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Teresa von Ávila (1515–1582) gilt als herausragendste Vertreterin der Spanischen Mystik, aber wer dahinter eine weltfremde Frömmigkeit erwartet, wird eine gehörige Überraschung erleben. Auf mystische Erfahrungen folgten lange Jahre spiritueller Trockenheit. Sie war eine selbstbewusste Pragmatikerin, die allen Autoritäten ihrer Zeit erhobenen Hauptes gegenübertrat, und ein Organisationstalent mit außergewöhnlicher Menschenkenntnis. Durch ihr Wirken entstanden zahlreiche Klöster eines neuen Zweigs des Karmelitenordens (Teresianischer Karmel). Die Werke von Teresa von Ávila sind Klassiker der spanischen Literatur und sie ist Schutzpatronin der spanischen Schriftsteller. Zu ihrem 500. Geburtstag sind hier die bekanntesten, wichtigsten und schönsten Passagen aus ihrem Gesamtwerk zu einem außergewöhnlichen Lesebuch zusammengestellt.
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Seitenzahl: 265
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Teresa von Avila
Wenn Fasten,dann Fasten,wenn Rebhuhn,dann Rebhuhn
Ein Lesebuch
Herausgegeben vonElisabeth Münzebrock
© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2015
Alle Rechte vorbehalten
www.herder.de
Umschlaggestaltung: agentur IDee
Umschlagmotiv: Teresa von Ávila beim Schreiben eines Buches.
Porträt von Diego Rodríguez de Silva y Velázques (1599-1660).
E-Book-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN (E-Book) 978-3-451-80167-9
ISBN (Buch) 978-3-451-33527-3
Inhalt
Einführung
Teresa, »heilig« und »menschlich« in einer Person
»Schlaft nicht, schlaft nicht … denn es gibt keinen Frieden auf Erden«
Hinweis zu diesem Lesebuch
Teresa von Avila – Kurzbiografie
Posthume Daten
Erste Spurensuche
Von »außen nach innen« – die Bedeutung der Selbsterkenntnis im geistlichen Prozess Teresas
»Von innen nach außen« – Teresas Selbsterkenntnis als »Prozess«
Bedeutende Texte aus Teresas Gesamtwerk (mit Erläuterungen)
»Die Welt steht in Flammen …« – von der heimlichen Ausreißerin zur charmanten Nonne und Gottsucherin (VIDA)
Bekehrung vor dem »Schmerzensmann« (ante un Cristo muy llagado) – »Es ist ein anderes, neues Buch ab hier, ich meine, ein anderes, neues Leben«
»Caminante, no hay camino, se hace camino al andar« – »Der Weg der Vollkommenheit« als Anweisungen einer »Insiderin« für solche, die es werden wollen
Teresas Buch der »Klostergründungen« – Abenteurerin Gottes auf steinigen Pfaden?
»Die Wohnungen der Inneren Burg« – »Dort, wo die tief geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen«
Teresa, Autodidaktin, begnadete Schriftstellerin »von Gehorsams Gnaden« und »menschgewordene Kommunikation« zwischen Gott und den Menschen (Cartas 1)
»Wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn« – Teresa, die »menschliche Heilige« als »Genie der Freundschaft« (Cartas 2)
Teresas überströmende Liebesfähigkeit und die »Gebundenheit« ihres Leibes
Teresas Botschaft an uns Heutige
Zeittafel
Siglen und Abkürzungen
Bibliografie
Einige in den Texten erwähnte Personen
»Wenn von einer Frau gesagt wird, sie habe jedem, der ihr begegnet ist, den Kopf verdreht, dann werden die wenigsten vermuten, dass von einer Heiligen die Rede ist.« (Paul-Werner Scheele, Referat Domschule Würzburg, Akademietagung »Geistlich leben in weltlicher Welt«, am 16. 04. 1988, Typoskript S. 3)
Da Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada (1515–1582) schon als junges Mädchen und später als Nonne lebenslang auf alle, die mit ihr in Kontakt treten, eine magische Anziehungskraft ausübt, so können wir einem weiteren Zeugnis des über seine Zeit hinausragenden Augustiner-Gelehrten Fray Luis de León getrost Glauben schenken, wenn dieser ganz offensichtlich ins Schwärmen gerät:
»Alles war an ihr außergewöhnlich: ihre Schönheit, ihr Charme, ihr bezauberndes Wesen, die Brillanz ihres Geistes – ihre Schlag fertigkeit und feine Ironie, aber noch mehr ihre seelische Kraft und die Großmut ihres Charakters.« (Fray Luis de León, Obras completas BAC Madrid 21951 p. 1311 ff.)
Wer also war diese »personifizierte Kommunikation mit Gott und den Menschen«, deren ganzes Leben eine herrliche und abenteuerreiche Geschichte der Liebe war, die mit so menschlich echten Gefühlen der Zuneigung begann und auf dem Gipfel der »unio mystica« endete, ohne dass jemals ihre »humanidad«, die »Menschlichkeit« ihrer Liebe verkürzt worden wäre?
Wer war dieses »Jahrhunderttalent« an Organisationskraft, Weitblick, ungewöhnlicher Menschenkenntnis und doch gebunden an ihr Frau-Sein, deren ungewöhnliche Geistesschärfe und Sprachkraft sich nach und nach auf geistig-spiritueller und auch literarischer Ebene »Ausbruchsmöglichkeiten« aus der Enge ihrer Karmelklöster verschafften, die uns Heutige noch staunen lassen? Welche »Botschaft« hatte sie damals und hat sie für uns heutige Christen in der Welt?
