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Das Chaos, das man Liebe nennt: Der spritzige Wohlfühlroman »Wie angelt man sich einen Iren?« von Cathy Kelly als eBook bei dotbooks. Am Freitagmorgen schaut die Welt noch rosig aus: Jo arbeitet als erfolgreiche Redakteurin und hat den scheinbar perfekten Mann an ihrer Seite, während ihre Freundin Aisling im neuen Traumhaus ihr Ehe- und Familienglück lebt. Doch woher stammt die teure Dessous-Quittung, die Aisling am Nachmittag in der Jackentasche ihres Mannes findet? Auch für Jo bricht an diesem Tag eine Welt zusammen: Plötzlich hält sie einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand … und sieht ihren Freund in einer Staubwolke verschwinden. Aber gibt das Leben dir saure Zitronen, dann mach süße Limonade daraus – und wozu gibt es schließlich beste Freundinnen! Vielleicht kann Aisling endlich lernen, sich ihr Glück zu erkämpfen – und womöglich findet Jo die Liebe genau dort, wo sie am wenigsten damit gerechnet hat? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der warmherzige Feelgood-Roman »Wie küsst man einen Iren?« der irischen Bestsellerautorin Cathy Kelly wird Fans der Bestsellerautorinnen Mhairi McFarlane und Karin Lindberg begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 814
Über dieses Buch:
Am Freitagmorgen schaut die Welt noch rosig aus: Jo arbeitet als erfolgreiche Redakteurin und hat den scheinbar perfekten Mann an ihrer Seite, während ihre Freundin Aisling im neuen Traumhaus ihr Ehe- und Familienglück lebt. Doch woher stammt die teure Dessous-Quittung, die Aisling am Nachmittag in der Jackentasche ihres Mannes findet? Auch für Jo bricht an diesem Tag eine Welt zusammen: Plötzlich hält sie einen positiven Schwangerschaftstest in der Hand … und sieht ihren Freund in einer Staubwolke verschwinden. Aber gibt das Leben dir saure Zitronen, dann mach süße Limonade daraus – und wozu gibt es schließlich beste Freundinnen! Vielleicht kann Aisling endlich lernen, sich ihr Glück zu erkämpfen – und womöglich findet Jo die Liebe genau dort, wo sie am wenigsten damit gerechnet hat?
Über die Autorin:
Cathy Kelly arbeitete als Redakteurin, Filmkritikerin und »Kummerkastentante« bei der Dubliner Sunday World, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden und regelmäßig die Bestsellerlisten erobern. Am liebsten schreibt sie warmherzige, einfühlsame Geschichten über ihre irische Heimat. Cathy Kelly lebt mit ihrer Familie und ihren drei Hunden in County Wicklow.
Die Website der Autorin: www.cathykelly.co.uk/
Bei dotbooks veröffentlichte Cathy Kelly auch ihre Romane:
»Wie küsst man einen Iren?«
»Wie heiratet man einen Iren?«
»Der Duft von irischem Lavendel«
»Eine irische Hochzeit«
»Die irischen Freundinnen«
»Der Glanz von irischem Klee«
»Heimkehr nach Irland«
»Die Schwestern von Ballymoreen«
»Die Freundinnen von Cloud’s Hill«
»Die Frauen von Ardagh’s Crown«
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eBook-Neuausgabe Oktober 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1997 unter dem Originaltitel »Woman to Woman« bei Poolbeg Press Ltd. Dublin. Die deutsche Erstausgabe erschien 1999 unter dem Titel »Wär ich doch im Bett geblieben« bei Goldmann.
Copyright © der englischen Originalausgabe 1997 by Cathy Kelly
Copyright © der deutschen Erstausgabe 1999 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)
ISBN 978-3-98690-368-8
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Cathy Kelly
Wie angelt man sich einen Iren?
Roman
Aus dem Englischen von Inez Meyer
dotbooks.
Aisling starrte auf die zerknitterte Rechnung in ihrer Hand und bemühte sich verzweifelt, nicht zu weinen. Der Beleg einer Kreditkartenrechnung mit verschmierter Schrift lag verloren in ihrer Hand. Die Worte Dessous de Paris waren auf der linken Seite zu lesen.
Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie den Stuhl hervorzog und sich an den Küchentisch setzte. Sie merkte gar nicht mehr, daß sie ihren Ärmel dabei in eine Marmeladeninsel und in Toastkrümel tunkte, die ihre Jungs bei ihrem üblichen überfallartigen Frühstück hinterlassen hatten. Sie schloß die Augen, knüllte die Rechnung zu einem Bällchen zusammen und wünschte sich, daß die Worte sich in andere Worte verwandelt hätten, wenn sie wieder aufblickte.
Noch vor wenigen Augenblicken hatte sie den bevorstehenden Freitag als behagliche und vertraute Routine betrachtet. Erst mußte sie Michaels Anzüge in die Reinigung bringen. Dann wollte sie einen kurzen Abstecher zum Friseur machen, wo sie sich für Fionas Kaffee-Einladung im Merrion Center die Haare fönen lassen wollte. Bei einem etwas zu üppigen Stück Karottenkuchen mit Sahne hatten sie vor, gemeinsam zu klatschen.
Kein Karottenkuchen, ermahnte sie sich automatisch, sondern ein braunes Teeküchlein und eine Tasse schwarzer Kaffee ohne Zucker. Sie mußte sich an ihre Diät halten. Die erste Woche war immer die härteste, aber man durfte nicht schwach werden. Das jedenfalls predigten die Diätgurus ohne Unterlaß.
Diät! Warum in aller Welt denke ich über verfluchte Diäten nach, jammerte sie laut. Warum sollte sie sich mit trockenem Toastbrot, sechzig Gramm magerem Truthahnaufschnitt und einem winzigen Stück Schokolade begnügen? Und das an einem Tag, an dem ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten war.
Plötzlich erschien ihr der Gang zur Reinigung und das Klatschstündchen mit Fiona wie Lichtjahre entfernt.
Michael vergaß regelmäßig, seine Anzüge für die Reinigung rauszuhängen. Sie hatte es sich längst abgewöhnt, ihn daran zu erinnern. Es war einfacher, sie selbst nach unten zu bringen, als seinen schweren Schritten im Schlafzimmer und seinem Gemecker über Frauen mit einem prämenstruellen Syndrom zuzuhören, und seiner Ausrede, er komme zu spät zur Arbeit.
Ebenso hatte sie es aufgegeben, die Zwillinge daran zu erinnern, ihre schmutzige Fußballkleidung in den Wäschekorb zu werfen. Sie folgten geradezu sklavisch dem Beispiel ihres Vaters, und wenn es dem gelang, sich jeglicher Hausarbeit zu entziehen, dann taten sie es ihm gleich. Aisling fand an jedem nassen Wäschestück, das sie aus der Waschmaschine nahm, Reste von Papiertaschentüchern und Kassenbons. Sie hatte endlich eingesehen, daß sie es mit zwei zehnjährigen, zu jeglicher Hausarbeit unfähigen Flegeln und einem mit Kreditkarte ausgestatteten, der Hausarbeit abgeneigten Ehemann zu tun hatte. Also leerte sie die Taschen selbst.
An diesem Morgen war es nicht anders gewesen.
»Vergiß nicht, meinen dunkelblauen Anzug mitzunehmen, Aisling. Und weise sie auf den Rotweinfleck auf meinem gelben Seidenschlips hin, ja?« hatte Michael ihr von unten zugerufen.
»Jawohl, mein Herr und Gebieter«, hatte sie ihm zugerufen, tief in einen Schrank gebeugt, wo sie Dufflecoats, Fußballschuhe und Teile des Staubsaugers, die sie nie benutzte, durchwühlte. Sie suchte die Tennisschläger der Jungs. Über das dreiwöchige Sommerprogramm des Sportvereins freute sie sich jedes Jahr, weil es die Jungs in den überlangen Ferien von anderem Blödsinn fernhielt. Der Tagesablauf dort gestaltete sich immer etwas chaotisch, und die Jungs vergaßen regelmäßig bis fünf Minuten vor der Abfahrt bestimmte Gegenstände zu erwähnen, die sie unbedingt mitnehmen wollten.
Gestern waren es die Schwimmbrillen gewesen. Heute die Tennisschläger. »Ich weiß genau, daß ich sie hier liegen hatte, Mama«, jammerte Phillip, hüpfte von einem Bein auf das andere und blickte sie mit seinen riesigen Augen bekümmert an. »Jemand muß sie weggelegt haben!«
Irgend jemand mußte im Haushalt der Morans für viele Dinge verantwortlich sein, dachte Aisling bitter, als sie auf die alten Zeitungen und die verbeulte Plastikspielzeugbox stieß, die sie bereits im Mülleimer gewähnt hatte.
