What's Love got to do with it - Daniela Felbermayr - E-Book

What's Love got to do with it E-Book

Daniela Felbermayr

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Beschreibung

Nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter möchte der New Yorker Arzt Dr. David Hannigan auch seinem eigenen Leben ein Ende setzen. Um sein Vorhaben in aller Ruhe in die Tat umzusetzen, reist er dazu in die Kleinstadt Rocky Creek und landet auf der Ranch von Robin Bennett, die dort mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter eine Pferdezucht betreibt. Obwohl David alles dafür tut, Robin zu ignorieren und ihr gegenüber nicht gerade wohlgesonnen ist, kreuzen sich Ihre Wege immer wieder - und schon bald ist Robin der Grund dafür, warum David seinen Plan, sein Leben zu beenden, überdenkt. Eigentlich wollte Robin Bennett sich mit der Vermietung des Gästehauses am Fluss ein kleines Zubrot verdienen, doch der neue Mieter treibt sie in den Wahnsinn. Der abgehobene Arzt aus New York ist nicht nur völlig unhöflich und eingebildet, er hat etwas Dunkles an sich. Gleichzeitig aber zieht er Robin auch magisch an und zwischen ihnen beiden gibt es eine ganz besondere Chemie. Obwohl Robin bei dem abweisenden David ein dunkles Geheimnis vermutet und weiß, dass sie besser beraten wäre, die Finger von ihm zu lassen, kommen die beiden sich bald näher. Doch Robin ahnt nicht, dass David kurz davor steht, sie mit in seinen Abgrund zu reißen ...

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

EINS

ZWEI

DREI

VIER

FÜNF

SECHS

SIEBEN

ACHT

NEUN

ZEHN

ELF

ZWÖLF

DREIZEHN

VIERZEHN

FÜNFZEHN

SECHZEHN

SIEBZEHN

ACHTZEHN

Impressum:

Copyright 2022 by Daniela Felbermayr

Cover: SelfpubBookcovers.com / Canca.com

[email protected]

Alle Rechte vorbehalten. Nachtdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin. Personen und Handlungen sind frei erfunden, eventuelle Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen und Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum ihrer rechtmäßigen Eigentümer.

Prolog

Der Morgen graute gerade, als Robin Bennett das Weideland entlang ritt, um zu kontrollieren, ob der Sturm an den Zäunen Schaden angerichtet hatte. Obwohl die Zeit erbarmungsloser nicht hätte sein können, liebte Robin diese stillen Morgenritte, wenn der Rest der Welt noch schlief und alles im Halbdunkel lag. Hier draußen, wo es nur sie und ihren Wallach „Sky” gab. Wo die Stille lediglich durch Skys Hufgetrappel und sein gelegentliches, zufriedenes Schnauben unterbrochen wurde.

Der Sturm, der am vergangenen Abend und in den Nachtstunden über das Land hinweggezogen war, war enorm gewesen und auf ihrem Ritt an der Nachbarranch vorbei hatte sie bemerkt, dass die Eigentümer dort nicht so großes Glück gehabt, und so manche Schäden zu verzeichnen hatten. Robin ritt an einigen Bäumen vorbei, die der Sturm entwurzelt hatte, und die die Arbeiter der Ranch im Laufe des Vormittags würden wegbringen müssen. Glücklicherweise schienen diese Bäume aber das Einzige zu sein, was durch den Sturm Schaden genommen hatte. Den Rindern und Pferden, die die Bennetts seit Jahrzehnten züchteten, war nichts geschehen und auch die Weidezäune waren allesamt intakt. Robin fiel ein Stein vom Herzen. Sie hatte zwar Flickzeug für die Zäune mitgebracht, aber in der Morgendämmerung Weidezäune zu reparieren, war nicht gerade die Methode, wie sie am liebsten in den Tag startete.

Als sie auch den letzten Zaun am nördlichen Ende des Landes, das zur Ranch ihrer Familie gehörte, geprüft hatte, begann die Sonne bereits, sich ihren Weg über den Horizont zu bahnen. Robin verspürte ein Grummeln in ihrem Magen. Sie war seit vier Uhr früh auf den Beinen und hatte – wie jeden Morgen – erst die Pferde gefüttert, ehe sie Sky gesattelt und mit ihm losgeritten war. Jetzt war auch sie reif für ein Frühstück.

