfer, sofern es einem gelang, den Kopf so hinwegzuwinkeln, daß man das abscheuliche kaltbräunliche derdaksche Haus am Straßenrand nicht sehen mußte.

In dieser kalten Jahreszeit pflegt sich die Derdaksche mit Schistöcken ohne Schier fortzubewegen, - erinnernd vielleicht an einen Geiger, der nur mit dem Bogen, und ohne die Violine musiziert.

Wir tauschten distanzierte Höflichkeiten aus, doch kaum waren wir wieder außer Horchweite zerklüftet, da äußerte ich Rehlein gegenüber meinen Verdacht, ob Herr Derdak, den man gar nicht mehr sieht, wohl wirklich daheim im Bett, oder eher in der Tiefkühltruhe ruht? Ein imposanter freundlicher Herr mit Pelzmütze, der einst täglich mit seinem Hund durch den Wald streifte, und Ming vor den Frauen warnte.

Daheim nahmen Rehlein, Buz & ich eine Käse- und Früchtebrotzeit am kaum aufgeräumten Tische ein, und die Stimmung war leider nur gewöhnlich. D.h. man streifte die unerfreulichen Geschehnisse vom Frühstück, konnte sich ehegemäß nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen und schwieg eher so vor sich hin, oder belehrte sich ein wenig, wie man den Käse vielleicht noch besser abhobelt.

Ich philosophierte Rehlein darüber an, daß man sich täglich zu einer Zeit, wo einem die Beleuchtung draußen am besten taugt, von zuhause fortstehlen, und sich von der Familie freiatmen solle.

Das tat somit auch ich, mich allerdings auch darauf freuend, daß Rehlein mir entgegenzukommen gedachte.

Mattbläulich eindämmernder Nebel lag über dem Schnee.

Feldabwärts versank ich sehr tief, und das „Schneemeer“, wenn man so will, erstreckte sich bis weit hinter den Horizont, so daß man das Gefühl hatte, in Schneenot zu stecken. Ich mühte mich zur Kapelle hinauf, um mich oben umzudrehen und ins verhauchte Dorf hinabzublicken. Im Nebel zeichnete sich zunächst pünktchenklein und dann immer deutlicher Rehleins Gestalt ab.

Gemeinsam liefen wir nach Hause.

Hangabwärts von der Kapelle war es sehr rutschig, und Rehlein riet, mit ganz lockeren Knien und einem bürzelgleich nach Außen gereckten Po zu laufen.

Mir fiel ein Schüttling ein.

„Beschmunzle ihn, wer kann:“ (sagte ich)

Meinen völlig verfaulten Eckzahn,

den„verdanke“ ich einem Zeck-Ahn.

Und was ein Zeckahn sei? Der Vorfahre einer Zecke.

Abends hatte sich die ganze Familie, außer mir, einen „Columbo“ angeschaut, und obwohl Rehlein dem Opa soeben mühsam den Film nacherzählt hatte, frug der Opa nach wenigen Minuten erneut: „Wie war das jetzt mit dem Columbo?“

Ming gab sich große Mühe, ihm den Film nochmals zu erzählen, doch alle redeten durcheinander, und einmal sagte der Opa verdrossen:

„Jetzt ist auch noch die letzte Klarheit beseitigt.“

Dann nickte er ein und hatte im Schlummer eine hagere, ernste Ausstrahlung, die er sonst nicht hat, wenn Buz nicht dabei ist, so daß Buz womöglich ein ganz falsches Opabild bekommt?

Doch der Vorkriegsmann im Opa fühlt sich gestört – ähnelnd einem Platzhirsch dem ein anderer Platzhirsch ins Gehege gestellt wird, und nur Rehlein zuliebe hält er sich damit ein wenig zurück, Buz über den Hof hinfortzujagen, wonach ihm biologisch gesehen der Sinn stünde.

Montag, 3. Januar

Sahnig und üppig verschneit. Sonnig

Am Morgen las ich in meinem Buch über die „Oase Lockenhaus“ von Gidon Kremer, und die Lektüre bereitete mir eine solche Freude! Ständig könnte ich dererlei lesen. (Über die ganzen Komplikatessen mit den schrecklichen Künstlertypen und vielem mehr.)