Irgend jemand aß regelmäßig die Schokoladenkekse, zerbrach Geschirr und verlor Schulpullover. Gerne würde sie diesen Jemand einmal richtig durchschütteln.
Michaels Stimme, noch aufgeregter als die von Phillip, unterbrach ihre Gedanken.
»Aisling, wo hast du mein Leinenjacket hingelegt? Ich wollte es heute abend tragen, und ich kann es in dem verdammten Schrank nicht finden! Ich werde mich verspäten, verflucht!«
Triumphierend zerrte Aisling zwei ramponierte Tennisschläger aus dem Schrank und reichte sie dem entzückten Phillip, dann rief sie Michael zu: »Ich habe sie ins Gästezimmer gehängt, weil dein Schrank so voll ist, daß sie schon zerknittert wäre, ehe du sie überhaupt angezogen hast.«
Zwei Minuten später scheuchte Michael die Jungs aus der Tür, um sie vor der Arbeit beim Sportverein abzusetzen. Frieden war wieder eingekehrt. Die Neunuhrnachrichten plärrten laut im Hintergrund. Sie ließ das Frühstücksgeschirr liegen und ging nach oben, um die Anzüge und Schlipse für die Reinigung einzusammeln und ihre Handtasche und die Schlüssel zu holen. Wie bereits Dutzende von Malen zuvor legte sie die Anzüge auf einen Stuhl und ging abwesend die Taschen durch.
Zwischen ein paar Flusen und ein paar unbenutzten Streichholzplättchen, die Michael immer mit sich herumtrug, fand sie es dann. In der Innentasche des feinen dunkelblauen Wollanzugs, der sich so gut zu dem gelben Paisley-Schlips machte, steckte ein ganz normaler Kreditkartenbeleg, den sie sonst nicht weiter beachtet hätte. Heute jedoch schon. Irgend etwas ließ sie den Beleg glattstreichen und ihn ansehen. Im Wert von fünfzig Pfund war in einem von Dublins exklusivsten Dessousläden mit ihrer gemeinsamen Kreditkarte bezahlt worden, doch aus irgendeinem Grund hatte die Ware den Weg in ihren Schrank nicht gefunden.
Unglaublich, aber ihr geliebter Ehemann hatte durch seine Jacketkronen hindurch gelogen und gebrummt, teure Restaurantbesuche mit seinen Kollegen von der Zeitung und wichtige Informanten hätte die Kreditkartenabrechnung derart in die Höhe schnellen lassen.
Der Beleg in ihrer Hand jedoch bewies Aisling, daß die dicke Rechnung nichts mit dem Mittagessen im Le Coq Hardy zu tun hatte. Anstatt mit teurem Rioja und dem besten geräucherten Lachs die Zungen seiner politischen Freunde zu lockern, hatte der stellvertretende Chefredakteur der Sunday News offenbar ganz andere Waren gekauft. Luxuriöse Seidenwaren nämlich.
Fünfzig Pfund, staunte Aisling. Und noch dazu im Dessous de Paris. Sie selbst hatte noch niemals das vornehmste Unterwäschegeschäft auf der Grafton Street betreten. Sie hatte genügend Werbefotos der Seidenhöschen und Büstenhalter gesehen, um zu wissen, wie unglaublich teuer sie waren.
Aisling fühlte, wie sich Wut in ihren Schmerz mischte. Sie war mit der Meinung aufgewachsen, daß Geld für Kleidung auszugeben, fast eine Sünde war. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch niemals mehr als zehn Pfund für einen Büstenhalter bezahlt.
Abgesehen von dem spitzenverzierten Höschen, das ihr ihre Kolleginnen für die Flitterwochen vor zwölf Jahren geschenkt hatten, und ein paar offenherzigen Satinstücken, mit denen sie sich unter Jeans niemals wohl fühlte, bestand Aislings Dessoussammlung aus schmucklosen Baumwollhöschen und einfachen Büstenhaltern, die auch an einer Nonne korrekt ausgesehen hätten.
Wenn sie von einem Bus angefahren werden sollte, so würde sie kein Mensch für eine Sexbombe halten: Nachdem man ihr die klassisch dunkelblaue Strickjacke und den langen weiten Rock heruntergerissen hätte, würde man auf Unterwäsche stoßen, die in etwa so erotisch war wie ein Plumpudding. Natürlich wäre alles Ton in Ton, ein ausgebeultes Höschen mit Grauschleier und ein ebensolches Hemdchen mit Grauschleier.
Kein Dessous der Welt könnte ihren von Cellulite gezeichneten Rettungsring um den Po herum verbergen. Warum also sollte sie dann Geld für Dessous verschwenden? Außerdem machten die Büstenhalter, in denen man einen üppigen Busen unterbringen konnte, immer auch den Eindruck, als hätten darin noch ein paar Basketbälle Platz und waren folglich ausgesprochene Liebestöter.
Liebestöter, ha! Sie lachte laut auf. Es war ein kurzes, rasselndes Geräusch, das in einen Schluchzer mündete, als sie daran dachte, daß Michael ein Dessousgeschäft betrat, um dort etwas für eine fremde Frau zu kaufen. Hatte er die Verkäuferin ratlos angesehen, als sie sich nach der gewünschten Größe erkundigte? Oder hatte er seine Hände geöffnet, als ob er ein paar Orangen umfassen wollte, um ihr die Größe zu verdeutlichen?
Männer sahen sich nie die bereits vorhandene Unterwäsche ihrer Frauen an, bevor sie auf solche Einkaufstouren gingen. Statt dessen murmelten sie etwas von schmaler Taille, normalen Hüften und erröteten bei den Worten »ungefähr ihre Größe« vor der Verkäuferin, der das alles nicht neu war.
Hatte er nach der besten Unterwäsche gefragt, die man für Geld bekommen konnte, um sie damit zu beeindrucken? Oder hatte sie neben ihm gestanden und lächelnd zugesehen, wie er für ein Höschen bezahlte, das er ihr ohnehin später wieder vom Leib reißen würde? Die Vorstellung war Aisling unerträglich.
Michael würde sie nicht betrügen. Er würde es nicht tun, dessen war sie sich sicher. Er hatte ja kaum noch Zeit gefunden, um mit den Jungs zu spielen. Jede freie Minute verbrachte er mit der Konzeption der neuen Beilage, die »... die Auflage ganz nach oben« katapultieren würde, wie er sich so gerne ausdrückte.
Sie hatte es bis oben hin satt, sich die Probleme kurz vor Fertigstellung anzuhören, wie er um ein Haar den Dunkelkammertechniker rausgeworfen hätte, weil der es irgendwie geschafft hatte, eine ganze Rolle Film einer Modenschau zu ruinieren, die mit großem finanziellen Aufwand in Cannes aufgenommen worden war.
Während des letzten Jahres hatte die Zeitung ihr ganzes Leben bestimmt. Endlose Besprechungen waren der Grund für abgesagte gemeinsame Abende und einsame Wochenenden, an denen Michael lediglich zu Hause schlief und frühstückte wie ein Hotelgast, dem sein Zimmer nicht sonderlich gut gefiel. Er hatte sogar die Osteraufführung der Zwillinge verpaßt, an der sie St. Peter und St. Paul in beige gestreiften Kutten gespielt hatten, die Aisling in stundenlanger Arbeit in der Nacht davor genäht hatte.
»Ich komme erst in zwei Stunden hier weg«, hatte er sich nur wenige Augenblicke, bevor Aisling zur Schule losgefahren war, entschuldigt. »Es tut mir leid. Drück sie von mir, ja? Sag ihnen, daß ich sie am Wochenende zu McDonald’s mitnehme.«
»Papa muß noch arbeiten, meine Süßen«, tröstete sie ihre beiden kleinen Apostel, nachdem der Applaus verebbt war und die Darsteller von ihren stolzen Eltern umarmt wurden.
Der Gedanke an die Jungen, beide Ebenbilder ihres dunkelhaarigen Vaters, hob ihre Stimmung. Michael liebte die Jungs von ganzem Herzen, er würde sie nicht betrügen. Und sie würde er auch nicht betrügen. Sie wußte es einfach.
