Weihnachten mit Elisabeth Dreisbach - Elisabeth Dreisbach - E-Book

Weihnachten mit Elisabeth Dreisbach E-Book

Elisabeth Dreisbach

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Beschreibung

Der neue Sammelband vereinigt die schönsten Erzählungen und Episoden von Elisabeth Dreisbach zum Thema Weihnachten. Warmherzig beschreibt sie in ihrer Autobiografie die Weihnachtsfeiern daheim. - Werner Gersbachs Weihnachten - Martina sorgt für Weihnachten - Das Silberfädchen - Das letzte Licht Elisabeth Dreisbach (1904 - 1996) zählt zu den beliebtesten christlichen Erzählerinnen des 20. Jahrhunderts. Ihre zahlreichen Romane und Erzählungen erreichten ein Millionenpublikum. Sie schrieb spannende, glaubensfördernde und ermutigende Geschichten für alle Altersstufen. Unzählig Leserinnen und Leser bezeugen wie sehr sie die Bücher bewegt und im Glauben gestärkt haben.

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Weihnachten mit Elisabeth Dreisbach

Die schönsten Geschichten und ErzählungenBand 34

Elisabeth Dreisbach

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Elisabeth Dreisbach

ISBN: 978-3-95893-162-6

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Autor

Elisabeth Dreisbach (auch: Elisabeth Sauter-Dreisbach; * 20. April 1904 in Hamburg; † 14. Juni 1996 in Bad Überkingen) war eine deutsche Erzieherin, Missionarin und Schriftstellerin.

Elisabeth Dreisbach absolvierte – unterbrochen von einer schweren Erkrankung – eine Ausbildung zur Erzieherin in Königsberg und Berlin. Sie war anschließend auf dem Gebiet der Sozialarbeit tätig. Später besuchte sie die Ausbildungsschule der Heilsarmee – der ihre Eltern angehört hatten – wechselte dann aber zur Evangelischen Landeskirche in Württemberg, für die sie in den Bereichen Innere Mission und Evangelisation wirkte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges gründete Dreisbach in Geislingen an der Steige ein Heim für Flüchtlingskinder, in dem im Laufe der Jahre 1500 Kinder betreut wurden. Dreisbach lebte zuletzt in Bad Überkingen.

Elisabeth Dreisbach war neben ihrer sozialen und missionarischen Tätigkeit Verfasserin zahlreicher Romane und Erzählungen – teilweise für Kinder und Jugendliche – die geprägt waren vom sozialen Engagement und vom christlichen Glauben der Autorin.1

1 Quelle: wikipedia.org

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Autor

Vorwort

Werner Gersbachs Weihnachten

Martina sorgt für Weihnachten

Das Silberfädchen

Das letzte Licht

Unsere Empfehlungen

Vorwort

Elisabeth Dreisbach wurde 1904 in Hamburg geboren. Ihre zahlreichen Romane und Erzählungen machten sie zu einer der beliebtesten christlichen Autorinnen des Zwanzigsten Jahrhunderts. Bereits in ihrem Elternhaus wurde die Grundlage für ihre geistliche Prägung gelegt. Beide Eltern arbeiteten in der Heilsarmee. Auch sie selbst hat sich im Laufe ihres Lebens immer wieder des Schicksals hilfsbedürftiger Menschen angenommen. So nahm sie als Pflegemutter Kinder zu sich, arbeitete in der kirchlichen Jugendarbeit mit und eröffnete und leitete nach dem Krieg ein Heim für heimatlose Kinder. Mit ihrem Mann lebte Elisabeth Dreisbach bis zu ihrem Tod 1996 im Berghaus St. Michael in Oberböhringen auf der Schwäbischen Alb, einem christlichen Gästehaus und Kinderheim.

