Die Liebe findet einen Weg … - Toni Waidacher - E-Book

Die Liebe findet einen Weg … E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Heike Schönig war das, was man eine Frau nennt, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie und ihr zehnjähriger Sohn Fabian lebten in Straubing, Niederbayern, in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Heikes Ehemann war vor vier Monaten ausgezogen und hatte seinen Lebensmittelpunkt nach Deggendorf zu seiner Geliebten verlegt. Zwar zahlte er Unterhalt für Fabian, doch Heike musste, um sich und den Jungen finanziell über Wasser halten zu können, ganztags arbeiten gehen und war in einem Supermarkt als Kassiererin tätig. Ihr Sohn besuchte vormittags die Schule, nachmittags beaufsichtigten ihn Heikes Eltern, die in der Nähe wohnten. Der Vater war Frührentner, die Mutter arbeitete an den Vormittagen ebenfalls in einem Supermarkt, aber nicht in jenem, in dem Heike beschäftigt war. Samstags betreute der Großvater den Jungen. Eigentlich gehörte nur der Sonntag ihr und Fabian, dem Sohn, den sie über alles liebte. Dass sie nicht intensiver für ihn da sein konnte, belastete Heike zwar, andererseits war sie jedoch stolz darauf, durch ihrer Hände Arbeit dem Jungen einiges bieten zu können. Da sie ihn bei ihren Eltern gut aufgehoben wusste, hielten sich ihre Gewissensbisse in Grenzen. Es war an einem Donnerstag, als sie nach zwanzig Uhr den Supermarkt, bei dem sie angestellt war, verließ, sich auf ihr Fahrrad schwang und zur Wohnung ihrer Eltern radelte. Da die Sommersonnenwende erst zwei Wochen zurücklag, war es um diese Zeit noch hell. Bei der Wohnung angekommen, stellte sie ihr Fahrrad neben das ihres Sohnes und schloss es an. Obwohl die Haustür nur angelehnt war, läutete Heike, betrat das Haus und stieg in die zweite Etage hinauf. Ihre Mutter erwartete sie unter der Korridortür. Gerlinde Hallmeier war Mitte fünfzig und sah etwas verbraucht aus. Auch sie war ihr Leben lang arbeiten gegangen und hatte daneben drei Kinder großgezogen. Der Familie war es nie schlecht gegangen, Reichtümer hatten sie aber auch nicht anhäufen können. Gerlinde und ihr Mann waren jedoch mit ihrem Leben vollauf zufrieden. »Guten Abend, Mama«

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Der Bergpfarrer – 490 –

Die Liebe findet einen Weg …

Gelingt Heike und Fabian der Neuanfang?

Toni Waidacher

Heike Schönig war das, was man eine Frau nennt, die mit beiden Beinen im Leben steht. Sie und ihr zehnjähriger Sohn Fabian lebten in Straubing, Niederbayern, in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung. Heikes Ehemann war vor vier Monaten ausgezogen und hatte seinen Lebensmittelpunkt nach Deggendorf zu seiner Geliebten verlegt. Zwar zahlte er Unterhalt für Fabian, doch Heike musste, um sich und den Jungen finanziell über Wasser halten zu können, ganztags arbeiten gehen und war in einem Supermarkt als Kassiererin tätig.

Ihr Sohn besuchte vormittags die Schule, nachmittags beaufsichtigten ihn Heikes Eltern, die in der Nähe wohnten. Der Vater war Frührentner, die Mutter arbeitete an den Vormittagen ebenfalls in einem Supermarkt, aber nicht in jenem, in dem Heike beschäftigt war. Samstags betreute der Großvater den Jungen.

Eigentlich gehörte nur der Sonntag ihr und Fabian, dem Sohn, den sie über alles liebte. Dass sie nicht intensiver für ihn da sein konnte, belastete Heike zwar, andererseits war sie jedoch stolz darauf, durch ihrer Hände Arbeit dem Jungen einiges bieten zu können. Da sie ihn bei ihren Eltern gut aufgehoben wusste, hielten sich ihre Gewissensbisse in Grenzen.

Es war an einem Donnerstag, als sie nach zwanzig Uhr den Supermarkt, bei dem sie angestellt war, verließ, sich auf ihr Fahrrad schwang und zur Wohnung ihrer Eltern radelte. Da die Sommersonnenwende erst zwei Wochen zurücklag, war es um diese Zeit noch hell.