»Ya no durmáis, no durmáis …
Pues que no hay paz en la tierra«
Auf den kleinstmöglichen Nenner gebracht, könnte dieser Ausruf Teresas gleichsam ihr »Programm« auch für uns heutige Leser ihrer Schriften sein.
Umgetrieben von dieser Gewissheit einer dauerhaft friedlosen Menschheit, die durch die Predigten durchreisender Patres bis zu ihrer klösterlichen Abgeschiedenheit drang und sie Tag und Nacht bedrängte, weitet sich Teresas Horizont von den »armen Lutheraner(n) und Ketzer(n), die verdammt sein werden« (V 32,6), bis zu den vielen Seelen, die nach ihrer Meinung verloren gingen, weil zu wenig Missionare vorhanden seien. Natürlich kennzeichnet Teresas Sichtweise sie als »Kind ihrer Zeit« und nur so versteht man ihre Klagen und die heutzutage befremdlich anmutende Einschätzung der »pobres luteranos y herejes« (armen Lutheraner und Ketzer) (F 1,7) in ihren Schriften.
Zunächst aber beschließt sie, das Wenige zu tun, das in ihrer Macht liegt:
»Doch da ich mich als Frau sah, armselig und aller Möglichkeiten beraubt, im Dienst des Herrn etwas Großes zu leisten, entschloss ich mich, das Wenige, das ich vermag und das in meiner Hand lag, ins Werk zu setzen.« (CE 1,2)
»Ich dachte darüber nach, was ich für Gott tun könnte. Dabei kam mir in den Sinn, dass ich wohl in erster Linie der Berufung zum Ordensleben, die mir Seine Majestät verliehen hatte, nachzukommen hätte, indem ich meine Ordensregel mit der mir größtmöglichen Vollkommenheit beobachtete.« (V 32,9)
Teresas Schriften werden grundsätzlich gemäß der altspanischen Werkausgabe zitiert: Santa Teresa de Jesús: Obras Completas, hrsg. von Efrén de la Madre de Dios OCD / Otger Steggink O. Carm., Madrid 61977.
Die Übertragung der Zitate ins Deutsche erfolgte – wenn nicht anders vermerkt – durch die Herausgeberin. Die dabei aus Gründen des Umfangs notwendig gewordenen Auslassungen und Kürzungen werden durch (…) gekennzeichnet.
Auf Fundstellen in der vollständigen Neuübertragung der Werke Teresas von Elisabeth Peeters OCD und Ulrich Dobhan OCD (Reihe Herder-Spektrum) wird bei Bedarf verwiesen. Da die Nummerierung bei den »Briefen« mit dem spanischen Original nicht übereinstimmt, vermerke ich die Nummer der Herder-Ausgabe durch (H…).
Die übrigen Zitate sind pro Seite durch Kurztitel und Seitenangaben gekennzeichnet, sodass sie anhand des Literaturverzeichnisses zu verifizieren sind.
Für bereits von der Herausgeberin übersetzte Texte verweise ich auf die 2014 erscheinende verbesserte Neuauflage des Teresa-Taschenbuchs bei Herder Spektrum (Band 5150).
Ein herzliches Dankeschön gilt Herrn Thomas Nahrmann, der die vorliegende Arbeit mit großer Einfühlsamkeit und Sachkenntnis lektoriert hat.
München, im November 2014
Elisabeth Münzebrock
Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada wird am 28. März 1515 in Ávila als Tochter des Alonso Sánchez de Cepeda und seiner zweiten Frau Beatriz de Ahumada geboren. Die Mutter entstammt altkastilischem Adel, der Vater, toledanischer Herkunft, muss wegen seiner jüdischen Abstammung um seinen Adelstitel prozessieren: Teresas Großvater hatte sich 1485 unter dem Druck der neuerrichteten spanischen Inquisition zum Christentum bekehrt. Die »Conversos« (Zwangsbekehrten) wurden wegen des Verdachts der Scheinbekehrung und des Wirkens im »Untergrund« noch durch Generationen verfolgt.
Drei Jahre nach dem Tode ihrer Mutter (1531) wird Teresa in ein Internat der Augustinerinnen gesteckt, das sie jedoch wegen Erkrankung bald wieder verlässt. 1535 tritt sie gegen den Willen des Vaters in das karmelitanische Menschwerdungskloster (Santa Maria de la Encarnación) in Ávila ein. Zwei Jahre später legt sie Profess ab und erkrankt so schwer, dass sie außerhalb des Klosters behandelt werden muss. Jene (psychosomatischen?) Krankheiten durchziehen ihr ganzes Leben, hindern sie aber nicht an heroischer Aktivität.
Im karmelitanischen Konvent ringt Teresa ohne Seelenführer achtzehn Jahre lang um Fortschritt im kontemplativen Gebet und asketischen Leben. 1554 erfährt sie vor einer mitleiderregenden Christusstatue eine schwere Erschütterung, die sie zu radikaler Nachfolge bewegt. Schon zwei Jahre später werden ihr kurze »Gotteinigungen der geistlichen Verlobung« zuteil. Nach und nach reift in ihr der Entschluss zu einer Ordensreform. 1562 gründet sie in Ávila das erste Reformkloster San José.
