Die Liebe stellt keine Fragen - Toni Waidacher - E-Book

Die Liebe stellt keine Fragen E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Es war kurz nach siebzehn Uhr, als Karina Schuirer mit ihrem Fahrrad am Haus ihrer Großmutter Marie-Luise vorfuhr. Karina arbeitete, nachdem sie vor einiger Zeit Berlin verlassen und nach Engelsbach zurückgekehrt war, bei der Firma Wiedermann-Bau in Waldeck als Lohnbuchhalterin. Die Strecke zwischen Engelsbach und Waldeck legte sie, wenn das Wetter einigermaßen passte, mit dem Fahrrad zurück. Einige kleine Anstiege nahm sie in Kauf; sie sah das sportlich. Karina schob ihr Fahrrad in den Hof, stellte es ab und schloss die Haustür auf. Einen Schlüssel besaß sie, zum einen, weil sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat eine Weile bei ihrer Großmutter im Haus gewohnt hatte, zum anderen wollte sie jederzeit Zugang zu dem Gebäude haben. Ihre Oma ging immerhin auf die siebzig zu und war nicht mehr die Rüstigste. Sie traf Marie-Luise in der Küche an. »Grüaß di, Oma.« Sie umarmte die alte Frau. »Alles gut?«, fragte sie dann. »Alles bestens«, antwortete Marie-Luise, dabei strahlte sie ihre Enkelin an. Karina war ihr ganzer Stolz. Und als die junge Frau vor Kurzem nach Engelsbach zurückgekehrt war, hatte sie ihre Oma zum glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt gemacht. »Die Anni hat angerufen«, fügte Marie-Luise hinzu. »Sie will auch kommen und mir ein bissel zur Hand gehen.« »Das freut mich«

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Der Bergpfarrer – 494 –

Die Liebe stellt keine Fragen

Kann Karina ihre Cousine vor Unheil bewahren?

Toni Waidacher

Es war kurz nach siebzehn Uhr, als Karina Schuirer mit ihrem Fahrrad am Haus ihrer Großmutter Marie-Luise vorfuhr. Karina arbeitete, nachdem sie vor einiger Zeit Berlin verlassen und nach Engelsbach zurückgekehrt war, bei der Firma Wiedermann-Bau in Waldeck als Lohnbuchhalterin. Die Strecke zwischen Engelsbach und Waldeck legte sie, wenn das Wetter einigermaßen passte, mit dem Fahrrad zurück. Einige kleine Anstiege nahm sie in Kauf; sie sah das sportlich.

Karina schob ihr Fahrrad in den Hof, stellte es ab und schloss die Haustür auf. Einen Schlüssel besaß sie, zum einen, weil sie nach ihrer Rückkehr in die Heimat eine Weile bei ihrer Großmutter im Haus gewohnt hatte, zum anderen wollte sie jederzeit Zugang zu dem Gebäude haben. Ihre Oma ging immerhin auf die siebzig zu und war nicht mehr die Rüstigste.

Sie traf Marie-Luise in der Küche an. »Grüaß di, Oma.« Sie umarmte die alte Frau. »Alles gut?«, fragte sie dann.

»Alles bestens«, antwortete Marie-Luise, dabei strahlte sie ihre Enkelin an. Karina war ihr ganzer Stolz. Und als die junge Frau vor Kurzem nach Engelsbach zurückgekehrt war, hatte sie ihre Oma zum glücklichsten Menschen auf der ganzen Welt gemacht. »Die Anni hat angerufen«, fügte Marie-Luise hinzu. »Sie will auch kommen und mir ein bissel zur Hand gehen.«

»Das freut mich«, erklärte Karina. »Die Anni ist so ein lieber Mensch. Schade, dass ich sie net allzu oft zu sehen krieg’. Meistens ist es der Zufall, der sie und mich hier bei dir zusammenführt.«

»Wenn ich die Anni oft net gehabt hätt’«, murmelte Marie-Luise und spielte auf die Zeit an, als Karina in Berlin gelebt hatte. »Das Madel hat mir viel abgenommen.«

»Ein Madel ist die Anni mit ihren dreiunddreißig Jahren gewiss nimmer, Oma«, stieß Karina lachend hervor.

»Das sagt man halt so«, verteidigte sich Marie-Luise. »Aber gut. Von einem Madel kann man da wirklich nimmer reden. Also, die Anni hat mir oft geholfen. Aber sie hat ja auch net allweil Zeit gehabt, denn sie arbeitet und hat einen eigenen Haushalt, und ihrer Mutter, die ja auch nimmer die Jüngste ist, geht s’ auch regelmäßig zur Hand.«

»Hör’ ich da etwa einen leisen Vorwurf in meine Richtung?«, fragte Karina nachsichtig lächelnd.

