Vollpfosten - Thorsten Peter - E-Book

Vollpfosten E-Book

Thorsten Peter

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Beschreibung

Rolihlahla Schneider-Hundeloh wird wegen eines akuten Personalmangels auf einen Agenteneinsatz in den Skiort St. Anton in Österreich geschickt. Zur Tarnung wird er von Matthias begleitet, den er noch aus der Männer WG kennt. Dieser darf natürlich nichts über die wahren Hintergründe erfahren und das plötzliche Auftauchen von Wolfgang Zwölfgang macht die Mission nicht einfacher. Das gefährlichste Abenteuer ist aber nicht der Einsatz an sich, sondern das Überleben auf der Skipiste. Als sich dann auch noch zwei "vollschlanke" Frauen und ihre Freundinnen in der Hütte zu ihnen setzen, ist das Chaos perfekt.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Die kleinen Geschichten hinter den Geschichten

Vollpfosten 2

Kapitel 1

Alles war genau so, wie es sich Rolihlahla Schneider-Hundeloh immer erträumt hatte. Er konnte es kaum glauben, dass er sich das alles nicht nur einbildete. Von einem Moment auf den anderen hatte sich sein Leben verändert. Und das ausnahmsweise in eine völlig positive Richtung. Die Sache hatte keinen Haken. Zumindest war ihm bis jetzt noch überhaupt nichts Negatives aufgefallen. Eine flüchtige Begegnung im Supermarkt wurde für ihn zu einem Sechser im Lotto. Auch wenn es einige Zeit dauerte, bis er das Herz seiner Liebsten erobert hatte, war keine Anstrengung umsonst gewesen. Er musste einige Abenteuer und mehrere Kreislaufschwächen überstehen, bis er am Ziel seiner Träume war. Oft war er selbst sein größter Gegner gewesen. Doch letzten Endes hatte Rolihlahla das Glück und Amor auf seiner Seite. Und da er nach wie vor eine ganz eigene Einschätzung seiner Handlungsweise besaß, war ihm sowieso nicht alles bewusst, was auf seinem Eroberungsfeldzug geschehen war. Es grenzte ohnehin an ein Wunder, dass er den wahrscheinlich absolut einzigen Deckel gefunden hatte, der auf den Rolihlahla-Topf passte. Er war dann auch relativ schnell mit seiner Wolke zusammengezogen und die beiden lebten in purer Harmonie. Es war schon fast kitschig, wie sorgsam und rücksichtsvoll sie miteinander umgingen.

Nach der Komplettrenovierung seiner Wohnung durch seine Mitarbeiter Hans und Franz, die auch immer noch der Überzeugung waren, dass ihr Chef wirklich nur für die Organisation von Hausmeistertätigen ihrer Behörde zuständig war, hatte sich seine zuvor noch schlichte Bleibe in ein gemütliches Nest für frisch Verliebte verwandelt. Zwischen den beiden gab es nie Streit. Sie teilten ihre Interessen genauso, wie ihre Fettnäpfen. Da beide etwas ungeschickt waren, fiel es keinem der beiden schwer, die Tollpatschigkeit des anderen zu tolerieren. Nichts konnte das junge Glück stören. Zumindest sah es noch ganz danach aus, als Rolihlahla an einem wunderschönen sonnigen Morgen im Winter fröhlich pfeifend durch die Küche wirbelte. Er war gerade dabei den Frühstückstisch zu richten, während Wolke beim Bäcker frische Brötchen holte. Selbst diese Tätigkeiten wurden immer abwechselnd erledigt. Noch ahnte er nichts davon, dass die erste Bewährungsprobe für ihre Beziehung kurz bevorstand. Unten im Briefkasten wartete extrem wichtige Post von seinem Arbeitgeber auf ihn. Jahrelang hatte er eigentlich auf so eine Gelegenheit gewartet und dies auch bei den seltenen Treffen mit seinem Vorgesetzen immer wieder kundgetan. Da sich in dieser Richtung aber nie etwas getan hatte, vergaß er im Laufe der Zeit, dass seine beruflichen Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft waren. Selbst Wolke durfte er ja nicht erzählen, was er in der Außenstelle des Bundesverteidigungsministeriums wirklich zu tun hatte. Niemandem hatte er erzählen dürfen, dass er pausenlos in die geheimsten Rechenzentralen der Welt eindrang und wichtige Informationen für den Geheimdienst sammelte. Stattdessen war er offiziell nur Chef von zwei Hausmeistern, die ihn nicht wirklich ernst nahmen. Wolke liebte ihn allerdings so, wie er war. Sie war zufrieden damit, dass er in der Behörde als Chefhausmeister eingestellt war, und hatte auch nicht das Bedürfnis an der Seite eines erfolgreichen Geschäftsmannes zu leben. Und außerdem war er wahrscheinlich der Hausmeister mit dem höchsten Gehalt auf dem ganzen Erdball. Für Wolke war es unverständlich, wie man im öffentlichen Dienst solche Summen mit nach Hause bringen konnte. Was ihr aber eigentlich auch völlig schnuppe war. Wenn schon Steuergelder rausgeschmissen wurden, dann hatte sie wenigstens in diesem Fall etwas davon. Was sie natürlich nicht wusste, war, dass ihr Freund schon immer so bezahlt wurde, als hätte er regelmäßig Aufträge, wie sie in seinem Arbeitsvertrag als Option vereinbart waren. An diesem Morgen brachte sie einen solchen Auftrag in Form eines Briefes zu Rolihlahla, den er mittlerweile gar nicht mehr haben wollte.