Hernach las ich im Tagebuch vom Onkel Andi aus dem Jahre 1960.

Dadurch, daß der Andi nur das niedergeschrieben hat, was ihm Vergnügen bereitet hatte, entsteht beim

Lesenden der Eindruck, das Anderle sei ein Mensch, der nur seinen Vergnügungen gelebt habe.

Solcherart, wie andere nur „der Liebe leben“.

An einer Stelle stand zu lesen: „Beim Orang-Utan-Spiel verkrachten Jürgen und ich uns.“

Bald darauf übte ich auf meiner Violine das Violinkonzert von Bruch in einer wirren, und gleichzeitig etwas zagen Genauigkeit, die einem eventuell Lauschenden suggerieren sollte, daß meinen Argusohren nicht die kleinste Kleinigkeit entwischt.

Und für die Ohren Buzens im Ashram über mir, klang mein Violinspiel somit gänzlich anders als sonst.

Ming & Lindalein hatten Buz frei nach dem Motto „Griesbrei statt Griesgram“, zum Griesbrei eingeladen, da der Opa als Platzhirsch leider immer latent grämlich gegen unseren Papa eingestimmt ist, und die jungen Leute Buzen die Demütigung ersparen wollten, schon wieder wie ein dummer Schuljunge abgekanzelt zu werden.

Heute hat´s geheißen „Hurra! Wir fahren auf die Rosalia!“ (Einen hohen Berg hinter unserem Hause) doch es dauerte noch lang, bis wir endlich loskamen, weil ein jeder immer noch etwas Anderes tun mußte: Ming mußte noch an seinem Bild malen, und die Linda Buzens gute Lehren auf der Geige repetieren…

Rehlein indes war etwas aufgeregt, daß sie vielleicht gleich etwas Schmähendes zu hören bekäme, weil man immer so lang auf sie mit ihrem Dalton-Syndrom * warten muß – doch Rehlein hat ja gleichzeitig auch Lampenfieber vor dem Opa, und gibt sich große Mühe, daß für den Opa auch alles ordnungsgemäß zurechtgestellt ist.

Auch ein kleines Brieflein legte sie dem Opa hin, weil der Opa so gerne Post vorfindet.

*Das Dalton Syndrom:

Ein Syndrom – oft in Verbindung mit dem „Katerlieschensyndrom“ beobachtet – das einen beständig vom Pfade seines Tuns hinabpustet. In Rehleins Falle könnte es beispielsweise folgendermaßen aussehen:

Rehlein möchte dem Opa einen Kaffee kochen, und stellt dabei fest, daß der Wasserkocher dringend entkalkt werden solle. Dafür eignet sich am besten eine Zitrone, und beim Suchen im Kühlschrank findet Rehlein, daß der Kühlschrank dringend abgetaut werden müsse: Sie zieht das Kabel heraus, findet, daß hinter dem Schrank dringendst gesaugt werden müsse, holt den Staubsauger herbei, und dabei fällt ihr ein, daß der Staubsauger den Opa wachsaugen könnte…

aber der Opa war ja schon wach, und bereits geräuschvoll Richtung Häusl geschlurft.

Wir parkten in Melberleiten, einem verschwindend kleinen Ort in der Nähe von Ofenbach, und schickten uns an, die verschneite Rosalia zu bezwingen:

Ich wünschte mir so sehr, unsere Spaziergangskarawane einmal Vorne anführen zu können, und lief aus diesem Grunde eisern und stramm geradeaus, bis ich mich – zwar mit blutendem Herzen – von Rehlein hinfortbewegt, und Ming & Linda sogar eingeholt hatte. Bloß: Lief ich dann kurz wieder auf meine gewohnte Art, so wurde ich fast augenblicklich von diesem, im Doppelpack dahinschreitenden Gespann, wieder eingeholt. Und so versuchte ich einmal, zehn Minuten lang ganz stringent in einem leicht unnatürlichen Vorwärtsdrall vor mich hin zu laufen, um noch ein bißchen mehr Gemütlichkeit für das Nachher zu horten.

Bald aber fühlte ich mich hungrig und wurde leider wieder langsamer, so daß ich alsbald auch schon Buz & Ming, die jeweils einen Schlitten hinter sich herzogen, im Nacken spürte.

