Wenn die Erdachse schwankt - Jürgen Joachim Taegert - E-Book

Wenn die Erdachse schwankt E-Book

Jürgen Joachim Taegert

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Beschreibung

Bildung ist heute ein selbstverständliches Allgemeingut. Das war nicht immer so. Weit über das 18. Jh. hinaus war Bildung ein Privileg einiger Bessergestellter. Und der Weg dahin war weit, wie der Autor dieser Familiensaga im ersten Band „Vom Tropfhäusler zum Köster und Schaulmeister“ (ISBN 978-3-7412-4009-6) geschildert hat. Er führte vom Rand der Gesellschaft über das Handwerk und das Küster- und Lehreramt in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft im damaligen Pommern und Preußen. Durch die Aufklärung und die bahnbrechende Pädagogik des Halleschen Pietismus erneuert sich im Biedermeier die Zeit, so zeigt der zweite Band „Wenn die Erdachse schwankt“ (168 S., mit über 100 Abbildungen). Zu Unrecht setzt man „Biedermeier“ gern mit Spießertum und Rückzug in eine weltabgewandte Idylle gleich. Ganz anders erleben damals nach Napoleons Sturz und dem Ende der kleinen Territorialherrschaften in Europa die Betroffenen ihre Zeit, die ständig bedrängt ist vom gewalttätigen Widerstand rückwärtsgewandter politischer Kräfte und überschattet vom allgegenwärtigen Leiden einer erschütternd hohen Mütter- und Kindersterblichkeit. In den stürmischen Umbrüchen der frühen industriellen Revolution und des modernen Verkehrswesens erfinden sie ihren Lebenssinn ganz neu. Wissenschaftlichkeit und aufgeklärtes Bemühen um Bildung für Männer, Frauen und erstmals sogar Kinder brechen sich auch in frommen Kreise allenthalben Bahn. Als verlässlichen Hintergrund ihres Alltags erschaffen sie sich eine eng vernetzte bürgerliche Bildungsgesellschaft, die in „vorbildlicher Geselligkeit“ den Charakter und die eigene Persönlichkeit bildet. Prägend ist der Aufbruch der wissenschaftlichen Bildung und der Gymnasialpädagogik, der exemplarisch entfaltet wird an der Gestalt des damaligen Siegener Realschuldirektors Dr. Wilhelm Tägert: Diese charismatische Lehrerpersönlichkeit gehörte nicht nur zu den Pionieren der neuartigen „Realgymnasien“. Sondern als Wissenschaftler untersuchte er, visionär vorausschauend, mit mathematisch-physikalischen Mitteln die „Schwankung der Erdachse“, die wegen ihrer Auswirkung auf das Erdklima auch die moderne Wissenschaft in Atem hält. So wirken viele hervorragende weibliche und männliche Vertreter dieser Familie aus Aufklärung, Goethezeit, Biedermeier und Zweitem Reich mit ihren zukunftsweisenden pädagogischen Konzepten und ihren politischen Forderungen nach Entfaltung und Teilhabe des Einzelnen bis in aktuelle und brennende Fragen unserer Gegenwart hinein nach.

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„Das schönste Glück des denkenden Menschen ist, das Erforschliche erforscht zu haben und das Unerforschliche zu verehren“

Johann Wolfgang v. Goethe

Maximen und Reflexionen zur Naturwissenschaft

Für meine Ehefrau, Kinder, Enkel und Geschwister, sowie für alle alten und neu gewonnenen Freunde der Familien Tägert / Taegertmit einem besonders herzlichen Dank an Hans-Wolfgang Tägert für wertvolle Informationen und Bilder

Umschlagbilder Vorderseite:

Märzrevolution 1848, Barrikadenkämpfe am 18/19. März in der Breiten Straße in Berlin, mit der revolutionären deutschen Trikolore, historische Kreide-Lithographie eines unbekannten Verfassers,

Daguerreotypie mit J

OACHIM

C

HRISTOPH

W

ILHELM

T

ÄGERT

um 1867

Umschlagbilder Rückseite (von links oben):

Greifswald mit St. Nicolai-Kirche

Pädagogium Putbus-Rügen

Realgymnasium Köslin

Stadtansicht Siegen

Bildtitel Buchblock („Schmutztitel“):

J. C

HR

. W

ILHELM

T

ÄGERT

mit E

MMA

, geb. K

ARKUTSCH

, und seinen ältesten drei Kindern C

LARA

(Mitte), F

RIEDRICH

(rechts) und M

ATHILDE

(links) aus der ersten Ehe mit F

RIEDERIKE

, geb. N

IEMEYER

, kurz nach seiner Wiederverheiratung 1867 in Köslin.

An Stelle eines Vorworts

Die Tägert / Taegert…

… sind eine ganz besondere Art.

Auch wenn es davon heute in beiden Schreibungen des Namens weltweit kaum mehr als 34 lebende Personen gibt, so handelt es sich doch um eine überaus interessante Spezies.

Bei dem geringen Vorkommen ist es zwar verständlich, dass Namensforscher dieser raren Art bislang so wenig ernste Beachtung geschenkt haben. Aber dieses Nichtwissen ist auch schade und ein echter Mangel. Denn nicht nur die Geschichte des Weges dieser Familie vom Rand in die Mitte der Bürgergesellschaft, dessen erste drei Kapitel im bereits 2013 erstmals bei BoD erschienenen und 2016 neu aufgelegten Büchlein „Vom Tropfhäusler zum Köster und Schaulmeister“ (ISBN ISBN 978-3-7412-4009-6) nachzuerleben sind, ist auch heute noch bedenkenswert. Sondern auch einzelne hervorragende ihrer weiblichen und männlichen Vertreter aus Aufklärung, Goethezeit, Biedermeier und der Zeit des Zweiten Deutschen Reiches wirken bis in aktuelle und brennende Fragen unserer Gegenwart hinein nach.