»Schau mal Schatz«, sagte Wolke fröhlich und hielt ihm den Brief unter die frisch geputzte Nase. »Du hast Post vom Ministerium.«

»Danke«, antwortete Rolihlahla und hatte gar kein gutes Gefühl, als er das Schreiben öffnete. Er hatte noch nie Post nach Hause bekommen. Aber das konnte Wolke ja nicht wissen. Vorsichtig zog er den Brief aus dem Umschlag.

»Sehr geehrter Herr Schneider-Hundeloh, wir freuen uns ihnen mitteilen zu können, dass unsere alljährliche Winterfeier wieder stattfindet. Näheres finden sie auf der Homepage ihres Bereiches.«

Mehr stand nicht auf der DIN-A4-Seite. Aber das reichte auch, um bei Rolihlahla einen riesigen Klos in den Hals zu setzen. Es war zwar schon unglaublich lange her, dass ihm dies gesagt wurde, aber der Text war eindeutig. Immer, wenn ein Spezialauftrag auf einen Agenten wartete, wurde ein Brief nach Hause geschickt und als Einladung für eine Feier, die zwar stattfinden sollte, aber nicht näher beschrieben wurde, getarnt. Es wurde immer als Einladung zu einer Festlichkeit getarnt, dass die Ehefrauen und Partner keinen Verdacht schöpften, wenn sie das Schreiben in die Finger bekamen. So ein Spezialauftrag war genau das, was er früher immer schon einmal haben wollte. Aber seit er mit Wolke zusammen war, wollte er eigentlich nur noch Hausmeister spielen und mit ihr zusammen sein. Er brachte das Frühstück hinter sich, ohne dass sie einen Verdacht geschöpft hatte. Als sich Wolke daran machte, die Wäsche zu bügeln, setzte er sich unter dem Vorwand die genaue Beschreibung der Feier lesen zu wollen an den Schreibtisch. Mit klopfendem Herzen und hochgradig nervös, setzte er sich an den Computer und loggte sich mit einer komplizierten Passwortfolge in den Agentenbereich des Ministeriums ein. Und da war tatsächlich sein Auftrag. Natürlich ohne Namen und Anrede. Ab hier war alles völlig geheim und nur durch genaue Anwendung vorgegebener Abläufe durchschaubar.

»Und?« rief Wolke fragend, als Rolihlahla bereits hoch konzentriert seine Passwörter eingab. »Was ist es denn für eine Feier?«

»Was?«, rief er erschrocken zurück und stellte fest, dass er sich noch gar keine Erklärung dafür zurechtgelegt hatte. Daher dauerte es auch ein wenig, bis er stotternd antworten konnte. »Ähh, also, eigentlich die gleiche Feier wie jedes Jahr.«

»Aha«, antwortete Wolke. »Ist bestimmt interessant dort, oder?«

»Bestimmt«, antwortete Rolihlahla geistesabwesend, da er nun den Text zu seinem Einsatz endlich vor sich hatte.