Bei der Wohnung angekommen, stellte sie ihr Fahrrad neben das ihres Sohnes und schloss es an. Obwohl die Haustür nur angelehnt war, läutete Heike, betrat das Haus und stieg in die zweite Etage hinauf.

Ihre Mutter erwartete sie unter der Korridortür. Gerlinde Hallmeier war Mitte fünfzig und sah etwas verbraucht aus. Auch sie war ihr Leben lang arbeiten gegangen und hatte daneben drei Kinder großgezogen. Der Familie war es nie schlecht gegangen, Reichtümer hatten sie aber auch nicht anhäufen können. Gerlinde und ihr Mann waren jedoch mit ihrem Leben vollauf zufrieden.

»Guten Abend, Mama«, grüßte Heike und atmete durch. »Das war wieder ein Tag, sag‘ ich dir«, beschwerte sie sich dann. »Die Leut‘ kaufen ein, als würd‘ morgen der Krieg ausbrechen.«

»Das wird wieder ruhiger, wenn’s auf die Monatsmitte zugeht«, erwiderte Gerlinde. »Und zum Monatsende hin wirds ganz ruhig. Ich kenn‘ das, schließlich war ich selber über zwanzig Jahre lang ganztags beim Discounter tätig. – Komm‘ herein, Heike, und iss einen Teller Gemüse. Den Buben hab‘ ich schon abgefüttert. Er sitzt mit dem Papa im Wohnzimmer vor dem Fernseher. Seine Hausaufgaben hat er ohne zu motzen und recht ordentlich gemacht.«

Gerlinde trat zur Seite, und nachdem ihre Tochter die Wohnung betreten hatte, drückte sie die Tür zu und folgte Heike ins Wohnzimmer. »Grüß dich, Papa, hallo, Fabi!«

»Servus, Heike«, erwiderte ihr Vater den Gruß.

Fabian sprang auf, lief zu seiner Mutter hin, und die beiden umarmten sich. Heike drückte ihn fest an sich und gab ihm schließlich einen Kuss auf die Stirn.

»Wie wars in der Schule?«, fragte sie.

»Wir haben den Mathetest wiedergekriegt«, antwortete der Junge. »Ich hab‘ eine Drei.« Er sagte es nicht ohne Stolz in der Stimme.

Heike strich ihm über den Blondschopf. »Super«, lobte sie. »Da muss ich mir ja direkt eine Belohnung ausdenken.«

»Du musst ihn net belohnen«, mischte sich ihr Vater ein, »nur weil er eine einigermaßen passable Note nach Hause gebracht hat. Es kommt ihm doch nur selbst zugute, wenn er lernt. Er will doch auch, dass mal was Vernünftiges aus ihm wird.«

»Eine kleine Belohnung muss sein, Papa«, widersprach Heike. »Meinst du net auch, dass sich das motivierend auswirkt? Ich kann mir auch beim besten Willen net vorstellen, dass ein Zehnjähriger schon seine berufliche Zukunft im Auge hat.«

»Motivation hin – Motivation her …« Heikes Vater zuckte mit den Schultern. »Mir hat keiner was geschenkt, net mal, wenn ich mit einer wirklich guten Note heimgekommen bin.«

»Eine Drei ist Durchschnitt, Papa. Ich wollt‘, der Fabi würd‘ mir lauter Dreien heimbringen.« Nach einer kurzen Pause fügte Heike hinzu: »Ich handhabe das so, weil ich es für richtig halte.«

Konrad Hallmeier ersparte sich einen Kommentar und zuckte lediglich ein weiteres Mal mit den hageren Schultern.

»Gehen wir in die Küche«, mischte sich Heikes Mutter ein. »Im Übrigen bin auch ich der Auffassung, dass kleine Belohnungen net schaden«, ergriff sie mit etwas erhobener Stimme Heikes Partei. Konrad murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.

Fabian hatte sich wieder gesetzt.

Heike schenkte ihm ein liebevolles Lächeln, dann folgte sie ihrer Mutter in die Küche. Gerlinde schöpfte aus einem Topf Gemüse in einen tiefen Teller und stellte ihn in die Mikrowelle. Zwei Minuten später konnte sich Heike über das Essen hermachen. Gerlinde sagte:

»Du kennst den Papa. Er kommt aus einer Familie mit vielen Kindern, und das Geld reichte mit Ach und Krach von einem Monatsersten bis zum nächsten. Da konnt‘ natürlich keines der Kinder für eine gute Note belohnt werden.«

»Ich belohn‘ den Buben, weil ich ihn anspornen möcht‘«, erwiderte Heike. »Er hat in seinen Leistungen rapide nachgelassen, seit uns der Richard verlassen hat. Das hat der Bub net verkraftet. In der ersten Zeit nach der Trennung hat der Fabi viel geweint. Die Trennung hat bei dem Kind tiefe Spuren hinterlassen.« Heikes Blick verlor sich irgendwo im Raum. »Der Richard weiß gar net, was er dem Buben angetan hat.« Heike hatte mit den Tränen zu kämpfen.