Dabei fällt sofort ins Auge, dass wir den Begriff „Biedermeier“ heute zu Unrecht nur mit „deutscher Gemütlichkeit“, hausbackenem Spießertum und Rückzug in eine weltabgewandte Idylle gleichsetzen. Ganz anders, so will dieser zweite Band dieser Familiensaga zeigen, erleben damals die selbst Betroffenen ihre Zeit: Nach Napoleons Sturz und dem Ende der kleinen Territorialherrschaften in Europa brechen sich Wissenschaftlichkeit und aufgeklärtes Bemühen auch frommer Kreise um Bildung allenthalben Bahn und fördern nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder.

Dabei ist das Leben damals bedrängt vom hinhaltenden und gewalttätigen Widerstand rückwärtsgewandter Kräfte und überschattet vom allgegenwärtigen Leiden einer erschütternd hohen Mütter- und Kindersterblichkeit. So erfinden die Menschen in den stürmischen Umbrüchen der frühen industriellen Revolution und des modernen Verkehrswesens ihren Lebenssinn ganz neu und erschaffen sich als verlässlichen Hintergrund eine eng vernetzte bürgerliche Bildungsgesellschaft, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Ihre zukunftsweisenden Bildungskonzepte und ihre politischen Forderungen geben auch noch unserm 21. Jahrhundert seine Grundlage.

Weil die nähere Betrachtung dieser Menschen auch im Vergleich zu eigenen Lebenskonzepten heute spannend und lohnend ist, seien Recherchen über einige wichtige Exponenten dieser Familie im 19. Jh. und deren Vorfahren und Geschwistern hiermit von einem der dankbaren Urenkel nachgeholt und den anderen Urenkeln und Urur…enkeln mitgeteilt, sowie auch allen Freunden der Familie gewidmet.

Jürgen Joachim Taegert, Kirchenpingarten, im Jahr 2016

INHALTSÜBERSICHT

Vorwort

PROLOG: J

OACHIM

C

HRISTOPH

W

ILHELM

T

ÄGERT UND DIE

B

ERECHNUNG DER

E

RDACHSENPRÄZESSION

Ist es wichtig, die Schwankungen der Erdachse zu erforschen?

Was man über Wilhelm Tägert heute erfahren kann

Einschätzungen der Arbeiten von Dr. J. C

HR

. W

ILHELM

T

ÄGERT

aus der Sicht von heute

Es geht um Fragen der Zukunft unserer Erde

Schwankungen der Erdachse, heute betrachtet

E

INE

„R

ENAISSANCE

-P

ERSÖNLICHKEIT

UND IHRE

W

URZELN

Ein gewaltiger Hüne mit universaler Bildung

Umfassende Anregungen im bald verlorenen Elternhaus und bei den Großeltern

Zuflucht der Waisenkinder im Lehrerhaus auf dem Lande

LAUTER

L

EHRER IN DER

F

AMILIE

!

Unterschiedliche Ausbildung für das niedere und höhere Schulwesen

Keine tumben „Lehrer Lämpel“, sondern gebildete Idealisten

Der Staat sorgt sich um die moralische Verderbnis und freiheitliche Gesinnung seiner Lehrer

C

ARL

A

UGUST

H

ERMANN

T

ÄGERT

in den Fußtapfen von Vater und Großvater

Eine pädagogisch begabte Geschwisterschar unter der Fürsorge des Fürsten von Putbus

Z

EUGEN DER DEUTSCHEN

R

EVOLUTION IM

B

IEDERMEIER

Äußerlich keine Revolutionäre

Umstürzende Zeiten, aber eine rückwärts gewandte Politik

Auf dem Weg zu Schwarz-Rot-Gold

Die Zeitung von T

OBIAS

D

ANNHEIMER

wird zur Plattform demokratischer Ideen

Z

EITZEUGEN DER

T

RAGÖDIE DES

F

RANKFURTER

P

AULSKIRCHEN

-P

ARLAMENTS

„Die Gedanken sind frei“

Macht und Ohnmacht der Wutbürger in der deutschen Revolution

Hoffnungen und Elend des Frankfurter Paulskirchen-Parlaments

Der 9. November – ein deutscher Schicksalstag

„Peinliche“ und unnütze Revolution?

Abitur in den entscheidenden Tagen der Erhebung

Politisch bewegte Studenten

I

M

B

ANNE DER

F

RANCKE

SCHEN

P

ÄDAGOGIK

Das „Pädagogium“ von Putbus – ein neuartiges Bildungsprojekt nach Franke‘schem Muster

A

UGUST

H

ERMANN

F

RANCKE

: Ein Gelehrter findet zum Pietismus

Durch Erweckung zum glutvollen tätigem Glauben

„Vier Taler und 16 Groschen“ als Startkapital für einen Sozialkonzern

Mission nach innen und außen

Franckes „Pädagogium regium“ als Vorbild für Putbus

Der „Francke-Hype“ wird zum Schicksal

E

IN

P

RÜFSTEIN FÜR DIE JUNGE

L

IEBE

Zwischen Greifswald und Köslin

Erwartungen und Ängste bei der ersten Nutzung der Eisenbahn

Musiklehre beim damaligen Meister der Balladen C

ARL

L

OEWE

in Stettin

Im Herzen von Hinterpommern, in der Heimat der Kaschuben

Heirat in Köslin, im Zentrum von Hinterpommern

W

EIBLICHE

B

ILDUNG UND

F

AMILIENLEBEN IN

G

OETHEZEIT UND

B

IEDERMEIER

Friederikes Großmutter – ein Lehrbeispiel für die heutige „Gender-Forschung“

Bildung für Bessergestellte

Um Allgemeinbildung für Mädchen bemüht: Evangelische Hausväter, Ratsherren und Pastorenfrauen