Für die Kreditkartenbelege mußte es eine Erklärung geben. Natürlich mußte es eine geben. Jetzt, wo sie an die Familie dachte und daran, wieviel sie ihm bedeutete, fühlte sie sich besser. Niemals würde er nur wegen einer Affäre mit irgendeinem Flittchen seine Familie aufs Spiel setzen. Himmel, sie konnte sich Michael in einem verdammten Dessousladen gar nicht vorstellen. Er haßte es einzukaufen.
Er hatte ihr immer zugeredet, Geld für sich selbst auszugeben, sich diese zarten Spitzenhemdchen zu kaufen oder die französischen Höschen, die sie seinerzeit mit ihrer Mitbewohnerin Jo gekauft hatte, als diese sie mit zu Clerys Grabbeltischen genommen hatte.
»So etwas trägst du gar nicht mehr, Liebling«, hatte Michael immer gesagt, wenn er eine verführerische Unterwäschewerbung in einer Zeitschrift betrachtet hatte. Aber niemals während ihrer ganzen Ehe war er in einen Dessousladen gegangen, um ihr dort ein Geschenk zu kaufen.
»Wie soll ich denn wissen, daß du sexy Unterwäsche haben möchtest, wenn du es mir nicht sagst?« hatte er an einem Weihnachten wissen wollen, als Aisling laut aufgelacht hatte, weil er ihr ein weiteres von Delia Smiths Kochbüchern geschenkt hatte. »Himmel, du brauchst ja schon zwei Stunden, um eine Bluse auszusuchen, wie soll ich da irgend etwas finden, was dir gefällt? Und noch dazu Unterwäsche!«
Aisling verwies niemals darauf, daß sie sehr wohl wußte, was er sich zu Weihnachten wünschte, denn sie hörte ihm aufmerksam zu und plante die Geschenke bereits im Oktober. Wenn sie jedoch einmal Zeit hatte, um auf der Henry Street herumzuschlendern und einen Laden nach dem anderen durchzukämmen, dann war Michael immer viel zu beschäftigt, sie zu begleiten.
Anstatt mit einer Bluse in der falschen Größe oder aber einem Pullover in der falschen Farbe aufzutauchen, drückte er ihr lieber Geld in die Hand. »Mach schon, verwöhne dich ein wenig, Ash. Kauf dir etwas Schönes zum Anziehen, ja? Nimm doch Fiona mit, sie hat einen guten Geschmack.«
Die unterschwellige Kritik hinnehmend machte sich Aisling dann mit ihrer aerobisch durchtrainierten und geschmeidigen Nachbarin zu einer der ihr verhaßten Einkaufsorgien auf. Blind suchte sie auf den Kleiderstangen voll schöner Stücke etwas, das Michael gefallen und gleichzeitig ihrer Figur schmeicheln würde.
Gerade in dem Augenblick, wenn sie den Mut gefaßt hatte etwas anzuprobieren, würde eine Verkäuferin, selbst Größe sechsunddreißig, auf sie zukommen und ihr ihre Hilfe anbieten. Aisling war überzeugt davon, daß diese Nymphchen erst warteten, bis mindestens zehn Leute im Laden waren, ehe sie das Mädchen hinter der Kasse fragten, ob das rosa T-Shirt oder was auch immer auch noch in Größe zweiundvierzig vorrätig sei.
Peinlich errötet stünde Aisling dann verunsichert da, während die Verkäuferin sie von oben bis unten überlegen und mit einer krähenfüßchenfreien und von Lachfalten verschonten Miene musterte.
Manchmal hätte Aisling ihren unverschämten Mädchengesichtern gerne eine Ohrfeige versetzt und sie angeschrien, daß sie auch einmal eine verführerische Größe sechsunddreißig besessen hatte. Das war, bevor Kinder und ein zehn Jahre andauernder uneingeschränkter Zugang zum Eisschrank ihre Figur verändert hatten. Aber das wäre verschwendete Energie gewesen.
Statt dessen würde sie schweigen, während eine wütende Fiona ihr zur Seite stand und sich als Meckerkundin par excellence profilierte, die gute Ware zu sehen wünschte, da sie »unmöglich diese Grabbeltischware« tragen könne. Fiona war imstande, offene Maschen und fehlende Knöpfe an allem zu finden, was die immer mehr unter Druck geratenden Verkäuferinnen ihrem verächtlichen Blick präsentierten.
Gott segne Fiona, dachte Aisling, wenn die Knöpfe enganliegender Hosen vorwurfsvoll spannten und elegante Blusen sie in Verzweiflung stürzten. Dann brachen sie die Einkaufsorgie gewöhnlich ab, um sich bei Bewley’s einen Trostkuchen zu genehmigen.
»Belfast«, verkündete Fiona an einem besonders deprimierenden Nachmittag, an dem alles, was Aisling anprobiert hatte, entweder wie ein Zelt ausgesehen oder aber gespannt hatte. »Da sollten wir einmal hinfahren. Die Läden dort sind wunderbar. Im Castle Court Center gibt es jede Menge schöner Geschäfte. Es würde dir gut gefallen. Wir könnten am Montag fahren, was hältst du davon?«
»Wunderbar!« Aisling fühlte sich bereits wohler. »Morgen beginne ich mit einer Diät«, versprach sie, während Zucker auf ihrer Oberlippe klebte und ein schaumiger Cappuccino vor ihr stand. Aber als der Morgen kam und sie Michaels Lieblingspie auftrug, konnte sie nicht widerstehen, ein bißchen davon zusätzlich zu ihren Weight Watchers Baked Beans zu essen, die sie für sich selbst zubereitet hatte. Und na ja, ein wenig von der Schwarzwälderkirschtorte würde auch nicht weiter ins Gewicht fallen.
Schwarzwälderkirschtorte hatte sie immer schon geliebt. Sie hatte sogar darauf bestanden, daß das ihr Hochzeitskuchen wurde, trotz der vehementen Einwände seitens ihrer Großmutter. Heute noch klang ihr die zarte Stimme im Ohr, die eine Katastrophe für ein junges Paar voraussagte, das der Tradition zugunsten moderner Vorstellungen entsagte.
Aisling hätte angesichts der bitteren Ironie laut loslachen wollen. Großmutter Maguire hatte sicherlich ihre Vorhersage für ihre Enkelin überprüft, wo auch immer die geliebte Verschiedene jetzt sein mochte. Mitten in der Hölle, hatte Michael immer gewitzelt, der ihren boshaften Klatsch gekannt hatte.
Aisling dachte an Michael und den Paul-Costello-Seidenschlips, den sie ihm stolz an ihrem Hochzeitstag letzte Woche auf den Nachttisch gelegt hatte. Vorsichtig legte sie den Visa-Beleg auf den Tisch, senkte ihren Kopf auf die Hand und schloß die Augen.
Diesen Monat vor zwölf Jahren, an einem wunderbar sonnigen Morgen, hatte Aisling Maguire ein weißes Spitzenkleid angezogen und sich einen Kranz aus weißen Rosen auf das Haar gesetzt. Denn sie heiratete Michael Moran, den ehrgeizigen jungen Journalisten, in den sie seit ihrem ersten Blick auf sein schönes Gesicht verliebt gewesen war.
Es war eine wunderschöne Hochzeit gewesen. Mama hatte sie fest an sich gezogen und ihr mit Tränen in den Augen zugeflüstert: »Ich hoffe, daß du glücklich wirst, Liebling.« Als sie und ihr frisch angetrauter Ehemann das Hotel verlassen hatten, hatten sie Michaels alten, verrosteten Renault umsichtig mit Toilettenpapier dekoriert vorgefunden, ein Werk seiner Sportskameraden vom Fußballteam der Zeitung.
Das war der schönste Tag ihres Lebens gewesen, bis dann an einem kühlen Novembermorgen Phillip und Paul nach zehn Stunden erschöpfender Wehen geboren wurden. Müde und matt hatte sie mit ihren Babys im Bett gelegen, und Michael hatte mit einem Ausdruck des Erstaunens auf sie herabgelächelt.
Als Phillips winzige Hand sich um den kleinen Finger seines Vaters geklammert hatte, hatte Michael sogar geweint, ehe er sich auf das Bett gesetzt, seine starken Arme um seine Familie gelegt und seine nasse Wange an Aisling geschmiegt hatte. Babys umfaßten instinktiv Finger. Sie wußte das. Sie hatte unzählige Bücher über Mütter und Kinder gelesen. Aber sie hatte kein Wort gesagt und ihren Mann im Glauben belassen, daß Phillip seinen Finger umklammerte, weil er sein Vater war.
