Wenn nur das Heimweh nicht wäre ... - Martin Schmid - E-Book

Wenn nur das Heimweh nicht wäre ... E-Book

Martin Schmid

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Beschreibung

Das Buch enthält die authentischen Briefe eines Wehrmachts-Soldaten, der mit 18 Jahren in tschechoslowakische Kriegsgefangenschaft gerät und dort bis 1948 festgehalten wird.

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Vorbemerkung

Das für dieses Buch verwendete Material ist authentisch. Es stammt aus dem Nachlass von Rolf Betzler, der im Sommer 1944 nach der Ablegung eines „Notabiturs“, von der Schulbank weg, im Alter von knapp achtzehn Jahren zur Wehrmacht eingezogen wurde. Am 10. Mai 1945 geriet er in der heutigen tschechischen Republik, beim Versuch, sich zu den amerikanischen Linien durchzuschlagen, an der Moldau, deren Übergänge inzwischen abgeriegelt waren, in russische Gefangenschaft. In der Folge wurde er aber von der Roten Armee nicht in die Sowjetunion verbracht, da er wegen seines schmächtigen Körperbaus für den Wiederaufbau dort nicht für geeignet gehalten wurde. So blieb er in der Tschechoslowakei als deren Kriegsgefangener. Er sprach nur wenig und ungern über diese Zeit. Als wir nach seinem Tod von einer seiner Nichten seine Briefe aus der Gefangenschaft, die seine Mutter gesammelt hatte, erhielten, konnten wir uns zusammen mit dem, was wir aus seinen spärlichen Erzählungen wissen, ein einigermaßen zusammenhängendes Bild machen, von dem, was er in seinen jungen Jahren und nach wenigen Wochen Kriegseinsatz in fast vierjähriger Gefangenschaft durchmachen musste.

Ein Schuljunge wurde Soldat

Rolf Betzler ist ein typischer Vertreter der Generation von jungen Männern, die noch Kinder waren, als die Nazis an die Macht kamen und dann als Jugendliche die Endphase des Dritten Reichs als letzte Reserve der Wehrmacht miterleben mussten. Die meisten von ihnen ließen sich von der Goebbels'schen Propaganda beeindrucken und glaubten tatsächlich noch an den „Endsieg“, als längst klar geworden war, dass Deutschland den Krieg verloren hatte. Die Historiker sind sich heute einig, dass spätestens Mitte 1943 die Sache entschieden war und es nur noch eine Frage von Monaten sein konnte, bis Deutschland kapitulieren müsste. Dass es trotzdem noch fast zwei Jahre dauerte und noch Millionen von Menschen ihr Leben verlieren mussten bis es endlich so weit war, ist aus heutiger Sicht nur sehr schwer nachzuvollziehen.

Als Rolf im Sommer 1944 eingezogen wurde, musste die Lage längst jedem, der denken konnte eindeutig klar sein:

Die Rote Armee stand im Osten vor den Grenzen des Reiches, im Süden hatten die Alliierten die Toskana erreicht und im Westen standen sie faktisch am Rhein. In diese Situation gehören die ersten Briefe von Rolf. Sie klingen noch so, als befinde er sich auf einem Pfadfinder-Ausflug, auch wenn er kurz danach von seiner „Feuertaufe“ berichtet. Es scheint fast als habe er den Ernst der Situation, in der er sich befand, noch gar nicht begriffen.

Sein etwas mehr als ein Jahr älterer Bruder Jochen gibt ihm „kluge“ Ratschläge. Er scheint zu spüren, dass es für Rolf gefährlich werden könnte, denn er wird nicht dem Volkssturm zugewiesen sondern ganz offiziell zur Wehrmacht eingezogen. Dies hat für ihn die traurige Folge, dass seine Gefangenschaft so lange währt.

Die Texte wurden original übernommen und weder grammatisch noch orthografisch verändert oder angepasst. Nach welchem System die Briefe von ihm und seiner Mutter nummeriert wurden, hat sich uns nicht erschlossen. Wir haben sie einfach so belassen.

Feldpost vom

6.X.44

An mein Brüderlein

Darunter fügt die Mutter ein:

Heute Abend folgt Brief

Gruß + Kuß Mama

Liebes Rolfle!