»Nein. Aber du bist mir net bös’, wenn ich sag’, dass es manchmal schon einfacher für mich gewesen wär’, wenn ich dich dagehabt hätt’.«

»Reden wir nimmer drüber«, sagte Karina. »Ich bin da, du hast mich wieder, und obendrein schaut weiterhin die Anni regelmäßig nach dir. Mit der Hilfe vom Pfarrer Trenker haben wir verhindert, dass dir die Gemeinde deinen schönen Garten wegnimmt, und ich hab’ mit dem Joachim das Glück meines Lebens gefunden. Was wollen wir mehr?«

»Dass ich dich wiederhab’, macht mich ganz besonders glücklich, Karina«, gestand die Großmutter.

»Ich werd’ dann mal deine Wohnung durchsaugen«, erklärte Karina. »Und am Samstagvormittag kommen der Joachim und ich und richten den Garten und den Hof. Rasenmähen, Unkraut jäten, den Hof kehren …«

»Du bist so ein gutes Madel«, lobte Marie-Luise, »und hast es verdient, glücklich zu sein. Mit dem Joachim hast du aber auch einen Sechser im Lotto gezogen. Er ist bodenständig, freundlich und arbeitsam …«

»… und treu wie Gold«, rief Karina lachend, dann holte sie aus einem kleinen Abstellraum den Staubsauger, drückte den Stecker in die Steckdose und begann, den Fußboden und die vielen Läufer, Brücken und Teppiche, die überall in den Wohnräumen und auf dem Korridor lagen, abzusaugen.

Sie war gerade mit dem Wohnzimmer fertig, als es an der Haustür läutete. Karina vernahm es trotz des Lärms, den der Staubsauger verursachte, denn die Tür zum Flur stand offen, und dort befand sich die Glocke.

Karina stellte den Staubsauger aus und öffnete die Tür.

Vor ihr stand Anni Eisenreich. Zwei blaue Augen strahlten Karina an. »Servus, Cousine«, grüßte Anni, eine hübsche Frau mit dunkelblonden, schulterlangen Haaren. »Als ich das Fahrrad im Hof gesehen hab’, hab’ ich mir schon gedacht, dass ich dich antreff’.«

»Grüaß di, Anni.« Die Frauen umarmten sich. »Komm doch herein«, lud Karina ihre Cousine ein, näherzutreten. »Vielleicht kocht uns die Oma eine Tasse Kaffee, und wir können ein wenig reden. Wir sehen uns nämlich viel zu selten.«

»Da muss ich dir voll und ganz zustimmen«, pflichtete ihr Anni bei.

Die beiden jungen Frauen begaben sich in die Küche, wo Marie-Luise am Herd stand und für ihr Abendessen ein Paar Bratwürste briet. Als Karina und Anni eintraten, schaute sie über die Schulter, erkannte Anni und drehte sich um. »Das ist aber eine Freud’, Anni. Kommt nur herein. Die Karina hat sich schon beschwert, weil sie dich so selten trifft. Soll ich euch einen Kaffee kochen? Dann könnt ihr ein bissel plauschen. Die Arbeit in meiner Wohnung läuft euch gewiss net weg.«

»Genau darum wollt’ ich dich bitten, Oma«, gab Karina zu verstehen. »Wenn wir den Kaffee getrunken haben, schaffen Anni und ich gemeinsam Ordnung in deiner Wohnung. Viel ist ja net zu machen. Staubsaugen und ein bissel Staubwischen. Die Fenster hat die Anni ja erst am vergangenen Samstag geputzt.«

Sie setzten sich an den Tisch, während Marie-Luise die Kaffeemaschine bediente.

»Wie läuft’s mit dem Joachim?«, erkundigte sich Anni.

»Sehr gut«, antwortete Karina. »Wir ergänzen uns und sind ein Herz und eine Seele, gewissermaßen Seelenverwandte.«

»Das hört man gern«, versetzte Anni, und es kam von Herzen.