Vor ein paar Tagen erst hatte sie den verzierten Silberrahmen geputzt, in dem ein Gruppenfoto ihrer Hochzeit zu sehen war. Ihre Eltern starrten versteinert in die Kamera, ganz anders als Michaels Eltern, die während der Aufnahmen einen Lachanfall bekommen hatten. Wer hätte ahnen können, daß die Morans es statt »bis der Tod sie scheidet« nur zwölf Jahre miteinander aushalten würden? Der Tod, oder aber eine andere Frau.
»Ich wußte, daß du deine Ehe ruinieren würdest«, hörte sie ihren Vater gehässig und mit einem herablassenden Blick sagen, während er seine Tochter betrachtete, die ihn nie ganz hatte zufriedenstellen können. »Du hast nie etwas wirklich gut gemacht.«
Tränen traten in Aislings Augen, rollten ihre Wangen herunter und tropften auf ihr verblichenes blaues Sweatshirt. Es gehörte Michael. Sie erinnerte sich, daß er es in dem Sommer getragen hatte, als er das Eßzimmer selbst ausgelegt hatte, nachdem die teuren französischen Fenster eingebaut worden waren. Sie hatte ihn noch heute vor Augen, wie er mit naßgeschwitzten dunklen Haaren und einem konzentrierten Gesichtsausdruck eine Diele um die andere hinlegte und sie gekonnt festnagelte.
Vielleicht ist das alles ja nur ein Mißverständnis, dachte sie hilflos. Sie stand auf, um den Frühstückstisch wie an jedem anderen Morgen auch abzuräumen. Mechanisch wischte sie die Toastkrümel auf einen Teller und quetschte die aufgeblasene Tüte Rice Krispies wieder zurück in die Schachtel. Ganz gleich wie sie ihre Kinder davon zu überzeugen suchte, Haferbrei zu essen, sie bestanden tagtäglich entweder auf Schokopops oder aber auf Rice Krispies. Muß ich unbedingt einkaufen, dachte sie, während ihre Gedanken auf Haushalt schalteten.
Früher hatte sie mehr über Kraftfahrzeugversicherungen als über Frühstücksflocken, mehr über Tachometermanipulation an einem alten Porsche als über die Nahrungsmittel zehnjähriger Jungs gewußt. Vor dreizehn Jahren hatte sie in der turbulenten Versicherungsgesellschaft auf der O’Connell Street die ganze Abteilung Kraftfahrzeugversicherungen über Monate hinweg praktisch eigenhändig geführt. Als der Abteilungsleiter ein besseres Angebot angenommen hatte, hatte man Aisling gebeten, seine Arbeit zu übernehmen. Sie hatte nicht gezögert.
Heute jedoch fragte sie sich manchmal, wie sie das alles geschafft hatte. Wie sie ihre Abteilung besonnen und kompetent geleitet hatte, wie sie für zwölf Mitarbeiter und Tausende von Verträgen verantwortlich gewesen war. Es hatte ihr sogar viel Spaß gemacht. Für die Karrierefrau Aisling Maguire war es eine Herausforderung gewesen, aber für die Hausfrau Aisling Moran war es eine beängstigende Vorstellung. Immer schon hatte sie die Arbeit wieder aufnehmen wollen, wenn die Zwillinge erst einmal alt genug waren. Aber je länger sie zu Hause geblieben war, desto schwieriger erschien ihr die Vorstellung, sich wieder dem Arbeitsmarkt zu stellen.
Michael war von dem gut geführten Haushalt, den wunderbar zubereiteten Mahlzeiten und den glücklichen, gut geratenen Jungen, die sich nach seiner Rückkehr nach Hause nach väterlicher Aufmerksamkeit sehnten, sehr angetan und hatte Aisling niemals ermuntert, wieder arbeiten zu gehen. Mit den Jahren war Geld kein Problem mehr, es wäre genügend Geld dagewesen, um ein Kindermädchen einzustellen, wenn Aisling wieder hätte arbeiten wollen. Aber warum sollte sie?
»Die Jungs brauchen dich, Liebling«, hatte er jedesmal gesagt, wenn sie über eine mögliche Arbeit gesprochen hatten. »Nur weil sie jetzt in der Schule sind, heißt das noch nicht, daß sie ihre Mutter nicht mehr brauchen, wenn sie nach Hause kommen, oder? Meine Sekretärin jedenfalls stöhnt unablässig darüber, daß sie ihre drei Kinder ihrer Mutter überlassen muß. Jeden zweiten Montag erscheint sie zu spät zur Arbeit, weil eines von ihnen Fieber oder eine Erkältung oder sonst etwas hat. Sei doch dankbar, daß du nicht arbeiten mußt!« setzte er noch jedesmal dazu, da er offenbar den Haushalt nicht als Arbeit betrachtete.
Vermutlich hatte er ja recht, seufzte dann Aisling, denn sie kannte die Probleme arbeitender Frauen dank der Zeitschriften, die sie so gerne las. Auf jeder zweiten Seite stand eine Geschichte darüber, wie die Frauen in einem endlosen Kreislauf von Arbeit, Kindern und Haushalt gefangen waren, wie sie ihre Samstage mit der Vorbereitung einer Riesenlasagne verbrachten, um diese dann in die Tiefkühltruhe zu packen. Michael hatte recht. Sie hatte Glück, daß er soviel verdiente, daß sie nicht zu arbeiten brauchte.
Nur ein einziges Mal hatten sie sich deswegen gestritten, als Aislings Schwester Sorcha, die seit ihrer vor kurzem erfolgten Beförderung in einer Londoner Bank unglaublich überheblich war, Aisling gefragt hatte, warum sie ihr Gehirn verrotten lasse, indem sie ihre Tage zu Hause verbrachte.
»Ich kann es einfach nicht glauben, daß sie das zu mir gesagt hat«, hatte Aisling wütend auf dem Heimweg im Auto bemerkt. »Sie behandelt mich wie einen Bürger zweiter Klasse, weil ich keine Bank oder irgend so etwas leite. Wie kann sie es wagen, so etwas zu sagen! Ich möchte sie sehen, wenn sie einen Haushalt führt und sich um zwei Jungs kümmert. Ich habe schon gearbeitet, als die kleine Hexe noch in der Grundschule war!«
»Laß sie doch reden«, hatte Michael ungerührt geantwortet. »Sie ist ja nur eifersüchtig darauf, daß du einen Mann, zwei wunderbare Söhne und ein schönes Zuhause hast. Sie würde einen Mord begehen, um unter die Haube zu kommen, wenngleich wohl kein Mann dumm genug wäre, sie zu nehmen. Und außerdem ...« Er hatte eine Hand vom Lenker genommen und Aislings Knie getätschelt. »Du würdest es hassen zu arbeiten. Seitdem du damals gearbeitet hast, hat sich vieles verändert. Ich meine, wo würdest du arbeiten wollen?«
Aisling hatte sich getroffen gefühlt. »Was meinst du damit, wo ich würde arbeiten wollen?« fragte sie.
»Du kannst nicht erwarten, nach sieben Jahren als Hausfrau eine gute Arbeitsstelle zu finden«, erwiderte er geradeheraus. »Du hast doch gar keine Büroerfahrung mehr. Eine perfekte Quiche herstellen zu können, wird dabei wenig helfen, wo man doch heute schon für jede x-beliebige Arbeit einen Universitätsabschluß vorweisen muß.«
Auf dem ganzen Weg nach Hause hatte sie kein Wort mehr gesagt und schweigend vor sich hin geköchelt. Michael wartete, bis sie ins Bett kam, bevor er eine Versöhnung versuchte.
»Liebling, du weißt doch ganz genau, daß die Zwillinge keine Kinderfrau wollten. Nur weil sie jetzt in der Schule sind, heißt das noch nicht, daß sie ihre Mama nicht mehr brauchen.« Er schmiegte sich an ihren Hals und küßte sie zärtlich auf die empfindliche Haut zwischen ihren Brüsten. »Du mußt nicht arbeiten, Liebling«, murmelte er. »Ich bin doch für dich da.«
Aisling arrangierte sich mit der Vorstellung, ganztags als Hausfrau tätig zu sein. Als die Zwillinge älter wurden, nahm sie an verschiedenen Gourmetkochkursen teil, bis sie es mit ihrem Lachs im Kohlmantel mit den Allerbesten hätte aufnehmen können und sie Erdbeer-Millefeuilles mit geschlossenen Augen hätte zubereiten können. Als sie genügend gekocht hatte, verschrieb sie sich der Handarbeit, und nach einem Jahr hatten die Eßzimmerstühle feinverzierte Gobelinsitzflächen mit goldenen Sonnenblumen.
