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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Loisl!«, rief Pfarrer Trenker. »Hiergeblieben!« Der alte Schlawiner, der, als er den Pfarrer gesehen hatte, eilig um die Ecke eines Gebäudes huschen und so dem Geistlichen aus dem Weg gehen wollte, hielt an, als hätte sich vor ihm eine unsichtbare Wand aufgebaut. Er blinzelte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, das Unbehagen über diese Begegnung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Eigentlich hab' ich's sehr eilig, Hochwürden«, rief er und vermied es, den Pfarrer anzusehen. Sebastian, der auf dem Weg zum Rathaus war, weil es mit Bürgermeister Bruckner etwas zu klären gab, erwiderte: »Erstens läuft dir nix davon, Loisl, denn die Kräuter, die du sammelst, findest du immer und überall. Zweitens hab' ich ein ernstes Wort mit dir zu sprechen, was – drittens – net allzu viel von deiner – hm, so kostbaren Zeit in Anspruch nehmen wird.« »Ein ernstes Wort, Hochwürden«, wiederholte der selbst ernannte Naturheilkundige, der vor vielen Jahren schon sein reiches Erbe verwirtschaftet hatte und in einer windschiefen Hütte in einem verwilderten Garten am Ortsrand von St. Johann sein Dasein fristete. »Hab ich vielleicht was angestellt, von dem ich gar nix weiß? Mein Gewissen ist rein wie das eines Neugeborenen. Oder hat sich der …«, Loisl Stimme nahm einen ätzenden Klang an, » … Doktor Wiesinger beschwert, weil möglicherweise einige seiner Patienten die Absicht haben, zu mir überzulaufen?« »Davon weiß ich nix«, entgegnete Sebastian, »und das kann ich mir auch kaum vorstellen. Mir ist allerdings deine Einstellung zur Schulmedizin hinreichend bekannt, Loisl. Ich weiß aber auch, was der Doktor Wiesinger und die Ärzte in der Bergklinik von deiner Heilkunst halten.
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Seitenzahl: 133
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»Loisl!«, rief Pfarrer Trenker. »Hiergeblieben!«
Der alte Schlawiner, der, als er den Pfarrer gesehen hatte, eilig um die Ecke eines Gebäudes huschen und so dem Geistlichen aus dem Weg gehen wollte, hielt an, als hätte sich vor ihm eine unsichtbare Wand aufgebaut. Er blinzelte, trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, das Unbehagen über diese Begegnung stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Eigentlich hab‘ ich’s sehr eilig, Hochwürden«, rief er und vermied es, den Pfarrer anzusehen.
Sebastian, der auf dem Weg zum Rathaus war, weil es mit Bürgermeister Bruckner etwas zu klären gab, erwiderte: »Erstens läuft dir nix davon, Loisl, denn die Kräuter, die du sammelst, findest du immer und überall. Zweitens hab‘ ich ein ernstes Wort mit dir zu sprechen, was – drittens – net allzu viel von deiner – hm, so kostbaren Zeit in Anspruch nehmen wird.«
»Ein ernstes Wort, Hochwürden«, wiederholte der selbst ernannte Naturheilkundige, der vor vielen Jahren schon sein reiches Erbe verwirtschaftet hatte und in einer windschiefen Hütte in einem verwilderten Garten am Ortsrand von St. Johann sein Dasein fristete. »Hab ich vielleicht was angestellt, von dem ich gar nix weiß? Mein Gewissen ist rein wie das eines Neugeborenen. Oder hat sich der …«, Loisl Stimme nahm einen ätzenden Klang an, » … Doktor Wiesinger beschwert, weil möglicherweise einige seiner Patienten die Absicht haben, zu mir überzulaufen?«
»Davon weiß ich nix«, entgegnete Sebastian, »und das kann ich mir auch kaum vorstellen. Mir ist allerdings deine Einstellung zur Schulmedizin hinreichend bekannt, Loisl. Ich weiß aber auch, was der Doktor Wiesinger und die Ärzte in der Bergklinik von deiner Heilkunst halten. Doch darüber will ich mit dir net diskutieren. Du hast dich in den Wachnertaler Hof eingeschlichen und wolltest dem Herrn Aumann für teures Geld einige deiner – hm, Naturmedizinen andrehen.«
»Hat sich die Hex‘ aus Frankfurt etwa bei Ihnen beschwert, Hochwürden? Wundern tät’s mich net. Undank ist der Welten Lohn. Das bewahrheitet sich wieder einmal. Ich rett‘ einem ihrer Gäste das Leben, und sie verpfeift mich zum Dank bei Ihnen. Dabei wollt‘ ich doch nur das Beste für den Herrn Aumann. Sie wissen ja selber, Hochwürden, dass ich meine Produkte nach den Geheimnissen des sechsten und siebten Buch Mose …«
Der Loisl verstummte, als der Bergpfarrer fast ungeduldig abwinkte. »Die Hex‘ aus Frankfurt hat einen Namen, Loisl«, sagte Sebastian.
