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Freie Frauen nehmen sich, was sie wollen Endlich sagt es mal eine – Feminismus gegen den Strom Mirna Funk ist genervt von den Debatten um Geschlechterungleichheit, Care-Arbeit und Vereinbarkeit. Selbstbestimmte, eigenständige Frauen warten nicht darauf, dass jemand gesellschaftliche Strukturen für sie ändert, stilisieren sich nicht zu Opfern. Sie ziehen es durch und handeln! Mit diesem Statement will Mirna Funk allen Frauen Mut machen, ihre längst existierende Freiheit auch wirklich zu leben. Und geht mit gutem Beispiel voran.Ihre jüdische Identität und ihre ostdeutsche Herkunft haben ihr ein Frauenbild mitgegeben, das sich von dem des aktuellen Mainstream-Feminismus radikal unterscheidet. Denn sie glaubt an die Kraft der Selbstwirksamkeit.
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Seitenzahl: 114
»Die Führungsetagen und Vorstände werden nicht einfach wie durch Zauberhand weiblicher, sondern durch ambitionierte Frauen, die nach oben streben und es sich eben nicht in der Küche im Eigentumsheim gemütlich machen. Karriere seid ihr, macht ihr, schafft ihr. Und keiner wird euch davon abhalten können. Kein Patriarchat, kein System, kein Staat. I promise!«
Mirna Funk setzt ein leidenschaftliches Statement für die Autonomie aller Frauen. Ob in Sachen Karriere, Geld, Sex, Beziehungen oder Erziehung: Die Schriftstellerin und Essayistin teilt ihre Erfahrungen und zeigt, wie man mit dem richtigen Mindset unabhängig durchs Leben geht.
Für meine kluge, lustige, liebevolle,schöne und mutige Tochter Etta
Vorwort
Karriere
Liebe
Sex
Geld
Kinder
Körper
Nachwort
Literatur
Anmerkungen
Die große Frage ist natürlich, ob es dieses Buch ohne den Mai 2021 gäbe. Ohne dass mein Artikel auf dem feministischen Online-Portal pinkstinks erschienen wäre, in dem ich Frauen dazu ermutigte, am Muttertag ihre faulen Männer zu verlassen, und sie gleichzeitig daran erinnerte, dass dies selbstverständlich nur dann möglich ist, wenn sie finanziell unabhängig sind. Gäbe es dieses Buch, wenn danach nicht ein Teil des Literaturbetriebs, Twitter-Deutschland und ein paar abgehängte Reihenhausfeministinnen auf Instagram, behauptet hätten, ich sei entweder eine reiche Erbin oder eine gewiefte Hochstaplerin, anders jedenfalls könne es nicht sein, schließlich hatte ich in dem Text geschrieben, dass ich mein Leben lang schon finanziell unabhängig gewesen sei? Gäbe es dieses Buch ohne den Shitstorm, der daraufhin folgte, ohne die zahlreichen Memes, die gebastelt wurden, und die seitenlangen Threads, in denen über Tage öffentlich über meinen 30 Jahre alten Porsche und mein Ligne-Roset-Sofa diskutiert wurde – nicht aber über die Notwendigkeit finanzieller Unabhängigkeit? Gäbe es dieses Buch, ohne dass einige Personen im Zuge der Debatte begonnen hätten, meinen Urgroßvater als »kulturelles Kapital« zu bezeichnen – ein Mann, der 1936 mit seiner Frau Juliette aus Deutschland fliehen musste, weil beide Juden waren; der nur wenige Jahre später seine Frau im Krieg verlor und die gemeinsame kleine Tochter, meine Großmutter, in einem französischen Kinderheim unterbringen musste, so lange jedenfalls, bis es nicht mehr sicher war und beide es gerade noch so schafften, in die Schweiz zu fliehen, und deshalb überhaupt überlebten?
Nein, dieses Buch gäbe es ohne den Mai 2021 nicht. Obwohl der Inhalt dieses Buches nicht neu ist. Nicht für mich jedenfalls. Denn schließlich tauchen die von mir auf rund 100 Seiten erörterten Thesen seit zehn Jahren kontinuierlich in meinen Texten, Büchern, Essays, Artikeln und Kolumnen auf. Und auch, wenn sie von mir immer wieder an unterschiedlichen Stellen thematisiert wurden, glaubte ich nie, dass die Notwendigkeit bestünde, aus diesen Thesen ein Buch zu machen. Unter anderem, weil das meiste, was ich behaupte, längst gesagt wurde. Von der bekannten Feministin Hedwig Dohm vor über hundert Jahren zum Beispiel. Nämlich, dass Emanzipation nur dann möglich ist, wenn Frauen finanziell unabhängig sind und dass an dieser finanziellen Unabhängigkeit eben auch eine geistige hängt.