Heute will ich Dir kurz noch einige Zeilen schreiben.

Ich hoffe, daß Du Deinen Urlaub gut verbracht hast u. auch die letzten Tage noch gut verbringen wirst.

Nun, mein liebes Rolfle wenn Du nun an die Front kommen solltest, so sei vorsichtig, lege Dich lieber öfter mal auf die Schnauze u. es ist ganz gleich wo Du liegst, im Kuhmist oder sonst wo im Dreck. Hauptsache Du hast Deckung gegen Splitter. Wenn Schlachtflieger kommen u. Du befindest Dich alleine au dem Felde so laufe nicht davon, sondern lege Dich auf den Boden, wo Du stehst. Dann noch etwas halte Dich am Anfang immer an die alten Soldaten, die Frontbewährung haben, sie sind die besten Lehrmeister. Also liebes Rolfle beherzige meine Worte!!!

Für heute grüßt Dich herzlich

Dein Jochen

Feldpost

22.X.44

Mein liebes Brüderchen! Heute möchte ich Dir mal wieder einige Zeilen schreiben, obwohl ich Deine Anschrift nicht kenne. Für Deine 2 Briefe vom 3.X. Und 4.X. meinen herzlichen Dank. Ich habe mich sehr gefreut, auch von Dir mal wieder ein Lebenszeichen zu erhalten. Ich bin nun seit 2 Tagen wieder bei meinem Haufen angelangt. Sechs Wochen sind nun so schnell vergangen, sechs schöne Wochen in einem kleinen deutschen Städtchen an der Weichsel mit 3 Wirtschaften, einem kleinen Kino und einem großen Lager mit 750 Mädels. Am Schluss hatten wir einen Kameradschaftsabend mit Tanz, wo es toll herging, das kannst Du Dir denken. Am Morgen um 5.00 war ich zum Antreten gerade noch recht gekommen aber die Hälfte fehlte noch. Wir sollten nun schon morgen fahren. Verpassten aber unter solchen Umständen den Zug. Mama hat mir im letzten Brief geschrieben, daß Eva B.1) einem Luftangriff zum Opfer gefallen ist. Ich kann es gar nicht glauben. Ich bin nun wieder in der Feuerstellung. Der Iwan läßt uns soweit in Ruhe. Heute werde ich wahrscheinlich auf B-Stelle gehen. Wetzer 2) können sie auch bald holen. Ich glaube, daß er auch bald an der Reihe ist.

Für heute will ich nun schließen wenden

Es grüßt Dich herzlich Dein Jochen

P.S.: Den Brief schicke ich nach Hause,Sie sollen ihn Dir nachschicken Lasse bald etwas von Dir hören

Man versteht aus heutiger Sicht nicht, wie Jochen in so einem fröhlich optimistischen Ton schreiben konnte. War es das Pfeifen im dunklen Wald oder wussten die Soldaten wirklich nicht, wie es um sie stand?

Einen Tag bevor Jochen diesen Brief schrieb war Aachen als erste deutsche Stadt von den Alliierten eingenommen worden, im Osten konnte es nur noch eine Frage von Tagen sein bis die Sowjetarmee auf deutsches Territorium durchbrechen würde. Wussten die Soldaten an der Front tatsächlich so wenig über die militärische Lage? Oder waren sie so stark von der eigenen Propaganda beeinflusst, dass sie sich ihre Situation schön redeten und das, was sie sahen einfach ausblendeten? Dabei musste doch auch Rolf klar sein, wie es um Deutschland stand, als Hitler trotz der angekündigten „Wunderwaffen“ schon einen Monat zuvor das letzte Aufgebot mobilisiert hatte:

Die Kampfkraft des Volkssturms war sehr gering. Viele der Männer waren Veteranen des ersten Weltkriegs und konnten durchaus einschätzen, in welch verzweifelter Lage sich Deutschland befand. Die allermeisten hatten keine Lust noch kurz vor Schluss den „Heldentod“ zu sterben und nahmen jede Gelegenheit wahr, den direkten Kämpfen zu entgehen oder sich gleich ganz abzusetzen. Es gab aber auch einzelne Beispiele, wo sich vor allem fanatisierte Verbände der Hitlerjugend in sinnlosen Kämpfen aufopferten und nichts erreichten außer einer Verlängerung des Krieges um ein paar Tage, meistens sogar nur um ein paar Stunden.