»Ja, ja, ist schon gut, Hochwürden.« Der Blick des alten Schlitzohrs huschte mal hierhin und mal dorthin, als suchte er einen Fluchtweg. »Ich werd‘ die Frau Frischholz nimmer als Hexe titulieren. War ja auch gar net so gemeint. – Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, bei der Tatsache, dass ich meine Medizin nach dem sechsten und siebten Buch Mose …« Wieder unterbrach der Pfarrer den Loisl, indem er sagte: »Spar dir deinen Vortrag, Loisl. Ich weiß, was es mit deinen Produkten auf sich hat. Hast du mir net irgendwann mal versprochen, dass du aufhörst zu versuchen, die Leut‘ mit dem wertlosen Zeug übers Ohr zu hauen? Es geht doch net, dass du dich einfach auf fremden Besitz schleichst und dort deine Tees und Salben feilbietest. Irgendwann kriegst du mal ein ernsthaftes Problem. Außerdem ists net in Ordnung, wenn du dich für deine Hilfe, die für jeden Menschen selbstverständlich sein sollt‘, bezahlen lässt.«
»Ich muss doch auch schauen, wo ich bleib‘, Hochwürden«, lamentierte der Alte. »Das bissel Sozialhilfe, dass mir die Gemeinde zahlt, reicht doch kaum zum Leben. Wie heißt’s so treffend: Zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig.« Loisls Stimme hob sich ein wenig. »Außerdem sind meine Medikamente kein wertloses Zeug, Hochwürden. Die Heilkräuter, die ich verwend‘, haben den Menschen schon im Mittelalter geholfen. Was sag‘ ich? Man hat sie schon in vorbiblischer Zeit zu Medizin verarbeitet und die Kranken damit geheilt.«
»Mag sein, Loisl. Ich will mich mit dir auch gar net über deine Produkte auseinandersetzen. Ich will dich bloß drauf hinweisen, dass es net in Ordnung ist, wenn du die Leut‘ belästigst und dich dafür, dass du einem Menschen geholfen hast, entlohnen lässt. Da hört sich der Spaß auf, Loisl. Du besitzt ja net mal die Legitimation, mit Naturheilmitteln zu handeln. Bisher haben die Gemeinde und mein Bruder ein Auge zugedrückt, wenn du dein Zeug feilgeboten hast. Irgendwann aber kommst du möglicherweise an den Unrechten, der Anzeige gegen dich erstattet. Dann müssten das Ordnungsamt oder vielleicht sogar mein Bruder tätig werden, und man wird dir deine Geschäfte untersagen.«
»Sie machen mir Angst, Hochwürden«, erklärte der Loisl. »Ich tu‘ doch nix Unrechtes, wenn ich dem einen oder anderen helf‘. Krank ist jedenfalls noch keiner geworden von meinen Heilmitteln.«
»Darum gehts gar net. Es gut um die Legitimation, Loisl. Die Lena Brock, die auf dem ehemaligen Schirmerhof als Heilpraktikerin und Homöopathin tätig ist, hat die Berechtigung, Naturheilmittel anzuwenden. Du hast diese Berechtigung net, Loisl.«
»Die Kräuterhex‘ auf dem Schirmerhof kann mir doch net mal das Wasser reichen, Hochwürden. Das sechste und siebte Buch Mose …«