Seit zehn Jahren werde ich in deutsch-feministischen Kreisen für genau dieses Statement, ein Hedwig Dohm’sches Statement, beleidigt, kritisiert, geshitstormt, gecancelt, belächelt. Ich, eine ostdeutsche Jüdin, alleinerziehend, Arbeiterkind. Theoretisch stolze Trägerin der Goldmedaille bei der beliebten Opfer-Olympiade.
Dass mir das passiert, liegt nicht an der schieren Absurdität meiner Behauptungen, sondern daran, dass der feministische Diskurs in diesem Land von Frauen geführt wird, die wohlig aufgehoben in einem Mittelstandshaushalt in Westdeutschland aufwuchsen, in dem mittags das warme Essen – gekocht von der Akademikermutter ohne Arbeit – auf dem Tisch stand. Von Frauen also, die ihre Mütter nie haben arbeiten sehen, sondern mitbekommen mussten, was es heißt, finanziell abhängig zu sein, von einem Mann, von ihren eigenen Vätern nämlich. Aus dieser Beobachtung entwickelte sich bei den wenigsten ein Verständnis dafür, dass diese ungute Abhängigkeit und die damit einhergehende Unzufriedenheit eines ungelebten Lebens ihrer Mütter eben auch Entscheidung und nicht einfach nur Schicksal war. Dass daran nicht das System, das Patriarchat oder irgendeine andere abstrakte Kraft schuld war, sondern dass die Verantwortung vielleicht – aber nur vielleicht – in den Frauen gesucht werden sollte, die sich lieber Taschengeld auszahlen ließen als ihr eigenes Geld zu verdienen. Dass die fehlende Kinderbetreuung in der Bundesrepublik doch zum Beispiel durch das initiative Eröffnen von Kindertagesstätten hätte unterminiert werden können. Dass das Ehegattensplitting längst abgeschafft wäre, hätten mehr Westfrauen den Mut gehabt, in die Politik zu gehen statt ins nächste Feinkostgeschäft.
Ja, selbstverständlich verstehe ich, dass aus einem Schutzbedürfnis der eigenen Mutter gegenüber die Schuld externalisiert und auf eine vermeintlich im Außen liegende Entität projiziert wurde. Wirklich. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum der Opferstatus der westdeutschen Mütter völlig kritiklos auf alle Frauen angewendet werden muss. Auch auf jene Frauen, die sich nie als Opfer begriffen haben, weil sie zum Beispiel immer finanziell unabhängig waren, aufgrund ihrer ostdeutschen Sozialisation, oder weil sie eine eigene Sexualität haben ohne Angst, diese auszuleben, oder weil sie Liebe nie als Unterwerfung verstanden haben, sondern als ebenbürtige Partnerschaft, oder weil Kinder für sie nicht das Ende ihres Frauseins bedeuteten, sondern eine Vertiefung und Ergänzung, oder weil sie ambitioniert genug waren, eine eigene Karriere aufzubauen, und ihr Geld selber verwalten wollen.
Und von genau diesen Frauen gibt es Millionen in diesem Land. Millionen Frauen, die vollkommen irritiert von den aktuellen Debatten sind. Irritiert davon, wie sie gesehen werden, weil sie sich selbst ganz anders sehen: nicht schwach, sondern stark; nicht als arme Häschen, sondern als mutige Amazonen; nicht abhängig, sondern frei. Dass diese Millionen Frauen sich selbst anders sehen, als der deutsche Feminismus sie sieht, hat komplexe und vielseitige Gründe. Die lassen sich in der Sozialisation finden, in der individuellen Biografie, in der Lebenseinstellung, in den Werten, in der Kindheit. Es spielt keine Rolle, warum manche Frauen sich als Opfer und andere sich als Subjekte ihres eigenen Lebens begreifen. Wichtig ist, dass Letztere seit Jahren von angeblichen Feministinnen in diesem Land beschimpft und beleidigt werden, wenn sie nicht mit einstimmen in die feministische Ideologie der großen immerwährenden Leidensgeschichte, an der Frauen keine Schuld tragen, nur Männer und das System und das Patriarchat und der Kapitalismus.