„Na los, Junge, wir reiten nach Hause”, sagte sie zu Sky, der, als habe er verstanden, was sie ihm sagen wollte, schnaubte. Sie lenkte den Wallach einen kurzen Feldweg entlang, der in der Hauptstraße mündete, die nach Rocky Creek führte, der Stadt, in der sie ihr ganzes, bisheriges Leben verbracht hatte. Um diese Zeit war die Hauptstraße so gut wie nicht befahren. Der spärliche Berufsverkehr setzte erst in einer guten Stunde ein und die anderen Rancher der Gegend waren zu dieser Zeit ebenfalls noch nicht mit ihren Maschinen hier draußen unterwegs. Robin und Sky sparten sich also ziemlich viel Zeit, wenn sie am Bankett neben der Straße zurückritten, als den Weg über die Weiden zu nehmen, der gut doppelt so lang dauerte. Robin gab dem Wallach die Zügel hin und hing ein bisschen ihren Gedanken nach. Der Tag auf der Ranch würde nicht sonderlich aufregend werden. Sie würde mit den Pferden arbeiten und ihre Mutter hatte ihr gesagt, dass seit langem wieder einmal jemand das Gästehaus am Fluss gemietet hatte, das die Bennetts über Airbnb anboten. Hier draußen in Rocky Creek vermieteten sich Airbnbs zwar nicht so gut wie in Metropolen wie New York oder Los Angeles, aber hin und wieder hatten die Bennetts doch Übernachtungsgäste von Touristen, die der Großstadt entfliehen und auf einer echten Ranch wohnen wollten.

Im nächsten Moment wurde Robin aus ihren Gedanken gerissen. Sie hatte gerade eine Weggabelung erreicht, die auf die Straße nach Shady Pines führte. Wie aus dem Nichts war plötzlich ein Auto aufgetaucht, das in Höllentempo auf die Gabelung zuraste und in Zickzacklinien entlangfuhr. Die meiste Zeit befand sich der ziemlich neu aussehende Wagen sogar eher auf dem Bankett als auf der Straße. Obwohl Robin Sky bremste, der generell kein sehr ängstliches Pferd war, hielt der Fahrer fast direkt auch die Beiden zu. Sky geriet in Panik und Robin spürte, wie der Wallach sich anspannte. Er machte einige Schritte rückwärts, drehte dann auf den Hinterhufen um und sprang mit einem Satz zur Seite – gerade noch rechtzeitig, bevor der Irre in seinem Audi RS nur Zentimeter neben Robin und ihrem Pferd über das Bankett pflügte. Der Wagen schlingerte und für einen Moment hatte es den Anschein, als würde er die Böschung hinabrollen, doch im letzten Augenblick wurde er noch einmal herumgerissen und raste dann die Straße entlang, bis er hinter dem Horizont verschwunden war.

EINS

Rocky Creek war eine dieser typischen Kleinstädte im Westen, in der jeder jeden kannte und kaum einmal ein neues Gesicht zuzog. Wenn überhaupt, hielten Fremde eher an der Texaco-Tankstelle des alten Billy Ray Maynard, um ihre Wagen vollzutanken und sich mit Erfrischungen einzudecken und dann weiter in Richtung der nächsten Großstadt zu fahren. Die Stadt war eine kleine, eingeschworene Gemeinde und natürlich verbreitete sich die Nachricht eines Neuankömmlings wie ein Lauffeuer unter den Einwohnern. Der Neuankömmling, der sich an diesem Morgen im Gemischtwarenladung von Ruth Anderson einfand, hatte es aber in sich. Es war kurz vor neun Uhr morgens und Bill Warner, Joe Hanson und Luke Bowers, drei alteingesessene Rocky-Creek-Einwohner standen, wie jeden Morgen vorne an dem kleinen Kaffeetisch und genehmigten sich erst ihren morgendlichen Kaffee, der später in ein Mittagsbier überging. Die drei Männer gehörten zu Rocky Creek, so wie der Papst zum Vatikan gehörte. Sie alle waren hier geboren und aufgewachsen und Zeit ihres Lebens in der Stadt gewesen. Sie kannten so einige Geschichten von früher, die sie gerne jedem zum Besten gaben, der sie hören wollte.