Wie alle Tage unterhielten sich die Herren über die mißliche Lage auf dem Musikmarket.

Rehlein hatte bebuttertes Früchtebrot dabei, das sie nun unter ihren Lieben verteilte. Es mundete köstlich! Und hinzu stand man in einem so wunderschönen, frischgepusteten und frischpustenden Bergpanorama.

Doch als es dann weiterging, war ich wieder die Letzte.

Alptraumartig schaffte ich es nicht ganz, auf die Höhe der vor mir Herlaufenden zu gelangen – doch schließlich glückte es mir doch, und als ich wieder die Erste war, fühlte ich mich gleich besser, zumal es – so zauberisch verschneit – schön war, wie in einem Traum.

Auf der Rosalia nahmen wir eine Topfenstrudljause in der leider gänzlich verqualmten Schankstube ein.

Warmer Rauch auf Schichten an erkaltetem Tabak empfing uns.

An den abgegriffenen alten Schäferhund Ajax hab ich mich sogar erinnern können.

Der riesige Spitzohrhund sah so traurig aus.

Zuerst verließ er kurz das Haus, dann kehrte er wieder, und setzte sich mit kummervoll gerunzelter Stirn in Buzens Aura. Wieder zeigte sich Buzens magische Sogwirkung auf Hunde.

Ich finde es immer sehr interessant, zu beobachten, was die Leute sich bestellen:

Die Linda erinnert in ihren Bestellgewohnheiten sehr an Rehlein, (gesundheitsbewusst) während ich in dieser Hinsicht normalerweise „ganz mein Vaddr“ bin. (Genußbewusst, und nicht weiter denkend, als meine Nase lang ist.)

Ich dachte an Frau Kirwald, eine Professorin für alte Musik in Trossingen, die sich nach einem jahrelangen anstrengenden Leben bei ihren Eltern zur Gewohnheit gemacht hat, in Lokalen immer nur etwas zu bestellen, was sie noch gar nicht kennt, und noch nie zuvor gegessen oder getrunken hat.

Dies wohl aus einer gewissen Erkenntnispanik heraus, daß die Zeit auf Erden begrenzt ist, die sich mit dem Überdruß senioriler Gepflogenheiten dererart mischt, daß alles immer so sein muß, wie es immer ist. Wieviele Genüsse würden einem entgehen, wenn man nicht beständig etwas Neues ausprobieren würde?

Doch normale Menschen bestellen immer das Gleiche.

Die sehr freundliche Wirtin erkundigte sich nach Omi Mobbl. (Leider zu spät.)

Nach dem Jausengenuß liefen wir wieder heim. Es dämmerte zart und reizvoll. Rehlein und ich bewegten uns per pedes, und die drei anderen entglitten so nach und nach auf Schlitten unserem Blickfeld.

Rehlein erzählte mir, daß die Omi Mobbl immer geleuchtet habe: Selbst im Krankenhaus, als sie schon ganz alt war, leuchtete sie immer aus einem Pulk glanzloser Senioren heraus.

Diese Geschichte gefiel mir, und ich bat Rehlein noch ganz oft:

„Erzähl noch mal, wie die Mobbl geleuchtet hat!“

Seit meiner Kleinkindzeit pflege ich an Rehlein und ihren Lippen zu hängen, und Rehlein erzählte mir Packendes von früher:

Wie es damals war, als die Degerlocher Oma noch im Hause lebte:

Mobbl tendierte dazu, sich manchmal am Flügel in Klangwolken zu verlieren, und wenn dann die Uroma kam, um sie in die Küche zu holen, hieb Mobbl wutentbrannt den Deckel zu und sagte Dinge wie: „I spiel NIE wieder Klavier…“

Der Himmel lief ganz rosa an, und dann wurde es immer dunkler und kurz nach Melberleiten holte uns der rührende Buz mit dem Auto ab.

Ganz spät am Abend musizierten Buz & Linda mit Ming am Klavier noch eine Duosonate von Händel zu welchem Zwecke ich Rehleins Staffelei herbeigeholt hatte, die jetzt zweckentfremdet als Notenständer fungierte.