Steigende Bildungsanstrengungen im Biedermeier

Zeitgemäße Bildung für „Höhere Töchter“

Weibliche Bildung nützt dem Familienprojekt der „vorbildlichen Geselligkeit“

Gastgeber der Crème de la Crème des Bürgertums der Goethezeit

A

GNES

W

ILHELMINE

N

IEDERMEYER

– „Kanzlerin“ und hochgelobtes Ideal einer gebildeten Frau

Vatertochter und Bildungsprojekt des Magdeburger Hofrats

V

. K

ÖPKEN

Erziehung nach Rousseaus Hauptwerk „Emile“

Der gebildete und fromme Professor N

IEMEYER

als Verehrer der jungen W

ILHELMINE

W

ILHELMINE

und A

UGUST

H

ERMANN

– eine Ehe voll Tatkraft auf Augenhöhe

D

IE KURZE

E

HE DER

F

RIEDERIKE

T

ÄGERT

Gebildet in der „Kinderstube“ und auf der „Höheren Töchterschule“

Behagliches Wohnen im „Altdeutschen Stil“

Die Welt der Kinder wird entdeckt

Sehnsucht nach einer großen heilen Familie unterm Weihnachtsbaum

Eine unfassbare Tragödie

Eine junge Stiefmutter für Friederikes Kinder

S

ELBSTVERWIRKLICHUNG IN

P

ÄDAGOGIK UND

K

ÜNSTLERTUM

Als Lehrer in Berlin

Frauenbildung, „damit der Mann sich nicht langweilt“

Selbstverwirklichung nach dem Vorbild von C

LARA

S

CHUMANN

Dann also schon lieber Lehrerin!

Die ersten Lehrerinnen in der Familie – Vorkämpferinnen für die Frauenemanzipation

Ein unbeirrbarer Weg zur Bildung und zur Verwirklichung der pädagogischen Ziele

L

EBEN IM

„Z

WEITEN

R

EICH

Ein erfolgreicher Sohn erinnert sich an seinen Vater

W

ILHELM

L. G. T

ÄGERT

beschreibt seine Jugendjahre in Köslin

Als Schulleiter in Siegen

Zur See

„Erinnerungen“ eines Weltreisenden bei der kaiserlichen Marine

Ein pädagogisches Urgestein verlässt diese Erde

ANHANG

Zeugnis pro facultate docendi für J

OACHIM

C

HRISTOPH

W

ILHELM

T

ÄGERT

(Greifswald 1853)

Bemerkungen über die genauere Bestimmung der Schwankungen der Erdachse (1882)

Personalblatt des Schulamtes über J

OACHIM

C

HRISTOPH

W

ILHELM

T

ÄGERT

Vorfahren von W

ILHELM

T

ÄGERT

, F

RIEDERIKE

N

IEMEYER

und E

MMA

K

ARKUTSCH

Die D

ANNHEIMER

, S

CHACHENMAYER

, G

RABE

und T

AEGERT

Die ersten nachweisbaren Generationen der T

ÄGER

(

T

)

Nachkommen von P

AUL

und W

ILHELM

T

ÄGERT

Die heute existierenden Stämme der T

ÄGERT

/ T

AEGERT

Über den Verfasser

PROLOG:

JOACHIM CHRISTOPH WILHELM TÄGERT und die Berechnung der Erdachsenpräzession

An der folgenden Nachricht vom DEZEMBER 2012 und dem beigefügtem ausführlichen Internet-Bericht hätte Dr. JOACHIM CHRISTOPH WILHELM TÄGERT (1830–1903) sicher seine helle Freude gehabt:

Schwankungs-Rotation der Erdachse erstmals unmittelbar gemessen

[http://grenzwissenschaft-aktuell.blogspot.de/2011/12/rotation-der-erdachse-erstmals.html).

München/ Deutschland - Forschern der Technischen Universität München (TUM) ist es als ersten gelungen, mit Labormessungen die Schwankungen der Erdachse unmittelbar zu bestimmen. Bislang konnten auf die Wanderungen der Pol-Achse nur indirekt über die Richtung zu Fixpunkten im All geschlossen werden. Die Lage der Achse und die Drehgeschwindigkeit zu messen, ist Voraussetzung für die exakte Bestimmung einzelner Punkte auf der Erde, etwa für moderne Navigationssysteme.

„Die Erde schlingert“, erläutert die TUM-Pressemitteilung (mytum.de) und führt weiter aus: „Wie bei einem Brummkreisel, den man antippt, schwankt die Lage ihrer Rotationsachse im Raum, weil die Gravitation von Sonne und Mond auf sie wirkt. Gleichzeitig ändert sich auch die Position der Rotationsachse auf der Erde permanent: Zum einen verursachen Ozeanbewegungen, Wind und Luftdruck eine Bewegung der Pole, die rund 435 Tage dauert – ein nach seinem Entdecker 'Chandler Wobble' getauftes Phänomen. Zum anderen ändert sich die Position im Laufe eines Jahres, weil die Erde auf einer elliptischen Bahn um die Sonne rast - der 'Annual Wobble'. Die beiden Effekte ergeben eine unregelmäßige Wanderung der Erdachse auf einer kreisähnlichen Linie mit einem Radius von maximal sechs Metern.“

Diese Schwankungen zu erfassen, ist entscheidend für ein zuverlässiges Koordinatensystem und damit für den Betrieb von Navigationssystemen oder die Vorhersage von Bahnen in der Raumfahrt. „Einen Punkt für die GPS-Ortung zentimetergenau zu bestimmen, ist ein hochdynamischer Vorgang - schließlich bewegen wir uns in unseren Breiten pro Sekunde um circa 350 Meter nach Osten“, sagt Prof. Karl Ulrich Schreiber, der in der Forschungseinrichtung Satellitengeodäsie der TUM das Projekt geleitet hat. Die ersten Ergebnisse wurden nun im Fachmagazin „Physical Review Letters“ veröffentlicht und von der „American Physical Society“ als „Exceptional Research Spotlight“ eingestuft.