Die kleine Glocke, die oberhalb der Tür angebracht war, bimmelte um kurz nach neun Uhr morgens, als Bill Warner gerade dabei war, sich über Johnnie Corrigan, den Nachbarsjungen, aufzuregen, der es einmal mehr nicht geschafft hatte, die Regenrinnen zu Bills Zufriedenheit zu säubern. Zu seiner Zeit, so sagte Bill, hätte der junge Corrigan eine schallende Ohrfeige bekommen, wenn er derart schlampig gearbeitet hätte. Und noch eine, hätte er so feist gegrinst und seinem Auftraggeber gesagt, er solle sich „den Scheiß doch selber machen”, so, wie Johnnie es offenbar getan hatte. Bill war gerade erst in Fahrt gekommen, auf Johnnie zu schimpfen, als ein Mann den Laden betrat, der die Aufmerksamkeit der drei Männer auf sich zog. Ein neues Gesicht. Jemand, den man noch nie in Rocky Creek gesehen hatte. Kein Lieferant, der Ruth Ware brachte oder einer dieser Handelsreisenden, die ab und an hier durchkamen und sich bei Ruth einen großen Becher Kaffee und eines ihrer selbstgemachten Cupcakes holten. Dieser Typ hier … sah überhaupt nicht aus wie jemand, den es absichtlich nach Rocky Creek verschlug. Viel eher wirkte er, als wäre er von dem Cover eines Hochglanzmagazins geplumpst, so aus dem Ei gepellt, wie er aussah. Er war groß und sportlich, trug Jeans und ein enganliegendes, graues Shirt, das seine Muskeln betonte. Dazu schwarze Sneaker, die vermutlich mehr gekostet hatten, als die kompletten Outfits der Besucher von Ruths Laden gemeinsam. Der Typ hatte ein markantes, um nicht zu sagen schönes Gesicht, maskuline Gesichtszüge und stechend blaue Augen. Doch irgendwie wirkte er auch kaputt. Und das war es, was den Veteranen aus Rocky Creek als erstes auffiel. Skeptisch blickten Bill, Joe und Luke den Neuankömmling an.

„Ich brauche ein Uber und eine Kiste Chateau La Tour, am besten aus 2009”, sagte der Mann. Die Veteranen starrten ihn einige Sekunden lang wie einen Ölgötzen an, ehe Luke Bowers zu lachen begann.

„Junge, du bist hier in Rocky Creek, hier gibt’s keine U-Bahn", wieherte er. Die beiden anderen stimmten in sein Gelächter mit ein.

„Aber du könntest den alten Jimmy Horace fragen, ob er dich mit der kleinen Bimmelbahn, die er immer beim Siedlerfest ausgräbt, um die Kinder einmal um den Festplatz zu fahren, nach Hause in die große Stadt bringt”, rief Joe Hanson und klatschte sich dabei auf die dürren Oberschenkel. Verständnislos sah der Neuankömmling die drei Männer an, die sich jetzt gar nicht mehr einkriegten vor lauter Lachen.

„Ach Junge, hören Sie nicht auf diese drei alten Männer”, sagte Ruth Anderson. Sie war aus dem Hinterzimmer des Ladens gekommen, wo sie eine neue Lieferung Nudeln und Mehl ausgepackt hatte. Ruth war kaum jünger als die Veteranen, aber lange nicht so weltfremd wie die drei.

„Ein Uber ist übrigens so etwas wie ein Taxi”, rief sie in Richtung der Männer. Dann wandte sie sich wieder an den Neuankömmling. „Was aber nichts daran ändert, dass es in Rocky Creek weder Uber noch Taxis gibt. Wohin wollen Sie denn?” Der Mann reagierte erst nicht und auch Ruth bemerkte, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ihr fiel außerdem auch auf, um was für ein Prachtstück es sich bei ihm handelte, was den Veteranen entgangen war.

„Ich …”, er kramte in seiner Hosentasche herum und zog schließlich ein Smartphone daraus hervor, auf dem er einige Male herumwischte. „Die … ähm … die Bennett-Ranch", sagte er schließlich und sah Ruth an. „Wenn es schon kein Uber hier gibt, könnten Sie mir vielleicht den Weg dorthin beschreiben? Ich hatte einen … mein Wagen hatte eine Panne und ist liegen geblieben.” Augenblicklich verstummten die Veteranen und auch Ruth blickte ihn neugierig an.

„Die Golden River-Ranch liegt ein paar Meilen außerhalb”, sagte Ruth. „Aber zu Fuß ist das eine ganz schöne Strecke und die Jungs hier sind zu alt, um noch fahrtüchtig zu sein.”