Nachdem ein Jahr später Johannes vom Kreuz in den Orden eintritt, wird durch seine Mitarbeit auch der männliche Orden reformiert. Teresa, die sich jetzt Teresa de Jesús nennt, ist fast ständig auf Gründungsreisen, was aber den Beginn der Unio Mystica, der »geistlichen Vermählung«, keinesfalls hindert, die nach Angabe der Heiligen 1572 erstmals stattgefunden hat.
Durch den Erfolg der Reform wachsen auch die Widerstände, besonders im männlichen Ordenszweig. Als 1575 Pater Jerónimo Gracián nicht nur zum kommissarischen Provinzial für Andalusien, sondern auch zum apostolischen Visitator des Gesamtordens ernannt wird, bricht ein heftiger »Sturm« los, der Teresas engste Mitarbeiter ins Gefängnis bringt und sie selbst, neben Schwierigkeiten mit der Inquisition, zum Aufgeben ihrer Gründungstätigkeit zwingt. Der apostolische Nuntius nennt sie bei dieser Gelegenheit ein »umher vagabundierendes Weib« (Cta 254). Die Kämpfe werden von Rom aus durch Ernennung des P. Angel de Salazar zum Generalvikar der »Unbeschuhten Karmeliten« beendet, welche nunmehr für eigenständig erklärt werden. 1581 tritt das erste Kapitel des sich formierenden Ordens zusammen und wählt P. Gracián zum Provinzial der spanischen Provinzen.
Teresa kann schon 1580 ihre Gründungstätigkeit wieder aufnehmen. Sie stirbt zwei Jahre später, am 4. Oktober 1582 im Kloster zu Alba de Tormes, in dem sie sich besuchsweise auf hielt, an einem Blutsturz. Der nächste Tag ist der 16. Oktober, da in der Nacht der gregorianische Kalender in Kraft tritt. (4. Oktober – 15. Oktober).
Die Seligsprechung erfolgt im Jahre 1614. Drei Jahre später, 1617, wird Teresa zur Schutzpatronin Spaniens ernannt. Im Jahre 1622 folgt die Heiligsprechung. Als erste Frau wird sie 1970 zum Doctor Ecclesiae, zur Kirchenlehrerin, ernannt.
Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada wurde am 28. März 1515 in bewegter Zeit als sechstes von zwölf Kindern in Ávila, Kastilien, geboren. Ein Jahr nach Teresas Geburt geht die Herrschaft der »Katholischen Könige«, Fernando und Isabel, zu Ende. Unter ihrer Regentschaft hatte das unerbittliche Auge der »Santa Inquisición« über die Reinerhaltung des katholischen Glaubens gewacht. Teresa sollte die perfiden Taktiken und Schikanen dieser »Glaubensbehörde« schon bald aus eigener Anschauung kennenlernen! Granada, das letzte Bollwerk der 700-jährigen Maurenherrschaft war 1492 gefallen. Die Juden waren des Landes verwiesen und Amerika war entdeckt worden.
Bereits Teresas Kindheit ist geprägt von Frömmigkeit und der Entschlossenheit, »den Himmel zu erringen, und zwar um jeden Preis« (V 1,4), wie man es aus ihrem Munde erfährt, als sie sich im Alter von acht Jahren mit Rodrigo, ihrem 11-jährigen Lieblingsbruder auf den Weg macht, um »ins Land der Mauren zu ziehen« (ebd.), damit, wie sie in ihrer Vita schreibt, »uns dort aus Liebe zu Gott die Köpfe abgeschlagen würden« (ebd.).
Durch die väterliche Abstammung – Teresas Großvater Juan Sánchez de Toledo war erst 1485 vom Judentum konvertiert – zählt Teresa zu den sogenannten »Conversos«, den bekehrten Juden, denen ein gewisser Hang zur Innerlichkeit und Weltverachtung eigen ist.
Allerdings ändert sich diese weltabgewandte Haltung, als Teresa im Alter von dreizehn Jahren ihre Mutter verliert. Auf Schönheit und weltliche Vergnügungen bedacht, gibt sie sich allerlei Zeitvertreib hin, sodass ihr Vater sich genötigt sieht, die 17-Jährige in das Kloster der Augustinerinnen zu stecken, in dem sie durch ihr gewinnendes Wesen sogleich die Herzen erobert und sich ihre bislang ausgeprägte Abneigung gegen den Ordensstand mindert.
Am 2. November 1535 tritt Teresa – aus Höllenfurcht, wie sie selbst bekennt – in das Kloster der Menschwerdung (Encarnación) zu Ávila ein, in dem sie ein Jahr später eingekleidet wird und am 3. November 1537 Profess ablegt. Der Wechsel der Lebensform und vor allem die schweren inneren Kämpfe werfen Teresa erneut auf das Krankenlager, sodass Don Alonso, ihr Vater, zu einer sog. »curandera«, einer »Heilerin«, in Becedas Zuflucht nimmt.
Auf dem Weg dorthin fällt ihr bei ihrem Onkel, Don Pedro Sánchez de Cepeda, das Buch in die Hände, welches für ihr späteres mystisches Erleben von ungeheurer Bedeutung werden sollte: das »Tercer Abecedario« (Das Dritte Geistliche ABC) des Francisco de Osuna – eine Einführung in das innere Gebet. Eine neue Welt eröffnet sich ihr und zeitgleich beginnt sich eine innere Wandlung in Teresa abzuzeichnen. »Seine Majestät«, so nennt Teresa Gott, »begann mir viele Gnaden zu erweisen. Ich versuchte, so gut ich konnte, Jesus Christus immer in mir gegenwärtig zu halten. Dies war meine Art und Weise zu beten«, bekennt sie Jahrzehnte später in ihrer »Vida«. Das Leben, die Menschheit Christi, »la Humanidad de Cristo«, seine Passion und sein Tod werden fortan Gegenstand ihrer Reflexion und ihres liebenden Versenkens.
