Wer schreibt der bleibt - Dietmar Elsner - E-Book

Wer schreibt der bleibt E-Book

Dietmar Elsner

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Beschreibung

"Wer schreibt, der bleibt 2012" enthält alle Zeitungsartikel von Dietmar Elsner von 1968 bis Dezember 2012.

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Seitenzahl: 217

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Der Autor

Vorwort

1 Es begann mit einem Zufallsfoto

2 Zwischenspiel

3 Unsere Heimat 1981

4 Schule des Schreibens

5 IBM Nachrichten

6 6 000 Jahre Kaugummi

Darmstädter Echo & Co

7 Erotik im Alter

8 Seniorenwerbung im Wandel

9 Ach ja, die Börse

10 Südafrika

11 Narkose

12 IT war Hollerith-Abteilung

13 Fotowettbewerb

14 Naturarzt

2005 Erster Artikel Hochheimer Zeitung

15 Begegnung mit einem Bücherwurm

16 Prospekte ‚Peter und Paul‘

17 Vorlesepaten

18 Sphinx in Weiß

19 Grabhügel an der Römerstraße

20 Alte Schleuse taucht auf

21 Für die Filmclubzeitschrift: Stadtgespräch

22 Gratulation zum 50. an den Filmclub

23 Die neue Landebahn

24 Wilder Reiter

Ab 2012 Mitarbeiter der Hochheimer Zeitung

25 Das Ohr am Himmel

26 5 000 Tonnen Schutt

27 Brentano-Camp

28 Rollendes Ungeheuer

29 Superhirn

30 Ein Abend Bittlinger

31 Das Kammerorchester spielt

32 Spvgg 07 feiert

33 Storchennest

34 100 Jahre Antoniushaus

35 Tag der offenen Tür im ‚Toni‘

36 Humorexpertin Jumi Vogler

37 Gypsy-Jazz

38 Erster Schultag

39 Sommerfest der Angler

40 Oldtimer

41 Seefest Massenheim

42 Familienurlaub Krappweis

43 Ungarische Spezialitäten

44 40 Jahre Brentano

45 Lesetüten

46 Akademische Feier

47 Hähne krähen

48 Kranke Walnussbäume

49 Bachmann und Neradt

50 Capella Moguntina

51 Kosmetik Eifel

52 Syna investiert

53 Neuer Antonius-Flügel

54 Birgit Vanderbeke liest

55 Heitere Verse

56 Seniorennachmittag bei 07

57 Boxnacht

58 Katastrophenschutz

59 Klangschalenmassage

60 Männer-Gymnastik

61 Hochseeregatta

62 Pferde auf dem Markt

63 Rinderschau mit Galloways

64 Kleintiere

65 Klavierkonzert Edelhäuser

66 Brentano: Tag der offenen Tür

67 Stromnetzausbau

68 Friedrich Dönhoff

69 Adventskonzert in Massenheim

70 Adventskonzert mit Violinen

71 Ausstellung Volksbildungswerk

Danksagung

Index

Zum Buch

Dieses Buch enthält die zwischen 1968 und Ende 2012 von mir geschriebenen Zeitungsartikel. Sie erschienen ab 2005 fast alle in der Hochheimer Zeitung.

Der Autor

Dietmar Elsner lebt seit rund 20 Jahren in seiner Wahlheimatstadt Hochheim am Main. Er ist IT Projekt- und Qualitätsmanager im Ruhestand, nun freier Journalist und Buchautor.

Er ist verheiratet, hat drei Kinder und wohnt in der sogenannten ‚Weststadt‘ Hochheims.

Seine Homepage: http://www.dietmar-elsner.de

Vorwort

Wer schreibt, der bleibt …

Der Buchtitel gefällt mir, weil er nicht ganz eindeutig und somit vielseitig verwendbar ist. Diese Redensart hörte ich erstmals beim Kartenspielen, als sich mein Onkel beim Zusammenzählen der Punkte verrechnete. Das kam bei seinen Mitspielern gar nicht gut an, weil er sich zu seinen Gunsten vertan hatte. Absicht, oder nicht? Jedenfalls hörte ich an diesem Abend den Spruch zum ersten Mal.

Schreiben hat viel mit Aufbewahren zu tun. Damit die Gedanken nicht gar so schnell verfliegen und vergessen werden. Schreiben, das ist ein großes Wort für ein weites Feld. Es beginnt mit dem kleinen Notizzettel in der Hosentasche, auf dem steht, was eingekauft werden muss. Und es endet mit den ganz großen Romanen begnadeter Schriftsteller. Irgendwo dazwischen befindet sich mein Thema: die Zeitungsartikel.