***

Robin hatte einen arbeitsreichen Vormittag hinter sich gebracht. Nachdem sie und Sky die Weidezäune gecheckt und dabei fast von einem Irren totgefahren worden waren, war sie zurück zur Ranch und hatte die Pferdeboxen ausgemistet. Danach hatte sie mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter gefrühstückt, ehe sie sich auf den Weg in die Stadt gemacht hatte, um im Futterladen eine Bestellung für die Pferde aufzugeben und in Ruths Gemischtwarenladen vorbeischaute, von wo ihre Großmutter noch etwas Zuckerguss benötigte, um ihren stadtbekannten und beliebten Zitronenkuchen für den Übernachtungsgast zu backen.

Robin betrat Ruths Laden und wie immer standen Bill Warner, Joe Hanson und Luke Bowers vorne an dem kleinen Tischchen und beäugten das Geschehen in der Stadt. Ruth Anderson unterhielt sich gerade mit … jemandem, den sie auf den ersten Blick nicht erkannte, was sie aber nicht weiter interessierte. Im Vergleich zu den meisten Einwohnern von Rocky Creek war Robin überhaupt nicht auf Klatsch aus. Sie trat in den Gang mit dem Backzubehör und holte eine Packung weißen Zuckerguss sowie Schmetterlinge mit Zitronengeschmack, von denen sie wusste, dass ihre Großmutter sich darüber freuen würde, wenn sie den Kuchen damit dekorieren konnte. Sie legte noch ein paar andere Kleinigkeiten in ihren Einkaufskorb und machte sich dann auf nach vorne, um zu bezahlen und sich vielleicht ein paar Minuten mit den Veteranen der Stadt zu unterhalten. Die drei Männer waren gut mit Robins verstorbenem Großvater befreundet gewesen und besuchten die Bennetts auch heute noch von Zeit zu Zeit, um in Erinnerungen zu schwelgen. Jedes Jahr, an Henry Bennetts Todestag, legten die drei ein Blumenbouquet an seinem Grab nieder.

„Sie sind ein Glückskind, Junge”, sagte Ruth, als Robin auf die Theke zutrat, auf der sich Ruths Kasse befand. „Das hier ist Robin Bennett. Ihrer Familie gehört die Golden River-Ranch. Bestimmt nimmt sie Sie mit raus.” Ruth zwinkerte Robin zu. „Robin, dieser Mann hier will zu dir.” Sie grinste. Die ganze Stadt versuchte praktisch ständig, sie zu verkuppeln. Robin warf einen Blick auf den Fremden, der wie ein Elefant im Porzellanladen wirkte und so überhaupt nicht nach Rocky Creek passte. Er trug Designerjeans, Sneakers von Valentino und ein Shirt von Calvin Klein und wirkte neben Bill, Joe und Luke wie ein bunter Hund. Der Mann sah sie an und Robins Herz setzte einen Sprung aus. Er sah höllisch gut aus und obwohl Robin Männerbekanntschaften lange abgeschworen hatte, löste er etwas in ihr aus, das sie schon sehr lang nicht mehr gespürt hatte. Sie wischte dieses merkwürdige Gefühl weg. Was sollte das? Sie kannte diesen Fremden doch überhaupt nicht und bestimmt hatte sie sich das Bauchkribbeln nur eingebildet, das sie gefühlt hatte, als er sie mit seinen stahlblauen Augen aus dem maskulinen Gesicht angeblickt hatte.

„Ja, er hat zwar immer noch nicht mit der Sprache rausgerückt, wer er ist und was er hier will, aber immerhin hat er sich eine U-Bahn bestellt”, begann Joe Hanson loszuprusten.

„Uber”, versuchte Ruth es noch einmal, indem sie das Wort langsam und deutlich aussprach, doch dann gab sie auf. Gegen die Veteranen war es eben schwer, anzukommen.

„Robin, das ist aber nicht so ein Typ, wie man sie im Internet bestellt”, fragte Luke. „So ein Callboy aus Tinder.” Robin schmunzelte. Die alten Freunde ihres Großvaters waren Originale und es war sensationell, ihnen dabei zuzuhören, wie sie probierten, sich in der modernen Welt zurechtzufinden. Dass Luke Bowers annähernd Ahnung hatte, was es mit Tinder auf sich hatte, fand sie bemerkenswert.

„Ach komm Luke, meinst du, unsere Robin würde sich einen Typen wie den hier bestellen? Der ist doch viel zu geschniegelt. Robin braucht einen Rancher. Einen guten, handfesten Mann, der weiß, wie man eine Lady wie sie behandelt. Hast du eigentlich Ahnung von Viehzucht, Junge?”, fragte er den Fremden, der überhaupt nicht auf ihn reagierte.