»AUFTRAG 148375 – UNDERCOVEREINSATZ IN ST. ANTON / TIROL«, lautete die Überschrift.

»Es gehen Gerüchte durch die Geheimdienste, dass eine Terrororganisation aus dem nahen Osten eine Europazentrale, getarnt als Apres´ Ski Etablissement im Szeneskiort St. Anton errichten will. Es wurden auffällig viele Verdächtige in diesem Ort ausgemacht. Gleichzeitig wurde ein Bauantrag von einer nicht eindeutig zu identifizierenden Gruppe von Investoren gestellt. Einige davon haben definitiv nachvollziehbare Kontakte zu bekannten Schurkenstaaten und deren Regimes. Es ist alles äußerst wage, aber das Ministerium will in dieser Sache Gewissheit haben. Daher werden sie am kommenden Donnerstag für voraussichtlich vier Tage nach St. Anton fahren. Die üblichen Maßnahmen zur Geheimhaltungssicherung sind bereits durchgeführt. Ihre Reise wird als Hauptgewinn eines Preisausschreibens etwa eine halbe Stunde, nachdem sie das hier gelesen haben, in ihrem Briefkasten liegen. Die Reise ist gültig für zwei Personen. Da ihre neue Lebensgefährtin als Kind einen schweren Skiunfall hatte, werden sie nicht in Bedrängnis kommen, sie mitnehmen zu müssen. Sie hasst Skifahren und wird sie mit einer fast hundertprozentigen Wahrscheinlichkeit auffordern, einen Freund mitzunehmen. Da bietet sich ihr neuer Nachbar Matthias an. Er hat nächste Woche Urlaub und seine Freundin muss ab Freitag auf eine Fortbildung. Sie müssen natürlich mit höchster Sorgfalt vorgehen, damit keine Informationen nach außen dringen.«

»Na toll«, stöhnte Rolihlahla. »Warum gerade jetzt? Das passt mir überhaupt nicht rein.«

Dabei fiel ihm ein, dass seine Behörde ja wirklich an alles gedacht hatte. Sie wusste sogar mehr, als er selbst. Wolke hatte bisher noch nie etwas von einem Skiunfall erzählt. Komischerweise war seinem Auftraggeber wohl nicht bewusst, dass er überhaupt kein guter Skifahrer war. Eigentlich war er überhaupt kein Skifahrer. Aber irgendwo im Hinterkopf blitze plötzlich ein Gedanke auf, warum seine Vorgesetzten wohl annahmen, er wäre für den Auftrag geeignet. Um nicht als vollkommener Bewegungslegastheniker eingestuft zu werden, wollte er bei seinem Aufnahmebogen, den er bei der Einstellung ausfüllen musste, wenigstens eine Sportart eintragen. Und da fiel ihm nichts Besseres ein, als Skifahren anzugeben. Immerhin hatte er als Kind einen zweitägigen Skikurs besucht. Vielmehr wollte er einen besuchen. Leider war es ihm aber nicht möglich, auf dem fast ebenen Übungshang zu bremsen. Was auch gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn er nicht vor Freude über das erste Rutschen auf der Piste die Arme hochgerissen hätte. Dabei verhakte sich nämlich sein Skistock im Rucksack eines viel zu schnell vorbeirasenden Skifahrers, der unerlaubterweise quer über den Skischulhang wedelte. Rolihlahla hatte natürlich ordnungsgemäße die Schlaufe des Skistocks um seine Handschuhe gewickelt und so kam es, dass er einfach mitgerissen wurde. Bis er endlich seinen Stock mitsamt Handschuh verloren hatte, war er schon so schnell, dass er nichts mehr anderes tun konnte, als laut zu schreien. Dummerweise half das nicht beim Bremsen und er fuhr ungebremst in ein Waldstück, wo er so schwer gestürzt war, dass er zwei Wochen lang das Vergnügen hatte, in einem österreichischen Krankenhaus zu liegen, bis er endlich transportfähig war.