Der vorliegende Band vereinigt die schönsten Erzählungen und Episoden zum Thema Weihnachten. In der Weihnachtsbotschaft hat Gott seine Liebe auf einzigartige Weise offenbart. Das Licht dieser Liebe leuchtet bis in das Schicksal jedes einzelnen Menschen hinein. Viele der Hauptfiguren in den Erzählungen Elisabeth Dreisbachs haben ein hartes Schicksal zu tragen. Oft tragen sie schwer an eigener oder fremder Schuld. Aber die Botschaft von Weihnachten lässt sie zu neuem Vertrauen finden oder gibt ihrem Leben eine neue Richtung. Sie vermag Elend in Hoffnung und Freude zu verwandeln. Das ist das bleibende Vermächtnis von Elisabeth Dreisbachs Büchern.

Wir wünschen Ihnen viel Freude mit diesen Weihnachtserzählungen und eine besinnliche Advents- und Weihnachtszeit.

Thomas Kraft

Werner Gersbachs Weihnachten

Durch die Königstraße in Stuttgart wälzte sich ein Menschenstrom. Niemand schien das nasskalte, unfreundliche Wetter störend zu empfinden. Kein Wunder, drei Tage vor Weihnachten. Heute, am letzten Sonntag vor dem Fest, stauten sich die Massen in den Geschäftshäusern und vor den Schaufenstern. Frohes Stimmengewirr, helles Kinderjauchzen erfüllte die Luft; Festfreude und Erwartung sowie Schenkeifer hatten schier den Höhepunkt erreicht. Schon früh am Nachmittag senkte sich die Dämmerung über die Stadt, sodass bald da und dort und dann überall Lichter aufblitzten. Weihnachtlich festliche Beleuchtung erhöhte die frohe Stimmung, und die Gesichter mancher Käufer, die päckchen- und paketbeladen die Geschäfte verließen, waren fieberhaft gerötet; nebensächlich, ob von der Wärme der überfüllten Räume oder dem beglückenden Bewusstsein, das Richtige und Schönste beim Einkauf getroffen zu haben.

Der feuchtkalte Nebel verwandelte sich in Regen, der aber heute nur von wenigen als ungemütlich empfunden wurde. Die Vorfestfreude war vorherrschend und ließ einfach nichts Unangenehmes aufkommen.

„Des schadet nix, wenn’s jetzt au a bissele rägnet“, sagte lachend ein frisches junges Mädel, das ein paar nagelneue Skihölzer schulterte, zu ihrer neben ihr gehenden Freundin. „Bis Neujohr händ mer g’wiss ’s schönscht

Schiwetter. Aus ’m Schwarzwald isch heut scho günschtiger Wetterbericht komme.“

Ein korpulenter, älterer Herr wandte sich an seine Gattin, die mit ihm soeben ein Kaufhaus verließ. „Du, spann doch de neue Rägeschirm auf! Sonscht werde unsre Päckle ganz nass.“ – ,Ja, was denkscht au!“ Beinahe entrüstet weigerte sie sich. „Der Schirm isch doch ’s Chrischtkindle für Margritle. Ich kann dere doch kein gebrauchts Weihnachtsg’schenkle unter de Tannebaum lege. Jetz warte mer halt do unter’m Torboge, bis der Einser kommt, dann steige mir glei ein und fahre hoim.“

Und ihr rundlicher Eheherr gab sich zufrieden. Wer hätte auch heute streiten mögen?

Aber alle teilten wohl doch nicht die vorweihnachtliche Festfreude. Der hochgewachsene junge Mann dort drüben, der zwischen dem aufgeschlagenen Kragen seines dunkelgrauen Mantels und dem tief in die Stirn gezogenen Hut sein Gesicht anscheinend zu verbergen trachtete, sah keineswegs freudig oder beglückt aus. Teilnahmslos schlenderte er an den verlockend geschmückten Geschäftsauslagen vorbei und ließ sich von dem Menschenstrom treiben. Ein Gleichgültiger unter den Fröhlichen. Was suchte er eigentlich hier im Hauptgeschäftsviertel der Stadt? Er wusste es selbst nicht; wollte eben, wie schon so oft, den Sonntagnachmittag totschlagen, der ihn in seiner grauen Nässe längst anödete. Weihnachtsvorfreude? Lichteffekt? Tannenduft? Das alles ging ihn nichts an, war nicht für ihn da.