„Ach Jungs”, sagte Robin, „Ihr wisst ja, dass ich weg vom Markt bin, weil ihr drei unglücklicherweise nicht in meinem Alter seid und sonst kein Mann gut genug für mich ist.” Sie zwinkerte Ruth zu. Robin hatte einen Draht zu den Veteranen, die auf den ersten Blick immer etwas sauertöpfisch und griesgrämig wirkten. „Und Sie? Wollen zur Ranch meiner Familie? Dann sind Sie wohl der Airbnb-Typ, stimmts?” Der Mann blickte Robin fast abschätzig an, ohne ein Wort zu sagen. Robin zog die Augenbrauen hoch. Der Kerl war ein typischer Städter. Unhöflich bis dorthinaus. Was einer wie er im Gästehaus der Golden River-Ranch wollte, konnte sie sich nicht vorstellen. Sie hoffte jedoch, dass er sich kein modernes Luxusloft erwartete, dass alle Stücke in Sachen Design spielte. Sie bezahlte die Waren und nahm die braune Papiertüte, in die Ruth sie ihr gepackt hatte. Dann sah sie den Typen an und sagte: „Na kommen Sie schon, Ihr Uber ist da.”

ZWEI

Robin lenkte den Wagen auf die Ausfahrtstraße von Rocky Creek, die zur Farm der Bennetts führte. Der Typ auf dem Beifahrersitz war ein schräger Vogel, das hatte sie bereits bemerkt, als sie ihn das erste Mal gesehen hatte. Und nicht, weil er optisch nichts ins Bild eines Rocky Creek-Einwohners passte, sondern, weil er wirkte, als habe er mit sich selbst und der Welt nicht mehr viel anzufangen. Er wirkte überhaupt nicht wie jemand, der ein paar Tage frei machte und sich auf etwas Erholung freute. Ganz im Gegenteil, er kam viel eher rüber wie jemand, gezwungen wurde, Urlaub zu machen. Vielleicht war er ja wirklich ein Workaholic, dessen Boss ihn dazu verdonnert hatte, sich eine kleine Auszeit zu genehmigen.

„Sie haben Glück. Ich bin praktisch Ihretwegen im Laden gewesen”, sagte sie, während sie den Wagen die Hauptstraße entlang lenkte. „Meine Großmutter hat sich vorgenommen, einen Kuchen für Sie zu backen. Sie backt die besten Zitronenkuchen diesseits des Mississippi. Sie werden begeistert sein.”

„Ich nehme keinen Zucker zu mir”, sagte der Typ und wirkte so entnervt, als habe Robin ihn die letzten Stunden mit sinnlosen Fragen zugetextet. Sie zog eine Augenbraue hoch. „Wow”, sagte sie. „Ich wünschte, das könnte ich von mir auch behaupten, aber … ich komm einfach nicht davon los. Ich fühle mich von Zucker, vor allem in Form von Kuchen und Schokolade, fast magisch angezogen.” Sie lächelte. „Und … wie lange bleiben Sie? Und was hat Sie dazu bewogen, nach Rocky Creek zu kommen? Touristisch gesehen sind wir nicht so der Hotspot.” Als der Mann auch auf diese Frage nicht antwortete, sondern nur weiterhin monoton durch die Windschutzscheibe starrte, beschloss Robin, es aufzugeben und nicht länger zu versuchen, eine Unterhaltung vom Zaun zu brechen. Dieser Typ hier war ganz offensichtlich nicht an einer Konversation interessiert. Sie seufzte. Es kam nicht allzu oft vor, dass jemand das kleine Gästehaus der Golden River-Ranch mietete, aber die Gäste, die sich hin und wieder auf die Ranch verirrten, waren zumeist nette, gesprächige Menschen, die leicht Anschluss an die Familie fanden, mit den Bennetts zu Abend aßen oder hin und wieder einen Ausritt mit Robin unternahmen. Dieser Typ hier … war ganz offensichtlich das komplette Gegenteil und Robin stellte sich schon einmal auf ein paar ziemlich anstrengende Tage ein. Es kam gar nicht so selten vor, dass Gäste wie dieser Typ hier ziemlich anstrengend waren und an allem etwas auszusetzen hatten.