Erneut schnitt Sebastian dem alten Kauz das Wort ab. »Hör auf, Loisl. Mich kannst du mit der Behauptung, dass du dein Wissen aus dem sechsten und siebten Buch Mose beziehst, net beeindrucken. Außerdem bin ich mir net mal sicher, ob du die Bücher überhaupt besitzt. Gezeigt hast du sie noch niemandem. Ich will, Loisl, dass du künftig einen großen Bogen um den Wachnertaler Hof machst. Niemand dort legt Wert auf deine Naturheilmittel. Hast du mich verstanden, Loisl?«
»Ja, ja, ist schon recht, Hochwürden. Mit mir kann man das ja machen. Net mal Sie haben ein Einsehen mit mir. Ich helf‘ den Menschen, wo’s geht, und bezieh‘ dafür nix als Prügel. Die Welt ist so ungerecht. Ich zieh‘ daraus meine Lehre, Hochwürden. Sollen s‘ sich im Wachnertaler Hof von der Chemie vergiften lassen, die ihnen unsere Schulmediziner, sei’s der Wiesinger-Toni oder ein Arzt von der Bergklinik, verordnen.«
»Dann sind wir uns ja einig«, sagte Sebastian und lächelte nachsichtig. »Es war im Übrigen net die Frau Frischholz, die sich bei mir beschwert hat. Mir hats der Roland Wiedermann ganz beiläufig erzählt. Ein bissel geärgert hats mich allerdings, weil du dich net an unsere Abmachung gehalten hast.«
»Haben wir denn eine solche, Hochwürden?«
»Das weißt du altes Schlitzohr ganz genau. Ich weiß nimmer, wie oft du mir schon versichert hast, dass du aufhörst – ich nenn‘ das Kind jetzt beim Namen, Loisl –, die Leut‘ bescheißen zu wollen. Leider krieg‘ ich immer wieder zu Ohren, dass du wortbrüchig geworden bist.«
»Wortbrüchig ist vielleicht net das richtige Wort, Hochwürden. Hin und wieder hab‘ ich einfach das Bedürfnis, einzugreifen, wenn ich merk‘, dass jemand ganz dringend meine Hilfe benötigt. Wahrscheinlich hat kein Mensch in St. Johann eine Ahnung, wie viele Geplagte ich schon von ihren Wehwehchen befreit hab‘. Dort, wo die Schulmedizin versagt …«
»Noch keinen, Loisl«, unterbrach Sebastian den alten Sonderling, von dem er wusste, dass er ein harmloser Zeitgenosse war, ein viertes Mal. »Deine Medizin hat noch keinem geholfen. Und wenn, dann war das Einbildung, ein Placeboeffekt.«
»Jetzt haben S‘ mich getroffen, Hochwürden. Der Tag ist verdorben. Die Lust, in den Wald zu gehen und heilsame Kräuter zu sammeln, haben S‘ mir für heut‘ genommen.« Er verschwieg, dass er dank Gerhard Aumanns Zuwendung vor einigen Tagen, als Dank für dessen Rettung, nicht ganz so knapp wie sonst bei Kasse war ...
»Dann geh‘ heim, Loisl, wein‘ dich aus und denk‘ mal in bissel über dich nach. Vielleicht erkennst du irgendwann einmal, dass du ein Bazi bist. Selbsterkenntnis ist nämlich der erste Schritt zur Besserung. Einen schönen Tag noch, Loisl. Nimm dir zu Herzen, was ich dir gesagt hab‘.«
»Ihnen auch einen schönen Tag, Hochwürden«, brabbelte der Loisl, machte kehrt und beeilte sich, wegzukommen.