Dieses Buch, das ohne die kreischenden, mit Mistgabeln und Fackeln bewaffneten Frauen aus dem Mai 2021 niemals entstanden wäre, ist für jene Frauen, die nicht twittern, sondern Scheine machen; die ihr Kind nicht als Arbeit, sondern als Wunder sehen; die Geld mögen, ohne neoliberalistische Bösewichte zu sein; die ehrgeizig sind, einfach so, nicht, weil sie irgendwelchen Männern nacheifern; die ihren Körper lieben und mit ihm machen, was sie wollen, und für die, die wissen, dass Begehren selbstverständlich auch weiblich ist und nicht eine internalisierte Irrwanderung, die der männlichen Befriedigung in die Hände spielen soll.
Frauen eben, die sich als unabhängige Subjekte verstehen – selbstverständlich immer eingebunden in eine Gesellschaft mit ihren Werten, Vorstellungen und Grenzen –, aber mündig genug, sich im Rahmen dieser Möglichkeiten und Vorgaben autonom und widerständig zu bewegen. Immer wissend, dass wir nur dieses eine Leben haben, dass wir sterben werden, schneller, als es uns lieb ist, und dass da draußen absolut niemand ist, der uns dabei helfen wird, unser Leben so zu gestalten, wie wir es brauchen. Kein Staat, keine Institution, niemand. Dass der Staat und die Instanzen dazu da sind, ganz im Hobbschen Sinne anarchisches Chaos zu verhindern, aber eben das individuelle Glück nicht zu delivern haben wie der Lieferdienst Gorilla die Sonntagseier. Diese Verantwortung fürs eigene Leben, für die paar Jahre, die wir haben, muss eigenständig übernommen werden. Jeder infantile Tobsuchtsanfall ist pure Zeitverschwendung und dazu auch noch ernsthaft unsolidarisch. Aber jeder Wille, aktive Veränderung und progressive Weiterentwicklung in seinem privaten wie auch beruflichen Umfeld in die Wege zu leiten, ist der Motor, der diese Gesellschaft in die Zukunft führen wird. Diese Zukunft ist keine Utopie. Dort fließen keine Milch und kein Honig. Dort fliegen einem nicht die Hähnchenschenkel in den Mund. Dort muss nicht niemand mehr arbeiten und alle haben plötzlich Pools. Diese Utopien gibt es nur in Märchen, im Christentum und beim Kommunismus. Ich spreche von einer realistischen Welt, in der es morgen besser als heute und schlechter als übermorgen ist.
Und diese Zukunft haben Frauen genauso in der Hand wie Männer. Sie können sich aus den uralten Rollenbildern aktiv herauslösen, sich von traditionellen Werten abwenden, flexible Wege statt konservative wählen und mit Schweiß und Kraft eine Welt für ihre Kinder und Enkel kreieren, die schöner als die jetzige ist.
Das allerdings wird nicht passieren, wenn man die Veränderungswünsche an den Staat delegiert und bockig darauf wartet, dass sich die Gesellschaft zum Besseren wendet. Jede Frau, die lethargisch zu Hause sitzt und schreit Ich mache nicht mit, solange wir 18 Prozent weniger als Männer verdienen!1 anstatt sich selbst ins C-Level zu katapultieren, um faire Bezahlungen einzuführen, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch. Jede Frau, die lieber die Socken des Ehemanns wäscht, aber gleichzeitig auf gegenderte Sprache besteht, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch. Und jede Frau, die anderen Frauen ihre Unabhängigkeit neidet, ist nicht progressiv, sondern antifeministisch.
Die Sonne brannte. Mein Sommerkleid flatterte im Wind. In meinem Kopf ein Tornado. Der dritte Joint des Tages hatte ordentlich geballert. Verstrahlt steckte ich den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn um und tapste in den kalten Hausflur. Hinter mir lagen acht Stunden Schule, von denen ich vermutlich zehn Sekunden mitbekommen hatte. Vielleicht auch fünfzehn. Aber mehr garantiert nicht. Ich öffnete den Briefkasten und holte einen dieser Umschläge raus, die nicht weiß, sondern farbig sind. Gelb oder rot. Who knows! Ich machte ihn auf. Langsam und gewissenhaft. Dann las ich, was auf dem Papier geschrieben stand: »… versetzungsgefährdet …« Das war ich. Das erste Mal in meinem Leben »versetzungsgefährdet«.