Mit ihnen versuchen festangestellte Redakteure und freie Mitarbeiter (wie ich), die Leser über das Geschehen vor Ort zu informieren und es gleichzeitig festzuhalten. Für die Ewigkeit. Mehr oder weniger. In Wirklichkeit landet fast alles als Recyclingware im Altpapier. Ich bewahre die einzelnen Ausgaben zwar in Kartons auf. Aber nur sehr selten krame ich eine heraus, um darin zu lesen. Wenn ich an die dunklen ungelüfteten Stapel denke, in denen meine mit viel Herzblut erdachten Artikel bis zum Sankt Nimmerleinstag stecken, könnte ich schwermütig werden.

Was tun? Ich veröffentliche sie ein zweites Mal und zwar in handlichen bunten Taschenbüchern! Die Chance, dass sie noch einmal gelesen werden, steigt immens. Sie bekommen eine ISBN-Nummer und sind überall bestell- und lesbar. Außerdem gehe ich davon aus, dass Bücher länger aufbewahrt werden als Zeitungen.

Wie lange wohl? An die Lebensdauer der Texte auf ägyptischen Grabwänden kommen sie natürlich nicht heran. Auch mit den extrem haltbaren Tontafeln können sie nicht konkurrieren. Pharaonische oder sumerische Texte, die meist Ruhmestaten, Anordnungen, Gesetze und Geschäftsbriefe enthalten, scheinen alle Zeitalter der Geschichte zu überleben. Codex Hammurapi forever!

Ich schreibe gerne für die Zeitung. Weil meine Texte dann gelesen werden. Besonders interessant ist die Recherche. Ständig lerne ich Menschen kennen. Wenn ich über Autorenlesungen berichte, treffe ich oft Schriftsteller, die beneidenswerte Auflagen produzieren.

Mit Nele Neuhaus (Krimiautorin mit unglaublichen Millionenauflagen) saß ich gemütlich fast eine Stunde lang plaudernd zusammen. Zwischen uns nur Kaffeetassen und ein laufendes Diktiergerät. Auch mit dem Bürgermeister von Auschwitz konnte ich mich unterhalten, mit Friedrich Graf von Dönhoff, Hanns-Josef Ortheil, ZDF-Superhirn Heike Kauss, Hildegard Bachmann, Jumi Vogler, Tommy Krappweis (Bernd das Brot), Sina Trinkwalder und mit der Atlantikruderin Janice Jakait. Ich sprach mit der blinden Autorin Sabrije Tenberken, mit Werner Küstenmacher („simplify your life“ Auflage 4 Millionen) und ich traf Alex Capus und Jan Seghers. Die zugehörigen Artikel und Interviews sind auf meine vier „Wer schreibt, der bleibt-Bände“ verteilt, weil diese zeitlich sortiert sind.

Warum schreibe ich so gern? Die Antwort ist einfach: „Es drückt von innen und will raus!“ Ganz besonders motiviert mich, wenn mich immer mehr Leute im Café oder auf der Straße freundlich grüßen. Und wenn dann jemand so etwas sagt wie: „Ihr Artikel hat mir gut gefallen!“, dann ist das der schönsten Lohn für meine Arbeit.

Dietmar Elsner

Juni 2016

1 Es begann mit einem Zufallsfoto

Immer wieder einmal besuchte ich eine IBM-Schule. Meist im Raum Stuttgart. 1968 kaufte ich mir eine 6x6-Kamera, um besonders gute Fotos machen zu können. Ich knipste in Böblingen alles Mögliche, am ‚Oberen See‘ auch eine Schwanenpärchen. Auf dem Rücken von Schwanenmama saß Schwanenbaby und ließ sich spazieren fahren.

Nicht nur im IBM-Fotoclub kam das Bild gut an. Ich zeigte es in der Böblinger Kreiszeitung einem Redakteur. Der wollte das ulkige Bild sofort haben und drucken.

Das war die Premiere. Am Dienstag, den 25. Juni 1968 erschien erstmals ein Foto von mir in der Zeitung.

2 Zwischenspiel

Erst dreizehn Jahre später wurde wieder etwas von mir gedruckt. Dazwischen lagen viele Ereignisse.

Ich lernte meine Frau kennen. Sie arbeitete ebenfalls bei IBM, allerdings in München. Sie kam nach Mainz und wir zogen in eine gemeinsame Mietwohnung.