Die Farm lag außerhalb von Rocky Creek etwa fünf Autominuten vom Stadtzentrum entfernt. Zu dem Land, das Robins Ururgroßvater vor gut einhundertzwanzig Jahren gekauft hatte, gehörten fünfzehn Hektar Wald und ein kleiner Flussarm, der in Form eines Baches hinter dem Gästehaus verlief und von dem ein Ableger in einem kleinen See mündete, der beinahe in der Mitte des Waldes lag. Es war ein wunderschönes Stück Land und jedes Mal, wenn Robin auf dem Weg dorthin war, konnte sie sich kein schöneres Fleckchen Erde vorstellen. Sie war überglücklich, hier draußen Leben zu dürfen und hatte ihr Zuhause bis auf eine kurze Unterbrechung auch niemals verlassen.

Das Zentrum des Grundstücks bildete das große Ranchhaus mit der einladenden Veranda und den sauberen Holzstufen die hinauf zur Eingangstür führten. Links und rechts vor dem Haus gab es zwei großzügige Koppeln die wie aus einem Bilderbuch mit immer weißen Latten eingezäunt waren. Als Kind hatte Robin es geliebt, aufzuwachen und zu allererst ihre heißgeliebten Pferde sehen zu können. Zwischen den beiden Koppeln verlief ein breiter, von Buchen gesäumter Schotterweg, der direkt zum Haupthaus führte, wo er in einem kleinen Vorplatz endete, oder aber daran vorbei und rechts zu dem großen Stallgebäude verlief. Hinter dem Stallgebäude erstreckten sich noch einmal sieben große Koppeln, die sich nordwärts bis zu dem Flussarm säumten, der ebenfalls zu dem Land von Robins Großeltern gehörte. Etwa einhundertfünfzig Meter neben dem Stallgebäude stand das Gästehaus, das Henry Bennett Anfang der Achtziger Jahre gebaut hatte. Damals hatten die Bennetts oft Besuch von Verwandten gehabt, die dann in dem Haus, in dem es zwei Zimmer, eine Küche und ein Bad gab, wohnten. Es war ein hübsches kleines Haus, von dessen hinterer Veranda aus man direkt auf den Fluss sah und von wo aus man wunderschöne Sonnenuntergänge betrachten konnte. Hinter dem Gästehaus führte ein Trampelpfad hinein in den Wald um eine Biegung und zu dem See. Vor drei Jahren war Robins Großmutter Dorothy durch einen Fernsehbericht über Airbnb auf die Idee gekommen, das Gästehaus zu vermieten. Das Häuschen war hübsch und gut gelegen, und gerade Ruhesuchende aus der Stadt konnten hier ein paar entspannte Tage verbringen. Also hatten die Bennett-Frauen begonnen, das Haus zu renovieren, die Wände gestrichen, neuen Teppichboden verlegt und ein paar Möbel ausgetauscht und seither war es als „Kleinod im Westen, direkt am Fluss” auf Airbnb gelistet.

Robin bog auf den Schotterweg, ein der zur Farm führte. Der Sand knirschte unter den breiten Reifen ihres Trucks und wirbelte kleine Staubwölkchen auf. Einige Pferde grasten auf den Koppeln, hoben neugierig die Köpfe, als der Wagen auf das Haus zufuhr und widmeten sich dann wieder Weißklee und Honiggras. Robin lenkte den Truck am Haupthaus vorbei und hinunter zum Gästehaus, wo sie den Wagen anhielt und ausstieg. Der Typ tat es ihr gleich und sah sich um. Noch nie zuvor hatte Robin einen so schrägen Vogel wie ihn gesehen. Sie ging auf die Eingangstür zu und schloss sie auf. Im Inneren des Hauses duftete es nach frischem Holz und Sauberkeit. Der Kerl trat nach Robin über die Schwelle und stellte die Sporttasche, die er bei sich hatte, neben der Tür ab.

„Also, das hier ist Ihr Schlüssel”, sagte Robin und reichte dem Mann einen Schlüsselanhänger. „Verlieren Sie ihn nach Möglichkeit nicht, es gibt nur den einen. Das Bad ist hier gleich links, die Wohnküche direkt voraus und das Schlafzimmer dort vorne rechts. Die Küche sowie der Kühlschrank sind gut gefüllt. Sollte etwas fehlen, zögern Sie nicht, sich bei uns zu melden. Wir haben so ziemlich alles in unserer Speisekammer, was Ihr Herz begehrt. Und was wir nicht haben, besorgen wir selbstverständlich für Sie. Es gibt dann noch jede Menge …"

„Sparen Sie sich ihr Gelaber.”