Von der ersten bis zur sechsten Klasse war eigentlich alles prima gelaufen. Eine Einserschülerin mit wenigen Zweien. Immer gut in jedem Fach und besonders gut in den meisten. Ab der siebten Klasse allerdings war das Stück Schule für mich eigentlich erledigt. Die siebte, achte und sogar neunte schaffte ich es noch gerade so, nur eine Fünf auf dem Zeugnis zu haben, wenn auch der Rest aus Vieren oder Dreien bestand, aber mit dieser brillanten Glückssträhne war es ab der zehnten Klasse endgültig vorbei. Ich glaube, ich zerriss den Brief und schmiss ihn in eine Mülltonne an der Bushaltestelle vor der Tür. Vielleicht versteckte ich ihn auch. Völlig egal eigentlich. Woran ich mich aber definitiv erinnere, ist, dass ich am selben Abend mit einem Freund in den Neunzigerjahre-Klub Icon ging und mich wegballerte. Weil jetzt sowieso alles egal war.
Eine Fünf in Französisch, eine in Mathe, eine in Chemie. So ging das von nun an. Und nur weil mein damaliger Schuldirektor irgendwelche Sympathien für mich hatte, wurde ich halb legal, halb illegal von Schuljahr zu Schuljahr geschoben, indem ich in den Sommerferien irgendwelche albernen Nachprüfungen machte, die aus der Fünf dann eine Vier oder so zauberten. Das funktionierte allerdings nur bis zur zwölften Klasse. Danach war dann Ende Gelände und ich musste wirklich wiederholen.
Während dieser Zeit lebte ich schon in meiner eigenen Wohnung. Die hatte ich mir selbst besorgt. Genauso wie den Job in einer Bar, in der ich zweimal die Woche kellnerte, um mir meinen Lebensunterhalt zu sichern. Dafür war ich durch den Prenzlauer Berg gelaufen und hatte alle Restaurants und Bars abgeklappert und nach Arbeit gefragt. So machte man das damals in den Neunzigern. Ich war 17 Jahre alt und stand quasi auf eigenen Beinen. Ich bekam lediglich Kindergeld und den Unterhalt von meinem Vater, den vorher meine Mutter bekommen hatte. Schließlich ging ich noch zur Schule. Nachts in einer Bar arbeiten und morgens in der Schule sitzen funktionierte maximal nicht. Ich hatte beim zweiten Anlauf meines Abiturs zwar aufgehört zu kiffen, aber die Nachtarbeit forderte ihren Tribut. Mein Abitur schloss ich mit dem einmaligen Loser-Durchschnitt von 3,3 ab. Damit konnte man 2001 nicht nur nicht studieren, sondern auch eigentlich nichts anderes tun. 3,3 ist der soziale Untergang. Jemand mit einem solchen Abi-Ergebnis kann nichts, weiß nichts und ist auch sonst nicht fähig, zukünftig irgendeinen nachhaltigen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Dabei hatte ich eigentlich Philosophie und Geschichte studieren wollen, aber das war mir nun nicht mehr möglich.
Als ich mit unglaublichen 20 Jahren mein schlechtes Abitur in den Händen hielt, hatte ich keine Ahnung davon, ob ich überhaupt Talente oder Fähigkeiten besitze. Ich wusste, ich konnte super träumen und war eine top Kellnerin. Sehr bitchy und frech, aber dafür extrem organisiert, strukturiert und schnell. Das heißt, die Leute hassten mich wegen meiner Attitüde, hatten ihre Getränke aber sofort auf dem Tisch, wofür sie mich gleichzeitig wieder liebten. Gefühlschaos pur.
Ich hing der Fantasie nach, Schriftstellerin und Journalistin zu werden. Allerdings wusste ich weder, ob ich schreiben kann, noch, wie man schreibt. Deswegen wäre ich auch niemals an einer schnieken Journalistenschule angenommen worden, hätte ich mich beworben. Aber wen hätte ich dafür verantwortlich machen sollen? Auf wen schimpfen? Auf meine Lehrer, die meine Talente nicht förderten? Auf das kaputte Schulsystem, das Leute wie mich komplett durchrasseln lässt? Oder auf meine Eltern, die zu jung waren, um mir irgendwelche grundlegenden Dinge fürs Leben mit auf den Weg zu geben? Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht.
Zwei Jahre nach meinem Abitur begann ich mein Kommunikationsmanagement-Studium. An einer mittelklassigen Fachhochschule. Dort lernte ich PR, Marketing und Strategie. Parallel dazu hatte ich den Absprung aus der Gastronomie geschafft und fing als studentische Aushilfe in der Agentur eines Freundes an. Diesen Job hatte mir keiner besorgt. Nicht meine Familie. Nicht der Staat. Sondern ich selbst. Ob das Spaß machte, nach Arbeit zu fragen oder um einen Job zu kämpfen? Nein, aber es konfrontierte mich mit ungeschönten Tatsachen. Nämlich, dass das Leben nicht fair ist – niemals und für niemanden – und dass es ein Kampf bis zum letzten Atemzug sein würde.