In meiner Firma wechselte ich vom Technischen Außendienst zum Vertrieb in die Geschäftsstelle Wiesbaden, dort war meine Frau inzwischen Chefsekretärin geworden.

Wir verdienten gut und bauten ein Haus in Hünfelden-Kirberg.

Wir bekamen zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen. Die neue Filmkamera, nun eine Super-8, richtete ich auf die Kinder, diese Filme sind heute die wertvollen Erinnerungshelfer.

Meine Hobbys passten recht gut zueinander: Fotografie, Filmen, Archäologie. Ich gründete eine Archäologische Gruppe im Raum Limburg, wir suchten vorgeschichtliche Funde. Ich flog vom Flugplatz Elz (bei Limburg) aus den Limes ab und fotografierte, was die Kamera hergab.

Damals wurden die Limburger Altertumsforscher auf mich aufmerksam. Auf deren Wunsch hin entstand mein zweites Druckwerk: Ein Artikel im Heimatkalender 1981.

Schreiben stand lange Zeit nicht direkt im Vordergrund. Lediglich Spesenabrechnungen und archäologische Fundmeldungen tippte ich in die Schreibmaschine.

Bis ich 1989 ein Buch schreiben wollte: „Archäologie als Hobby“. Es liegt halbfertig in der Schublade.

3 Unsere Heimat 1981

Der Großraum Hünfelden-Kirberg war ein sehr ergiebiges Gebiet für einen Hobbyarchäologen. Kaum jemand forschte hier nach der Vor- und Frühgeschichte. Ich wurde in dieser Zeit zum erfolgreichsten Fundmelder des Landesamtes für Denkmalpflege in Wiesbaden.

Dabei fielen mir auch jüngere Denkmäler auf. Zum Beispiel ehemalige Dörfer oder Burgen. Die Redaktion des Kreisjahrbuches Limburg-Weilburg hatte von meinen Recherchen erfahren und fragte nach einem Text für den Heimatkalender.

4 Schule des Schreibens

1989 wollte ich einen Roman schreiben. Ein Thriller, ein Krimi oder etwas ähnlich Schreckliches sollte es werden. Es musste natürlich um Leben und Tod gehen. Die Handlung wurde schrecklich. AIDS tobte sich aus, Untreue wurde ausführlich beschrieben und wie es sich gehört, schlimm bestraft. Mehr als 100 unschuldige Opfer mussten ins Gras beißen. Ein typischer Anfängerroman eben.

Ich überarbeitete den Text voriges Jahr aus Spaß (oder Nostalgie?) noch einmal und ließ zwei Exemplare bei BoD drucken. Aber zeigen möchte ich das Werk lieber niemandem. Ich befürchte, meinem Image kann ‚POSITIV‘, so heißt das Buch, nur schaden.

Jeder kann heutzutage schreiben. Aber richtig gut schreiben, das kommt nicht von selbst. Das ist ein Handwerk, das man erlernen sollte.

Deshalb arbeitete ich zwei Jahre lang den Fernkurs „Schule des Schreibens“ von Axel Andersson durch.

Dabei entstanden etliche Kurzgeschichten. Eine schickte ich der Redaktion unserer IBM Mitarbeiterzeitung. Sie gefiel.

5 IBM Nachrichten

Im Juni 1990 wurde meine erste Kurzgeschichte gedruckt. Auf Hochglanzpapier, mit zwei Zeichnungen eines Illustrators und mit einer Auflage von rund 20 000 Exemplaren.

6 6 000 Jahre Kaugummi

Einblick ins Leben der Jungsteinzeitmenschen

Archäologische Wintergrabungen im Uferschlick des Bodensees geben Einblick ins Leben der Jungsteinzeitmenschen. Aber wir sehen nicht nur sechstausend Jahre Landwirtschaft, wir erkennen die ersten Bauern auch als Umweltsünder, die so tief ins Gleichgewicht der Natur eingriffen, dass die Folgen bis heute nachwirken.

Auf der Satellitenaufnahme des nördlichen Bodensees ist die Grabungsstelle Hornstaad Hörnle an der Spitze der Halbinsel Höri mit einem roten Pfeil markiert. Gegenüber liegt die Insel Reichenau und noch etwas weiter rechts Konstanz. Links erkennt man den Rheinabfluß aus dem Untersee bei Stein am Rhein.