Es bleibt uns deshalb unverständlich, dass es trotzdem noch Menschen gab, die fanatisch an den „Endsieg“ glaubten oder zumindest meinten, es wäre ihre Pflicht, den Krieg bis zum bitteren Ende fortsetzen zu müssen.

Feldpostnummer

21930 B O.U. 3.11.44

Liebe Mama,

Sind nun glücklich und ohne besondere Zwischenfälle an unserem Bestimmungsort angelangt. In Hagenau verbrachten wir noch einen schönen Tag. Sonst gibt es nichts Neues. Das Essen ist prima. Jeden Tag gibt es Rauchwaren. Darum besitze ich noch Rauchermarken. Die schickst Du bitte Onkel3), der sie ja dann noch verwenden kann. Ob und wie lange wir hier noch bleiben ist unbestimmt. Hier ist noch tiefster Frieden.

Also recht viele Grüße und bald mehr.

Heil Rolf

Viele Grüße auch an Juë 4)

Als Absenderadresse ist die Ludendorffkaserne in Böblingen angegeben, dann aber durchgestrichen und durch die Feldpost-.No. 21930 B ersetzt.

Der Brief hat keine vollständige Empfängeranschrift, kam aber offenbar bei seiner Mutter an.

O.U.

den 6.11. 44

Da gestern unser Licht nicht in Ordnung war, komme ich erst heute Abend dazu, Dir ein paar Zeilen zu schreiben. Wir liegen also in einem netten größeren man kann schon sagen, in einem ganz romantischen Dorf am Fuße der Vogesen. Die Landschaft erinnert einen sehr stark an zu Hause. Das Wetter ist halt herbstmässig, aber nicht so viel Regen wie in Böblingen. – Unsere Verpflegung ist natürlich prima. Heute Abend gab es eine Büchse Ölsardinen und ein großes Stück Butter usw. Die Kompanie setzt sich zum grössten Teil aus lauter gemütlichen Menschen, nämlich Bayern zusammen. Ich freue mich schon auf meinen ersten Einsatz. Hoffentlich geht unsere Ausbildung hier nicht mehr allzu lange. Wir haben bei uns einen Leutnant, der genau so aussieht wie Jochen, daher besitzt er meine besondere Zuneigung. Sonst ist hier auch nicht viel los. Ab und zu gibt es auch Alarm. Morgen habe ich vor mal auszugehen. Hast Du eigentlich Nachricht von Jochen, Hiermit schicke ich Dir auch die Post von Jochen zurück.

Nun recht viele Grüße auch an Juë, Emma5) und alle anderen

recht viele Küsse

von Deinem Rolf.

Frankreich

9.11.44

Liebe Mama!

In aller Eile ein kurzer Gruß. Mir geht es prima. Hausen in einem Bauernhaus hoch auf den Bergen und haben schöne Sachen zu essen haben auch genügend. Bratkartoffeln gab es heute die wir selbst organisierten. Besonders beliebt sind deutschfeindliche Schweine. Wir sind mit einem Personenkraftwagen hierher gekommen wo Jochen den Winter 42/43 war auf Lehrgang. Bin als Melder eingeteilt. Sonst gibt es nichts Neues. Bin auch fürchterlich müde und liege schon im Bette.

Viele Grüße von

Deinem Rolf

Rückseite:

Flöhe gibt es hier auch.Viele Grüße auch an Juë. Hast Du Post von Jochen.

Rolf

O.U.den 9.11.44

Liebe Mama!

In aller Eile möchte ich Diese 2 Marken schicken (je 500gr.) Sie müssen bis zum 30.11. abgesandt sein Anbei schicke ich Dir auch noch andere Marken.

Heil und Sieg recht viele Grüße und Küsse von

Deinem Rolf

Zu diesem Zeitpunkt weiß noch niemand, dass die Ardennen-Offensive unmittelbar bevorsteht und Rolfs Einheit in die Kämpfe verwickelt zu werden droht.

Oberehnheim 14.11.1944 abends 20.00 Uhr

Liebe Mama!