Die im April 1539 unternommenen Heilungsversuche der »curandera« hatten Teresa körperlich zerrüttet und an den Rand des Grabes gebracht. Im Juli desselben Jahres kehrt sie völlig gebrochen in die Encarnación zurück. Etwa drei Jahre lang bleibt sie gelähmt, unfähig, auch nur die geringste Bewegung auszuführen.
Nach Wiedererlangung ihrer Gesundheit, die sie dem segensreichen Wirken ihres Lieblingsheiligen San José zuschreibt, unterhält sie – den Gewohnheiten des Klosters gemäß – äußerst regen Kontakt zur Außenwelt. Ihr bezauberndes Naturell und ihr feuriges Herz ziehen die Besucher auch noch am Sprechgitter an.
»Fast 28 Jahre [gesteht sie selbst] war es ein ständiges Fallen und Wiederaufstehen, es war kein gutes Aufstehen, da ich immer wieder fiel, denn, weder erfreute ich mich an Gott, noch fand ich in diesen Kontakten zur Welt meine innere Ruhe.« (V 8,2)
Da geschieht 1554 das Unerwartete: Vor einem Bild Christi, das ihn als Schmerzensmann zeigt, »ante un Cristo muy llagado« (V 9,1) wird Teresa angerührt, aufgewühlt, bis sie, in Tränen aufgelöst, sich vor ihm niederwirft und gelobt, von nun an nur noch für Ihn zu leben. Dieses Erlebnis einer Konversion wird der Beginn eines völlig neuen Weges radikaler Selbstaufgabe, der sie in ungeahnte Höhen mystischer Vereinigung führen sollte. Immer wieder ist Gott selbst derjenige, der die Initiative ergreift. Teresas »Antwort« ist sie selbst, die Hingabe ihrer Kräfte, ihrer Zeit und vor allem ihres feurigen, liebesbedürftigen Herzens. Denn Beten ist, gemäß ihrer eigenen Aussage, »nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil wir sicher sind, dass er uns liebt.« (V 8,5)
Aus dieser neuen Erfahrung heraus wird Teresa de Ahumada zu Teresa de Jesús, d. h. »ganz die Seinige«, und fortan ist es nur allzu konsequent, dass sie nach Mitteln und Wegen sucht, diese ihre innere Erfahrung auch anderen Menschen – zunächst den sie umgebenden Mitschwestern – mitzuteilen.
Dies ist der eigentliche Antrieb all ihrer Reformpläne, die sie trotz aller Widerstände und Strapazen mit der Gründung von insgesamt 18 Reformklöstern verwirklicht.
Ihr ganzes Leben lang – besonders aber auf dem Höhepunkt ihrer rastlosen Gründungsaktivitäten – wird Teresa bestimmt von jener als »unaussprechlich« (ineffabile) zu bezeichnenden Erfahrung einer innigen, intimen Freundschaft mit Gott, den sie in ihrem Inneren, aber auch in Menschen und Situationen erfährt. Sie erlebt seine Menschheit und Nähe in einer stetig wachsenden Vertrautheit und doch beklagt sie ihre eigene Armseligkeit und Sein Anderssein. Und so geht es Teresa wie allen Mystikern: Sie ringt um den Ausdruck des Unerhörten, das ihr widerfährt. In Wort und Schrift – auf Geheiß und im Gehorsam gegen ihre Beichtväter – lässt sie ihre damaligen und uns heutige Leser teilhaben an jener Erfahrung in einem Gesamtwerk, das zum Schönsten der spanischen Literatur zählt und das uns heute in verschiedenen Ausgaben und in unzählige Sprachen übersetzt, erhalten ist.
Zeit ihres Lebens war Teresa ein liebesbedürftiger und gleichzeitig »Liebe-verströmender« Mensch. Erst nach langen Jahren des Kampfes merkt sie, dass die Erfüllung ihrer menschlichen Begabungen allein im Sich-Verschenken an Gott und die Mitmenschen möglich und von ihr gefordert ist.
Immer und zu allen Zeiten ihres Lebens muss Teresa faszinierend auf ihr jeweiliges Gegenüber gewirkt haben.
Und doch ist ihr diese Liebesfähigkeit auch immer wieder zum Fallstrick geraten, der sie am »mystischen Höhenflug« hindern und in eine dauernde Kampfsituation bringen sollte.
Ein weiterer typischer Wesenszug Teresas ist ihr schon früh dokumentiertes Interesse an Abenteuern und großen Taten, »para siempre, siempre« (für immer, immer) (V 1,4) pflegte sie dabei zu wiederholen, um sich und anderen Mut zu machen. Genährt wird diese Grundanlage durch die bei der Mutter gefundenen Ritter- und Abenteuerromane, die beide – gegen den Willen des gestrengen Eheherrn und Vaters – buchstäblich verschlingen: »ja, so sehr war ich in diese Neigung verstrickt, dass ich mich unzufrieden zeigte, wenn ich nicht immer wieder ein neues Buch hatte.« (V 2,1)
So entsteht in ihr der Drang, immer Neues, immer Größeres zu erfahren, sicher begünstigt durch das häusliche Klima, in dem ihre Brüder, einer nach dem anderen, in die Neue Welt, »las Indias«, auf brechen, um dort für Land und König zu kämpfen.