Die Archäologen stellten eine komplizierte Frage: "Wie beeinflussten sich Mensch und Umwelt in vorgeschichtlicher Zeit?" doch die Erde gab erst mal eine unkomplizierte, wenn auch bezeichnende Antwort: "Kaugummis kauten die Leute, und sie spuckten sie auf die Erde, wenn sie nicht mehr schmeckten."

Immer wieder finden die Ausgräber diese kleinen schwarzen Klumpen mit den Zahnabdrücken. Das Archäochemische Labor Tübingen analysierte die Kaumasse: Es ist reines Birkenpech, das in heißen Gefäßen unter Luftabschluss aus Rinden destilliert wurde. Selbst die Töpfe mit Spachtelspuren im klebrigen Inhalt wurden gefunden. Erfolgreich gekittete Tongefäße und in Holz- und Hornschäfte geklebte Steingeräte weisen diesen süßlich klebrigen Teer als Alleskleber der Jungsteinzeit aus.

Kaugummi der Steinzeit mit Zahnabdruck.

Warum wird am Bodensee nur im Winter gegraben? Schlechtes Wetter und vor allem Frost beenden andere Grabungen spätestens im Dezember. Die Antwort ist einfach: Wenn der Regen in den Alpen als Schnee liegen bleibt, fällt der Wasserspiegel des Bodensees um mehr als einen Meter. Der See zieht sich vom Sommerufer zurück und gibt einen zehn bis fünfzig Meter breiten Ufersaum frei. In diesem Bereich liegen die Pfahldörfer.

In den Grabungen können auch frühere Strandlinien nachgewiesen werden. Dabei kommen beträchtliche Schwankungen des Seespiegels während der Steinzeit zutage. Offensichtlich veränderte sich der Abfluss in den Rhein immer wieder erheblich. Viele Häuser standen vermutlich gar nicht im See, die Pfahlkonstruktion schützte nur vor Hochwasser. Das Freilichtmuseum in Unteruhldingen mit seinen Häusern auf Plattformen über dem Wasser zeigt den Touristen leider einen veralteten Forschungsstand.

Romantische Darstellung der Pfahlbauern im Inselhotel Konstanz.

Schon 1856 entdeckte der Bauer und Ratsschreiber Kaspar Löhle die merkwürdigen Pfähle bei Wangen. Er und andere Pioniere begannen im Winter eifrig an etlichen Stellen zu graben und erkannten "Überbleibsel frühester menschlicher Thätigkeit1. Die zahlreichen, dicht beisammen steckenden oder liegenden Pfähle wiesen auf eine Art Venedig am Bodensee hin. Die ausklingende Romantik ließ in den deutschtümelnden Köpfen Phantasien von blonden Germanen in Pfahldörfern sprießen. Die damals entstandenen Gedichte und Gemälde sind so schön, dass man sie am liebsten heute noch glauben möchte.

Doch die Zeiten sind längst vorbei, in denen man mit dem Spaten nach Funden fürs Heimatmuseum suchte. Zahlreiche wissenschaftliche Grabungen, auch in den Feuchtböden anderer Seen und Moore im Alpenraum zeigten, dass hier unter Luftabschluss erstaunlich gut erhaltene Kulturreste tiefe Einblicke in das damalige Leben erlauben.

Das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg konnte die Deutsche Forschungsgemeinschaft von der Bedeutung dieser Arbeiten überzeugen. Seit 1980 fördert sie das Projekt Bodensee-Oberschwaben, seit 1983 das Schwerpunktprogramm "Siedlungsarchäologie im Alpenvorland". Regelmäßig wird nun im Sommer im Moor und im Winter am Bodenseeufer mit den modernsten technischen Einrichtungen gegraben und geforscht. In Hemmenhofen wurde eine Arbeitsstelle des Landesdenkmalamts gebaut. Wenn Kollegen den Leiter, Herrn Dr. Helmut Schlichterle besuchen, können sie schon mal neidisch werden. Nicht nur der schmucke Neubau in der Nähe der Fundstellen, auch die technische Ausstattung und die Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen unter einem Dach sind vorbildlich.

Arbeitsstelle des Landesdenkmalamtes in Hemmenhofen.