»Belastend ist für das Madel nur noch die Tatsache«, sagte Marie-Luise, die drei Haferln zum Tisch brachte, »dass der Schubert-Andreas seine Fühler wieder nach Engelsbach ausgestreckt hat. Es ist davon auszugehen, dass er früher oder später selber herkommt, um mit der Gemeinde zu verhandeln.«

»Wegen der Ferienanlage, gell?«, fragte Anni. »Das hat sich in der Zwischenzeit herumgesprochen. Man munkelt auch, dass der Schubert das alles nur inszeniert hat, um dir eins auszuwischen, Karina.«

»Den Zahn haben wir ihm im Verein mit eurem Pfarrer gezogen«, entgegnete Karina. »Die Diözese hat den Grund der Oma aufgekauft. Sobald der neue Flächennutzungsplan öffentlich gemacht wird, lässt sie ihn erschließen, um die einzelnen Parzellen später Bauwilligen im Rahmen der Erbpacht zu überlassen.«

»Der Andreas hat uns allen Sand in die Augen gestreut«, mischte sich wieder Marie-Luise ein. »Nach seinem Auftreten hier hätt’ doch kein Mensch geglaubt, dass er so ein Windhund ist. Ich führ’s darauf zurück, dass es ihm nie an was gemangelt hat in seinem Leben. Geld hat in seiner Familie nie eine Rolle gespielt. Es war da, und man hat es net angeschaut. Es ist schon was dran an der Redewendung, dass Geld den Menschen verdirbt.«

»Der Andreas ist lediglich Gesellschafter in der Firma. Geschäftsführer ist sein Vater. Außer ihnen haben noch einige Leute, die viel Geld besitzen, die Finger in der Gesellschaft.« Karina winkte ab. »So genau hab’ ich mich nie damit befasst. Außerdem ist der Andreas für mich Geschichte. Es war der größte Fehler meines Lebens, ihm nach Berlin zu folgen.« Sie seufzte. »Ich hab’ mein Lehrgeld gezahlt und bin um ein paar Erfahrungen reicher geworden. Es ist net alles Gold, was glänzt. Das ist eine der wichtigsten Erfahrungen, die ich gemacht hab’.«

Marie-Luise kam mit der Kanne voll Kaffee und goss die Tassen voll. Dann brachte sie Milch und Zucker und sagte: »Du bist drüber weg, Karina. Und du hast aus den Lektionen gelernt, die dir das Leben erteilt hat. Den gleichen Fehler würdest du sicher kein zweites Mal machen.« Sie setzte sich an den Tisch.

»Ganz sicher net, Oma. – Wie gehts denn dir allweil so, Anni?«, wechselte Karina das Thema. »Von der Oma erfahr’ ich net allzu viel. Wir kommen auch gar net viel zum Reden, wenn ich bei ihr bin.«

»Selbst wenn«, verteidigte sich Marie-Luise. »Die Anni erzählt kaum was von sich.«

»Was sollt’ ich über mich schon groß erzählen?«, fragte Anni lächelnd. »Mein Leben verläuft eigentlich recht eintönig. Sechs Tag’ in der Woche bedien’ ich in der Nachmittagsschicht beim ›Brunnerwirt‹ die Gäste; wenn ich net arbeiten geh’, verricht’ ich meinen Haushalt und helf’ der Mama ein bissel bei ihren Aufgaben, und wenn ich die Zeit dazu find’, dann setz’ ich mich in mein Auto oder schwing’ mich auf mein Fahrrad und fahr’ hierher, weil’s hier auch immer ein bissel was zu tun gibt.«

»Die Anni findet net mal die Zeit, sich nach einem Mann umzuschauen«, mischte sich wieder Marie-Luise ein.

Jetzt verschloss sich Annis Miene. »Daran hab’ ich auch net das geringste Interesse. Warum das so ist, muss ich euch ja net sagen.«

Sie war ein gebranntes Kind.

Karina wusste, dass Anni dieses Thema mied. Daher sagte sie: »Wenn du am Samstagvormittag nix Besonderes vorhast, Anni, dann kannst du ja herkommen. Der Joachim und ich wollen den Garten und den Hof der Oma ein bissel auf Vordermann bringen. Du kannst uns dabei Gesellschaft leisten.«

»Wenn nix dazwischenkommt, helf’ ich euch. Allerdings nur bis elf Uhr. Um ein Uhr muss ich nämlich den Dienst beim ›Brunnerwirt‹ antreten.«

»Mit jedem Handgriff, den du uns abnimmst, ist uns geholfen«, erklärte Karina.

*

Als Anni Eisenreich an diesem Abend gegen acht Uhr nach St. Johann zurückkehrte, sah sie auf dem Gehsteig an der Hauptstraße des Ortes Pfarrer Trenker in Richtung Pfarrhaus marschieren. Wie fast meistens war der Pfarrer mit raumgreifenden Schritten flott unterwegs.