Nur einmal schrak er zusammen, zog die hohe, blasse Stirn in Falten und hielt einen Augenblick in seinem ziellosen Weiterschlendern inne, als ob er stehen bleiben wolle, aber nur einen winzigen Augenblick, den Bruchteil einer Sekunde. Das war, als eine jubelnde Kinderstimme an sein Ohr drang. Ein zierliches, kleines Mädchen hatte sich einen Weg bis an das große, hell erleuchtete Schaufenster eines Spielwarengeschäftes gebahnt und übertönte nun alle Nebengeräusche mit seinem Jubel. „Oh, die Puppe, die schöne, große Puppe, die muss mir das Christkind bringen.“

Dieses selige Kinder jauchzen warf den hochgewachsenen Mann beinahe aus dem Geleise. Aber was heißt Geleise? Er ging ja ziellos durch den Nachmittag, es war vollkommen gleichgültig, ob er seine Schritte nach Norden oder Süden lenkte. Und was kümmerte ihn dieses kleine Persönchen im roten Mäntelchen und Mützchen mit dem weißen Pelzbesatz? Der Blick seiner lebhaften, dunklen Augen, die jetzt vor glücklicher Erwartung wie zwei kleine Sterne glänzten, galt nicht etwa ihm, sondern der lächelnden Puppe hinter der Glaswand. Aber dieses kleine Mädchen hatte eine Saite im Innern des Mannes berührt, eine Saite, die er glaubte, endlich zum Schweigen bringen zu können, die jedoch immer wieder aufs Neue einen Ton erklingen ließ, wenngleich er auch fast ungehört verhallte.

Nein, das kleine Mädchen im roten Mantel ging ihn nichts an. Aber ein anderes, es mochte wohl im gleichen Alter sein wie das glückstrunkene Dingelchen vor dem Schaufenster. Und es lehnte jetzt wahrscheinlich am Stuhl, in dem die kranke Großmutter saß, hatte seine Augen zu ihr erhoben und bat: „Oma, erzähle mir vom Christkind.“ So wie er es als kleiner Junge auch getan hatte. Ach, er wusste es noch so gut. Die Augen des Kindes aber leuchteten nicht, denn sie waren gleich erloschenen Sternen. Das kleine Mädchen war blind. Und der finster blickende Mann, der an der Festfreude des heutigen Tages teilnahmslos vorüberging, mitten im Menschengewühl der Stuttgarter Hauptstraße, war der Vater des kleinen blinden Mädchens, der Sohn, um den Frau Mechthild Gersbach die meisten Tränen vergossen hatte.

Vor sechseinhalb Jahren hatte Werner Gersbach seine Heimat im Rheinland verlassen und in Süddeutschland eine Stellung angenommen. Nun lebte er bereits seit vier Jahren in Stuttgart. Er war als talentvoller Architekt bekannt und gesucht. In seinem im Westen der Stadt gelegenen Büro herrschte immer rege Tätigkeit. Sein Schaffenseifer hatte ihm schon manchen Erfolg gebracht und seine künstlerische Begabung schuf ihm bald einen Namen, sodass die ihm übertragenen Aufträge sich häuften. Keiner seiner Kollegen aber konnte sich rühmen, freundschaftliche Beziehungen zu ihm zu pflegen. Zeigte er sich in seiner Berufstätigkeit stets aufgeschlossen und angeregt, überwand er hier fast spielend die unglaublichsten Schwierigkeiten, so äußerte sich in seinem Privatleben eine beinahe beleidigende Abwehr und Unnahbarkeit. Es gelang niemand, auch nur einen Blick hinter die Kulissen seines Innenlebens zu werfen, so sehr es schon manche interessiert hätte, zu erfahren, was in diesem rätselhaft verschlossenen Menschen vor sich ging. Bemerkte er, dass sich ihm jemand mit dieser Absicht näherte, so war es, als ließe er nun erst recht einen Vorhang vor dem Tor seiner Seele nieder. Dann konnte er, dessen Höflichkeit und feines Wesen im geschäftlichen Verkehr gerühmt wurden, geradezu grob werden. Bei einem alten Ehepaar hatte er zwei möblierte Zimmer gemietet. Die Mahlzeiten nahm er in einem Gasthaus ein. Er mied jeden persönlichen Verkehr und kam bald in den Ruf, ein Sonderling zu sein. Man zerbrach sich den Kopf über der Ursache seines seltsamen Wesens. Er aber gab niemand Aufschluss.