Erst als Teresa nach 1554, dem Jahr ihrer Konversion, mehr und mehr den Blick nach innen und auf Ihn richtet, erfüllt sich endgültig dieser Hang zum Großen, Nie-da-Gewesenen … aber auf völlig andere Weise: Sie lässt sich ein auf das Wagnis, das Gott heißt. Und zu Recht wird Teresa ein »Genie der Freundschaft zwischen Gott und den Menschen« genannt.
Sie schien tatsächlich zur Freundschaft wie geschaffen und gehörte zweifellos zu jenen Menschen, von deren Freundschaft alle nur träumen konnten. Ihr ganzes Leben lang bleibt sie die bezaubernde, geistreiche und einfühlsame Frau, die – trotz oder parallel zu ihren einzigartigen »mystischen Höhenflügen« – mit beiden Beinen auf der Erde steht und mit unbezwingbarem Charme ihre Gesprächspartner verblüfft:
Als sie eines Tages ihre Vorzüge rühmen hörte, erwiderte Teresa mit der ihr eigenen Schlagfertigkeit:
»Einige sagen, ich sei intelligent, nun ja, ich halte mich nicht gerade für dumm; andere sprechen von meiner Heiligkeit – Gott allein hat hierin das letzte Wort – wieder andere rühmen meine Schönheit; nun denn, ›a la vista está‹, was etwa heißt: das ist ja nun auf den ersten Blick zu sehen.« (Alfonso Ruiz, Anécdotas teresianas, Burgos 1981, S. 212)
Versuchen wir also das nahezu Unmögliche: Nähern wir uns in sieben Schritten der vielschichtigen, in sich »unfassbaren« Persönlichkeit dieser »heiligen« und »menschlichen« Heiligen. Wohl wissend, dass die Lektüre der signifikantesten Stellen dieses beeindruckenden Gesamtwerks jener begnadeten Schriftstellerin nur einen Bruchteil seines ganzen Facettenreichtums erschließen kann.
Als »Leitfaden« bei unserer Spurensuche möge Teresas eigene WEG-Suche dienen. Hochintelligent und mit scharfem, analytischem Verstand ausgestattet, unternimmt sie immer erneut den Versuch, ihren eigenen geistlichen Prozess zu »orten«, eventuell auch zu korrigieren, um dann ihre Beichtväter und später die Mitschwestern ihrer Neugründungen daran teilhaben zu lassen.
An einer Säule des Apollotempels von Delphi lesen wir, neben anderen Weisheiten: »Jedem Menschen ist es zu eigen, sich selbst zu erkennen und vernünftig zu denken« (Heraklit).
Und die Sehnsucht nach diesem »Sich-selbst-Erkennen«, »Gnothi seautón«, auf Latein »Nosce te ipsum«, begleitet und inspiriert seither die gesamte Menschheit.
So hat auch Teresa von Ávila sich nach und nach intensiver kennengelernt, die Ängste und Blockaden ihrer Kindheit und Jugend aufdeckend, die sie daran hinderten, tiefer zu gehen, »entrando en la espesura« (wie Johannes vom Kreuz das nannte), bis hin zu jenem »Grund«, jenem unendlichen Raum, der sie erfüllte und der nicht kleiner wurde, sondern sich mehr und mehr weitete, sobald sie ihn mit den Augen Gottes durchmaß.
Dieser »Prozess« führt Teresa zunächst durch Alpträume. Später »somatisiert« sie ihn in ihren zahllosen schweren Krankheiten, während sie »immer mehr ihr Ich loslässt«, damit ER, »Seine Majestät« (wie sie Gott ehrfürchtig und liebevoll zugleich nennt) den ganzen »Raum« einnehmen und ihn bis zum »Überlaufen« füllen kann … während ER sie gleichzeitig in das »Fünkelîn der Seele« geleitet, von welchem uns der große Meister Eckhart kündet, und wie sie selbst später sagen wird, »dort(hin), wo die tief geheimnisvollen Dinge zwischen Gott und der Seele vor sich gehen« (M 1, 1–7).
Im Spanien des »Siglo de Oro« (des gar nicht so »goldenen« Zeitalters!) treffen wir auf eine Persönlichkeit, die so reich und »überbegabt« im menschlichen und göttlichen Sinne uns Männer und Frauen des X XI. Jahrhunderts »mit offenem Mund« zurücklässt. Und dies in Anbetracht ihres Lebens, ihrer Schriften, ihres Zeugnisses von einem Gott, der nicht nur »existiert«, sondern der sich für seine Geschöpfe interessiert und sich um sie kümmert, der sich von ihnen dienen und beschenken und vor allem »aus ganzem Herzen lieben« lässt …
Und sie, Teresa Sánchez de Cepeda y Ahumada, erzählt es uns selbst mit fester Stimme, gegen alle Widerstände, trotz der Drohungen und dunklen Machenschaften der »Santa Inquisición«.