Anni fuhr langsam neben ihm her, ließ per Knopfdruck die Seitenscheibe ihres Autos herunter und rief: »Kann ich Sie ein Stück mitnehmen, Herr Pfarrer?«

Sebastian wandte sich dem Auto zu und Anni hielt an. Er öffnete die Tür, duckte sich, sodass er Anni im Blick hatte, und sagte lachend: »Jetzt, wo ich nur noch ein paar Schritte hab’, kommst du daher, Anni. Ich war oben, in der Bergklinik. Das ist zu Fuß net gerade der nächste Weg. Aber – wer rastet, der rostet. Wie gehts denn allweil so? Ist die Mama gesundheitlich auf der Höh’?«

»Der Mama gehts gut, Herr Pfarrer«, antwortete Anni. »Ich kann auch net klagen. Soeben komm’ ich von der Tante Marie-Luise aus Engelsbach. Hab’ zusammen mit der Karina ein bissel für Ordnung in ihrem Haus gesorgt. Das alte Weibl gibt sich zwar alle Mühe, selbst klarzukommen, aber das Haus ist für die Tante einfach zu groß, und ihre Knie, aber auch ihre Bandscheiben spielen nimmer besonders gut mit.«

Der Pfarrer schien erstaunt zu sein. »Du fährst immer noch zu ihr nach Engelsbach, um ihren Haushalt zu richten? Ich hab’ gedacht, das hat nach ihrer Rückkehr aus Berlin die Karina übernommen.«

»Hat sie auch, Herr Pfarrer. Aber die Karina lebt doch bei ihrem Zukünftigen, dem Hönig-Joachim, außerdem arbeitet sie beim Wiedermann in Waldeck. Sie ist ziemlich eingespannt, und für mich ist es ein bissel Abwechslung. Außerdem mag ich die Marie-Luise sehr gern.« Sie lachte. »Jedes Mal, wenn ich sie besuch’, erzählt sie mir, wie tief sie bei Ihnen in der Schuld steht, Herr Pfarrer.«

»Dass ihr die Diözese das Grundstück abkauft, war net meine Idee, sondern die Idee vom Joachim. Ich hab’ auf seinen Vorschlag hin lediglich die Initiative ergriffen und die Angelegenheit in die Wege geleitet. Na ja, dem Greitlinger-Sepp haben wir jedenfalls seine Grenzen aufgezeigt. Hast du eigentlich etwas über das Projekt gehört? In Engelsbach wird doch sicher drüber geredet. Die Planung eines ganzen Feriendorfs geht doch net unkommentiert an der Bevölkerung vorbei.«

»Nix gehört, Herr Pfarrer«, antwortete Anni. »Wenn ich ehrlich bin, interessiert’s mich auch net. Es war eigentlich eine Frechheit vom Greitlinger, der Tante mit Enteignung zu drohen. Aber dieses Damoklesschwert ist sie los – Gott sei Dank. Der Grund gehört ihr zwar auch nimmer, aber sie hat einen fairen Preis dafür erhalten und wird keine Ferienbungalows in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft haben.«

»Und die Karina ist glücklich, wie?«, fragte der Pfarrer.

»Die schwebt mit ihrem Joachim auf Wolke sieben«, erwiderte Anni und lächelte. »Gesucht und gefunden – in Liebe verbunden.«

»Das hast du schön zum Ausdruck gebracht, Anni«, lobte Sebastian. »Wie schaut’s denn bei dir aus? Hast du net im Sinn, dich auch mal zu verlieben? Es gibt doch sicher eine ganze Reihe von Burschen, die sich nach dir den Hals verrenken. Ist denn da keiner dabei, der dein Herz erreicht?«

Ein herber Zug kerbte sich in Annis Mundwinkel. »Sicher«, murmelte sie, »gibt es immer wieder einen, der mich anflirtet und irgendeinen simplen Spruch zum Besten gibt. Aber seit der Sache mit dem Oppitz-Gustl vor über vier Jahren bin ich ausgesprochen vorsichtig geworden, Herr Pfarrer. Hinter jedem Mann, der versucht, sich mir anzunähern, seh’ ich den Gustl. Die Enttäuschung, die er mir bereitet hat, steckt immer noch tief in mir drin. Ich glaub’, ich werd’ nie wieder einem Mannsbild vertrauen.«