Als sie auch alle Dekorationskurse durch hatte, war das Haus voll betupfter Wände, überdeckter Heizkörper und efeuförmiger Schablonenmalerei. Michael hatte sie mit der Behauptung geneckt, daß sie ihn auch zu einer Schablone machen würde, wenn er nur lange genug stillsitzen würde. Da sie alles schon gemacht hatte, gab es nichts mehr, was die Erwachsenenbildung ihr noch hätte bieten können.
Und da war sie nun, immer noch in der Küche mit einem Berg Bügelwäsche gefangen, dazu die Gewißheit, daß ihr Mann sie hinterging. Eine Sauce Hollandaise perfekt quirlen zu können, hält den Ehemann nicht vom Herumstreunen ab.
Bitte, lieber Gott, laß es ein Mißverständnis sein. Natürlich konnte es auch ein ganz banales Mißverständnis sein. Sie würde es doch merken, wenn er sich mit jemandem treffen würde?
Vielleicht hatte er die Unterwäsche als verspätetes Hochzeitsgeschenk für sie gekauft. Vielleicht plante er auch eine Überraschung, und sie hatte den Visa-Beleg absichtlich als Aufhänger finden sollen. Dann erinnerte sie sich an die Blumen und die große Schachtel Pralinen, die er ihr geschenkt hatte.
Es waren Blumen von der Tankstelle gewesen. Er hatte sie ihr in die Hände gedrückt und ihr einen flüchtigen Kuß auf die Wange gegeben. Diese bunten Sträuße, die zu wenig Chrysanthemen oder Nelken hatten, um ein anständiges Arrangement zu bilden, wurden immer vor Tankstellen als Verlegenheitsgeschenk in letzter Minute verkauft. Und genau das war ihr Geschenk zum Hochzeitstag auch gewesen – ein Geschenk in allerletzter Minute.
Nun, sie jedenfalls konnte auch noch den kargesten Strauß mit Hilfe ihres letzten Weihnachtsgeschenks schön arrangieren, nämlich einem dicken Buch über Blumenarrangements. Das hatte offenbar ganz oben bei den Geschenken für die Oma bei Easons gelegen, als Michael dort hineingerannt war und seine Einkäufe in allerletzter Minute erledigt hatte.
»Blumen! Wie schön sie sind«, hatte sie ausgerufen und sich nicht ein bißchen darüber gewundert, daß ihr Mann sich erst dann an ihren Hochzeitstag erinnert hatte, als er nach der Arbeit auf dem Nachhauseweg den Tank gefüllt hatte. Er war nie ein Mann gewesen, der sich Gedanken über Geschenke machte. Warum aber hatte er diesen Makel in einem der teuersten Wäschegeschäfte Dublins plötzlich überwunden?
Es war einfach nicht zu glauben. Aisling schüttelte den Kopf, als sie sich Michael mit einer anderen Frau vorstellte, sein unbekleideter Körper in den Armen einer anderen, wie sein Mund den einer anderen Frau küßte, während seine Augen vor Verlangen ganz dunkel waren. Murmelte er ihren Namen mit derselben rauchigen Stimme, die er hatte, wenn er Aisling im Arm hielt?
Wer war diese andere Frau? Wie sah sie aus? Fragen wirbelten in ihrem Kopf herum, als sie sich ihre Rivalin vorzustellen versuchte. Wahrscheinlich war sie schlank, schön und schlau, hatte eine gehobene Stellung und verfügte über Gesprächsstoff, der über die Niedrigpreise für Bananen diese Woche im Supermarkt hinausging.
Wie konnte ihnen das passieren? Niemals hätte sie sich vorstellen können, daß Michael mit einer anderen Frau schlafen und ihre Ehe verraten würde.
Leidenschaftliche Affären gehörten in Kreise, wie die von Fiona und Pat Finucane, wo man sich ebenso leicht scheiden ließ und sich dann wiederverheiratete, wie man sich in einem der teuersten Restaurants der Stadt eine Flasche Champagner bestellte.
Aber sie wollte sich nicht nach einem anderen Mann umsehen, einer jüngeren Version von Michael. Vor dreizehn Jahren hatte sie sich in ihn verliebt und wollte ihn nicht austauschen. Was aber, wenn er sie austauschen wollte?
Sie spritzte Spüli in das Abwaschbecken und wirbelte mit einem Strahl heißen Wassers eine weiche Schaumschicht auf. Ohne Handschuhe ließ sie ihre Hände in die schaumige Wärme gleiten. Dann spülte sie die Tassen, Teller und Schüsseln vom Frühstück der Jungen. Es war jeden Morgen dasselbe Ritual, sie hörte dabei die Radiosendung von Gerry Ryan. Sie trocknete das Geschirr und stellte es weg. Heute ließen diese Tätigkeiten ihr Herz schwer werden.
Jedes bißchen ihres Lebens, jeder kleine unbedeutende Handgriff in ihrem Familienhaushalt war plötzlich von der Existenz einer anderen Frau bedroht, von jemandem, mit dem Michael geschlafen hatte.
Aisling unterbrach ihre Arbeit und versuchte ihre wirren Gedankengänge zu ordnen. Nein, das konnte gar nicht wahr sein. Er liebte sie. Sie waren miteinander verheiratet! Er konnte nicht mit jemand anderem weggehen. Himmel noch mal, er hatte neulich noch lauthals gelacht, als sie ihm Fionas letzten Klatsch über alle möglichen fremdgehenden Bekannten erzählt hatte.
Michael würde sie nicht betrügen. Sie hatte zu voreilig Schlußfolgerungen gezogen. Das war es. Vermutlich gab es eine ganz einleuchtende Erklärung. Wieder Hoffnung schöpfend überlegte Aisling, wie sie herausfinden konnte, was wirklich geschehen war. Immer wenn Michael etwas mit seiner Kreditkarte kaufte, heftete er den Beleg ab. In seinem Schrank bewahrte er mehrere Ordner auf, in die er Rechnungen, Bankauszüge, Geburtsurkunden und Kreditkartenbelege einsortierte.
Aisling knüpfte das Band um den ersten Ordner mit zitternden Fingern auf und suchte die alphabetische Anordnung nach den Kreditkartenbelegen ab. Zunächst fand sie lediglich Bankauszüge und beglichene Gas- und Elektrizitätsrechnungen, auf denen in roter Schrift ordentlich »bezahlt« vermerkt war.
Sie nahm sich den zweiten Ordner vor und suchte hastig unter dem Buchstaben ›K‹ für Kreditkarte und unter ›V‹ für Visakarte. Zwischen den Seiten der Krankenversicherungspolice wurde sie fündig.
Vorsichtig zog Aisling die Kreditkartenbelege hervor und breitete sie auf dem weichen, beigen Schlafzimmerteppich aus. Die verdammte Katze verlor schon wieder ihr Fell, dachte sie beiläufig.
Es dauerte nicht lange, bis sie die Rechnung von Dessous de Paris gefunden hatte. Leider war sie zwischen anderen, ebenso teuren Ausgaben eingeklemmt. Ein Kloß steckte Aisling im Hals.
Den Seidenhöschen folgten zahlreiche hohe Rechnungen von Dublins teuersten Restaurants. Es waren Orte, die sie noch niemals besucht hatte. Und dann fand sie die Rechnung vom Jury’s Inn, einem vornehmen Hotel in der Nähe der Christuskathedrale. Das Datum war zwei Tage vor ihrem Hochzeitstag.
Entsetzt starrte sie sie an. Michael konnte sich noch nie gut ein Datum merken, aber der zehnte Juni war ein Tag, an den sich Aisling gut erinnern konnte. Phillip hatte sich eine Mageninfektion eingefangen und kam mit erhöhter Temperatur aus der Schule nach Hause. Den größten Teil des Nachmittags hatte sie damit verbracht, ihn ins Badezimmer zu begleiten, wo er wie ein störrischer Vierjähriger auf ihrem Schoß gesessen hatte und sich übergeben wollte. Typischerweise war Michael in London gewesen. Er hatte sich mit den Chefs anderer Zeitungen wegen der Beilage getroffen. Erst am nächsten Abend wurde er zu Hause zurückerwartet.