»Stimmt«, pflichtete Gerlinde ihrer Tochter bei. »Der Kleine ist nimmer so, wie er einmal war. Uns ist es natürlich net entgangen, dass seine schulischen Leistungen nachgelassen haben. Der Dreier heut‘ ist eine erfreuliche Ausnahme. Aber es sind ja net nur die schulischen Leistungen, die dem Papa und mir zu denken geben. Der Bub hat sich auch von seinem ganzen Verhalten her verändert. Er hat seine Unbekümmertheit verloren, geht nimmer aus sich heraus und ist fast ein bissel verstockt, lacht nimmer und schaut auch tatsächlich krank aus. Am liebsten sitzt er vor dem Fernsehapparat. Wobei ich ihm vielleicht ein bissel unrecht tu‘. Seine Hausaufgaben macht er, ohne zu murren. Zu mehr aber ist er net bereit. Wie oft leg‘ ich ihm ans Herz, ein Buch zu lesen. Gerade Lesen find‘ ich sehr wichtig. Er würd‘ den Umgang mit der Sprache lernen. Doch ich kann ihm predigen, was ich will …«, Gerlinde seufzte, »… er will einfach net. Der Papa meint, dass ein Hund, der zur Jagd getragen werden muss, nie ein guter Jagdhund wird. Und wenn der Bub net lernen will …« Gerlinde hob die Hände und ließ sie wieder sinken. Eine Geste, die zum Ausdruck bringen sollte, dass man in einem solchen Fall machtlos war.

»Am Monatsende beginnen die großen Ferien«, murmelte Heike, nachdem sie einige Löffel von dem Gemüse gegessen hatte. »Ich hab‘ für die ersten drei Augustwochen meinen Urlaub eingetragen. Vielleicht sollt‘ ich mit dem Fabi ein paar Tage in die Berge fahren. Möglicherweise bringt ihn ein Urlaub auf andere Gedanken. Eine andere Umgebung kann viel bewirken, Mama. Und mir, denk‘ ich, könnt‘ ein Urlaub auch net schaden. Was meinst du?«

»Du wirst es mir jetzt net glauben, Heike«, erwiderte Gerlinde, »aber ich hab‘ auch schon daran gedacht, dass du zusammen mit deinem Buben einfach mal für ein paar Tage all dem Stress und dem Ärger, dem du hier tagtäglich ausgesetzt bist, ade sagen solltest. Ihr müsst ja net mal weit fahren. Berchtesgaden, Garmisch, das Zillertal, das Salzburger Land … Das sind doch wunderbare Gegenden, die man von Straubing aus ohne großen Aufwand erreichen kann.«

»Ich muss das mal durchrechnen«, antwortete Heike. »Wahrscheinlich kann ich es mir aber gar net leisten.«

»Ich red‘ mal mit dem Papa über eine kleine Finanzspritze. Er sagt sicher net Nein, denn er weiß genau, wie sehr du eingespannt bist, und er erkennt es an, dass du nach dem Ehe-Aus mit dem Richard net resigniert, sondern dein Leben und das des Buben entschlossen in die Hand genommen hast.« Gerlindes Stimme wurde eindringlich: »Auf die Dauer hältst du den Stress net durch, Kind. Sicher, du musst drei Wochen lang net zur Arbeit gehen. Aber ein Urlaub auf Balkonien ist net so erholsam wie ein richtiger Urlaub fernab von daheim. Wenn’s dein Budget zulässt, dann fackel net lang, such‘ für euch einen schönen Platz zum Urlauben aus und buch‘ eine oder vielleicht sogar zwei Wochen.«

»Du machst es mir schmackhaft, Mama«, murmelte Heike.