Und sie macht sich daran, »um dem Herrn zu gehorchen, der es mir aufgetragen hat« (V 37,1), ein hervorragendes Werk zu verfassen, in welchem es ihr – als nicht-studierter Frau (mujer no letrada!) gelingt, mit allerhand sprachlichen Kunstgriffen und Bildern die »Erbarmungen dieses Gottes« mit ihrer Seele zu schildern. Und mehr noch: Sie erlaubt sich, genau der »crème de la crème« der gelehrten Männer ihrer Zeit Ratschläge zu erteilen, um sie »um der Liebe Gottes willen« zu überzeugen, dass es keinen anderen Weg geben könne. Aber, hören wir sie selbst:
»Oftmals kommt eine so plötzliche und gewaltige Aufwallung, ohne dass der Gedanke daran oder sonst eine Hilfe vorangegangen wäre, dass ihr seht oder spürt, wie diese Wolke oder dieser mächtige Adler aufsteigt und euch auf seinen Schwingen davonträgt.« (V 20,3)
Dies also geschieht Teresa – stark vereinfacht dargestellt – während ihres ganzen Lebens: »Diese Wolke, oder diesen mächtigen Adler« (ebd.) »aufsteigen zu sehen« und auf diese Weise immer mehr sie selbst zu werden: »Ganz von Gott erfüllt – und ganz dem Menschsein verpflichtet.«
Aber was ist das Geheimnis dieses »Prozesses«, der manchmal langsam und mühsam, manchmal ekstatisch und »a raudo vuelo« (im Sturzflug) vor sich geht? Oder, mit Carl Gustav Jung gesprochen, welche sind die Phasen des Prozesses ihrer »Individuation«, der sie mit ihrem »Schatten« konfrontiert und sie nach und nach freimacht von ihren falschen Illusionen, Selbsttäuschungen, Alpträumen, ihrer Furcht und ihren Todesängsten?
Teresa unterwirft sich einem Prozess – heute würden wir von »Selbst-Evaluierung« sprechen – und zwar »gnadenund erbarmungslos« obgleich mit großer anfänglicher Angst. Hierbei lernt sie sich mehr und mehr selbst kennen, denn man muss »auf den Grund gehen«, um bis zu jenem unendlichen Raum vorzudringen, der in uns wohnt und den sie (Teresa) wahrhaftig als »unendlich« erfahren durfte.
Und immer wieder berichtet sie uns von dem »Preis« dieses »Prozesses« und meint dabei ihre unzähligen Krankheiten, die sie ihr Leben lang begleitet haben: »Es befielen mich neben Fieberschüben auch immer wieder starke Ohnmachtsanfälle, da ich immer eine sehr schwache Gesundheit hatte.« (V 3,7)
Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass ihre Leiden psychosomatischer Natur waren, da sich ihr ganzer Körper gegen diese »großen inneren Mühen« und außerordentlichen Anforderungen und Erfahrungen zur Wehr setzen musste.
Dies alles ist aber auch ein »Prozess der Befreiung«, wie ihn uns die zeitgenössische Psychologie beschreibt. Ein Phänomen, das neuen Raum schafft und – im Fall Teresas – sie liebenswürdiger, zugänglicher macht und ihre natürliche Fähigkeit zur Liebe und Zärtlichkeit, ihre Empathie und verströmende Liebesfähigkeit noch verstärkt.
Es ist evident, dass dieser Prozess von einem anderen Phänomen begleitet wird: dem »außerordentlichen« Hang und der Notwendigkeit »sich mitzuteilen«, das Erlebte für jene, die es verstehen konnten (oder auch nicht!) in Worte zu fassen. Es ist dies die gleiche »Zwanghaftigkeit«, das zu »geworten«, was sich im Inneren abspielt, die den Mystikern aller Zeiten zu eigen ist, gemäß Meister Eckharts Ausruf: »Wêre hier nieman gewesen, ich mueste si disem stocke geprediet hân.« (Sudbrack, Von der Kraft und der Zerbrechlichkeit des Wortes, S. 1–4)
Teresas fruchtbares Wirken und die »überbordende« Aktivität ihrer 50er-Jahre – im Jahre 1565, dem Jahr der zweiten Niederschrift ihrer Autobiografie – werden sich in der Folge einerseits in den »Klostergründungen« und andererseits in der Systematisierung dieses geistlichen Prozesses in der »Seelenburg«niederschlagen. Bereits seit ihrer Kindheit weiß Teresa auf konkrete Situationen adäquat zu antworten:
»Als ich erkannte, dass uns jener Weg (ins Maurenland) versperrt war, wo uns aus Liebe zu Gott die Köpfe abgeschlagen würden, beschlossen wir, Einsiedler zu werden und zu diesem Zweck Eremitagen im elterlichen Garten zu errichten.« (V 1,5)
Sie akzeptiert mit Natürlichkeit die ihr eigene Sympathie:
»Da ich nun, sobald ich aus diesem Alter herauswuchs, zu begreifen begann, welche natürlichen Reize der Herr mir gegeben hatte – die den Berichten nach zahlreich waren – [Teresa bleibt Realistin und sieht durchaus auch die negative Seite], fing ich an, mich ihrer zu bedienen, um den Herrn zu beleidigen.« (V 1,8)
Dennoch ist sie sich ein Leben lang sehr wohl dieser glücklichen Veranlagung bewusst, die sie auch geschickt für ihre späteren »Beziehungen« auszunützen weiß: »Diese Gnade hat mir der Herr verliehen, dass ich überall wohin ich kam, gern gesehen und überaus beliebt war.« (V 2,9)
Teresa findet immer Mittel und Wege, sich durchzusetzen und den anderen zu überzeugen: Sie – wie übrigens auch ihre Mutter – weiß, die Ritterromane vor den gestrengen Augen ihres Vaters (und Ehemannes) Don Alonso zu verbergen. »Darüber war mein Vater so verstimmt, dass wir achtgeben mussten, dass er es nicht sah. (…) Mir kam es nicht schlimm vor, (…) wiewohl es hinter dem Rücken meines Vaters geschah.« (V 2,1)
Sie versteht es meisterhaft, die für ihre Ziele geeigneten Strategien zu nutzen. Schon in ihrer kindlichen Seele taucht der Wunsch auf, für immer den Himmel zu erobern. Sie gewinnt ihren Bruder Rodrigo als Bundesgenossen und plant zielstrebig die »Flucht ins Maurenland«: »wir kamen überein, uns ins Land der Mauren aufzumachen, damit sie uns dort um der Liebe Gottes willen die Köpfe abschlügen.« (V 1,4)
Und anlässlich ihres »heimlichen« Eintritts ins Kloster der Menschwerdung (Encarnación) vermag sie erneut einen ihrer Brüder ( Juan de Ahumada) – mit dem Argument der Vergänglichkeit dieser Welt – zu überzeugen, »sie zu begleiten« und gleichzeitig »selbst den Habit zu nehmen« (V 4,1).