Rolihlahla schüttelte den Kopf, als ob er sich damit der nahenden Katastrophe entledigen könnte und machte sich auf in den Keller, um Getränke zu holen. Und natürlich um nach dem Informationsmaterial zu schauen, das vielleicht schon in seinem Briefkasten stecken würde. Dann musste er auch noch so tun, als würde er sich über die gewonnene Reise freuen. Das war das Dämlichste von allem. Irgendwie hoffte er darauf, dass seine Behörde geschlampt hatte und Wolke doch begeisterte Skifahrerin war. Doch wenn das so wäre, hätte sie vielleicht schon etwas davon erzählt. Und komischerweise wurde in dieser Beziehung nie geschlampt. Wahrscheinlich konnte er sich jetzt mit dem Brief auf die Treppe setzen, und ohne, dass er etwas dazu beitragen müsste, würden die Dinge ihren Lauf nehmen. Zumindest stellte er es sich so vor.

»Scheiß Agentenleben«, sagte der Agent, der bisher immer nur im Hintergrund tätig gewesen war, und nur aufgrund eines extremen Personalengpasses in diese Situation gekommen war. Davon wusste er selbstverständlich nichts.

Kapitel 2

Hab ich etwas übersehen?«, fragte Wolke, als sie Rolihlahla neben den Getränken auch noch mit einem Umschlag zur Wohnungstür hereinkommen sah.

»Ich glaube, der war versehentlich bei den Nachbarn mit drin«, schwindelte er, wie man es ihm bei seiner Einstellung aufgetragen hatte. Und er fühlte sich beschissen dabei. Aber das hatte er nun davon. Er wollte so einen Job. Und jetzt, wo er ihn nicht mehr wollte, hatte er ihn plötzlich an der Backe und musste auch noch seine Freundin belügen. So ein Mist aber auch. Alles konnte ja nicht perfekt sein.

»Was ist es denn?«, wollte Wolke wissen.

»Ich weiß noch nicht«, war die Antwort und Rolihlahla spielte seine Rolle recht gut. Sein Freundin kam zu ihm und schaute interessiert auf das Schriftstück. Gleichzeitig versuchte Rolihlahla so überrascht wie möglich zu klingen, als sie beide gleichzeitig den Brief gelesen hatten.

»Oh, was für eine Überraschung.« Er klang ungefähr so glaubwürdig wie der Co-Moderator vom Teleshopping, wenn er ganz furchtbar überrascht war, wie toll und günstig und einzigartig das Produkt doch sei, welches sein Kollege gerade vorgestellt hatte. Aber Wolke schien nichts daran zu stören. Sie hatte, genau wie er, immer noch die rosarote Brille auf, was ihre jungfräuliche Beziehung betraf. Er würde selbst ja auch nicht damit rechnen, dass sie sich auf einmal als Superheldin entpuppt und ihm nur eine Rolle vorspielte. Doch genau dieser Gedanke setzte sich plötzlich in seinem Kopf fest. Was wäre wenn? Vielleicht war er ja nicht der einzige in diesem Haushalt, der ein Doppelleben führte? Und was, wenn das Agentendasein auch noch die harmlosere Variante der Möglichkeiten war? Oder wenn Wolke eine Doppelagentin war, die absichtlich auf ihn angesetzt wurde? Fragen ohne Ende, die sich Rolihlahla aber niemals trauen würde, zu stellen.

»Oh je, mein Schatz«, sagte Wolke. »Das musst du wohl ohne mich machen. Ich stell mich nie mehr auf Skier.« Rolihlahla brauchte einen Moment, bis er sich aus seiner Gedankenwelt lösen und seiner Freundin bei einer Geschichte zuhören konnte, deren Ende er schon kannte. Sie erzählte ihm ihr Trauma und schlug ihm dann auch noch vor, einen Freund mitzunehmen. Sie würde dann die Tage nutzen, ihre Eltern zu besuchen, die in einer anderen Stadt lebten. Es war erschreckend, wie seine Behörde die Dinge vorhergesehen hatte. Und es kam noch schlimmer.