Die wichtigste Fundstelle wird von Herrn Dr. Bodo Dieckmann untersucht. Sie heißt 'Hoornstaad Hörnle I1 und liegt am nördlichen Bodensee bei Radolfzell. Es gibt keine Straße und keinen Weg dorthin. Wir stapfen in Gummistiefeln auf einem Trampelpfad durchs Gebüsch am Ufer entlang. Zuerst hören wir eine elektrische Wasserpumpe und ein lautes Radio, dann tauchen die beiden großen Plastikbehälter auf, in denen gearbeitet wird. In der ersten viereckigen Plastikkiste stehen drei Mitarbeiter und spritzen eiskaltes Bodenseewasser in ein rundes Sieb. Jedes bisschen ausgegrabene Erde wird durchgespült. Auch kleinste Funde werden registriert, gewogen und beschriftet. Und das mit bloßen Händen bei null Grad. Hier kommt keine Ausgräberromantik auf. SDR3 meldet gerade überfrierende Nässe auf den Straßen.

Provisorisch eingedeichter Suchgraben und Dr. Bodo Dieckmann.

Das zweite Zelt ist größer und etwas wärmer. Eine Gasheizung in der Ecke hält es wenigstens frostfrei. Hier erwartet uns Herr Harwath. Er ist der wohl erfahrenste Grabungstechniker im Feuchtraummilieu. Seit über zehn Jahren ist er dafür verantwortlich, dass jeder Millimeter Erde sorgfältig abgetragen, jeder Fund genau registriert und geborgen, in Pläne eingezeichnet und fotografiert wird.

Er kämpft gegen das Wasser vom Hang und gegen den Bodensee, der hin und wieder die Grabung besichtigen möchte. Uns fallen die vielen schwarzen Holzpfähle auf, die teils in der Fundschicht liegen, teils noch senkrecht in der Erde stecken. Hunderte von beschrifteten kleinen gelben Zetteln liefern die einzige Farbe. Herr Harwath weiß, dass er in zwei Dörfern gleichzeitig gräbt. Das tiefere stammt aus der ersten Siedlungsphase um 4000 v. Chr. und birgt einen regelrechten Schatz für die Archäologen. Das Dorf brannte damals ab und die Gegenstände des Alltags blieben angekohlt unter Schutt und Asche erhalten. Wir dürfen den zerbrochenen Boden eines umgekippten Tongefäßes anheben und sehen darin sechstausend Jahre alte schwarze Getreidekörner.

Die gefundenen Werkzeuge belegen, dass die Steinzeit in Wirklichkeit eine Holz-Zeit war. Selbst Stoffreste sind erhalten, wir erkennen verschiedene kunstfertige Flecht- und Webarten und sehen, daß die Fischernetze schon damals mit Weberknoten geflochten wurden. In den Gefäßen befindet sich noch der Inhalt und die aus dem Haus gekippten Abfälle lassen sich wie ein Speiseplan auswerten.

Fischernetz, Geflecht und Angelhaken.

Doch immer noch beeindrucken mich die vielen Hölzer. Da die Pfosten der beiden Dörfer gleich tief eingerammt nebeneinander stehen, hatten frühere Ausgräber keine Chance, dieses Durcheinander zu entwirren. Ich kann verstehen, dass sie große Plattformen vermuteten.

Inzwischen lüfteten die Baumringe dieses Geheimnis. Die Dendrochronologen haben die unglaubliche Leistung vollbracht, einen lückenlosen Jahrringkalender Baum für Baum von heute bis in die Steinzeit aneinander zu reihen. Da das Klima eines jeden Jahres das Wachstum des Stammes bestimmt, wird die Reihenfolge der Jahrringe so typisch wie ein Fingerabdruck. Wenn die Außenkante erhalten ist, kann die Fällung bis aufs Halbjahr genau bestimmt werden.

Jahresringe der Pfosten. Dendrochronologe Dr. André Billamboz.

Da von jedem Holzpflock in der Grabung eine Probe im Labor datiert wird, liegt die Baugeschichte der Siedlung offen wie ein Logbuch vor uns. Das jüngere Dorf konnte besonders genau untersucht werden.

Rekonstruktion der Pfahlhäuser, Grabungszelt, Dokumentation.

Zuerst wurden im Jahre 3586 v. Chr. zwei Häuser im Abstand von etwa dreißig Metern gebaut. Nach zehn Jahren wurden sie ausgebessert und nach zwanzig Jahren baute offensichtlich die nächste Generation weitere Häuser. So wuchs die Siedlung im Rhythmus von etwa zwanzig Jahren auf stattliche 30 Häuser. Das letzte Haus wurde im Jahr 3507 gebaut. Dann verließen die Bewohner die Siedlung.

Lage des ersten Hauses und der Grundriss des Dorfes.