Leider ging´s der Linda so, wie mir zuweilen: Sie verlor den Faden, und die anderen musizierten ohne sie weiter.

Der Opa war am Abend sehr lustig.

Er scherzte: „Meine Müdigkeit fällt manchmal wegen Müdigkeit aus!“ und schüttelte sich vor Lachen. “Aber guuuut formuliert…“ fügte er selbsterfreut hinzu, und es klang direkt ein wenig so, als würde ein Weinkenner genüßliche Worte über einen guten alten Tropfen auf der Zunge zergehen lassen.

Dienstag, 4. Januar

Üppig und sahnig verschneit.

Zunächst hell und sonnig –

doch zurück blieb lediglich

ein matter hellblauer Himmel, erinnernd an die

trüben Augen eines älteren Menschen dessen

Illusionen allesamt entflogen sind

Am Morgen wunderte ich mich über die Realität, die mir ganz entfallen gewesen war:

Ich hatte geträumt, daß wir uns in einem großen Haus von flüchtigen Bekannten befanden – Freunden vom Geigenvirtuosen Vengerow. Dies zeigte sich daran, daß dessen Amsterdamer Telefonnummer auf einem losen Kalender neben dem Telefon lag.

Wir spielten mit dem Gedanken, ihn anzurufen und Bekanntschaft zu schließen.

„Duuu rufst ihn an!“ sagte der bezaubernde Buz auf seine unnachahmliche Art mit einer Lockgeste, die an Johannes den Täufer erinnerte. Doch ich zierte mich.

Schließlich erkühnte sich Buz tatsächlich und rief an, doch es wurde ein ganz schales und kurzes Telefonat daraus, an dessen Ende der Vengerow vermutlich einfach den Hörer aufgelegt hatte?

Der in der Öffentlichkeit stets so sympathische Geiger zeigte sich enttäuscht und befremdet, daß jemand so wenig Einfühlungsvermögen haben kann, einen so vielbeschäftigten Geiger einfach anzurufen, um ihm etwas von seiner kostbaren Zeit hinwegzuknappsen - zumal man sich doch gar nicht kennt?!

Na, dann stand ich auf und dachte frohgemut über den sich hellsilbern entrollenden Tag, von dem man zur Stund´ noch gar nichts wußte, auf fränkisch: „Packmrs!“ (Versteht man dies?)

„Packen wir es!“

Ich besuchte die jungen Leute im Ashram.

Ming las ganz absorbiert und versunken in dem dicken Kinderbuch, das die Linda ihm zu Weihnachten geschenkt hat.

Es handelt von der wundersamen Verwandlung eines Sauertöpfischen in einen dankbaren und zufriedenen Menschen, und das Lindalein hatte sich bereits gefragt, ob sie es auch ihrem Vater schenken solle?

Ich legte uns das Brahms-Konzert mit Gidon Kremer ein, und durch die vertrauten Klänge wurde auch Buz herbeigelockt.

„Ist ihm nun auch die Kunde zu Ohren gestiegen, daß man Brahms ohne Vibrato spielen muß?“ höhnte der Geigenprofi in Buz, als der Gidon in der kühnen Kadenz soeben ein paar schrille, wachrüttelnde Oktaven interpretierte, die so anstrengend und schweißtreibend klangen, daß an Schminke wie Vibrato kaum gedacht werden konnte.

Und doch gefiel uns die Aufnahme summa summarum viel besser als beim ersten Anhören an Heilig Abend, nachdem die CD unter dem Christbaum vorgefunden worden war.

„Wie wird sie uns da erst beim nächsten Male gefallen!“ rief ich begeistert aus, und regte an, daß man auf die Plattenhülle aufdrucken solle:

„Bitte dreimal anhören. Auch wenn´s beim ersten Male nicht gefällt!“

Rehlein hatte heute eine etwas strenge Ausstrahlung wie Vera Brühne, und sprach wieder davon, welche Angst sie bereits jetzt verspüre, daß Buz seine Ankündigung wahrmacht, und von seiner Lebensversicherung eine private Musikschule mit lauter Angestellten eröffnet, die dann lautstark auf ihr Gehalt pochen. Rehlein sah es im Geiste bereits vor sich, wie Buz „du wirst schon sehen!“ sagt.