»Frag doch Matthias«, riet ihm Wolke. »Soweit ich weiß, hat der doch eh frei und Swetlana muss am Wochenende auf eine Fortbildung.«

»Ich weiß nicht«, entgegnete er und fragte sich im selben Moment, ob den hier eigentlich jeder viel mehr wusste, als er selbst. Das konnte doch wohl nicht wahr sein. Schließlich war er ja der Agent.

»Doch«, bestätigte Wolke noch einmal ihren Vorschlag. »Mach das. Das tut dir gut und uns beiden schadet es auch nicht, wenn wir nicht pausenlos aufeinander hängen.«

»Willst du mich loswerden?«, fragte Rolihlahla nur teilweise zum Spaß. Insgeheim fragte er sich jedoch schon, warum Wolke so einfach auf ihn verzichten wollte.

»Quatsch«, antwortete sie und gab ihm einen dicken Kuss. »Aber willst du denn deinen Gewinn verfallen lassen?«

»Nein, natürlich nicht«, antwortete er und gab sich Mühe wenigstens ein bisschen erfreut auszusehen.

Immer, wenn Wolke in den nächsten Tagen danach fragte, warum er gerade so betrübt sei, erklärte er es damit, dass er nur ungern von ihr getrennt sein wollte. Er beteuerte immer wieder, dass er sich natürlich richtig auf das verlängerte Wochenende mit Matthias freuen würde. Ihn hatte er noch am selben Tag gefragt, ob er Lust habe. Matthias war völlig aus dem Häuschen und freute sich, im Gegensatz zu Rolihlahla, wirklich auf das Wochenende.

Die Woche verstrich und nach und nach fanden sich immer wieder neue Informationen auf dem Agentenportal zu seinem Auftrag. Allerdings hatte er als völlig unerfahrener Außendienstagent überhaupt keine Ahnung, wie er an die Sache herangehen sollte. Vor Ort würde scheinbar noch ein Paket mit Informationen auf ihn warten, die ihm helfen sollten, die richtige Fährte aufzunehmen. Bisher waren die Verdachtsmomente nur auf Gerüchte gestützt. Keiner wusste wirklich, ob überhaupt eine ernst zu nehmende Gefahr bestand. Eigentlich wurde dieser Tipp intern im Ministerium eher als falsche Fährte gehandelt. Das, und der bereits erwähnte Personalmangel, hatten letztendlich dazu geführt, dass Rolihlahla geschickt werden sollte. Wie es bei einem Geheimdienst so üblich ist, waren die Aktionen vom Chefhausmeister, wenn er sich ins Tagesgeschäft eingemischt hatte, natürlich nicht verborgen geblieben. Und so wussten die Verantwortlichen selbstverständlich um die Risiken. Da die größten Risiken allerdings dem Wohlergehen des Agenten selbst zugeschrieben wurden, waren diese annehmbar und vom Ministerium akzeptiert. Auch wenn wilde Diskussionen darüber stattfanden, ob er nicht mehr Schaden als Nutzen bringen würde.

»Skifahren kann er ja hoffentlich«, waren die Worte des zuständigen Abteilungsleiters, als er grünes Licht für den Einsatz dieses unerfahrenen Agenten gab. »Und sonst wird er ja wahrscheinlich auch nichts machen müssen. Wir sind der Sache nachgegangen. Später kann uns keiner in irgendeiner Form Untätigkeit vorwerfen und wir haben keinen fähigen Agenten mit dieser beknackten Aufgabe blockiert.«