Als der Arzt kam, hatte sich auch Paul bereits übergeben, und Aisling fühlte sich ebenfalls nicht sonderlich wohl. Nach drei Maxaloninjektionen schliefen die beiden Jungs fest unter ihrer Manchester-United-Bettwäsche. Sie saß zusammengerollt und vollkommen erschöpft auf dem Sofa, außerdem schmerzte ihr dank Dr. Lynchs Spritze der Arm.
»Sieh die Sache einmal von ihrer guten Seite«, hatte Fiona sie am Telefon aufgemuntert, nachdem sie den Wagen des Arztes vor dem Haus der Morans bemerkt hatte. »Ein Vierundzwanzigstundenvirus ist einem Wochenende auf einer Schönheitsfarm vorzuziehen. Sicher nimmst du dabei ein paar Pfund ab!«
»Du bist verrückt, Fiona, ist dir das eigentlich klar?« Aisling lachte. »Nur du kannst Auge in Auge mit einer Toilettenschüssel ans Abnehmen denken.«
»Aber ich habe dich zum Lachen gebracht, nicht wahr?« wollte ihre Freundin wissen. »Lachen ist eine der Voraussetzungen, um von allen möglichen Krankheiten zu genesen. Aus diesem Grund rufe ich auch immer Pats dumme Schwester an, wenn ich krank bin. Sie ist ein absoluter Hypochonder. Nachdem ich ihr zehn Minuten lang über Darmspülungen oder die neueste Krankheit, die sie nach der Lektüre eines dieser Gesundheitsmagazine zu haben glaubt, zugehört habe, lache ich mich halbtot. Es ist eine psychische Sache, es ist die Vorstellung, wie ein Hypochonder zu klingen, die es auslöst. Ich denke dann: Höre ich mich auch so an? Und augenblicklich fühle ich mich besser.«
»Vielleicht sollte ich sie auch einmal anrufen«, bemerkte Aisling. »Die Zwillinge sind heute abend nicht sonderlich gesprächig, und sogar die Katze hat sich aus dem Staub gemacht, um sich einen Kater anzulachen.«
»Wo ist Michael?«
»In London mit dem Chefredakteur und dem Geschäftsführer. Sie besprechen mit dem Herausgeber die Beilage – zwischen Mahlzeiten in Restaurants, die unsereins in Entzükken versetzen würden. Er hat mich vorhin angerufen und mir erzählt, daß er nur ganz kurz zum Umkleiden ins Hotel gekommen sei, ehe sie zusammen essen gingen. Sie wollten in das Restaurant gehen, das auch Prinzessin Diana immer aufgesucht hat. San Lorenzo«, fügte sie hinzu.
»Michael hat es gut«, bemerkte Fiona. »Die sind immer spurlos verschwunden, wenn es um die mühsamen Seiten der Kindererziehung geht, nicht wahr? Pat hatte sich sozusagen in Luft aufgelöst, als Nicole vor ein paar Jahren diese üble Darmgrippe hatte. Er hatte Angst, er würde möglicherweise eine Windel anfassen müssen.«
»Ich weiß«, murmelte Aisling, die immer noch mit Michaels kurzangebundenem Anruf beschäftigt war. »Ich hätte mir jedoch gewünscht, daß er ein klein wenig mehr Interesse gezeigt hätte. Ich sitze hier zu Hause mit zwei kranken Kindern fest, während er sich eine tolle Zeit macht. Er konnte nicht länger als zwei Minuten mit mir sprechen.« Sie brach abrupt ab, denn sie hatte plötzlich das Gefühl, sich kindisch zu benehmen.
»Du Arme«, antwortete Fiona in dem weichen Tonfall, mit dem sie sonst nur ihre geliebte sechsjährige Tochter Nicole bedachte. »Ich werde schnell zur Videothek fahren und dir einen schönen, sentimental-romantischen Film holen, damit du es dir mit deiner schlechten Stimmung gemütlich machen kannst. Und wenn du nachher noch mit Michael sprichst, dann sage ihm, du erwartest zusätzlich zu einer riesigen Flasche Parfüm aus dem Duty-Free-Shop ein wenig verwöhnt zu werden, um dich wieder aufzuheitern!«
»Ich glaube nicht, daß er noch einmal anruft. Er sagte, ich solle ruhig früh ins Bett gehen, er käme vielleicht erst spät wieder zurück«, erwiderte Aisling.
»Dann hinterlasse ihm eine Nachricht, Ash. Die meisten dieser Hotels haben für jedes Zimmer einen eigenen Anrufbeantworter. Teile ihm mit, daß du dich nicht gut fühlst. Mach ihm Schuldgefühle, er wird dich zurückrufen.«
»Ich weiß gar nicht, wo er übernachtet.« Das fiel Aisling jetzt erst auf. »Ich habe vergessen, ihn danach zu fragen.«
Augenblicklich bedauerte sie, das ausgesprochen zu haben. Fiona sollte nicht wissen, daß Michael verreisen konnte, ohne ihr zu sagen, wo er übernachtete. Das erweckte den Eindruck, als ob sie und Michael nicht miteinander reden würden. Natürlich redeten sie miteinander.
»Ist auch egal«, erwiderte Fiona eine Spur zu brüsk. »Vermutlich wird er so spät zurückkehren, daß er dich mit seinem Anruf nur wecken würde. Ich hole dir jetzt das Video, es dauert nicht lange.« Eine Stunde später sah sich Aisling Schlaflos in Seattle an. Flossie saß wie ein Buddha auf ihren Knien, und sie hielt ein Glas zwölf Jahre alten Whiskey, den sie Pat zu verdanken hatte, in der Hand. Viel schlief sie nicht in jener Nacht, denn in dem großen Doppelbett fühlte sie sich einsam.
Sie verbrachte eine fieberhafte Nacht und wälzte sich von einer Seite zur anderen. Sie träumte von verrückten Ärzten, die sie mit Spritzen so groß wie Hockeyschläger jagten. Sie wachte mit dem mulmigen Gefühl auf, das Alpträumen folgt. Erschöpft lag sie im Bett und beobachtete, wie die roten Zahlen auf dem Radiowecker sich unerbittlich der Zahl sieben näherten. Warum hatte Michael sie von London aus nicht angerufen?
Aber er hatte sie tatsächlich nicht angerufen, und als er abends nach Hause kam, hatte er sich so schlecht gelaunt zurückgezogen, daß sie einfach annahm, mit der Beilage habe etwas nicht geklappt.
»Alles in Ordnung«, hatte er gereizt erwidert, als sie ihn zu fragen wagte. »Ich bin nach einem Tag voller Besprechungen und dem ausgiebigen Geschäftsessen gestern abend nur etwas müde.«
Die Mühelosigkeit, mit der er gelogen hatte, traf sie jetzt wie ein Schlag in den Magen. Kein Stottern, kein Versprecher. Er hatte mit der Routine eines ausgefuchsten Lügners gelogen. Er hatte ihr noch nicht einmal gesagt, in welchem Hotel er übernachtete, und sie hatte nicht daran gedacht, ihn danach zu fragen. Wenn sie ihn allerdings gefragt hätte, dann hätte er sicherlich verlangt, sie solle ihn nicht anrufen, denn er müsse zu einem langwierigen Geschäftsabendessen.
Und was für ein Essen, dachte sie, als sie den Kreditkartenbeleg ablegte und den nächsten betrachtete. Mit wem hatte er sich im Jury’s in den Armen gelegen, während sie ihre zehnjährigen Zwillinge über der Kloschüssel festgehalten hatte? Ein paar Belege weiter stieß sie auf eine Rechnung von Interflora. Dem Preis nach hätte man ein Stadion dafür mit Blumen füllen können.
Schlagartig wurde ihr bewußt, daß Fiona Bescheid wissen mußte. Sie mußte es wissen. Warum sonst hätte sie danach gefragt, wo Michael an jenem Abend übernachtete? Warum hatte sie versucht, das Thema dann so schnell wie möglich zu wechseln?
Und warum sonst hatte sie diese merkwürdige Unterhaltung über ein befreundetes, sich nun trennendes Paar angeschnitten, obwohl Aisling sie doch überhaupt nicht kannte? Das war letzte Woche gewesen, nachdem sie zusammen die Einkäufe erledigt und im Marrion Inn gemeinsam zu Mittag gegessen hatten.
Sie hatten ihre Einkaufswagen gerade an den Tiefkühlschränken vorbeigeschoben, als Fiona ihr von dem neuesten Fall eines Ehemanns erzählte, der vom ehelichen Pfad der Tugend abgekommen war.