Das so gut erhaltene organische Material forderte die Wissenschaftler zu weiteren Fragestellungen förmlich heraus. Die tiefen Einblicke in das Leben der damaligen Menschen, Tiere und Pflanzen ermöglichten ein weiteres anspruchsvolles Projekt. In einem Schwerpunktprogramm wird das Verhältnis von Mensch und Umwelt und ihre gegenseitige Beeinflussung untersucht.

Mehrere Fakultäten in Freiburg, Basel, Heidelberg, Hohenheim, Konstanz, Tübingen und Utrecht unterstützten die Forscher in der Arbeitsstelle Hemmenhofen. Wachstumseigenarten, die Lebenszeit der Bäume, die Häufigkeit von bestimmten Baumarten und vieles mehr wurden untersucht. Botanische Großrestanalysen, Pollenanalysen und die Zooarchäologie setzten ein Puzzle von Informationen zusammen, das ein wenig schmeichelhaftes Bild der Neolithiker zeigte. Die Menschen der Jungsteinzeit griffen radikal in die Natur ein und verließen schon nach drei oder vier Generationen die Siedlung wieder. Warum? Vieles weist darauf hin, dass sie ihre eigene Lebensgrundlage in dieser Zeitspanne bereits gründlich zerstört hatten.

Vor allem die Zusammenarbeit mit dem Botanikerkollegen, Herrn Dr. Rösch, lohnte sich. Aus den vielen Pflanzenfunden wurde mosaikhaft die Nutzung, eigentlich die Übernutzung des natürlichen Waldes sichtbar.

Zuerst hatten die Neolithiker aus einem Mischwald die für den Hausbau geeignetsten Bäume herausgeholt. Lange, gerade, nicht zu dicke Eichen wurden gefällt. Die Stämme hatten unterschiedliche Alter, wie man sie in einem natürlichen Wald findet. Die nächsten verwendeten Hölzer zeigen in ausgelichtetem Wald gewachsene Bäume. Sie sind ungefähr gleich alt, wie das nach vorangegangener radikaler Rodung zu erwarten ist. Felder waren angelegt worden für die Aussaat von Weizen, Einkorn, Emmer und Gerste. Danach werden die Bauten immer bescheidener, die Hölzer immer jünger und man erkennt deutlich, dass die Stämme nicht mehr natürlich aufgewachsen sind, sondern dass der Stockausschlag zunimmt. Also seitlich aus gefällten Bäumen ausgetriebene Äste benutzt wurden.

Verkohlte Getreidekörner durch den Brand des Dorfes. Axt.

In der letzten Bauphase der Siedlung werden starke, mehr hundert jährige Stämme verbaut. Sie waren offensichtlich als sogenannte Überhälter oder Samenbäume stehen geblieben. Nun waren auch die letzten schweren Bäume verbraucht. Da das Vieh keine Grasweiden hatte und in den Wald getrieben werden musste, fraß es dort die Jungpflanzen. Die Pollenanalysen zeigen anschließend hauptsächlich niedere Pflanzen und Gebüsch, vor allem Haselsträucher. Der Wald war ruiniert und eine erhebliche Bodenerosion begann.

Fällt Ihnen an dieser Stelle auch der tropische Regenwald ein?

Jahrtausende lang waren die einheimischen Jäger und Sammler schonend mit der Umwelt umgegangen. Doch da sie die gleichen Menschen wie wir waren, sollten wir keine absichtliche Rücksichtnahme vermuten. Sie beherrschten die Techniken noch nicht, mit denen man die natürliche Umgebung zerstört. Aus Pollenanalysen wissen wir, dass es in Deutschland sogar reine Lindenwälder gab. Können Sie sich einen Spaziergang im Frühling in einem blühenden Lindenwald vorstellen? Sie werden diesen Duft nie genießen können. Bedanken Sie sich bei den Neolithikern!

Uferbewuchs mit Schilf an der Grabungsstelle Hemmenhofen.

Sie brachten diese neue Kultur aus dem fruchtbaren Halbmond mit. Einem Gebiet vom heutigen Irak bis nach Israel. Dort wuchs Getreide unter den optimalen klimatischen Bedingungen wild heran, wurde von den Menschen geerntet und bald auch ausgesät. Das ist nichts für wandernde Jäger. Bei seinem Getreidefeld bleibt man und baut sich feste Häuser. Die verringerte Jagd ergänzten sie durch Schlachtvieh.