Lächelnd schaute ihm Sebastian hinterher. Von Zeit zu Zeit brauchte der Loisl eine Standpauke, um auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden.
Sebastian setzte schließlich seinen Weg fort.
*
Der Bergpfarrer klopfte an die Tür des bürgermeisterlichen Sekretariats und klinkte sie auf, ohne die Aufforderung zum Eintreten abzuwarten. Lisbeth Angermeier, die sechsundvierzigjährige Vorzimmerdame des Bürgermeisters, löste den Blick vom Bildschirm ihres Computers und sah dem Besucher entgegen. »Einen wunderschönen guten Morgen«, grüßte Sebastian.
Lisbeth erwiderte den Gruß und fügte sogleich hinzu: »Sie möchten gewiss zum Chef, Herr Pfarrer. Wie immer natürlich ohne vorherige Terminabsprache.«
»Der Markus hat sich bisher immer Zeit für mich genommen«, versetzte Sebastian und lächelte die Sekretärin entwaffnend an. »Ich denk‘, dass er auch heut‘ ein paar Minuten seiner überaus wertvollen und so karg bemessenen Zeit für mich opfern wird.«
»Das haben S‘ jetzt aber net ironisch gemeint, Hochwürden?«, fragte Lisbeth, die das unschuldige Lächeln Sebastians schon wieder versöhnt hatte.
»Ironie oder Zynismus stünd‘ mir net gut zu Gesicht, Lisbeth«, antwortete Sebastian. »Und es käm‘ mir auch gar net in den Sinn, ironisch zu sein, weiß ich doch, wie arg der Markus Tag für Tag eingespannt ist.«
Lisbeths Blick verriet Argwohn. »Das hat sich schon wieder recht spöttisch angehört, Herr Pfarrer«, verlieh sie dem Misstrauen, das in ihr flackerte, Ausdruck. Sie kannte das Verhältnis zwischen dem Bürgermeister und dem Pfarrer. Beider Wünsche, Gefühle und Gedanken waren oftmals sehr widersprüchlicher Art, ohne dass sich die beiden jedoch echt angefeindet oder Abneidung gegeneinander empfunden hätten.
Lisbeth erhob sich. »Er wird wieder schimpfen, weil S‘ sich keinen Termin haben geben lassen, Hochwürden«, murmelte sie. »Natürlich regt er sich net auf, solang Sie da sind. Aber sobald Sie die Tür von außen zugemacht haben, muss ich mir sein Gesudere anhören. ‚Warum haben S‘ ihn net abgewimmelt, Lisbeth?‘ – ‚Weisen S‘ ihn doch endlich mal mit Nachdruck drauf hin, dass ohne Terminabsprache nix geht bei mir!‘ – ‚Erzählen S‘ ihm doch bitte das nächste Mal, ich würd‘ ein wichtiges Gespräch führen, geben S‘ ihm einen Termin und bitten S‘ ihn, zu diesem zu erscheinen.‘«
»Das nimmst du aber doch net ernst, Lisbeth, oder etwa doch?«, fragte Sebastian. »Wir alle kennen doch den Markus. Er schießt gern mit Kanonen auf Spatzen. Im Grund seines Herzens aber ist er ein recht umgänglicher und verträglicher Zeitgenosse.«
»Es nervt«, antwortete die Sekretärin. »Denn ich sitz‘ gewissermaßen zwischen den Stühlen. Wem soll ich’s recht machen? Wem kann ich’s recht machen. Sie lassen sich net abwimmeln, und der Bürgermeister getraut sich erst zu motzen, wenn Sie wieder draußen sind. Ich bin dann eine Art Prügelknabe.«
»Ich werd‘ den Markus bitten, es mir ins Gesicht zu sagen, wenn er mit meinen nicht angekündigten Vorsprachen ein Problem hat. Er wird Sie künftig nimmer nerven, Lisbeth.«