In diesem Moment stieß Heikes Vater die Tür zur Küche auf. »Ich wollt‘ mir ein Glas Wasser holen«, brummte er und schaute Heike an. »Zufällig wurd‘ ich Zeuge eures Gesprächs. Ja, ich hab‘ ein bissel den Lauscher an der Wand gespielt. - Die Mama hat recht, Heike. Irgendwann stellt sich bei dir diese neumodische Krankheit ein, von der, als ich jung war, kein Mensch geredet hat. Mir fällt jetzt die Bezeichnung net ein. Sie soll auf übermäßigen Stress und zu viel Hektik zurückzuführen sein.«

»Du sprichst vom Burnout-Syndrom, Papa«, half Heike ihrem Vater auf die Sprünge.

Konrad schlug sich leicht gegen die Stirn. »Genau, so heißt diese Krankheit. Sie blüht dir, wenn du net ein bissel kürzertrittst.« Konrads Hand fuhr wegwerfend durch die Luft. »Okay, okay, lange Rede, kurzer Sinn: Wenn die Mama einverstanden ist, dann finanzieren wir dir und dem Buben zwei Wochen Urlaub irgendwo in den Bergen. So viel haben wir schon auf der Seite, sodass es uns net besonders wehtut. Du und der Bub seid dann endlich mal zwei Wochen von früh bis spät zusammen, und die Hoffnung, dass der Fabi aufblüht und wieder das muntere, unbefangene Kind wird, das er vor der leidigen Geschichte mit eurer Trennung war, hab‘ ich noch net aufgegeben. Der Urlaub wird ihm helfen, die unerfreuliche Sache zu verdrängen und sich endlich damit abzufinden, dass ihn sein Vater im Stich gelassen hat. Anders kann ich das net ausdrücken.«

»Das ist doch net nötig, Papa«, sagte Heike. »Ihr braucht euer Geld selber …«

»Wenn wir das Geld net hätten, könnten wir’s euch net anbieten«, fiel ihr Konrad ins Wort. »Also zier‘ dich net, setz‘ dich heut‘ Abend vor deinen Computer und check‘ die Urlaubsangebote durch. Es muss ja net gleich ein Luxusurlaub auf den Malediven sein.«

Gerlinde nickte ihrer Tochter aufmunternd zu. Ihre Augen funkelten, als wollten sie zum Ausdruck bringen, dass das wieder einmal typisch für ihren Konrad war: raue Schale – weicher Kern.

»Danke«, murmelte Heike schließlich gerührt, erhob sich, umarmte erst ihre Mutter, dann ihren Vater und wiederholte: »Danke, vielen Dank. Ihr seid so gut …«

Ihre Stimme zitterte, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die Rührung drohte sie zu übermannen.

*

Heike fand einen Platz, der zwei Wochen lang für sie und ihren Sohn Ruhe und Erholung versprach. Es war ein Ort, nicht weit von Garmisch-Partenkirchen entfernt, der in einem weitläufigen Tal lag, dem Wachnertal, und der St. Johann hieß. Sie druckte alles Wissenswerte am Computer aus, schrieb die Gemeinde an und erhielt eine ganze Anzahl von Prospekten zugesandt, die umfassend über die Gegebenheiten im Wachnertal aufklärten.

Ihre Eltern waren begeistert. Heike fand auch eine Pension, in der sie unterkommen konnte, nämlich die ›Pension Stubler‹, und buchte für die Zeit ab 1. August für zwei Wochen ein Doppelzimmer. Der Preis für die Unterkunft war angemessen, das Frühstück inklusive. Für Mittag- und Abendessen würde Heike selber sorgen müssen.

Fabian hatte noch nie die Berge gesehen und konnte es kaum erwarten, dass die Reise begann.

Fast jeden Tag schaute er sich den Packen Prospekte an, der sich angesammelt hatte, und fast immer entdeckte er etwas Neues, das ihn begeisterte und von dem er am Abend seiner Mutter berichtete.

Schließlich war es soweit. Sie fuhren mit dem Zug nach München, stiegen um und erreichten – ebenfalls mit dem Zug – Garmisch-Partenkirchen, von wo im Stundentakt ein Omnibus nach St. Johann verkehrte. Von Garmisch aus hatte Heike ihre Pensionswirtin verständigt, dass sie und Fabian in der nächsten halben Stunde in St. Johann eintreffen würden, und Ria Stubler versicherte ihr, dass ihr Lebensgefährte mit dem Auto bei der Bushaltestelle warten würde, um sie, den Buben und das Gepäck zur Pension zu bringen.

Der Bus musste über einen Pass fahren, und durch die großen Fenster war der Blick ins Tal frei. »Schau dir das an, Fabi«, ließ Heike ihrer Begeisterung freien Lauf. »Ich glaub‘, wir fahren ins Paradies. Überwältigend. Diese Berge ringsum …« Sie konnte sich nicht sattsehen.