„Ich werde nicht klug aus ihm“, sagte einer seiner Kollegen, der nun schon seit Jahren in Arbeitsverbindung mit Werner Gersbach stand. „Es ist, als ob sich zwei Naturen in ihm vereinten. Nie in meinem Leben sind mir solche auffallenden Gegensätze in einem Menschen begegnet.“

Er wusste nicht, dass Werner Gersbach diesen Ausspruch mit angehört hatte. Ein herbes Lächeln spielte um seinen Mund. Er kannte die Ursache dieser Gegensätze in seinem Innern gar wohl. Es war nicht immer so gewesen, denn sein ureigenstes Wesen glich dem seiner Großmutter, der Lehrersfrau, sonnig, mitteilsam und offen. Krieg und Inflationszeit hatten ihm, der damals allerdings noch ein Kind war, nichts von seinem angeborenen Frohsinn zerstören können. Bei aller sprudelnden Lebensfreude war er jedoch ein sinniger, nachdenklicher Knabe gewesen. Während sein älterer Bruder sich auf den Straßen der Heimatstadt mit den Altersgenossen herumbalgte, zog er es vor, hinter Büchern, die er sich stapelweise aus der Stadtbibliothek holte, zu sitzen. So bereicherte er sein Wissen und schuf sich seine Welt, die weit über die Grenzen der geistigen Atmosphäre seines Elternhauses reichte. Ein inniges Verhältnis bestand zwischen ihm und seiner Mutter, die den Hunger im Innern ihres Jungen so gut verstand. War es ihr im engen Kreise ihrer Häuslichkeit doch oft selbst, als lege sich etwas unerträglich Erdrückendes auf ihr Herz. Werner hatte ihr auch nie bei seiner Erziehung Schwierigkeiten bereitet.

Von frühester Kindheit an zeigte er eine besondere religiöse Neigung und wurde im Hause seiner Eltern, wo man kaum Zeit fand, überirdischen Dingen nachzusinnen, als „das fromme Kind“ betrachtet. Neben ihrer vielen Arbeit bemühte sich die Mutter, den leseleidenschaftlichen Jungen vor einem „Zuviel“ seiner geistigen Nahrung zu bewahren. Sie klappte ihm hin und wieder einmal ein Buch, in das er vollständig verloren war, vor der Nase zu und ermunterte ihn: „Gehe, Werner, gesell dich ein Stündchen zu den andern Buben da draußen. Du sollst mir kein Einzelgänger werden.“ Oder sie stellte ihn an, ihr Handreichungen in der Wurstküche oder im Laden zu tun, gerade weil sie sah, dass ihm dies hart ankam. Aber sie wollte ihn vor den schweren Erfahrungen, die sie selbst hatte durchmachen müssen, bewahren. Er sollte sich schon jetzt überwinden lernen und einmal, ganz gleich, wohin der Sturm des Lebens ihn verschlagen würde, mit beiden Füßen im Alltag stehen. Und er überwand lachend die kleinen und großen Schwierigkeiten und beglückte die Mutter durch seine Frohnatur, sein stets liebevolles Wesen. Frau Mechthild war stolz auf ihren Jungen. Er hatte eine geschickte Hand und eine erstaunlich leichte Auffassungsgabe. Seine Lehrer liebten ihn, und als die Zeit der Berufswahl kam, ermutigten sie ihn, einen Weg einzuschlagen, der ihm Gelegenheit gab, seine künstlerische Begabung in schöpferischer Weise anzuwenden. Er entschloss sich, Bildhauer zu werden. Der Vater allerdings wollte nichts davon wissen.