Bislang sind weltweit 30 Radioteleskope im Einsatz, um die Lage der Achse im Raum und die Drehgeschwindigkeit der Erde in einem vergleichsweise aufwendigen Prozess zu berechnen. Dabei messen acht bis zwölf von ihnen abwechselnd jeden Montag und Donnerstag die Richtung zu bestimmten Quasaren. Da Astrophysiker davon ausgehen, dass sich die Position dieser Galaxiekerne nicht verändert, werden diese als Fixpunkte für die Messungen genutzt.

Heute mit Lasern messbar: Schwankungen der Erdachse (Bild Copyright: Dna-webmaster, cc-by-sa 3.0 – dt. Text: grewi.de)

Gemeinsam mit Wissenschaftlern der University of Canterbury arbeiten die Münchner Forscher seit Mitte der 1990er Jahre an der Entwicklung einer neuen und weniger aufwendigen kontinuierlichen Bestimmung des Chandler und des Annual Wobble, um mit dieser dann auch mögliche systematische Fehler ausschließen zu können. „Schließlich wäre es ja möglich“ so Schreiber, „dass die angenommenen Fixpunkte gar keine sind.“

Auf dem Gelände des Wettzeller Observatoriums entsteht hierzu derzeit der weltweit genaueste und stabilste Ringlaser, wie er in einfacherer Form auch in Flugzeugen zur Navigation verwendet wird. Zwei Lichtstrahlen durchlaufen darin in entgegen gesetzten Richtungen eine quadratisch angeordnete Bahn mit Spiegeln in den Ecken, die in sich geschlossen ist. Dreht sich eine solche Apparatur, hat der Laserstrahl in der Drehrichtung einen längeren Weg als der gegenläufige. Die Strahlen passen daraufhin ihre Wellenlänge an und die optische Frequenz ändert sich.

Aus dieser Differenz können die Wissenschaftler dann auf die Drehgeschwindigkeit schließen. In Wettzell dreht sich dieser Ringlaser jedoch nicht selbst, sondern nur die Erde. Hierzu ist die Konstruktion in einem massiven Betonpfeiler verankert, der wiederum in rund sechs Metern Tiefe auf massiven Fels der Erdkruste gegründet ist. Damit ist sichergestellt, dass ausschließlich die Erdrotation auf die Laserstrahlen wirkt.

Wie stark die Erdrotation das Licht in einer solchen Apparatur beeinflusst, ist natürlich abhängig von deren Standort: „Stünden wir am Pol, wären die Drehachse der Erde und Drehachse des Lasers identisch und wir würden die Drehgeschwindigkeit eins zu eins sehen“, erklärt Schreiber. „Am Äquator dagegen würde der Lichtstrahl gar nicht merken, dass sich die Erde dreht.“ Aus diesem Grund müssen die Wissenschaftler die Position des Wettzeller Lasers auf dem 49. Breitengrad berücksichtigen.

Ändert sich nun die Achse der Erdrotation, ändert sich auch das, was die Forscher von der Drehgeschwindigkeit sehen, wodurch Veränderungen im Verhalten des Lichts die Schwankungen der Erdachse anzeigen.

„Das Prinzip ist einfach“, sagt Schreiber. „Die große Schwierigkeit bestand darin, den Laser so stabil zu halten, dass wir ein solch schwaches geophysisches Signal störungsfrei messen können - und das über Monate.“ Das heißt, die Wissenschaftler müssen Änderungen in den Frequenzen ausschließen, die nicht von der Drehbewegung der Erde, sondern von Umwelteinflüssen wie beispielsweise Luftdruck und Temperatur herrühren.

Nachdem alle notwendigen Vorgaben erfüllt waren, ist es den Forschern gelungen, die aus den Messungen der Radioteleskope stammenden Daten zur Ausprägung des Chandler Wobble und des Annual Wobble mit Hilfe des Ringlasers zu bestätigen. Das nächste Ziel der Forscher ist es nun, die Genauigkeit der Konstruktion so zu erhöhen, dass sie Veränderungen der Erdrotationsgeschwindigkeit eines einzelnen Tages erfassen kann und den Ringlaser so für einen dauerhaften Betrieb zu rüsten, damit die Apparatur auch über Jahre keine Abweichungen produziert.“

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA „Erdachse“:

Japan: Sendai-Beben hat Erdachse verschoben – 13. März 2011

Bestätigt: Chile-Erdbeben ließ Erdentage länger werden. 12. April 2010 – Chile-Erdbeben könnte die Erdachse verschoben haben.

Ist es wichtig, die Schwankungen der Erdachse zu erforschen?

Dass unsere Erde sich nicht stetig um ihre Drehachse dreht wie ein Kreiselkompass, der in Widerlagern fixiert ist, sondern dass sie „schlingert“ wie ein Brummkreisel, den man antippt, ist nicht erst seit den oben geschilderten Forschungen mit dem modernen Ringlaser bekannt, sondern war den Astronomen und Mathematikern auch schon früher geläufig. Sie erforschten dieses Phänomen durch Sternenbeobachtung und auf mathematischem Weg.