Robin sah den Mann entsetzt an. Okay, er war nicht gerade das gesprächigste Wesen unter der Sonne, aber so derart unfreundlich. Ihr wäre eine passende Entgegnung eingefallen, doch sie hielt sich zurück. Der Typ war immerhin Gast auf der Golden River-Ranch und die Vermietung des Gästehauses lag ihrer Großmutter sehr am Herzen. Jedes Mal, wenn ein Gast ihr eine gute Bewertung gab, ging ihr Herz förmlich auf und wenn einer einmal etwas zu bemängeln hatte, nahm sie sich das viel zu sehr zu Herzen. Robin wollte nicht ausschlaggebend dafür sein, dass dieser Typ das Gästehaus der Ranch schlechte bewertete. Und wie hieß es doch so schön - der Gast war König. „Dann haben Sie einen schönen Aufenthalt bei uns”, sagte sie, drehte auf dem Absatz um und verließ das Haus.

David

Nun war er also hier. Die Sonne schien durch die große Terrassentür und erhellte und erwärmte den Innenraum. Das Haus war genauso geschmackvoll eingerichtet, wie er es auf den Bildern von Airbnb gesehen hatte. Es war sauber und gepflegt, geräumig aber gleichzeitig gemütlich. Es war das perfekte Hideaway hier draußen und ebenso perfekt für das, was er vorhatte.

Er ließ sich auf das bequeme Sofa fallen, das im Wohnraum stand. Es war sonnengewärmt und fühlte sich angenehm an. Er schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Es war ein Wunder, dass er es hier herausgeschafft hatte, nachdem er den Audi um einen Baum gewickelt hatte. Als er die Kontrolle über den Wagen verloren hatte, hatte er tatsächlich geglaubt, das wäre es jetzt gewesen. Doch nachdem er nach wenigen Augenblicken das Bewusstsein wiedererlangt hatte, war er aus dem Wrack geklettert, hatte seine Tasche geschultert und war die paar Meilen bis nach Rocky Creek zu Fuß gegangen. Plötzlich brach alles wieder wie eine Welle über ihn herein. Das Leben, das er einst gelebt hatte. Das so perfekt war. Er hatte alles gehabt. Wirklich alles. Und mit nur einem Wimpernschlag war es ihm entrissen worden. Aber hier und jetzt war nicht die Zeit, in der Vergangenheit zu schwelgen, das hatte er in den letzten Monaten ohnehin jeden Tag getan. Er war zu einer Entscheidung gelangt und er war hier, um sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Robin

Es duftete bereits herrlich, als Robin die geräumige Küche der Ranch betrat. Sie hatte das Futter, das sie vom Laden mitgebracht hatte, abgeladen und in der Futterkammer verstaut. Dann hatte sie nach den Fohlen gesehen und geprüft, ob die Heulager für den Winter voll genug waren, oder, ob sie etwas nachordern musste. Ihre Großmutter Dorothy war gerade dabei, in einem großen Topf zu rühren.

„Robin, da bist du ja. Hast du an meinen Zuckerguss gedacht?”, fragte die alte Dame.

„Der Zuckerguss ist hier”, entgegnete Robin und legte die Packung auf den Küchentisch. „Aber ich schätze, er wird nicht zum Einsatz kommen.” Dorothy blickte ihre Enkelin fragend an. „Ich habe unseren Gast in Ruths Laden angetroffen und ihn mit hierher genommen”, sagte sie. „Er ist ein ziemlich schräger Vogel. Und hat mir unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er einen Wert auf Kontakte jeglicher Art mit uns legt. Auf Zucker übrigens auch nicht.”

Dorothy sah Robin an. „Ach Kind, bist du dir sicher? Vielleicht braucht der arme Kerl einfach ein bisschen Zeit, um hier anzukommen, du weißt ja, wie diese dauergestressten Städter sind. Wenn er erst einmal eine Stunde für sich hatte, ist er bestimmt wie ausgewechselt und freut sich über Anschluss. Ich werde den Kuchen in jedem Fall backen und ihn später damit willkommen heißen.”