»Ich merke es immer«, hatte Fiona behauptet. »Der Mann hat noch nie in seinem Leben Sport betrieben, und plötzlich joggte er dreimal wöchentlich in der Sporthalle. Was sagt dir das, Aisling?« Eine Antwort hatte sie nicht abgewartet. »Und die Kleidung! Wenn du ihn auf Ryans Weihnachtsparty letztes Jahr hättest sehen können. Kaum zu glauben, aber er kam in Jeans zu einer Cocktailparty. Ich fragte ihn, ob er es jetzt wie Bon Jovi hielt, aber er fand das überhaupt nicht witzig.«
Fiona hatte lange genug innegehalten, um ein paar kalorienreduzierte Fertiggerichte in ihren Wagen zu werfen, ehe sie fortfuhr. »Den Ehefrauen fällt es nie auf. Die ausgiebige Körperpflege, der Sport und die neuen Tangaunterhosen, all das wird zu Hause gar nicht weiter bemerkt. Und noch bevor du das Wort ›Affäre‹ ausgesprochen hast, bahnt sich bereits eine neue Ehe an.«
Sie hatte Aisling einen langen, bedeutungsvollen Blick zugeworfen. Jetzt erst merkte Aisling, daß es ein fragender, ein Kannst-du-denn-nicht-zwischen-den-Zeilen-lesen-Blick gewesen war.
»Pat würde sich einen Seitensprung niemals erlauben«, hatte Fiona einmal unbedacht geäußert. »Er weiß, woher die Butter auf dem Brot kommt.« Fiona wußte, daß ihr Mann sich nichts erlauben würde, denn sonst würde er seine Anteile in ihres Vaters sehr einträglicher Kanzlei verlieren.
Während Aisling einen weiteren Beleg, der die Lügen ihres Mannes offenbarte, glattstrich, erkannte sie wie betäubt, daß Michael immer selbst die Butter fürs Brot besorgt hatte.
Ihr Vater hatte zwanzig Jahre lang für einen Steuerberater gearbeitet, und danach hatte die Rente gerade für ihn und ihre Mutter ausgereicht. Selbst wenn er ihren Mann bei seinem kometenhaften Aufstieg hätte unterstützen können, so hätte Michael diese Hilfe niemals angenommen. Er war ein brillanter, junger Journalist, der sich vorgenommen hatte, die Karriereleiter ganz nach oben zu klettern. Er hatte niemals Familienbeziehungen nötig gehabt, um sich Zutritt zur Macht zu verschaffen.
Jetzt, mit vierzig, war er stellvertretender Chefredakteur einer der landesweit erfolgreichsten Sonntagszeitungen. Wenn sein Stern weiter steigen sollte, so konnte er schon bald der Chefredakteur eines der Schwesterblätter werden.
Sie aber würde vielleicht nicht die Frau an seiner Seite sein, wenn das passierte. Wer würde es sein?
Sie ließ den letzten von Michaels Belegen auf den Boden fallen und stand langsam auf. Sie hob den Telefonhörer an seiner Bettseite auf, ohne das leere Orangensaftglas zu bemerken, das er nach oben gebracht und für sie zum Abräumen stehengelassen hatte. Normalerweise hätte sie um diese Zeit bereits die Betten gemacht und wäre jetzt dabei, das Zimmer der Zwillinge zu saugen und dann die Bücher, die Comics und das Spielzeug aufräumen, das sie nachlässig auf dem Boden liegengelassen hatten.
Im Augenblick aber war es ihr gleichgültig, ob das ganze Haus zusammenbrach. Sie mußte einfach wissen, was los war, mit wem sich Michael traf. Vielleicht würde sie ja doch noch herausfinden, daß es alles ein schreckliches Mißverständnis war.
Fiona antwortete nach dem zweiten Klingelzeichen.
»Ich wollte dich auch gerade anrufen«, rief sie aus. »Ich wollte fragen, ob du Lust hast, nach Dun Laoghaire zu fahren, um dort einmal die Läden zu inspizieren. In einer der Zeitschriften ist mir am Wochenende ein wunderschöner Anzug von John Rocha aufgefallen. Und ich habe mich entschieden Geld auszugeben. Wir könnten doch unseren Kaffee dort trinken? Oder gibt es nur Brot und Wasser bei dir heute abend?«
»Ich kann jetzt nicht einkaufen fahren, Fiona.« Aislings Stimme zitterte. Sie hatte ganz ruhig bleiben wollen, aber Fionas warme, freundliche Stimme löste bei ihr den Wunsch aus, sich hinzusetzen und in Tränen auszubrechen.
»Ich weiß nicht, was ich tun soll ... es ist wegen Michael«, brachte sie noch mit heiserer Stimme hervor. »Du wußtest davon, nicht wahr?«
Aisling konnte hören, wie ihre Freundin die Luft einzog. Einen kurzen Moment lang hielt sie den Atem an und hoffte, daß sie ihr eine vernünftige Erklärung für die Hotelrechnungen, die Blumen und die Unterwäsche geben könnte.
»Wußte wovon?«
»Er hat eine Affäre.«
»O mein Gott, Ash. Ich wünschte, du hättest es niemals herausbekommen.«
Aisling sah aus dem Fenster auf Fionas perfekt gepflegten Rasen auf der gegenüberliegenden Straßenseite und wunderte sich, daß alles noch genauso aussah wie am Tag zuvor. Das Gras war ordentlich wie vom Friseurmeister geschnitten, die Petunien breiteten sich üppig zwischen den zarten, duftenden Lavendelbüschen aus. Wie konnte alles so verdammt normal aussehen, wo doch ihr Leben gerade eine so fundamentale Umwälzung erfahren hatte?
»Es tut mir leid, so leid«, wiederholte sich Fiona. »Ich wußte einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte. Ich fand nicht die richtigen Worte. Ich hatte gehofft, daß es vorbei sein würde, ehe du davon erfährst. Ich fand, es sei das beste, er schlägt es sich aus dem Kopf, und du erfährst nie etwas davon. Ich dachte, es sei besser, nichts zu sagen. Aber ich habe immer gewünscht, ich hätte sie nie gesehen, denn ich empfand es dir gegenüber als Hintergehen.«
»Sag mir nur, wer es ist«, unterbrach Aisling sie mit bittender Stimme. »Sag mir nur ...«
Fiona hielt kurz inne, dann sprach sie mit kräftiger, ruhiger Stimme, als ob sie ein Kind besänftigen wolle. »Es ist vollkommen ohne Bedeutung, Ash, wirklich. Alle tun es, und dann ist es irgendwann vorbei. Vergegenwärtige dir das nur immer wieder, ja?«
»Alle tun es«, wiederholte Aisling hysterisch. »Soll das etwa ein Trost für mich sein?«
»Das nicht. Aber du sollst dich in deiner Lage nicht alleine fühlen«, erwiderte Fiona. »Du kennst sie nicht«, fuhr sie mit derselben ruhigen Stimme fort. »Sie heißt Jennifer Carroll und arbeitet bei einer Werbeagentur. Ich habe sie nur erkannt, weil sie auf jeder verdammten Party ist, zu der wir eingeladen sind. Die Sorte kennt man. Selbst bei der Eröffnung eines Briefumschlags würde sie anwesend sein, wenn sie dadurch ihr Foto in die Gesellschaftskolumne bekommen könnte. Ist alles in Ordnung, Ash?«
»Ja, rede weiter.«
»Als Pat im letzten Jahr verreist war, bin ich mit den Frauen vom Tennisclub ausgegangen.«
Fiona zögerte einen Moment lang, ehe sie fortfuhr. »Michael war mit dieser dunkelhaarigen Frau im Le Caprice. Ich nahm an, es habe irgend etwas mit der Zeitung zu tun. Schließlich trifft er viele Leute. Ich habe mir anfangs gar nichts weiter dabei gedacht.«
»Und was passierte dann?« Aislings Stimme war bemerkenswert ruhig. Fiona konnte nicht sehen, wie sie ihre Fingernägel in ihre rechte Handfläche bohrte und die Faust ballte, als ob ihr Leben davon abhinge.