Auch Du sollst wieder einen kleinen Brief erhalten. Hoffentlich geht es Euch allen noch gut. Ich habe nämlich bis heute noch keine Post erhalten und es besteht auch keine Aussicht solche in nächster Zeit zu erhalten, da unser Postamt wechselte und die neue F.P.Nr. noch nicht bekannt ist. Also schreibe nicht mehr, es hat ja keinen Zweck. –

Gestern am 13. bin ich von meiner kleinen Reise aus Frankreich zurückgekehrt. Leider, es hat mir nämlich prima gefallen. Ganz vor bin ich nicht gekommen. Nur das Ari-Feuer macht uns etwas zu schaffen. In Geradmer, das wohl in Kürze aufgegeben und heftig beschossen wird bei Tag und Nacht, verbrachte ich auch eine Nacht. Die nächsten Tage war ich dann zwischen Geramer und St. Die. Auch hier krachte es ganz anständig. In der letzten 12/13 Nacht wurde unsere Front zurückverlegt. Gelebt haben wir ausgezeichnet. Wir hatten Äpfel Hasen, Schweine Schmalz, Butter überhaupt alles was man sich denken kann. Dann kam noch die Verpflegung von unserer Küche von hier - 100 km zurück!! Die Rückfahrt war weniger schön. Wir sassen auf einem offenen LKW. Durch den hohen Schnee war die Fahrerei besonders schwierig.Schwerer Sturm tobte auf dem Pass Schlucht. Ganz herrlich war die Landschaft in ihrem Winterkleid. Flöhe habe ich auch kennengelernt.

Nun noch eine Bitte, wenn Briefe von mir geöffnet worden sind, schreibt mir dies. 2. habe ich Lust nach einem Stollen mit Marmelade. Also hierher schicken postlagernd. Herrn....

recht viele Grüße und Küsse von Deinem

Rolf

wenden!

Liebe Mama!

Die Sache hat sich mal wieder geändert. Bitte nichts mehr nach Oberrhechsheim schicken, da ich in den nächsten Tagen wohl wieder verreise.

Heil und Sieg Dein Rolf.

Pforzheim 19. 11/ 44

Mein lieber guter Rolfi,

Wir haben uns so sehr über Deine lieben Briefe gefreut haben sie sehnlichst erwartet.Und nun bist Du so weit weg von uns, ich habe immer Heimweh nach Dir und Jochen, wie schön wäre es doch, wenn Ihr zu Hause sein könntet. Klugs sind ja seit 8 Tagen weggezogen, ich hatte sie sehr gerne hier bei uns, sie waren so bescheiden u. nett. Das wirst Du wissen, daß Hans Karl entlassen ist und nun auch zum Militair kommt, wohin weiß er noch nicht. Sie waren heute bei uns beim Kaffee u.Abendessen, zum Mittagessen war H. Großholz da, du siehst, es ist immer Betrieb. Morgen kommt Hans Karl zu uns zum Mittagessen, wir wollen ihm Spätzle vorsetzen, Du solltest halt dabei sein. Die kleine Hedy oben ist so krank wie du damals. Das kleine lebhaftePersönchen liegt nun im Bett,wie ein Häufchen, sie hatte auch hohes Fieber, seit gestern ist es besser. Sonst ist nichts besonderes los im Hause, als daß wir ständig im Keller sitzen, ein Alarm nach dem andern. Ich kann gar nicht mehr ausgehen, das ist schon nicht mehr schön. Schicke doch auch gleich die Marken, so wie Du sie hast, bis 30. Nov. müssen die Päckchen abgeschickt sein. Tante Lina war gestern auch bei uns um nach Dir zu fragen.

Leb wohl für heute, mein lieber Rolfi, der liebe Gott

beschütze Dich.

Viel viel liebe Grüße alten Juë

von Deiner

O.U. den 28. 11.44

Liebe Mama!