Kapitel 3

Um auch ja keinen Verdacht aufkommen zu lassen, hatte das Ministerium eine einfache Pauschalreise für Rolihlahla gebucht. Es war eine Gruppenreise, in einem Bus voller grölender Apres´ Ski Freunde, die schon das erste Bier aufgerissen hatten, bevor der Bus um sechs Uhr morgens das Ortsschild passiert hatte. Worüber er sich ärgerte, erfreute Matthias umso mehr. Auch er hatte schon beim Einsteigen einen Sechserpack Bier beim Busfahrer erworben und stimmte in die mehr oder weniger sinnvollen Texte der Trinklieder mit ein. So sehr sich Rolihlahla auch dagegen wehrte, er hatte keine Chance und musste schon um diese Uhrzeit mit Matthias ein Urlaubsbier trinken. Es war immer wieder erstaunlich, dass Matthias in jeder Situation eine neue Bezeichnung für das aktuell zu trinkenden Bier parat hatte. Das war auch schon in den Zeiten der Männer-WG so gewesen und hatte Rolihlahla damals den einen oder anderen Rausch beschert. So schlimm wie Aydin, der mehrfach mit dem Gesicht auf dem Teppichboden aufgewacht war, hatte es ihn zwar nie erwischt, aber für ein paar Kopfschmerztabletten, waren die Nachwehen nicht nur einmal der Grund gewesen. Entweder hatte sich Matthias einfach nie etwas anmerken lassen, oder er hatte sich eben sein komplettes Schmerzempfinden weggesoffen. Seit er mit Swetlana zusammenwohnte, trank er weniger. Dafür war er ständig am Beischlafen, wie Rolihlahla es ausdrückte. Matthias´ Bezeichnung dafür differierte ein wenig von seiner.

»James Bond müsste sicher nicht so reisen«, stöhnte Rolihlahla, als der Gesang nach einer Stunde immer noch nicht verstummt war und Matthias ihm das frühmorgendliche Zweitbier unter die Nase gehalten hatte. Der Trend würde immer mehr zum Zweitbier gehen, hatte er mit einem breiten Grinsen hinzugefügt.

»Wie kommst du jetzt eigentlich auf James Bond«, wollte Matthias wissen, der sich immer noch über die manchmal nicht nachzuvollziehenden Aussagen seines Nachbarn wunderte.

»Ach, nur so«, antwortete Rolihlahla und wollte seine Aussage möglichst glaubhaft überspielen. »Der ist eben meistens komfortabler unterwegs.«

»Jetzt stell dich mal nicht so an«, sagte Matthias. »Ist doch lustig hier. Wo hat man denn um diese Uhrzeit schon so eine Stimmung?«

Nach einer fast nicht enden wollenden Fahrt und einem unfreiwillig erhöhten Alkoholspiegel, kamen die beiden endlich am Zielort an. Der Skiort St. Anton galt als ein Mekka des Apres´ Skis. Der legendäre Mooserwirt thronte über dem Ort und wartete nur darauf, endlich von Rolihlahla und Matthias besucht zu werden. Zumindest wenn man den Aussagen von Matthias Glauben schenken konnte. Rolihlahla fragte sich, warum sein Freund überhaupt Skier dabei hatte.

»Los geht’s«, jubelte Matthias. »Lass uns die Sachen aufs Zimmer bringen und die Skier anschnallen.« Genauer gesagt fragte Rolihlahla sich eher, warum er eigentlich Skier dabei hatte. Für einen wirklich guten Plan hielt er das alles hier ja nicht. Aber was tat man denn nicht alles fürs Vaterland und den Weltfrieden. Den es schließlich wieder einmal zu retten galt.

»Oh je«, flüsterte Rolihlahla leise vor sich hin und musste sich zuvor noch eine Gelegenheit erarbeiten, um nach neuen Informationen auf der Internetplattform des Ministeriums zu suchen. An der Rezeption wartete nämlich wider Erwarten kein Informationspaket auf ihn, wie es in einem der letzten Schreiben angedeutet wurde. Unter dem Vorwand einer leichten Darmverstimmung verzog er sich mit seinem Netbook auf die Toilette und wählte sich über das WLAN-Netz des Hotels in den Ministeriumsrechner ein. Auch dort fand er nichts. Er versuchte es mehrfach, da er befürchtete, das falsche Passwort benutzt zu haben, aber immer mit demselben Ergebnis. Nichts!

»Was soll denn das?«, fragte er sich selbst und ärgerte sich über die schlechte Organisation des Datenflusses. Alles war bis ins letzte Detail geplant gewesen, um ihn hier vor Ort zu bringen und jetzt konnte er nicht einmal seiner Agententätigkeit nachkommen. Eigentlich hatte er mehr erwartet. Doch vielleicht war die Sache auch noch viel brisanter, als erwartet. Vielleicht war sein Infopaket auch abgefangen worden und in falsche Hände geraten. Er nahm sich vor, auf der Hut zu sein.