Sie machten sich die Erde untertan, lange vor der Erfindung der Schrift und lange vor der Entstehung des Alten Testaments. Doch auch die Bibel hätte ihnen nicht geholfen, in ihr steht leider nicht, dass man dem Untertan Erde keinen Schaden zufügen darf. Ein guter Herrscher nutzt seine Untergeben nur so weit aus, dass es ihnen gerade noch gut geht. Tut er etwas anderes, schadet er auch sich selbst. Langfristig denkender Egoismus ist nicht der schlechteste Ratgeber.

Wir sollten es heute besser machen als die Neolithiker und die offensichtlich schwierige Lektion lernen, dass nur eine gesunde Kuh gute Milch gibt. Uns sind, im Gegensatz zu den vorgeschichtlichen Menschen, die globalen Zusammenhänge der heutigen Erdübernutzung bekannt. Wir haben die Chance, es besser zu machen. Die Menschen der Jungsteinzeit konnten ein paar Kilometer weiterziehen. Doch wohin sollen wir wandern, wenn wir den Planeten ruiniert haben?

9. Januar 1991

Anmerkung: Diesen Artikel schrieb ich für das Magazin GEO. Er wurde laut Dr. Erwin Lausch in der Redaktionskonferenz eingehend diskutiert, dann aber doch nicht gedruckt.

Da war ich mal nah an einem richtigen Erfolg dran. Beinahe hätte es geklappt. Doch der Stoff war nicht groß genug für ein GEO-Thema, teilte mir Dr. Lausch am 4. Februar 1991 mit.

Darmstädter Echo & Co

Im Jahr 2000 druckte das Darmstädter Echo die Sonderbeilage ‚Generationen‘, inhaltlich abgestimmt für Senioren. Die Echo-Redaktion entdeckte damals meine Internetseite cafe2.de und fragte nach passenden Artikeln. Ich lieferte 6 Beiträge. Sie kamen gut an, mehrere Leserbriefe wurden von der Redaktion (Ralf Ansorge) an mich weiter geleitet.

In obigem Zeitungsausschnitt wird auf der Titelseite auf meinen umfangreichen Artikel ‚Die zweite Blüte der Erotik‘ auf Seite → hingewiesen.

7 Erotik im Alter

Die zweite Blüte der Erotik

Der dritte Lebensabschnitt wird von Frauen dominiert

EROTIK ist kein Privileg der Jugend. So wie die Rose, deren zweite Blüte im Spätsommer nochmals ihre volle Pracht entfaltet, hat die Erotik der reiferen Jahre ebenfalls ihre besonderen Reize.

Über Erotik im Alter zu schreiben, heißt weitgehend, über die Gesellschaft und ihre Beziehung zur Sexualität von gestern zu berichten. Die Menschen, die heute als Senioren bezeichnet werden, wurden nachhaltig von der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg geprägt. Wir schauen in eine vergangene Epoche, in der Männer zu dominieren und Frauen ihre eheliche Pflicht zu erfüllen hatten.

Über die Erotik im Alter zu sprechen bedeutet gleichzeitig, vor allem über Frauen zu sprechen. Denn das Alter ist weiblich. Frauen, die vor 1935 geboren wurden, sind heute durchschnittlich 15 Jahre lang Witwe oder aus anderen Gründen ohne Mann. Die Ursachen: Erstens leben Frauen etwa acht Jahre länger als Männer. Zweitens heiraten sie etwa vier Jahre ältere Männer und drittens waren die Opfer des zweiten Weltkriegs überwiegend männlich.

Doch wann beginnt eigentlich das Alter? Mann und Frau erleben den Wechsel in diese dritte Lebensphase zu verschiedener Zeit. Denn Frauen erleben einen biologischen Einschnitt, nämlich die Wechseljahre als Zeichen, dass sie nun wirklich älter werden. Beim Mann gibt es diesen körperlichen Einschnitt nicht. Ihn erinnert meist das Ende des Berufslebens daran, dass auch er alt wird. Das ist allerdings etwa zehn Jahre später.

Da die Menopause bei ungefähr 50 Jahren eintritt und Frauen heute durchschnittlich 80 Jahre alt werden, bleiben ihnen noch 30 Jahre. Eine sehr lange Zeit für diesen Lebensabschnitt. Länger als die Jugend und länger als das Erwachsensein.