Teresa ist »liebesbedürftig« und nimmt sich als »liebenswert« wahr: Zunächst ist sie »der Liebling ihres Vaters« (V 1,4), aber gleicherweise liebt sie ihren Bruder (Rodrigo de Cepeda) über alles: »Ich hatte einen Bruder, der fast genauso alt war wie ich, wir taten uns zusammen, um Heiligenlegenden zu lesen, und das war der, den ich am liebsten mochte.« (V 1,4)
Dabei ist es keinesfalls unbedeutend für diesen Prozess der Selbstfindung, dass Teresa in erster Linie Frau ist und noch dazu eine ziemlich gut aussehende Frau.
Sie ist eine glühend liebende, in allen Fasern ihres Wesens feminine Frau. Eine Frau, die von Liebe wusste, die auch zuweilen bis hart an die Grenze ging, bis sie »der großen Liebe ihres Lebens, Ihm selbst« begegnete. Sie ist ferner eine intelligente und fesselnde Frau von scharfem, analytischem Verstand, wagemutig und klug zugleich. Eine Frau, inmitten einer von Männern dominierten Welt, die sich in eben dieser Welt durchzusetzen versteht und nach und nach auch ihre Gegner auf ihre Seite zu ziehen weiß.
Die ständige Suche nach Ihm, nach »Seiner Majestät«, ist der Schlüssel, um in die »innere Burg« dieser erstaunlichen Frau einzudringen, in dieses »Mysterium« ihres Lebens (Vida). Schwierig und steinig ist jener Weg zu einer Vollkommenheit, wie ER sie wünschte, ihr »Ein und Alles«, auf den allein die junge Teresa, dann die reife Frau, und schließlich die große Mystikerin und Mystagogin aus Ávila vertraut. Sie war zu den unerhörten Gipfeln der »Erfahrung« eines nahen Gottes gelangt, so nah, dass »ER sich in ihr sucht«, weil sie, Teresa, nicht einen Augenblick lang auf hört, sich in IHM zu suchen (»Alma, buscarte has en mí« in: Obras Completas, Poesías, a.a.O. S. 503).
Obwohl eine Frau zu sein, zu Teresas Zeit bedeutet, keinen Zugang zu Bildung und Wissen zu haben, erklärt sie mehrfach, »ich war immer eine Liebhaberin von Studien« (V 5,3) und wie viel mehr sehnt sie sich nach Bildung, wenn es darum geht, ihre mystischen Erfahrungen zu erklären, sodass sie ausruft: »Aber diese spirituelle Sprache ist für solche, die – wie ich – nicht studiert haben, so schlecht zu erklären.« (V 11,6)
Teresa hat im Prinzip drei Quellen für ihre Selbstbildung: die geistlichen Autoren ihrer Zeit, die Predigten ihrer Beichtväter und den persönlichen Dialog mit jenen »hombres letrados« (den gelehrten Männern).
Da sie seit ihrer Kindheit begierig danach strebt, Neues kennenzulernen, und außerdem mit einer überdurchschnittlichen Fantasie begabt ist, verschlingt sie während ihrer schweren Krankheit sämtliche verfügbare geistliche Literatur ihrer Zeit: So sucht sie Zuflucht in der »Imitatio Christi« des Thomas a Kempis und in der »Vita Christi« des Ludolf von Sachsen. Teresas Gefühlsreichtum wird geweckt in dem Maß, in dem sie sich entschieden Christus in seinem Leiden zuwendet. Das »Tercer Abecedario« (Das Dritte Geistliche ABC) des Franziskaners Francisco de Osuna wird mehr als zwanzig Jahre lang der entscheidende Wegweiser ihres Gebets der Sammlung sein, da sie sich in ihm widergespiegelt sieht.
Und wir erkennen ein weiteres Wesensmerkmal in Teresa: ihr übergroßes Bedürfnis, das zu »ge-worten«, was in ihrer Seele geschieht, um es zugleich auf seinen Wahrheitsgehalt zu prüfen, was ihr Zeit ihres Lebens viel Leid einbringen wird.