„Ach was, das ist doch kein Beruf für dich. Du wirst doch wohl dein Leben lang keine Grabsteine meißeln wollen.“

„Aber Vater“, entgegnete Werner lachend, „man macht doch als Bildhauer nicht nur Grabsteine. Du kannst dir gar nicht denken, wie viel Möglichkeiten dieser Beruf bietet.“

Der Vater aber war mehr für ein „nahrhaftes“ Gewerbe. Herbert, der Älteste, würde einmal das väterliche Geschäft übernehmen. Konnte Werner nicht ebenso gut eine Bäckerei oder etwas Ähnliches auf- machen? – Schließlich war er einverstanden, dass der Sohn die Technische Hochschule besuchte. Werner fand sich in den ihm dort gewiesenen Bahnen spielend zurecht und galt bald für den hoffnungsvollsten Schüler seiner Klasse.

In seinem allem Wahren und Edlen geöffneten Herzen war kein Raum für Oberflächlichkeiten. So tat er nicht mit, wenn seine Kameraden ein leichtfertiges Liebesspiel mit den Mädchen der Stadt trieben, obgleich sie ihn deshalb weidlich verlachten. Mit neunzehn Jahren lernte er Isolde Konter kennen, das Mädchen, das ihm zum Verhängnis wurde. – Er war gewöhnt, bisher alles mit seiner Mutter zu besprechen, und teilte ihr auch jetzt in unberührter Offenheit und herzlichem Vertrauen dieses Erleben, das erste auf diesem Gebiet, mit. Ergriffen und zugleich dankbar ob des Sohnes Vertrauen, blickte ihm Frau Mechthild in die Augen.

„Isolde Konter“, sagte sie. „Ich kenne sie nur wenig.“ Sie war mit ihren Eltern erst vor kurzem nach Gummersteinbach, wo ihr Vater zum Bürgermeister gewählt wurde, gekommen.

„Es ist ein Mädchen, das mir schon gefallen würde“, fuhr Frau Mechthild fort. „Nur scheint es mir, ihr beide seid noch reichlich jung. Lernt euch erst richtig kennen und seht, ob ihr zueinander passt. Du musst dir vor allem darüber klar sein, ob euer Inneres aufeinander abgestimmt ist. Nichts ist so hart, als wenn man zu spät erkennt, dass man nicht füreinander bestimmt war.“

Werner hatte damals seiner Mutter still zugehört und plötzlich war auch über ihn das Erkennen gekommen, dass die Mutter einen solch harten Weg der inneren Einsamkeit an der Seite des Vaters hatte gehen müssen. Oft genug waren die großen inneren Gegensätze gewaltig hervorgetreten, wenngleich es eigentlich nie zu unliebsamen Szenen zwischen den Eltern gekommen war. Und er hatte an jenem Tage, da er ihr das Bekenntnis seines Herzens abgelegt, die Arme um die Mutter geschlungen und ihr versprochen: ,Ja, ich will Isolde kennen lernen, aber glaube mir, sie gehört zu den Menschen, in denen man sich nicht täuscht.‘“

Und dann hatte eine Zeit begonnen, die dem jungen Werner wie ein einziger Frühlingstag, angefüllt mit Sonnenschein, Blütenduft und Vogelsang, vorgekommen war. Isolde, die lebensfrohe, bildschöne Tochter des Bürgermeisters, schien die Neigung des jungen Studenten zu erwidern. Sooft er die Ferien in der Heimat zubrachte, verlebten sie zusammen Stunden ungetrübter Freude. Sie durchstreiften gemeinsam die Wälder, unternahmen Kahnfahrten auf dem ausgedehnten Parksee, liefen im Winter Ski und Schlittschuhe und hatten so Gelegenheit, sich kennen zu lernen. Und Mutters feines Verständnis nahm dem Zusammensein der beiden jungen Menschen jeden Gedanken versteckter Heimlichkeit. Sie wusste, Werner würde ihr auch weiterhin sein Vertrauen schenken.