Wie uns WILHELM LUDWIG GOTTLIEB TÄGERT, der drittälteste Sohn von JOACHIM CHRISTOPH WILHELM TÄGERT, in seinen „Erinnerungen“ erzählt, habe sein universell gebildeter Vater in seinen Mußestunden viele Jahre hindurch an solchen großen mathematischen Problemen gearbeitet, „hauptsächlich an den täglichen Schwankungen der Erdachse und ihren Wechselbeziehungen zu Ebbe und Flut.“

Als Forscher ein Einzelkämpfer: JOACHIM CHRISTOPH WILHELM TÄGERT im Jahr 1867

JOACHIM CHR. WILH. TÄGERT hat auf diesem Gebiet damals gründlich und wissenschaftlich gearbeitet und seine Ergebnisse in Fachzeitschriften veröffentlicht hat. Er war aber beim Thema „Erdachse“ in seiner Zeit fast ein Einzelkämpfer. Resigniert habe er seinen Kindern eingestanden, so bemerkt sein Sohn WILHELM jr., „dass außer einem befreundeten Astronomen wohl niemand sein Werk gelesen“ habe.

Heute beschäftigen sich Heere von Wissenschaftlern in aller Welt, ausgestattet mit Unsummen Geld und hochmodernen Instrumenten, mit dem Phänomen dieser Schwankung. Das Faszinierende an den Genies der vergangenen Zeit ist darin zu sehen, dass viele, wie JOACHIM TÄGERT, ihre Wissenschaft gleichsam als Hobby ohne finanziellen Aufwand betrieben haben, gestützt nur auf ihre astronomische Anschauung und ihre mathematische Logik, dass aber dennoch ihre errechneten Ergebnisse nur marginal von den Resultaten abweichen, die die oben genannten modernen Wissenschaftler mit ihrem millionenschweren Laser-Equipment uns heute liefern!

Chemische Fabrik 19. Jh.: So wie hier in KÖLN-KALK rauchten die Schlote im 19. Jh. überall, auch in GREIFSWALD und SIEGEN

Ist die Erforschung der Schwankung der Erdachse denn überhaupt so wichtig, dass man sie heute so professionell betreibt? Ist es gerechtfertigt, dafür gewaltige Geldbeträge auszugeben?

Es ist keine Frage, dass die moderne GPS-Orientierung, von der heute jeder autofahrende oder wandernde Laie profitieren kann, von dem Thema der schwankenden Erdachse berührt ist. Auch beim Zukunftsprojekt selbstfahrender Autos kommt es natürlich bei der Feststellung der Fahrtstrecke auf jeden Zentimeter an. Noch mehr ist schon jetzt die gesamte professionelle Navigation in der See-, Luft- und Raumfahrt auf eine hypergenaue Navigation angewiesen. Doch hätten wir auch gedacht, dass über solche Fragen der zielgenauen Orientierung hinaus das Problem der schwankenden Erdachse auch den besorgniserregenden Klimawandel und das Überleben der Menschheit berührt, wie wir weiter unten noch sehen werden?

Es geht ja heute darum, alle Faktoren zu erkennen, die auf den unleugbaren Wandel des Klimas in der Gegenwart einwirken, um so für das menschliche Verhalten die notwendigen Konsequenzen abzuleiten – falls es dafür nicht schon zu spät ist.

Obwohl die Schlote in der Zeit unserer Urgroßeltern, dem ersten Höhepunkt der Industrialisierung und der Dampf-Eisenbahn, schon überall fürchterlich rauchten, wie die alten Radierungen zeigen, ahnte damals freilich noch niemand, dass die Folgen einmal so bedrohlich für die Erde und den sie umgebenden Atmosphäre-Schutzmantel werden würden.

Zwar weiß man bereits seit 1880 von der Wirkung des Ozons, das wie ein Schleier die Erde umgibt und die schädlichen UV-Strahlen absorbiert; und seit 1913 weiß man auch, wie sich das Ozon in der Atmosphäre bildet. Aber erst die Messungen der Satelliten ab den 70-er Jahren des 20. Jh. haben ans Licht gebracht, wie besorgniserregend dünn und empfindlich dieser Schutzschild ist. Auch die Auswirkung der Treibhausgase auf die Erderwärmung und den Klimawandel ist uns erst heute dank der Satelliten-Technik bewusst geworden. Wir erkennen, wie belastet und schlimm geschädigt die Erdatmosphäre bereits ist. Aber im Unterschied zu den Visionären des 19. Jh. wissen wir zwar heute von der Tragweite dieser Umweltverschmutzungen, aber dennoch zweifeln wir und sündigen weiter, auf Kosten unserer Kinder und Enkel.

Ganz anders so ein engagierten Mathematiker wie JOACHIM WILHELM TÄGERT: Er hatte ja in GREIFSWALD schon als Kind die gewaltigen Kräfte des Meeres und seine Gefahren kennengelernt. Für ihn waren seine Erkenntnisse über die Auswirkungen der Schwankungen der Erdachse auf Ebbe und Flut damals schon Katastrophen-Szenario genug, um sich als Naturkundiger voll herausgefordert zu fühlen. Er musste einfach aus innerer Überzeugung tätig werden, auch wenn wir erst jetzt, aus einem Abstand von mehr als 150 Jahren, die Tragweite dieser Wissenschaft erkennen.

Wie wichtig diesem leidenschaftlichen Wissenschaftler seine sorgfältigen Forschungen und Berechnungen waren, erzählt eine kleine, aber sehr bezeichnende Episode, welche uns die Ehefrau des Enkels KARL jr., „Tante Thula“, mitteilt. Sie hatte ihr Wissen wohl aus Berichten, die in der Familie umliefen:

Danach sei JOACHIM CHR. WILHELM TÄGERT auf der vornehmen Feier der Hochzeit, die sein jüngster Sohn WILHELM jr. im Jahr 1901 mit der der Tochter ELSE des Geheimen Regierungsrats, Baurats und Bankdirektors LENT in BERLIN feierte – diese Schwiegertochter war die im Familienkreis später so genannte „Tante Lenti“ –, plötzlich verschwunden gewesen. Man habe ihn überall gesucht und schließlich in einem Zimmer des Hochzeitshauses, vertieft in seine Berechnungen, wiedergefunden.