Da ich heute abend etwas mehr Zeit als sonst habe, möchte ich Dir heute schon wieder etwas erzählen. Mir geht es noch gut, was hoffentlich auch bei Euch zu Hause zutrifft. Wir sitzen hier im Süden unseres Gaues und warten auf die weiteren Dinge. Müller durfte mit nach vorne und bekam gleich am ersten Tage das E.K. Bis jetzt sind wir immer noch zur rechten Zeit vor den Franzosen abgehauen. Ich bin riesig gespannt, wie sich hier bei uns die Lage entwickelt. Amerikaner von Norden und der Franzose vom Süden versuchen uns wohl etwas zu quetschen. Wenn nur die Brücken intakt bleiben und der Nachschub rollt. Nur schade, dass ich halt keine Post erhalte. Mit den Päckchen ist es nun auch vorbei. Solltest Du mal längere Zeit keine Post erhalten, so nimm es nicht tragisch, ich werde mich schon nicht schnappen lassen. Ich schreibe Dir in Der Woche 1 bis 2 Mal. Sei für heute recht herzlich gegrüßt und geküsst von

Deinem Rolf.

Zigaretten, Zigarren und Tabak hab ich in Massen und kann sie nicht fortschaffen. Vielleicht komme ich noch mal über den Rhein, wenn auch erst in meinem nächsten Urlaub im Dezember 45.

Samstag 9.12.44

Liebe Mama!

Gerade bekam ich meine Fnr 6) Also versuche mal Dein Glück. Vielleicht bekomme ich nun auch mal Post. Schreib mir dann bitte recht ausführlich,was sich seit unserem letzten Zusammentreffen ereignet hat. Ob Ihr Luftangriffe überstehen habt müssen und ganz besonders was Jochen macht. Nun noch ein Ausweg, um Post zu erhalten.

Schreib auch an folgende Adresse mit Briefmarke: Herr Rolf Betzler, Unterkirnbach b. Villingen postlagernd

Also probier es bitte, doppelt genäht hält besser. Dazu schicke ich Dir auch meine Frontzulage vom November 28,-

Noch etwas: Schreibe mir auch, wenn Briefe von mir geöffnet wurden und wo sich Hanskarl oder sonst einer herumtreibt.

Nun kurz, wie es mir hier erging. Du kannst Dir ja denken, dass wir unsere Feuertaufe überstanden haben. Die Kämpfe...

(hier bricht der Brief ab)

(neue Seite)

… wie oben schon begonnen sind die Kämpfe äußerst heftig und erbittert. Die Namen von den Orten wurden im Wehrmachtsbericht erwähnt. Hier wurde der Durchbruch der Feinde in die Ebene vereitelt. Wir waren hier als Melder und als Infanteristen tätig. Am 8. hatten wir ganz besonders Schwein. Panzer waren durchgebrochen und wir gingen vor, wurden dabei von der Ari überrascht und hatten durch eine Granate in 4m Entfernung auf ebener Straße nur einen Verwundeten. Bin dann beim Zurückgehen so halb in die liebe Thur gefallen. War bis zum Bauch nass und hatte keine Kleider zum Wechseln. Bei netten Leuten machte ich mich dann wieder trocken. Die Bevölkerung ist teils freundlich, teils feindlich. Ich habe Leute gesehen, die geweint haben als wir zurückgingen, andere wiederum verhalten sich stur.

Wo gehobelt wird, fallen natürlich auch Späne. So habe ich mein ganzes Gepäck den schauerlichen Afrikanern lassen müssen. Habe nun kein Waschzeug mehr, bin dreckig und ein richtiger „Lausbub“ . Heute wollten wir zum Entlausen nach Kolmar, aber es geht dort leider nicht mehr. Mal sehen , wie wir die lieben Tierchen loswerden. Vor ein paar Tagen hatte ich über 100 Eier organisiert. Wenn ich euch zu Hause als nur etwas schicken könnte. Zigaretten habe ich 100weise. Nur die eine Frage, wohin damit? So verschenke ich halt alles. - Die Lage in unserem Brückenkopf ist noch lange nicht hoffnungslos und wir werden alles daran setzen, ihn so lange wie möglich zu halten, wenn es sein sollte, wie in Stalingrad. Nur die Überlegenheit der Feinde ist zu groß. Sie schießen 100 Schuss wir dagegen nur rund 10. Eines interessiert mich noch, wo wir unser Weihnachten feiern; wo wir unser O Tannenbaum singen werden. Vielleicht bin ich auch schon in der Heimat.

So jetzt genug für heute sei recht herzlich gegrüsst und geküsst von

Deinem Rolf

Vergiss auch nicht Juë recht viele Grüße zu sagen.