Der Vater sah mit Missfallen auf diese Verbindung. „So ein Grünschnabel will schon an ein Verhältnis denken“, schimpfte er. Frau Mechthild überbrückte. „Vater, es besteht noch kein Verhältnis zwischen den beiden. Bis jetzt verpflichtet sie kein bindendes Wort. Ich meine, es ist nur gut, wenn wir ihnen Gelegenheit geben, sich kennen zu lernen.“

„Und was wird wohl in der Stadt darüber gesprochen werden?“

Da hatte sie ihm ruhig geantwortet: „Das Vertrauen unseres Sohnes, der nichts hinter unserem Rücken tut, sondern offen und frei mit mir über sein Vorhaben gesprochen hat, muss uns mehr wert sein als ein Stadtgespräch, verbreitet von niedrig denkenden Menschen, denn ein vornehmer Charakter wittert nicht hinter allem irgendetwas Unsauberes.“

Und dann kam Werner eines Tages glückstrahlend, seiner Sache gewiss, zu ihr. „Mutter, noch ein Vierteljahr, und dann bin ich fertig. Gleich nach der Schulprüfung gehe ich zu Isoldes Vater, um mit ihm zu sprechen. Einer Anstellung bin ich gewiss. In ein paar Jahren können wir heiraten.“

Und Frau Mechthild war es gewesen, als werde sie um Jahre zurückgeführt. Sie sah sich mit dem Jugendfreund am Rande des reifen Kornfeldes und empfand ganz deutlich die Seligkeit jenes Augenblicks, da ihre Herzen in scheuer, heimlicher Liebe zueinander strebten. Und nun stand Werner, ihr Sohn, der ihr in seinem Wesen glich wie keines ihrer Kinder, mitten in diesem großen Erleben erster Liebe, das Herz voll glückseliger Hoffnung. Er ließ sie teilnehmen an seinem Glück, wie es nur da möglich ist, wo Mutter und Sohn in einem vollkommen ungetrübten Verhältnis zueinander stehen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Alle Empfindungen ihres Herzens fasste sie in die wenigen Worte: „Mein Junge, mein lieber Junge!“, zog seinen Kopf zu sich herab und küsste ihn innig auf die Stirne.

Das Vierteljahr war vergangen. Werner hatte sein Examen mit Auszeichnung bestanden. Und nun ging es heim, nach Hause, wo ihn das Glück erwartete.

Und nun war das Unfassliche geschehen. Isolde, die ihm sonst stets mit vertrauender Herzlichkeit begegnet war, ließ sich tagelang nicht blicken und zeigte sich keineswegs erfreut, als Werner ihr in einem Brief seinen Besuch in ihrem Elternhaus in Aussicht stellte. War das Isolde, seine Isolde, die ihm so schrieb: „Warte noch, ehe du mit meinem Vater sprichst. Du darfst es dir nicht so leicht vorstellen und musst verstehen, dass mein Vater gewisse Vorurteile zu überwinden hat. Es ist ja schließlich auch begreiflich, dass er wünscht, seine einzige Tochter standesgemäß zu verheiraten.“

Werner begriff nicht gleich. Standesgemäß? – Wie, hatte er vielleicht einen Beruf, dessen er sich schämen musste? Hatte er seine Zeit auf der Hochschule nicht mit fleißigem Studium ausgenutzt? Bewies das mit „sehr gut“ bestandene Examen nicht, dass er sein Ziel erreicht hatte? Er würde fähig sein, seiner zukünftigen Frau ein behagliches Heim zu bieten und gut für sie zu sorgen. – Standesgemäß? – Ja, sollte es den Herrn Bürgermeister stören, dass er der Sohn des Metzgermeisters Gersbach war, beheimatet in dem schmucklosen Haus am Marktplatz, in dem die Frau Bürgermeister durch ihr Dienstmädchen ihre Fleischeinkäufe besorgen ließ? Heiß stieg ihm die Röte ins Gesicht. Aber Isolde, nein, sie konnte nicht so denken. Die Erinnerung an viele glückerfüllte Stunden, die sie gemeinsam erlebt, bürgte ihm dafür. Wenn sie nur gekommen wäre, um mit ihm über alles zu sprechen. Mit einem einzigen Wort hätte sie die aufgetauchten bangen Zweifel zerstreuen können.