»Um Gottes willen tun S‘ das net!« Lisbeth schaute den Pfarrer geradezu entsetzt an. »Damit würden S‘ dem Chef ja unter die Nase reiben, dass ich mich wegen seiner Schimpferei Ihnen gegenüber ausgelassen hab‘. Dann könnt‘ ich mir erst recht was anhören.«
»Also belassen wir’s dabei«, versetzte Sebastian lächelnd. »Und jetzt meld‘ mich bitte beim Markus an, Lisbeth. Sag‘ ihm, ich brauch‘ nur eine Zusage von ihm. Ich werd‘ also seine wertvolle Zeit net über Gebühr in Anspruch nehmen.«
Jetzt lächelte auch die Sekretärin: »Wie schaffen Sie’s bloß immer wieder, mich um den Finger zu wickeln, Hochwürden. Jeder andere hätt‘ keine Chance, ohne Terminabsprache zum Bürgermeister vorgelassen zu werden.«
Sie war schon auf dem Weg zur Verbindungstür, die ins Amtszimmer des Gemeindeoberhaupts führte, klopfte an und öffnete sie einen Spalt. »Der Herr Pfarrer Trenker wünscht Sie zu sprechen, Chef«, sagte sie. »Natürlich, herein mit ihm«, rief der Bürgermeister von drinnen. »Es kann ja nix Weltbewegendes sein, das ihn zu mir führt. In Planung ist nämlich nix, das seinen Widerspruch herausfordern würd‘.«
Lisbeth trat zur Seite, vollführte eine einladende Handbewegung und sagte: »Bitte, Herr Pfarrer, treten S‘ ein.«
»Vergelt’s Gott, Lisbeth.« Sebastian ging an der Sekretärin vorbei in die Amtsstube Bruckners. »Habe die Ehre, Markus«, grüßte er. »Sehr freundlich von dir, dass du mir ein paar Minuten Aufmerksamkeit schenkst.«
Der Gemeindevorsteher lehnte sich auf seinem Stuhl zurück, verschränkte die Hände über dem recht fülligen Leib, schaute zu Sebastian hin und sagte: »Dann rentiert es sich wohl gar net, dass ich Ihnen einen Sitzplatz anbiet‘, Hochwürden.«
»Nein, das muss wirklich net sein. Man sitzt eh viel zu viel am Schreibtisch. Du wirst allerdings bald nimmer dahinter passen, wenn dein Bauch noch ein bissel dicker wird.« Sebastian grinste nach diesen Worten.
»Um mir zu sagen, dass Sie meinen Bauch für zu dick empfinden, Hochwürden, sind S‘ doch ganz sicher net gekommen. Außerdem hat mich dieser Bauch sehr, sehr viel Geld gekostet. Kennen S‘ den Spruch, Hochwürden: Ein Mann ohne Bauch ist wie ein Schiff ohne Mast.«
»Denk‘ dir nix, Markus, es war eine rein rhetorische Bemerkung. – Ich such‘ dich auf, weil ich der Meinung bin, dass das Pflaster auf dem Pfarrplatz teilweise recht schadhaft ist und ausgebessert werden müsst‘. Das sollt‘ die Gemeinde vor dem Winter noch erledigen, denn sonst sprengt der Frost noch mehr auf. Die Frage ist nun, ob die Gemeinde das in eigener Regie erledigt, oder ob ich einen Pflasterer beauftragen kann. Die Rechnung würd‘ natürlich an die Gemeinde gehen.«
»So schlimm schaut der Pfarrplatz doch gar net aus«, erwiderte Bruckner. »Ich geh‘ jeden Sonntag in die Kirch‘, Hochwürden, was ich Ihnen ja net extra sagen muss. Dabei überquer‘ ich den Pfarrplatz, und ich bin noch kein einziges Mal gestolpert. Mir ist auch net bekannt, dass sonst jemand gestolpert wär‘«.