Doch die Wechseljahre sind für viele Frauen gar nicht das Hauptproblem in dieser Zeit. Zum einen wird die Beendigung der monatlichen Menstruation und die Entlastung von Verhütungsproblemen als Befreiung empfunden. Zum anderen haben sie meist wichtigere Sorgen als die Hitzewellen. In diesen Lebensabschnitt fallen oft bereits Verwitwungen, Scheidungen, Neudefinitionen der Partnerschaft, Erkrankungen oder der Tod der Eltern, dem belastende Pflegejahre vorausgegangen sein können. Vor allem Hausfrauen, die nicht im Berufsleben stehen, kann der Auszug der Kinder fast unlösbare Probleme bescheren und den Sinn des weiteren Lebens in Frage stellen. All das sollte man bedenken, wenn man über die Erotik im Alter spricht. Sie ist eingebunden in ein menschliches Leben, in dem es viele andere und folgenschwerere Ereignisse zu meistern gilt.

Für Frauen ist das älter werden aus mehreren Gründen schwieriger. Während aus alter Tradition die alte Frau als „hässlich und unglückbringend" gekennzeichnet war, erlebt der Mann eine zweite Blüte. Die grauen Schläfen, das reife Aussehen, die ruhige Seriosität (und die gefüllte Brieftasche) werden als Charakter und Lebenserfahrung gedeutet und wirken ausgesprochen anziehend auch auf jüngere Frauen. Nicht selten heiraten solche Männer noch einmal Frauen mit einer ebenbürtigen Attraktivität, das heißt: mit jugendlichem Aussehen.

FRAUEN SIND IN DER MEHRZAHL: Im dritten Lebensabschnitt dominiert das weibliche Geschlecht. (Foto: Elsner)

Für eine schöne alte Frau lässt die Gesellschaft gar keinen Raum. Oder ist eine Frau vorstellbar, die wie Picasso mit 90 Jahren, nur mit Shorts und Sandalen bekleidet, im Freien auf einem Grundstück in Südfrankreich fotografiert wird?

Verschlimmernd wirkt noch, dass Frauen das Älter werden viel schneller und deutlicher erkennen. Denn spätestens ab der Pubertät begutachten Frauen ihren Körper im Spiegel sehr genau und geben Milliarden für Kosmetik, Mode, Frisur, Diätprogramme und Schönheitsoperationen aus. Und das Ergebnis, nämlich ihre Attraktivität auf andere Menschen, bestimmt ihr Selbstwertgefühl. Kein Wunder, dass viele alternde Frauen zuerst verzweifelt und depressiv auf ihre abnehmende Anziehungskraft reagieren.

Alter ist keine Krankheit. Obwohl die Jahre den Menschen verändern, körperlich und geistig, ist das Alter selbst keine Krankheit. Bereits mit 20 beginnt die Haut zu altern, das Bindegewebe wird weniger straff, es entstehen Falten. Die Augen werden weitsichtig, eine Brille wird notwendig, die Haare werden grau, dann weiß oder fallen ganz aus. Zähne müssen ersetzt werden, die Geschicklichkeit lässt nach, die Leistung des Immunsystems auch und das Risiko, zu erkranken, steigt. Doch all das geschieht von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Die individuelle Veranlagung und die Lebensführung (gemäßigt oder exzessiv), die Ernährung, Sport und Körperpflege spielen ein wichtige Rolle.

Die Biologie verändert auch die Geschlechtsorgane. Und zwar bei Mann und Frau recht unterschiedlich. Bei der Frau verändert der geringere Östrogenspiegel das Vaginalgewebe. Die Haut der Schamlippen, der Klitoris, der Harnröhrenöffnung und der Vagina wird dünner und verletzlicher. Also empfindlicher und für Infektionen anfälliger. Auch das Feucht-Werden (Lubrikation) der Vagina ist verlangsamt und abgeschwächt. Das kann den Geschlechtsverkehr zu einer schmerzhaften Angelegenheit machen. 40 Prozent der Frauen erleben diese Probleme. Abhilfe kann die Einnahme von Östrogen, die Verwendung von Gleitcremes und vor allem das Verständnis des Mannes schaffen. Er muss seine Frau länger vorbereiten und behutsamer mit ihr umgehen als früher. Die ständige Einnahme von Östrogen muss allerdings im Einzelfall mit dem Arzt abgewogen werden, da das Krebsrisiko etwas ansteigen kann.

Die Auswirkungen der Menopause auf das sexuelle Interesse sind sehr unterschiedlich bei den einzelnen Frauen. Befragungen zeigen drei etwa gleich große Gruppen, nämlich mit gleichbleibender, abnehmender und mit zunehmender Lust. Wenn dann Frauen fragen, ob sie normal sind, sollten sie lieber herausfinden, in welcher Gruppe sie gelandet sind. Alle drei sind normal und üblich.