Aber sie kam nicht. Stattdessen brachte der Briefträger eine Verlobungsanzeige. Auf feinem Büttenpapier stand vereint mit dem Namen des jungen Rechtsanwalts, der sich vor einigen Monaten im Städtchen niedergelassen hatte, derjenige Isoldes. Das erklärte natürlich alles. Aber genügte diese Erklärung? In Werner Gersbach, der nie mit einem Mädchen ein leichtfertiges Spiel getrieben hatte, schien etwas zerstört zu sein, etwas, was der Reichtum seines Innenlebens war. Zu tief hatte ihn dieser Schlag getroffen. – Der Vater hatte Recht gehabt. Natürlich war ein Gerede aus der Sache geworden. Es hätte keine Kleinstadt sein müssen.

„Was sagt ihr von Isolde Konter und Werner Gersbach? Die Sache ist aus. Sie hat ihm einen schönen Streich gespielt. Verlobt sich mit dem Rechtsanwalt. Die Hochzeit soll schon bald stattfinden. Der Gersbach kann einem leidtun. Ist ein netter Mensch.“

„Was, leidtun? Geschieht ihm ganz recht, diesem eingebildeten Jüngling, diesem hochmütigen! Genauso wie seine Mutter, immer zurückhaltend, immer vornehm. Ich möchte nur wissen, worauf der sich was einbildet.“

Ja, die meisten der Gummersteinbacher Mädchen dachten so. Bis auf wenige Ausnahmen waren sie alle der Meinung, dass es dem jungen Gersbach ganz recht geschähe, so reingefallen zu sein. Längst war es ihnen ein Ärgernis gewesen, dass er sich um keine von ihnen gekümmert und die Bürgermeisterstochter, die nicht einmal aus dem Ort war, ihnen vorgezogen hatte. Sie gönnten ihm diese Blamage in ungefälschter Schadenfreude. Gleichzeitig aber gaben sie sich neuen Hoffnungen hin, sahen Möglichkeiten vor sich erstehen und überlegten, was sie tun könnten, um die Aufmerksamkeit des eben noch Geschmähten auf sich zu lenken. Das Unwürdige ihrer Gesinnung kam anscheinend keiner von ihnen zum Bewusstsein.

Da war vor allem Susanne Renkler, ein Mädchen von einundzwanzig Jahren, das schon manches kleine Abenteuer hinter sich hatte, die sich mit Werner Gersbachs Angelegenheit lebhaft beschäftigte. Ihr Leichtsinn war stadtbekannt. Bereits im letzten Schuljahr hatte sie ein Verhältnis mit einem jungen Burschen aus einem Wanderzirkus und verließ heimlich mit seiner Truppe die Stadt. Die Polizei brachte sie in ihr Elternhaus zurück, in dem sie allerdings ebenfalls von wenig guten Einflüssen umgeben war. Die Mutter lebte mit ihrem zweiten Mann in ewigem Streit, nachdem sie vom ersten geschieden war. Auch der zweite verließ sie später.

Susanne Renkler hatte bis zu ihrem zwanzigsten Lebensjahr eine ganze Reihe von Liebschaften gehabt, war längere Zeit auch in einer größeren Stadt in Stellung gewesen – böse Mäuler behaupteten, in einer Frauenklinik – und lebte seit zwei Jahren wieder bei ihrer Mutter. In einem Parfümerie- und Seifengeschäft hatte sie Anstellung als Verkäuferin gefunden. Ihr neues Ziel war Werner Gersbach, und es war erstaunlich, mit welcher Zähigkeit sie dieses Ziel verfolgte. Jedes Mittel war ihr recht. Ihre saubere Mutter war ihr hierbei die beste Lehrmeisterin.