Zu dieser Zeit war J. CHR. WILHELM TÄGERT bereits über 71 Jahre alt, aber noch immer im aktiven Schuldienst tätig. Er war seit dem Jahr 1875 Rektor des Realgymnasiums in SIEGEN. Insgesamt brachte es dieser charismatische Pädagoge auf eine heutzutage gar nicht mehr erreichbare Dienstzeit von 50 Jahren! Und praktisch bis zuletzt forschte er an den von ihm erkannten Schwankungen der Erdachse!

Unter den 13 Schriften, die J. CHR. WILHELM TÄGERT seinerzeit in Programmen seines Siegener Realgymnasiums veröffentlicht hat, finden sich allein drei, in denen er auf seine Berechnung der Erdachse Bezug nimmt. Darin zeigt sich, dass ihn dieses Projekt bis in seine letzten Lebensjahre hinein durchgehend fasziniert und begleitet hat.

Manche seiner Erkenntnisse hat er auch für gebildete Laien darzustellen versucht. Anderes bleibt für die normal Gebildeten ohne fremde Hilfestellung kryptisch. So sind noch heute auch unter „Google-Books“ folgende Schriften von J. CHR. WILHELM TÄGERT weltweit nachweisbar:

„Über die Einwirkung der Ebbe und Flut auf die Präzision und Mutation, sowie auf die Drehungsgeschwindigkeit der Erde“. Siegen 1881. 22 S.

„Bemerkungen über die genauere Bestimmung der Schwankungen der Erdachse“. Siegen 1882. 5 S.

„Über Schwankungen der Drehungsachse der Erde im Inneren des Erdkörpers“. Siegen 1902. 30 S.

Die kürzeste dieser drei Schriften, die „Bemerkungen“ von 1882 mit ihren komplizierten mathematischen Berechnungen, sind, um eine Anschauung davon zu geben, im Anhang dieses vorliegenden Büchleins mit abgedruckt.

Was man über JOACHIM CHR. WILHELM TÄGERT heute erfahren kann

Das umfangreiche „Personenlexikon von Lehrern des 19. Jahrhunderts“, das FRANZ KÖSSLER einst verfasst und das die Universitätsbibliothek GIEßEN dankenswerterweise 2008 digitalisiert hat [URL: http://geb.uni-giessen.de/geb/ volltexte/ 2008/ 6502], enthält „Berufsbiografien aus Schul-Jahresberichten und Schulprogrammen der Jahre 1825 – 1918 mit Veröffentlichungsverzeichnissen“. Im Band zum Buchstaben „T, Tabulski – Tzschentke“, findet sich folgender Eintrag:

Schüler im pommerschen Gymnasium: Bürgerschule Greifswald nach dem Neubau 1799

„TAEGERT, WILHELM JOACHIM CHRISTOPH(1830–1903) wurde am 9. Dezember 1830 zu Greifswald als Sohn des dortigen Lehrers FRIEDRICH TÄGERT geboren. Er besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte auch daselbst Mathematik und Naturwissenschaften, nachdem er am 29. März 1849 die Reife zur Universität erhalten hatte. Die Prüfung „pro facultate docendi“ bestand er am 21. April 1853 mit großem Erfolge.

Gleich nach derselben trat er am Gymnasium zu Greifswald sein Probejahr an, dessen zweite Hälfte er als interimistischer Adjunkt am Pädagogium zu Putbus vollendete. Seine Anstellung als ordentlicher Lehrer fand er am Gymnasium zu Cöslin (Köslin), wo er von Ostern 1854 bis zum Oktober 1875 mit reichem Segen und unter vollster Anerkennung seiner vorgesetzten Behörde gewirkt hat. In der Zeit seiner Lehrtätigkeit in Cöslin wurde er am 17. April 1857 an der Universität Greifswald zum Dr. phil. promoviert.

In Greifswald promoviert: Universität und Dom St. Nicolai GREIFSWALD

Lehrer am Gymnasium Köslin: Heute in Polen

Am 12. September 1875 ernannte ihn Se. Majestät Kaiser Wilhelm I. zum Direktor der Realschule erster Ordnung in Siegen, und schon am 4. Oktober trat er sein Amt an. Über ein Vierteljahrhundert, volle 28 Jahre, hat er das schwere Amt der Leitung der Siegener Anstalt geführt und mit seltener Pflichttreue die immer schwerer werdenden Lasten seines Berufes auf sich genommen. Im Jahre 1903 konnte er noch sein 50-jähriges Dienstjubiläum erleben. Er starb am 25. November 1903 in Siegen.“

An Programm-Abhandlungen hat er veröffentlicht:

Schulleiter in SIEGEN seit 1875: Historische Stadtansicht von 1850 mit dem alten Gymnasium am Löhrtor

1) „De functionibus sin x, cos x, (Formel kann nicht vorlagegerecht wiedergegeben werden) in factors resolvendis“. Cöslin 1856. 14 S. (Programm Cöslin Gymnasium)

2) „Beweis der von Jacobi gegebenen die Zerlegung elliptischer Funktionen in unendliche Produkte betreffenden Formeln“. – Nachtrag: „Berechnung einiger hyperbolischer Logarithmen bis auf 100 Dezimalstellen“. Cöslin 1860. 10 S. (Programm Cöslin Gymnasium)

3) „Abriss der Verhältnislehre“. Cöslin 1862. 16 S. (Programm Cöslin Gymnasium)

4) „Über die Laplacische Relation zwischen dem Potentiale und der Attraktion eines nahen kugelförmigen homogenen Sphäroids“. Cöslin 1871. 14 S. (Programm Cöslin Gymnasium)

5) „Einführungsrede des Direktors“. Siegen 1876. S. 1–7. (Programm Siegen Realschule)

6) „Zum Gedächtnis des verstorbenen Direktors Dr. Schnabel“. Siegen 1876. S. 8–9. (Programm Siegen Realschule)

7) „Mathematische Collectaneen“. Siegen 1876. S. 10–16. (Programm Siegen Realschule)

8) „Rede zur Feier des achtzigsten Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers.“ Siegen 1878. S. 1–7. (Programm Siegen Realschule.)