»Du darfst einfach net alle über einen Kamm scheren, Anni. Der Oppitz-Gustl war ein Hallodri, und du warst net die Einzige, die auf ihn hereingefallen ist. Der Kerl ist schließlich auch sang- und klanglos aus dem Wachnertal verschwunden, als er befürchten musst’, dass ihm die betrogenen Madeln die Bude einrennen. Gehört hat man nix mehr von ihm. – So wie der Oppitz sind die wenigsten, Anni. Du musst halt einfach wieder Vertrauen fassen.«

»Vielleicht kommt der Richtige noch, Herr Pfarrer. Wer weiß das schon? Wenn er irgendwann einmal vor mir steht, dann werd’ ich das spüren und mein Misstrauen ablegen.«

»Ich drück’ dir die Daumen, Anni«, versicherte Sebastian. »Jeder Topf findet seinen Deckel. Warum sollt’ dir net der Mister Right begegnen?«

»Recht haben S’, Herr Pfarrer. Warum eigentlich net? – Sie meinen, Sie schaffen die paar Schritte bis zum Pfarrhaus noch?«, fragte sie mit einem hintergründigen Lächeln.

»Seh’ ich aus, als würd’ ich im nächsten Moment zusammenbrechen?«, schmunzelte der Bergpfarrer. »Das hoff’ ich doch net.«

»Sie sehen eher aus wie einer, der sich erst warmläuft.«

»Danke, das fass’ ich als Kompliment auf.« Es war deutlich, dass Anni Eisenreich dem Pfarrer eine liebe und teure Zeitgenossin war. Er wünschte ihr nur das Beste. »So, und jetzt will ich dich net länger aufhalten, Anni. Richt’ deiner Mama die besten Grüße von mir aus, und solltest du in nächster Zeit wieder nach Engelsbach kommen, auch der Marie-Luise und der Karina, und natürlich auch dem Joachim, sofern du ihn triffst. Pfüat di, Anni, und – net den Mut verlieren. Der richtige Mann für dich ist vielleicht gar net so fern.«

»Auf Wiedersehen, Herr Pfarrer«, verabschiedete sich auch Anni, und als der Pfarrer die Tür zugedrückt hatte und zurückgetreten war, fuhr sie weiter. ›Jeder Topf findet seinen Deckel‹, sinnierte sie. Wenn das so einfach wär’. Aber du bist dreiunddreißig, und du wirst net jünger. Vielleicht wär’s wirklich langsam an der Zeit, den Blick in die Zukunft zu richten und unter das Thema Gustav Oppitz einen Schlussstrich zu ziehen.

Der Gedanke an diesen Mann, der sie belogen, betrogen und regelrecht gedemütigt hatte, erschütterte sie noch nach all den Jahren, die verstrichen waren.

Aus, vorbei!, sagte sie sich selbst, während sie das Haus ihrer Mutter ansteuerte, in dem sie die Zimmer im Obergeschoss bewohnte.

*

Eine neue Woche hatte begonnen. Karina machte an diesem Montag um halb fünf Uhr nachmittags Feierabend und radelte von Waldeck nach Engelsbach. Das Haus, in dem sie mit Joachim Hönig lebte, kam in Sicht. Karina war ein bisschen außer Atem und ihr Herz schlug etwas schneller als normal, denn sie hatte den letzten Kilometer gegen eine leichte Steigung ankämpfen und kräftig in die Pedale treten müssen. Ihr Gesicht war von der Anstrengung leicht gerötet.

Als sie an der Hoftür vom Rad stieg, atmete sie auf.

In dem Moment trat an der Ecke des Grundstücks, wo eine schmale Stichstraße abzweigte, ein hochgewachsener, elegant gekleideter, schlanker Mann hervor. Er zeigte ein breites Grinsen, seine Augen blitzten.

»Hallo, Karina«, rief er. »Lange nicht gesehen.«

Karinas Herz schien einen Schlag zu überspringen, und für einen Moment wurde ihr schwarz vor Augen werden. Sie taumelte, suchte Halt, und ihre Hände krampften sich um die Griffe des Fahrradlenkers, dass die Knöchel hell unter der Haut hervortraten. Ihr Verstand drohte zu blockieren. Sie hatte die Augen geschlossen und schien der Stimme hinterherzulauschen.

Karina überwand die Schwäche und hoffte, dass alles nur eine Halluzination gewesen und das Bild verschwunden wäre, sobald sie die Augen wieder öffnete.

Sie atmete tief durch, ihre Lider zuckten in die Höhe.

Das Bild war Realität.

»Was willst du von mir, Andreas?«, presste sie hervor. Ihre Stimme klang wie geborsten, das Sprechen bereitete ihr Mühe.