Der Opa ist gottlob schon am Vormittag recht lustig gewesen, und lachte vergnügt über die Witze in der „ganzen Woche“.

Wie alle Tage fühlte ich mich beim Mittagsessen nicht ganz wohl, weil Buz & Opa am Tische saßen. Man lauert immer auf einen eßtechnischen Fehler Buzens, der vom Opa vielleicht grämlich bemosert wird.

Doch nichts dergleichen geschah.

„Wieder eine Mahlzeit im Schrank der Erinnerungen, die friedvoll verlaufen ist“, denkt man hernach erleichtert, und zählt doch die verbleibenden gemeinsamen Mahlzeiten bis zum Abschied.

Man sprach währenddessen über Paradoxien, die der Opa ein Leben lang gesammelt hat, und der Opa holte sein Karteikartenkästle herbei, und las belustigt aus seiner Sammlung vor.

Er las sogar noch weiter, als sich die Tischrunde in die diversen Räumlichkeiten versprengt hatte, und bloß ich lachte spülend aus der Küche heraus, gutmütig zu Opas Lesung, auch wenn der Opa mein gutmütiges Lachen aus der Ecke heraus vielleicht gar nicht gehört hat?

Viele der Witzeleien waren eher lauwarm, so daß man höflichkeitshalber nur so tun konnte, als würde man schallend lachen. „Hahaha!“ (z.B.)

Manche waren aber auch sehr lustig: z.B. „Wenn man einem Kahlköpfigen etwas Haarsträubendes erzählt“, und da lachte man sodann aus voller Brust heraus.

Der Opa sagte über seine ewige Altersschwächlichkeit: „…und so muß i jetzt zehn Jahre herumhängen – bloß daß i hundert werd!“ Dann schmunzelte er.

Am Nachmittag, um ½ 4 herum, verpackte Rehlein den Opa so nett für einen kleinen Spaziergang. So, wie man vielleicht ein kleines Buzzewackele verpackt, das man zum Nachbarn schickt, um Gebäckstücke zu überbringen und Neujahrswünsche zu bestellen.

Oben im Ashram bei den jungen Leuten:

Ich las einen Aufsatz von Wolfgang Hock, einem Pionier auf dem Gebiet der Orchesterschulung, den mir die Veronika ihrem netten, aber leider leicht anämischen Schreiben beigelegt hatte.

Dichterisch beschrieb er darin, wie er vor zirka 26 Jahren einen 18-jährigen Hobbygeiger, der in einer Autowerkstatt arbeitete, zum Orchestergeiger umgeformt hat:

Er und seine Frau nahmen den 18-jährigen für 2 ½ Jahre bei sich auf, und stellten zwei Bedingungen: (auch ein schöner Anfang für „die Logelei“ in der ZEIT):

Acht Stunden üben am Tag (etwas, was sich bei guter Organisation leicht bewerkstelligen lässt) ←setzte er etwas böhmerthaft * idealistisch in Klammern hinzu, und - das Auto der Eheleute zu reparieren.

Hernach las ich dem Lindalein den Aufsatz auch noch vor, weil ich mir dachte, der könne sie doch noch dazu animieren, Geigerin zu werden.

*Böhmert: Weltverbesserer, und Jünger vom Opa

Für die „heiligen drei Könige“ gaukelte uns Buz seine Unabkömmlichkeit in Trossingen vor. Ihn zieht es wieder hinweg, weil hier zwei verschiedene Welten aufeinanderprallen.

„Aber er liebt uns trotzdem!“ psychologisierte ich liebevoll über Buz.

Mittwoch, 5. Januar

Immer noch dick verschneit, doch nun begann es zu

tauen, und dies unter einem Himmel,

der eher grau, denn schön war

Der Opa lärmte bereits herum. Wie allmorgendlich hustete und prustete er auf eine Weise, die selbst den langmütigsten Menschen in Grausen erschütteln lässt, und ich frug mich, wie er sich wohl weiterentwickeln würde, wenn wir alle ganz wüst zu ihm wären? Wenn ich ihn jetzt wüscht anschnaubte? „Herr Gott nochmal! Da kann ja kein Mensch schlafen! Das ist eine RÜCKSICHTSLOSIGKEIT!“

Doch ich bin immer nett und warm zum Opa, und bereitete ihm einen leuchtenden Frühstücksteller zu: Ich hatte einen Hefezopf Rehleins in neun Teile zerschnippelt, und mit leuchtendem Brotaufstrich versehen. Damit formte ich nun ein Herz für den Opa zurecht, und in die Mitte legte ich sein Fositens. (Ein Medikament, mit dem Senioren dem Tod ein Schnippchen zu schlagen trachten.)