9) „Rede zur Feier des dreiundachtzigsten Geburtstages Sr. Majestät des Kaisers“. Siegen 1880. S. 3–11. (Programm Siegen Realschule)

10) „Über die Einwirkung der Ebbe und Flut auf die Präzision und Mutation, sowie auf die Drehungsgeschwindigkeit der Erde“. Siegen 1881. 22 S. (Programm Siegen Realschule)

11) „Bemerkungen über die genauere Bestimmung der Schwankungen der Erdachse.“ Siegen 1882. 5 S. (Programm Siegen Realschule)

12) „Festrede zum fünfzigjährigen Jubiläum der Anstalt“. Siegen 1887. S. 32–41. (Programm Siegen Realgymnasium)

13) „Über Schwankungen der Drehungsachse der Erde im Inneren des Erdkörpers“. Siegen 1902. 30 S.

– Aus: Programm Siegen Realgymnasium 1904.

Einschätzungen der Arbeiten von Dr. J. CHR. WILHELM TÄGERT aus heutiger wissenschaftlicher Sicht

J. CHR. WILHELMS Ururenkel LUKAS TAEGERT, der zunächst als Assistent an der Universität BAYREUTH in die mathematischen Fußtapfen seines Vorfahren getreten war und jetzt in der freien Wirtschaft arbeitet, gab zu den Titeln der einzelnen Schriften folgende Einschätzung:

1)„De functionibus…“(1856): Die fehlende Formel im Titel kann ich nicht ergänzen, aber laut Internet müsste es wohl heißen „… in factores resolvendis“. Dies scheint mir eine Arbeit aus der heutigen Funktionentheorie zu sein, das ist das Gebiet der Mathematik, das sich mit den Eigenschaften „klassischer Funktionen“ beschäftigt. Dies sind Funktionen, die sich in sogenannte Potenzreihen entwickeln lassen, wozu sin x und cos x gehören.

2)„Beweis der von Jacobi gegebenen die Zerlegung elliptischer Funktionen…“(1860): Würde das oben Gesagte bestätigen, da elliptische Funktionen ebenfalls ein Thema aus der Funktionentheorie sind, genauso wie Logarithmen. Insbesondere würde ich diese Themen als relativ anspruchsvoll einstufen, typische (gute) Mathematikstudenten haben heutzutage erst zum Ende des vierten Semesters das nötige Wissen, um diese Themen einigermaßen zu verstehen.

3)„Abriß der Verhältnislehre“(1862) Dazu fehlen mir Informationen, „Verhältnislehre“ ist heutzutage kein geläufiger Begriff in der Mathematik.

4)„Über die Laplacische Relation“(1871): Geht dann über in die mathematische Physik und hat mit (1) und (2) kaum mehr etwas zu tun. Die Formulierung legt nahe, dass es eine mathematische und keine physikalische Betrachtung ist.

Kann die Arbeiten seines Ur-Urgroßvaters deuten: LUKAS TAEGERT

10)„Über die Einwirkung der Ebbe und Flut…“

11)„Bemerkungen über die… Schwankungen der Erdachse“(1882)

13)„Über Schwankungen der Drehungsachse der Erde“(1902).

— In (10), (11) und (13) geht es dann um Fragen, die man heutzutage in der Physik der Mechanik zuordnen würde, heute würde man „Präzession“ schreiben. Diese Sachverhalte waren damals schon bekannt, aber sicherlich noch vergleichsweise neu und nur von wenigen erforscht. Mit dem Hintergrund der anderen Bücher wahrscheinlich auch der mathematischen Physik zuzuordnen. Insbesondere geht es hier um die Dynamik rotierender Körper.

Auf meine weitere Bitte um eine Zusammenfassung „für Laien“ hat LUKAS den Inhalt dieser Schriften dann nochmals kurz wie folgt beschrieben:

„Wilhelm Tägert veröffentlichte mehrere Werke zum mathematischen Gebiet der klassischen Funktionentheorie, bevor er sich später der mathematischen Physik zuwandte und sich insbesondere mit der mathematischen Beschreibung einiger Konsequenzen der Erdrotation beschäftigte.“

Es geht um Fragen der Zukunft unserer Erde

Und was bedeuten die Arbeiten von WILHELM TÄGERT? Es geht um nicht weniger als um Zukunftsfragen unserer Erde.

Das Phänomen der schwankenden Erdachse, das dieser geniale Forscher und Lehrer JOACHIM CHRISTOPH WILHELM TÄGERT schon damals wahrgenommen und bearbeitet hat, wird die zentrale Diskussion der Menschheit heute und in den nächsten Jahrzehnten mit bestimmen. Den eskalierenden Klimawandel wird man als das Überlebensproblem der zukünftigen Generationen bezeichnen müssen. Neben den vom Menschen verursachten Problemen sind auch die natürlichen Ursachen mit zu bedenken.