Die großen spanischen Heiligen Fray Luis de Granada und San Pedro de Alcántara werden sie von nun an zu neuen Weisen der Kontemplation inspirieren, sie verstehen und in ihren »unerhörten« Erfahrungen bestärken: »Ich sah, dass er mich aus seiner eigenen Erfahrung heraus verstand.« (V 30,4)
Auch beeindruckt und prägt sie die Lektüre der »Confessiones« des Hl. Augustinus um das Jahr 1554 (V 9,8), in denen sie sich verstanden und bestärkt fühlt in ihrer Intuition, dass man einerseits Christus im tiefsten eigenen Inneren suchen müsse und dass andererseits »Sammlung und Aktivität« sich nicht ausschließen.
Als 1559 der Index der verbotenen Bücher erscheint, der es unmöglich macht, geistliche Bücher in der »Volkssprache« (en »romance«) zu besitzen, sieht Teresa sich all ihrer Lektüre beraubt, welche die Grundlage ihrer geistlichen Bildung und Nahrung gewesen war. (V 26,6)
Sie »erkennt und nährt sich« durch Predigten und Gespräche mit den berühmtesten »hombres letrados« ihrer Zeit, die sie mit »Begierde und innerer Glut« (ebd.) aufnimmt.
In den Predigten der sie umgebenden Theologen, »ich hörte ihnen mit wahrer Begierde zu« (V 8,12), lernt Teresa neue Sprachbilder und Ausdrucksweisen kennen und wird eingeführt in die religiöse Literatur ihrer Zeit. Viel von dem, was sie uns später von der Menschheit Christi erzählen wird, hat sie von diesen Predigern gehört.
Teresa hat das Glück, zeitgleich mit sehr gelehrten und namhaften Persönlichkeiten ihrer Zeit zu leben, als da sind der Kleriker Gaspar Daza, die Jesuiten Baltasar Álvarez und Francisco de Borja sowie der Dominikaner Vicente Barrón, Consultor bei der Inquisition, oder auch die berühmten Theologen Domingo Báñez und Pedro Ibáñez und viele andere mehr.
Mit all dem gelangt Teresa zu einer immer tieferen Erfahrung ihres Gottes, während sie sich zugleich immer mehr selbst zu erkennen lernt. Durch ihre Autobiografie wissen wir von ihren großen »Schwankungen« und dem dauernden »Auf und Ab« dieses geistlichen Weges trotz jener sie kennzeichnenden »determinada determinación« (felsenfesten Entschlossenheit). Noch immer hat Teresa das Hineingehen in die »Burg« nicht wirklich ernst genommen, wie sie selbst uns später in ihrer Schrift »Die Seelenburg« wissen lässt. Und der Schlüssel für das »Betreten« der »inneren Burg« dieser erstaunlichen Frau, dieses »Mysteriums« ihres »Lebens« (Libro de la Vida) ist ein fortwährendes Loslassen ihres eigenen Ichs und die immer neue Initiative Gottes.
Teresa de Jesús beschreibt das Beten ihrer frühen Jahre wie folgt: »Ich versuchte, so gut ich es vermochte, mir Jesus Christus als in meinem Inneren gegenwärtig vorzustellen.« (V 4,8)
Es ist das erste Mal, dass sie den Ausdruck »in meinem Inneren« gebraucht; sie wird diese Aussage beinahe zwanghaft ihr ganzes weiteres Leben wiederholen.
Aber zur endgültigen Begegnung mit ihrem Herrn kommt es in der Fastenzeit des Jahres 1554 und zwar vor einem »Cristo muy llagado« (V 9,1–3), einem ganz mit Wunden bedeckten Christus. Obgleich sie nicht sofort die Zielrichtung ihres Lebens ändert, ist dies eine höchst intensive Begegnung, die sie im Innersten aufgewühlt und tief beeindruckt zurücklässt (vgl. V 9,10). Von jetzt an intensiviert sich Teresas Suche und verändert vor allem ihre Weise zu beten. Sie ist sich bewusst, dass jetzt »Formalismen« nichts mehr wert sind, dass der »Umgang« mit Ihm »persönlich« und beinahe von »Du zu Du« sein muss: »Ich konnte nur mehr an Christus als den Menschen denken.« (V 9,6)
Von einer eher allgemeinen Erfahrung der Gegenwart Gottes gelangt Teresa nunmehr zu einer persönlichen und dauerhaften Begegnung mit der Person Jesu Christi.
Im Jahre 1556 erlebt Teresa de Jesús eine mystische Verzückung und sieht sich von ihren ungeordneten Neigungen befreit: »Ich möchte nicht, dass du noch länger Unterhaltung mit Menschen pflegst, sondern vielmehr mit Engeln« (V 24,5), glaubt sie Jesu Worte zu vernehmen.
Ihre Erfahrung von Gott als einem Freund bringt Teresa dazu, das Gebet als Beziehung einer tiefen Freundschaft zu beschreiben:
»Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als ein Gespräch mit einem Freund, mit dem wir oft und gern allein zusammenkommen, um mit ihm zu reden, weil wir sicher sind, dass er uns liebt (…) Ich habe dies klar erkannt.« (V 8,5–6)
Es geht der Heiligen fortan nicht mehr darum, uns ihr äußeres Leben zu erzählen, sondern Gottes Handeln in ihm zu veranschaulichen.