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»Hör gut hin, Kleiner, / es gibt Weißblech, sagen sie, / es gibt die Welt, / prüfe, ob sie nicht lügen.« Ilse Aichingers Gedichtsammlung ›Verschenkter Rat‹ gilt seit ihrem Erscheinen als ein Höhepunkt deutschsprachiger Nachkriegslyrik. Die Aufforderung zur Unabhängigkeit, zum Nichteinverstandensein mit staatlichen, gesellschaftlichen und religiösen Erwartungen wird in schlichten, in ihrer Schlichtheit aber umso subversiveren Versen proklamiert. Von Verlust, von Trauer und von Hingabe sprechen diese Gedichte, von den verlorenen Orten der Kindheit, von Gewalt und errungener Gewaltlosigkeit, vom Glück gesteigerter Wahrnehmung und vom Widerstand, den die scheinbar einfache Betrachtung lehrt.
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Seitenzahl: 41
Veröffentlichungsjahr: 2015
Ilse Aichinger
Gedichte
Gebirgsrand
Winterantwort
Sonntagvormittag
Marianne
Außer Landes
Widmung
Mägdemangel
Die trüben Stunden nutzend
Dorfweg
Briefwechsel
Rauchenberg
Spät
Mein Vater
Ende des Ungeschriebenen
Bei Linz
Teil der Frage
Winterfrüh
Jüngste Nacht
Versuch
Baumzeichnen
Spaziergang
St. Gilgen
Heu
Kartenspiel
Bobingers Klage
Attersee
Breitbrunn
Winteranfang
Selbstgebaut
Anweisung
Auf Sicht
Mir
Zwei Orte, zusammengelegt
Winterrichtung
Winter, gemalt
Leichte Wahl
Unsere Frau
Ortsanfang
Ortsende
Florestan
Königsreim
Lesen
Faltername
Hochzeitszug
Dreizehn Jahre
Gonzagagasse
Ohne Jahre
Befehl des Baumeisters beim Bau der Prinz-Eugen-Straße
Triest
Wunsch
Meiner Großmutter
Mittlerer Wahrspruch
Durch und durch
Zeitrechnen
Abgezählt
Nachruf
Zuspruch an einen Mann, der dreiundzwanzig Jahre im Bett blieb und dann aufstand
Seitlicher Durchblick
Verlorenes Manöver
Das Geburtshaus
Sommerfest
März
Märzwunsch an den Garten
Danach
Chinesischer Abschied
Alter Blick
Restlos
Ausgedacht
Dem Ende zugedacht
Schneeleute
In welchen Namen
Fahndungsbild
Kleine Summe
Ohne Bündel
Neuer Bund
Einunddreißig
In und Grimm
Übermorgen
Tagsüber
Zeitlicher Rat
Möglichkeiten
Findelkind
Zugehörig
Verfrüht
Kurzes Schlaflied
Bitte
An einen 4. März
Lose Sprossen
Erwiderung
An einen jungen Gerber
Verschenkter Rat
In einem
Anhang
Editorische Nachbemerkung
Bibliographische Hinweise
Denn was täte ich,
wenn die Jäger nicht wären, meine Träume,
die am Morgen
auf der Rückseite der Gebirge
niedersteigen, im Schatten.
Die Welt ist aus dem Stoff,
der Betrachtung verlangt:
keine Augen mehr,
um die weißen Wiesen zu sehen,
keine Ohren, um im Geäst
das Schwirren der Vögel zu hören.
Großmutter, wo sind deine Lippen hin,
um die Gräser zu schmecken,
und wer riecht uns den Himmel zu Ende,
wessen Wangen reiben sich heute
noch wund an den Mauern im Dorf?
Ist es nicht ein finsterer Wald,
in den wir gerieten?
Nein, Großmutter, er ist nicht finster,
ich weiß es, ich wohnte lang
bei den Kindern am Rande,
und es ist auch kein Wald.
Gott zu lieben,
ihn anzubeten
und ihm allein zu dienen.
Rastend
auf dem Weg zu den Höfen
zur bestimmten Stunde
aus der Ferne gesehen
über dem Schnee.
Es tröstet mich,
daß in den goldenen Nächten
ein Kind schläft.
Daß sein Atem neben der Schmiede geht
und seine Sonne
schon früh
mit Hahn und Hennen
über das nasse Gras steigt.
Bücher aus fremden Büchereien,
die erstarkten Tauben.
Käme es auf die Orte an,
die wir zu verlassen
im Stand sind,
mit ihrem Himbeergesträuch,
den Tüchern,
die sich schon im Winde falten,
sie wechseln still hinter uns,
während wir bleiben,
auf den warmen Rücken
der Gärten, steinern
oder aus Sand.
Ich schreibe euch keine Briefe,
aber es wäre mir leicht, mit euch zu sterben.
Wir ließen uns sacht die Monde hinunter
und läge die erste Rast noch bei den wollenen Herzen,
die zweite fände uns schon mit Wölfen und Himbeergrün
und dem nichts lindernden Feuer, die dritte, da wär ich
durch das fallende dünne Gewölk mit seinen spärlichen Moosen
und das arme Gewimmel der Sterne, das wir so leicht überschritten,
in eurem Himmel bei euch.
Wer bleibt den Felsen auf der Spur,
wer säumt die Gräser,
wer riegelt uns die Plätze
jenseits der Straßen ab?
Die mit den Löffeln aßen,
haben in den Schuhen
die Steine mitgenommen
und sind lange fort.
Wer hilft uns noch,
wer läßt der Sonne jetzt
ihr leichtes Spiel?
Sind wir von Baum zu Baum
allein geblieben
oder bewegen sich die Schatten,
diese Tröster, aus ihren Netzen
bald herab zu uns?
Laß das Gelichter
auf den Feldern rasten,
im Dunst, der aufsteigt,
denn nichts leuchtet dir.
Die Grottenbahnen auf den Hügeln
sind jetzt geschlossen,
die Rüben lange aus der Erde,
die Kinder fort.
Die Blumenflechter sind die letzten,
die noch blieben,
sie brennen Öl,
mit ihnen läßt sich reden.
Die Stare lästern im Herbst
und manchmal höre ich die Türen zweimal schlagen,
einmal davon im Traum.
Wer gab uns die Bilder,
die roten Äpfel
im Garten des Kohlenbrenners,
ungereimt, aber gesonnen zu unterliegen mit uns.
Wenn die Post nachts käme
und der Mond
schöbe die Kränkungen
unter die Tür:
Sie erschienen wie Engel
in ihren weißen Gewändern
und stünden still im Flur.
Das Zaumzeug,
Kränze an der Mauer,
die erneuerte Spur der Schatten
reicht mir den Weg.
Wo der Wagen rostet
bei den eingesunkenen Hölzern,
neigen sich meine Lieben
leichter über das Dach.
Holzfarben
und die Kerze
rostrot im Schatten entzündet,
weht der Wind
durch die Schneise,
lockt sich die Sonne hinweg.
Wenn erst
Backhaus und Scheune
Tausende von E-Books und Hörbücher
Ihre Zahl wächst ständig und Sie haben eine Fixpreisgarantie.
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