Dies spiegeln auch andere aktuellen Berichte im Internet, wie dieser folgende [http://www.deutsches-klimakonsortium.de/de/klimawissen/haeufig-gestelltefragen.html?expand=1299&cHash=43d96953139e984cd4fa7fd7aa3112a8]:

Schwankungen der Erdachse, heute betrachtet

Was verursachte die Eiszeiten und andere wichtige Klimaänderungen vor dem Industriezeitalter?

Auch lange bevor menschliche Aktivitäten eine Rolle gespielt haben, hat sich das Erdklima auf allen Zeitskalen verändert. Große Fortschritte sind beim Verständnis der Ursachen und Mechanismen dieser Klimaänderungen gemacht worden. In der Vergangenheit waren Veränderungen in der Strahlungsbilanz der Erde der Hauptantrieb für Veränderungen des Klimas, aber die Ursachen dieser Veränderungen waren unterschiedlich. Für jeden Fall getrennt – seien es die Eiszeiten, das warme Klima zur Zeit der Dinosaurier oder die Klimaschwankungen im letzten Jahrtausend – müssen die Ursachen jeweils spezifisch bestimmt werden. In vielen Fällen können diese gut identifiziert werden. Weiterhin können viele Klimaveränderungen der Vergangenheit mit quantitativen Modellen wiedergegeben werden.

Das Klima unserer Erde wird durch die Strahlungsbilanz bestimmt. Es gibt drei grundlegende Arten, wie sich die Strahlungsbilanz der Erde verändern und dabei einen Klimawandel verursachen kann:

(1) Änderung der ankommenden Sonneneinstrahlung (z.B. durch Änderungen in der Erdumlaufbahn oder der Sonne selbst),

(2) Änderungen der reflektierten Solarstrahlung (dieser Anteil wird Albedo genannt und wird beeinflusst z.B. durch Änderungen der Wolkenbedeckung, der Aerosole in der Atmosphäre sowie von der Helligkeit und der Beschaffenheit der Erdoberfläche)

(3) Änderungen der in den Weltraum abgegebenen Wärmestrahlung (z.B. durch Änderung der Treibhausgaskonzentrationen). Darüber hinaus hängt z.B. das örtliche Klima auch davon ab, wie die Wärme durch Winde und Ozeanströmungen verteilt wird.

All diese Faktoren haben bei den Klimaschwankungen in der Vergangenheit eine Rolle gespielt.

Für die Eiszeiten, die in den letzten ca. 3 Millionen Jahren in regelmäßigen Zyklen auftraten und verschwanden, sind regelmäßige Schwankungen der Erdbahn um die Sonne, die sogenannten Milankovitch-Zyklen verantwortlich (Abb. 1). Diese Zyklen bewirken eine veränderte Sonneneinstrahlung, die auf jedem Breitengrad während jeder Jahreszeit ankommt (beeinflussen aber kaum den weltweiten jährlichen Durchschnitt). Sie können mit astronomischer Genauigkeit berechnet werden. Es gibt jedoch immer noch Diskussionen darüber, wie genau diese Zyklen den Start und das Ende der Eiszeiten bedingen. Die Ergebnisse vieler Studien deuten darauf hin, dass entscheidend ist, wie viel Sonnenstrahlung die Kontinente der Nordhalbkugel im Sommer erhalten: Fällt die Einstrahlung unter einen kritischen Wert, schmilzt der Schnee des letzten Winters nicht mehr ab, im nächsten Winter fällt darauf neuer Schnee, und allmählich entsteht so ein Eisschild. Klimamodellsimulationen bestätigen, dass eine Eiszeit tatsächlich auf diese Weise beginnen kann. Einfache Konzeptmodelle wurden dazu benutzt, um den Beginn früherer Vergletscherungen anhand von Änderungen der Erdumlaufbahn erfolgreich zu rekonstruieren. Die nächste große Verringerung der Sonnenstrahlung auf die Kontinente der Nordhalbkugel im Sommer, ähnlich der, die die letzten Eiszeiten hervorrief, wird in ca. 30.000 Jahren erwartet.

Vorhersehbare Eiszeit: Schematische Darstellung der die Eiszeitzyklen antreibenden Änderungen der Erdumlaufbahn (Milankovitch-Zyklen). ‘T’ kennzeichnet die Variation in der Neigung der Erdachse gegen die Erdbahnebene (Obliquität), ‘E’ kennzeichnet die Abweichung der elliptischen Erdbahn von der Kreisbahn (Exzentrizität), und ‘P’ kennzeichnet die Präzession, eine Art Pendelbewegung der Achse der Erde. (Quelle: IPCC 2007, FAQ 6.1, Fig. 1, S. 49).

Das in der Atmosphäre vorkommende CO2 spielt, auch wenn es nicht die Hauptursache ist, ebenfalls eine wichtige Rolle für die Eiszeiten. Daten aus antarktischen Eisbohrkernen zeigen, dass die CO2-Konzentration in den Eiszeiten gering (~190 ppm) und in Warmzeiten hoch (~280 ppm) ist. Atmosphärische CO2-Konzentrationen folgen den Temperaturänderungen in der Antarktis mit einer Zeitverschiebung von einigen hundert Jahren. Da die Klimaveränderungen am Anfang und Ende von Eiszeiten mehrere tausend Jahre brauchen, werden die meisten dieser Änderungen durch eine positive CO2-Rückkopplung beeinflusst, d.h. eine kleine anfängliche Abkühlung aufgrund der Milankovitch-Zyklen wird anschließend verstärkt, wenn die CO2-Konzentration sinkt. Modellsimulationen des Klimas während der Eiszeiten erzeugen nur realistische Ergebnisse, wenn die Rolle des CO2 berücksichtigt wird.

Im Verlauf der letzten Eiszeit fanden über zwanzigmal plötzliche, drastische Klimawechsel statt, die besonders markant in Klimaarchiven