»Bis jetzt net, Markus. Aber es ist net auszuschließen, dass jemand stolpert und sich verletzt. Das kommt der Gemeinde teurer als die paar Pflastersteine, die ersetzt werden müssen.«
»Es geht net um die Pflastersteine, Hochwürden. Sie wissen ja wahrscheinlich, was für horrende Stundenlöhne die Handwerker verlangen. Die Arbeiten müssten öffentlich ausgeschrieben und Angebote eingeholt werden, dann müsst die ganze Angelegenheit in den Ausschuss. Den Aufwand sind doch die paar Pflastersteine gar net wert, Hochwürden. Also warten wir, bis es sich rentiert, dass man ein derartiges Prozedere veranlasst.«
»Ich hör‘ wohl net recht, Markus«, stieß Sebastian hervor. »Du willst erst was unternehmen, wenn das Pflaster auf dem Kirchplatz derart schadhaft ist, dass man befürchten muss, sich die Haxen zu brechen, wenn man in die Kirche will? Das kann doch net dein Ernst sein.«
»Wenn ich den Pfarrplatz herrichten lass‘, Hochwürden, dann kommen Krethi und Plethi daher und fordern, dass beispielsweise der Gehsteig vor ihren Häusern und Geschäften, wo es ja auch schadhafte Stellen gibt, instand gesetzt wird. Das würd‘ ausarten und wär‘ ein Fass ohne Boden. Auf die Gemeinde käm‘ eine Kostenlawine zu. Das Problem ist, dass die Mittel, die der Gemeinde zur Verfügung stehen, recht knapp bemessen sind. Ich hätt‘ eine Idee, Hochwürden. Veranstalten S‘ doch einfach eine Kollekte für die Sanierung des schadhaften Pflasters auf dem Pfarrplatz und bezahlen S‘ mit dem Geld einen Pflasterer.«
»Das ist net dein Ernst, Markus, oder etwa doch?«
»Es würd‘ niemand wehtun, Hochwürden. Sie müssten Ihren Schäflein halt einfach nur verklickern, dass sie ein gutes Werk tun, wenn sie spenden, und dass sie das der ewigen Seligkeit wieder ein Stück näherbringt.«
»Du machst es dir vielleicht einfach, Markus«, erklärte der Pfarrer. »Es ist Sache der Gemeinde, den Platz in einem Zustand zu halten, der jedwede Gefahr für diejenigen, die ihn betreten, ausschließt. Wenn du das net so eng siehst, dann werd‘ ich persönlich an den Gemeinderat herantreten und die Sanierung des schadhaften Belages beantragen. Dann wirst auch du net drum herumkommen, einem Pflastereibetrieb einen entsprechenden Auftrag zu erteilen. Ich denk‘ aber, es wär‘ besser für den Ruf der Gemeinde, wenn sie von sich aus tätig werden würd‘.«
Bruckner seufzte. »Jetzt hab‘ ich mich so sehr zurückgehalten, Hochwürden, und nix angeleiert, das Ihren Widerstand herausgefordert hätt‘. Und nun kommen S‘ mir mit so was. Sie sind eine Nervensäg‘, die mir das Leben schwer macht. Aber das, glaub‘ ich, hab‘ ich Ihnen schon öfter als einmal gesagt.«
»Ich verlang‘ nix Unmögliches von dir, Markus«, wehrte sich Sebastian. »Dass die Gemeinde kein Geld hat, das glaub‘ ich dir net, und wenn du’s mir vorbetest. Das Problem ist, dass du kein Geld ausgeben willst. Na schön. Ich geb‘ dir zwei Wochen Zeit. Wenn dann auf dem Pfarrplatz nix geschieht, flattert mein schriftlicher Antrag auf deinen Schreibtisch. Und dann bist du gefordert.«
»Sie nötigen mich ja schon wieder, Hochwürden«, beschwerte sich Bruckner mit weinerlicher Stimme. »Soll ich Ihnen was sagen?«