Rehlein dachte sich ihren Teil:

Daß Buz wohl beleidigt mit dem Opa sei? Buz grüßt nur noch unverbindlich im Vorübergehen und retiriert sich alsbald, wenn er den Opa sieht.

Und tatsächlich scheint es sich der Opa mit Buzen verdorben zu haben, denn selbst wenn jemand zu 90% immer nett war, so fallen die restlichen 10% doch stärker ins Gewicht, und lassen sich nicht mehr hinwegwischen.

Im Keller hielt ich eine Briefschreibestunde ab, - mich dabei fühlend, als betriebe ich Büroarbeit, doch rehleinartig verzettelte ich mich dabei, indem ich Herrn Herberger, der´s eh vergisst, mit einem früchtebrötern gehaltvollen Schreiben zum 92. Geburtstag gratulierte. Nach Art von Onkel Dölein war es mir wichtig, daß mein Brief freudig von Moribundenhand aus dem Kasten gefischt wird.

Immer wieder, so auch heut, schickt der Onkel aus Florida seinem alten Vater einen Schwapp Fotos, und ein paar freundliche Zeilen mit der Post.

Im Musikzimmer erzählte Rehlein dem Lindalein und mir von Opas unangenehmen Seiten, die zu beseufzen sind: z.B. seinem hässlichen Futterneid, der allerdings nur zutage tritt, wenn Männer dabei sind.

Sogar bei seiner Geburtstagsfeier pflaumte der Opa jemanden damit an, daß er sich zu viel Sahne genommen habe.

Da fiel mir ein Paradoxon für Opas Kartei ein:

„Wenn man jemanden anpflaumt, weil er sich zu viel Zwetschgenkuchen genommen hat!“

Wenn aber die Omi Mobbl den Opa einst auf etwas Derartiges bei sich selber hingewiesen hat, dann wurde er stets ungeheuer grämlich.

Schon hatte sich der Abend niedergesenkt.

Die Linda stand mit ihrer Violine an der Staffelei, und spielte mir eine Sonate von Händel vor, und bei einem ganz langen Ton sagte sie so rührend über den Bogen: „Hat gerade noch gereicht!“

Donnerstag, 6. Januar

Dick verschneit. Bleiche Nebelsuppe.

Nur über den Wolken ein strahlend blauer Himmel

Derzeit nächtige ich im Musikzimmer, und noch bevor der Wecker schrillte, leuchtete vor meiner Tür matt das Licht auf, da Buz heut gen Trossingen verabschiedet werden „mußte“.

Rehlein, im zarten Negligée wie auf einem Gemälde von Carl Larsson, saß im Sorgenstuhl und flickte an einem Pullover Buzens umher, wozu sie sogar das Nadelöhr bemühen mußte.

Rehlein war ein bißchen traurig, weil Buz ein fast flegelhaftes Gedöns drumgemacht hatte, wie er das Vesper wohl in seinem engen Köfferchen unterbringen solle?

„Als hätt man ihm was angetan!“ sagte Rehlein mit vor Enttäuschung ganz verknatschter Stimme, weil sie doch so viel Liebe in die Brote mithineingeschmiert hatte.

Wir frühstückten im Ashram bei den jungen Leuten oben, zumal ja heut womöglich mein letzter Tag hier anhub?

Bis gestern hatte ich oftmals unterschwellig gedacht: „Ich halt´s nicht aus! Diese vielen verschiedenen Temperamente unter einem Dach!“ Nun aber fühlte ich mich traurig, bald wieder aurafrei und einsam in Trossingen vor mich hinleben zu müssen.

Doch auch Lindaleins Zeit hier bei uns rieselt ab, und man kann´s kaum fassen, daß sie bald wieder diesen quälend langen Flug auf sich nehmen muß.