»Ich freu‘ mich auf den Badesee, Mama«, sagte Fabian und drückte sich die Nase am Busfenster platt. »Guck mal, da unten! Und auf so einen Berg möcht‘ ich auch einmal steigen. Siehst du das Kreuz auf dem Berg dort vorn? Da möcht‘ ich hinauf.«

Es handelte sich um den Himmelsspitz, einen der Zweitausender, die das Wachnertal säumten.

»Wir werden oft zum See gehen, um zu baden«, versprach Heike. »Wir machen aber auch ausgedehnte Wanderungen in den Bergen und in den Wäldern.« Sie lachte amüsiert. »Auf die Berge, die du besteigen möchtest, werden wir es wahrscheinlich net schaffen. Wir sind nämlich keine Bergsteiger. Wenn’s auf den einen oder anderen Berg allerdings einen vernünftigen Wanderweg gibt – warum net.«

Der Bus hatte die Serpentinen hinter sich gelassen und fuhr ins Tal hinein. Schließlich tauchten die ersten Häuser von St. Johann auf, und wieder wurden Heikes Erwartungen übertroffen.

Zu beiden Seiten der Hauptstraße reihten sich die im alpenländischen Stil erbauten Wohn- und Geschäftshäuser wie die Perlen an einer Schnur. Malerisch überragte der Kirchturm die Flut aus meist roten Ziegeldächern.

Beim Bau der Häuser war viel Holz verwendet worden, das, dunkel oder auch hell gebeizt, den Gebäuden eine ganz besondere Atmosphäre verlieh. Ausladende Dachvorsprünge, kunstvoll geschnitzte Dachreiter, Balkone und Fensterläden sowie Giebelverkleidungen – alles war aus Holz. Zusammen mit dem Meer aus bunten Geranien und Petunien in den blühenden Vorgärten, den vielen meisterlichen Lüftlmalereien an den Fassaden der Häuser, ergab sich ein Kaleidoskop aus Farben, Formen und Düften, das auf den Betrachter seine Wirkung nicht verfehlte.

Der Ort vermittelte trotz der vielen Menschen, die sich auf den Gehsteigen tummelten oder es sich im Außenservicebereich der Cafés, Eisdielen und Restaurants gut gehen ließen, Behaglichkeit.

Es war genau das, was Heike suchte. Ein gewisses Urlaubsflair war in Ordnung, dazu gehörten auch die Touristen. Remmidemmi aber brauchte sie nicht.

Der Bus hielt.

»Wir müssen aussteigen«, sagte Heike und erhob sich, griff nach dem kleinen Koffer und einer Reisetasche und ging zum Ausstieg. Der Bub, einen Kinderrucksack auf dem Rücken, folgte ihr. Außer Heike und Fabian stieg nur eine ältere Frau aus.

Ein Stück weiter stand ein Kombi. Ein hagerer Mann um die sechzig lehnte an dem Auto und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Als er Heike und den Jungen bemerkte, stieß sich ab und näherte sich den beiden. »Frau Schönig?«, fragte er, als er heran war, und ein freundliches Lächeln ließ tausend Falten auf seinem Gesicht erscheinen.

»Ja«, antwortete Heike. »Das ist mein Sohn, der Fabian.«

»Grüaß Sie. Mein Name ist Hoffmann – Florian Hoffmann. Ich komm‘ von der Pension Stubler, um Sie und Ihren Buben abzuholen.« Er schüttelte Heike die Hand, dann strich er Fabian über den blonden Wuschelkopf und fügte hinzu: »Dann wollen wir mal. Die Ria hat Ihr Zimmer schon gerichtet und Sie brauchen nur noch einzuziehen. Meine Lebensgefährtin, die Ria, wird Sie zwar auch noch willkommen heißen, dennoch sag‘ ich schon mal: Herzlich willkommen in St. Johann. Ich glaub‘, ich kann Ihnen versichern, dass Sie und Ihr Bub bei uns zwei sehr schöne Wochen verleben werden.«

»Davon bin ich überzeugt«, versetzte Heike und bedankte sich für die nette Begrüßung.

Der Mann hatte schon die beiden Gepäckstücke aufgehoben. »Auf gehts«, rief er fröhlich. Er war selber Großvater, und irgendwie erinnerten ihn die beiden ein bisschen an seine Familie, die allerdings in Beilngries ihren Wirkungskreis hatte. Seine Tochter und sein Sohn lebten mit ihren jeweiligen Familien dort.