Der Nachmittag verging wie im Flug. Nachmittags war Robin immer damit beschäftigt, mit den Pferden zu arbeiten, die sie in Beritt hatte oder die sie auf Turnieren und Verkaufsschauen im Land vorstellen wollte. Sie liebte ihren Job und hätte ihn um nichts in der Welt gegen einen Job in einem Büro eingetauscht, auch wenn er ihr oft viel abverlangte, wenn ihre Tage bereits um fünf Uhr morgens – oder wie an diesem Tag noch früher - begannen und wenn sie nicht selten im Dreck und Staub herumwühlen musste. Nachdem sie mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter gegessen, und die beiden Damen anschließend zum Bingo ins Gemeindezentrum von Rocky Creek gebracht hatte, machte sie einen Abstecher ins Barneys, der ortsansässigen Kneipe, in der es neben Bier und Whiskey auch die besten – und fettigsten – Burger der westlichen Hemisphäre gab. Robin ließ sich nicht sehr oft im Barneys blicken, doch an diesem Abend schien es ihr eine gute Idee zu sein, sich ein Bier zu genehmigen und sich mit den Ranchern aus der Umgebung ein bisschen auszutauschen oder sich auf den neuesten Stand zu bringen. Sie parkte ihren Truck auf dem Parkplatz hinter der Bar, wo nur noch wenige Flächen frei waren und betrat sie. „Tonight live – The Country Cats“ schrie ein Plakat, das direkt über der Bühne, die sich gegenüber der Eingangstür befand, angebracht war. Darunter, auf der Bühne, gaben die Country Cats, bei denen es sich ganz offensichtlich um eine Coverband der Dixie Chicks handelte, eine Nummer aus dem Album „Wide open Spaces“ zum Besten. Die Kneipe war leicht verraucht, aber nicht so sehr, wie Robin es sich vorgestellt hatte. Rechts neben dem Eingang ging es zu den Toiletten und zur Garderobe, die jetzt aber verlassen und leer war. Gleich neben der Garderobe begann die Bar, sich bis nach vor zur Tanzfläche durchzuziehen. Die Barhocker waren schon jetzt fast alle besetzt und hinter der Bar tummelten sich zwei Kellnerinnen, eine davon sah bereits ziemlich entnervt aus, und ein Kellner, um den Gästen ihre Bestellungen zu bringen. Vor der Bar gab es etwa zwei Dutzend Tische mit jeweils vier Stühlen. Manche Gäste hatten sich Stühle von leeren Tischen hinzugezogen und teilweise Tische zusammengeschoben und alles in allem ging es sehr gesellig und lustig hier drin zu.

Robin steuerte auf einen leeren Tisch am Fenster zu, der direkt am Fenster an dem großen Panoramafenster stand, aus dem man hinaus auf die Straße und den Gehweg sehen konnte. In der Mitte gab es ein kleines Gestell mit Servietten, einem Salz- und einem Pfefferstreuer, Ketchup, Senf und der Speisekarte.

„Hi, was kann ich dir bringen?“ Vor ihr stand nun eine der Kellnerinnen. Diese sah zwar nicht ganz so unmotiviert aus, wie ihre Kollegin an der Bar, aber auch sie sprühte nicht gerade vor Energie. Kein Wunder, es war gerade mal sieben Uhr durch und im Barneys herrschte schon Hochbetrieb. Ein weißes Namensschild verriet ihren Namen – Tracy.

„Ein Coors Light bitte“, orderte Robin und freute sich richtig auf ein kühles Bier nach diesem anstrengenden Tag. Sie hatte einiges erledigt und über ihre Arbeit ihren Gast auf der Ranch ganz vergessen. Ihre Großmutter hatte beim Abendessen erwähnt, dass sie ihm zwar den Kuchen vorbeigebracht hätte, er aber dankend abgelehnt hatte. Auch die Einladung, mit den Bennetts zu Abend zu essen, hatte er ausgeschlagen. Okay, es konnte natürlich gut möglich sein, dass er hier war, um sich zu erholen. Um ein paar Tage Ruhe zu genießen. Da musste man nicht gleich mit seinen Gastgebern essen und sich ausfragen lassen. Aber … etwas an ihm kam Robin seltsam vor. Er hatte sich noch nicht einmal mit Namen vorgestellt oder sich bei ihr dafür bedankt, dass sie ihn mit zur Ranch genommen hatte. Erst über das Buchungssystem von Airbnb hatte sie erfahren, dass sein Name David Hannigan war. Dr. David Hannigan, um genau zu sein. Sie überlegte. Sollte sie es wagen, ihn zu googeln? Eigentlich war das ja nicht gerade die feine englische Art, aber immerhin lebte dieser Mann mit ihr, ihrer Mutter und ihrer Großmutter auf der Ranch.

---ENDE DER LESEPROBE---