--- p.s. Dienstag 12.12. abends --- sind herausgezogen worden,um mal wieder etwas Luft zu holen

O.U.

den 13.12.44

Feldpostbrief

Liebe Mama!

Du kannst Dir wohl denken, dass ich mich heute wie ein kleines Kind gefühlt habe als mir ein Kamerad die Briefe Nr. 4, 5 und 6 in die Hand drückte. Habe nun endlich die langersehnte Post von zu Hause. Es freut mich, dass alles noch in Ordnung ist. Also für alle Briefe den herzlichsten Dank. Von der Juë bekam ich gleichfalls den Brief vom 3. Sage ihr bitte Dank. Dass Tante Berta bei uns ist gefällt mir, würde mich als ganz gern mit ihr unterhalten. Wie ich hörte, ist Hans-Karl auch Soldat geworden. Kann jedoch nicht verstehen wie er zu den Gebirgsjägern gehen kann, die in meinen Augen auch Infanteristen sind. Wäre er doch zu uns den Sturmgeschützen gekommen. Aber hoffentlich hat er Glück. Heute war ich schon 2 km vom deutschen Rhein entfernt in Neu-Breisach zum Entlausen. Hatten aber Pech, sie nahmen uns nicht an. Morgen wollen wir es nochmals versuchen. Die Verpflegung ist noch gut. Ganz gut ging es mir vorne. Da hatte ich Eingemachtes und Marmelade in Hülle und Fülle. Wo ist eigentlich Frau Klug? Schluss für heute. Recht viele Grüße und Küsse

von Deinem „Lausbub“ Rolf Grüße auch Juë, Tante Berta und Hedy7) herzlich

Nr.1 O.U. Den 18.12.44

Feldpostbrief

Meine liebe Mama!Habe recht herzlichen Dank für Deinen lieben Brief vom 4.12.44 den ich vorgestern erhielt. Leider kommt nun halt die Zeit wo gern ein jeder von uns zu Hause wäre. Aber es lässt sich halt nicht ändern. Wahrscheinlich werde ich vor Weihnachten nicht mehr in Einsatz fahren und das Fest in diesem Ort so ungefähr in der Mitte unseres großen Brückenkopfes verbringen. Dir meine liebe Mama möchte ich von ganzem Herzen ein fröhliches Fest wünschen und sei bitte nicht traurig denn den anderen Mamas geht es genauso. Um mich brauchst Du Dir gar keine Sorgen machen, mich erwischt es so schnell nicht. -

Meine Kameraden sind in Ordnung besonders wir jüngeren aus Böblingen halten selbstverständlich zusammen. Einer ist leider verunglückt, ein anderer verwundet. Jetzt sind wir noch 10. Was sagst Du zu dem neuen Angriff im Norden der Front (Siehe dazu die Anmerkung unten). Gib nur acht wie die anderen Kameraden der anderen F.-nummer im nächsten Jahr laufen werden dass sie die Schuhe verlieren. Für uns heist es noch auf der Schwelle treten und geduldig warten. Solltest Du einmal längere Zeit keine Post von mir erhalten so kannst Du Dich bei Müllers erkundigen, Ebersteinstr.24 oder 25.

Für heute viele Grüße und Küsse und nochmals ein frohes Weihnachtsfest

wünscht Dir Dein entlauster Rolfbutz

Anmerkung: Mit dem „ ...neuen Angriff im Norden der Front ...“ ist mit Sicherheit die Ardennenoffensive gemeint.

Am 16. Dezember vor Morgengrauen rückten 14 deutsche Infanterie-Divisionen „gegen nur vier Divisionen des 8. amerikanischen Korps auf einer Frontlinie von 100 km an. Um 05:30 Uhr begannen zweitausend Geschütze auf die amerikanischen Stellungen zu trommeln, und die Infanterie trat hinter der Feuerwand zum Angriff an. Dicht hinter ihr fuhren Panzer-Divisionen heran und hielten sich bereit, Durchbrüche sofort operativ auszunutzen.Den deutschen Truppen gelang die Überraschung. Die Amerikaner konnten ihre überdehnten Frontabschnitte nicht halten, ein ungeordneter Rückzug unter teilweiser Zurücklassung von Waffen und Material setzte ein.