»Sie saßen etwas abseits an einem Tisch, aber ich konnte sie dennoch sehen«, erklärte Fiona. »Er küßte sie. Es war kein platonischer Kuß, verstehst du? Als ich mir ihre Kleidung ansah, konnte ich eins und eins zusammenzählen. Zu einem geschäftlichen Essen geht man nicht mit einem Kleid, das praktisch bis zum Nabel hochgeschlitzt ist. Mein Gott, Männer sind doch alle gleich, nicht wahr?«
Sie hielt inne, und Aisling wußte, daß sie sich eine Zigarette anzündete. Eine dieser langen, dunklen Mentholzigaretten, die immer ein wenig lächerlich wirkten. Michael machte sich ständig darüber lustig und empfand sie als wichtigtuerisch. Er fragte immer, warum sie nicht richtige Zigaretten rauche, so wie die Marlboros, die er aufzugeben versuchte.
»Fiona, warum hast du denn nichts gesagt?« fragte Aisling.
»Ich wußte nicht, wie ich es dir beibringen sollte. Was sollte ich denn sagen?« fragte ihre Freundin leise. »Daß dein Mistkerl von einem Ehemann dich so öffentlich wie nur möglich betrügt? Daß es ihm vollkommen gleichgültig zu sein scheint, wer ihn mit seiner verdammten Freundin sieht, weil er weiß, daß du in deiner Hausfrauenwelt sowieso niemals davon erfahren würdest?«
Aisling hielt den Hörer in der einen Hand und starrte nach draußen. »Ich komme zu dir rüber«, sagte Fiona schnell. »Wir brauchen jetzt eine große Tasse Tee und eine richtige Aussprache.«
Das Telefon klickte in Aislings Ohr, dann legte sie den Hörer langsam auf und drehte sich automatisch zu ihrem Spiegeltisch um, um etwas Lippenstift aufzulegen. Während sie den rosafarbenen Lippenstift öffnete, betrachtete sie ihr Spiegelbild. Ein blasses Gesicht mit ernsten Augen blickte sie an. Das leuchtende Blau ihrer Iris hatte den von Kummer geweiteten Pupillen Platz machen müssen. Ihre Augen waren immer schon ihr Pluspunkt gewesen, aber in letzter Zeit hatte sie sich nicht mehr mit Make-up abgegeben. Ohne Wimperntusche, um ihre hellen Wimpern zu tönen, wirkten ihre Augen in ihrem ungeschminkten Gesicht kontur- und farblos.
Wie immer in letzter Zeit hatte sie ihr widerspenstiges hellbraunes Haar mit einer Spange zusammengebunden. Die Kombination von keinem Make-up, straff zurückgebundenem Haar und einem weiten Sweatshirt, das ihren wohlgerundeten Kurven nicht gerade schmeichelte, ließ sie müde und verbraucht aussehen. Sie starrte sich lange im Spiegel an.
Sie erinnerte sich an den Sommer, in dem sie Michael kennengelernt hatte. Ihr Haar war lang und dank einem zehntägigen Aufenthalt auf einer idyllischen griechischen Insel mit goldgebleichten Strähnen durchsetzt gewesen, ihre Haut strahlte nach stundenlangem Sonnenbaden in der wunderbaren Mittelmeersonne.
Er hatte sie schön gefunden und hatte ständig ihre goldene Haut berühren und ihre Lippen küssen wollen. Er hatte seine Arme besitzergreifend um ihre goldenen Schultern gelegt, als sie zusammen durch die Straßen von Korfu liefen.
Als sie ihre dünnen Haare aus dem Gesicht schob, wünschte sie, daß sie den weit zurückliegenden griechischen Sommer wieder einfangen und sich selbst wieder als jung und schön empfinden könnte. Wäre es nicht wunderbar, sich anders zu fühlen als fünfunddreißigjährig und langweilig, als altbackene Hausfrau ohne Zukunftsaussichten, ohne Taille und mit einem vielbeschäftigten Ehemann? Wie viele solcher Frauen gab es! Sie begegnete ihnen andauernd in den Einkaufsmärkten, wo sie lustlos ihre Wagen vor sich herschoben, voller Nachschub für Teenager und für Ehemänner, die dann nicht nach Hause kamen.
Nie hatte sie eine von ihnen werden wollen, eine dieser Frauen, die auf Partys auf der Sofakante saßen, zuhörten und sich bemühten, auch mit dazuzugehören und etwas Lustiges beizusteuern versuchten, während ihre so selbstbewußten Schwestern sich perfekt einfügten.
»Schlag mich, wenn ich jemals so werden sollte«, hatte sie Michael nach ihrer Verlobungsparty gebeten. Seine matronenhafte Cousine hatte sie mit ihren Ratschlägen über die beste Waschmaschine zu Tode gelangweilt.
»Mach dir keine Sorgen, Liebling«, hatte er lachend geantwortet. »Aus dir wird niemals eine Elsie, das verspreche ich dir!«
Aber sie war doch eine geworden. In gewisser Hinsicht jedenfalls. Vielleicht diskutierte sie nicht die Vorteile einer Waschmaschinenmarke, wenn sie eingeladen waren, aber ganz sicher paßte sie sich nicht mehr so in Gesellschaften, wie sie es früher einmal getan hatte. Und Michael war das wohl bewußt.
Das war das Schlimmste, wenn sie heute auf eine Party oder zu einem Abendessen gingen, daß sie sich Michaels Blick bewußt war, wenn er sie distanziert von weitem beobachtete, als ob sie eine unsichtbare Prüfung nicht bestanden habe. Sie haßte es, an einem Tisch zusammen mit zwei oder drei bezaubernden Karrierefrauen zu sitzen, die alle um Michaels Aufmerksamkeit buhlten, während sie isoliert dasaß und zu verunsichert war, um mit den Männern an ihrer Seite ein Gespräch anzufangen. Kein Wunder, daß ihm der Sinn nach einer anderen Frau stand.
Sie war weder schön, noch besonders gut oder auch nur mittelmäßig gut in einem von diesen hochkarätigen Jobs. Sie war eine Hausfrau. Und obwohl das genau das war, was er vor ein paar Jahren von ihr gewollt hatte, wollte er es heute nicht mehr.
Vielleicht, wenn sie dieselbe Frau geblieben wäre, die er geheiratet hatte, dieses begeisterungsfähige Mädchen, das blind durchs Leben ging und immer das Beste erhoffte, anstatt sich mit den Wonnen eines Haushalts zu begnügen, vielleicht würde er sie dann immer noch lieben.
Sie sah mindestens zehn Jahre älter aus, als sie war, mit ihrem blassen, etwas runden Gesicht und dem Ansatz eines Doppelkinns. Aber sie hatte sich endlich entschieden, etwas dagegen zu unternehmen. Ohne Michael auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu erzählen, hatte sie mit einer Diät angefangen. Und zwar nicht mit einer von denen, die am Montag strenge Diät vorschrieben und die es am Dienstag bereits wieder erlaubten, sich vollzustopfen, sondern eine richtige Diät. Sie hatte entschieden, daß dies die richtige Diät war, die, die ihr Leben verändern würde. Das war letzte Woche gewesen.
Traurig ließ sie den Lippenstift auf den mit Spitzendecken verzierten Tisch fallen. Was sollte das alles, fragte sie sich. Warum sollte sie sich jetzt noch um ein besseres Aussehen bemühen? Er hatte ja ohnehin bereits eine andere gefunden.
»Ash, mach mir auf«, rief Fiona durch das offene Schlafzimmerfenster.
Eine Stunde später saß Aisling auf dem Beifahrersitz von Fionas schickem schwarzem Nissan NX, den ihre Freundin elegant in eine Parknische vor dem Frascati Center einparkte.
»Mach jetzt keinen Rückzieher«, warnte Fiona, als sie aus dem Auto stieg und die Tür achtlos zuknallte. »Du wirst heute abend bezaubernd aussehen, und wenn es uns Kopf und Kragen kostet!« Genau das könnte es uns kosten, dachte Aisling, während ihre Freundin sie in Richtung einer teuren Boutique bugsierte, die sie in dem schicken Blackrock-Einkaufszentrum immer gemieden hatte. Seit Monaten freute sie sich bereits auf die Eröffnungsparty für die Beilage, denn sie wollte die Journalisten kennenlernen, über die sie von Michael so viel gehört, die sie aber noch niemals gesehen hatte. Michael hatte in letzter Zeit mehr und mehr Überstunden gemacht. Die gelegentlichen Redaktionspartys schien es nicht mehr zu geben, ebensowenig wurde am Küchentisch der Morans darüber geredet. Und wieviel Überstunden, dachte Aisling, als sie ihrer Freundin in die teure Boutique folgte.
»Einkaufen ist das einzige Mittel gegen ein gebrochenes Herz«, fuhr Fiona fröhlich fort, während ihre schlanken, sonnengebräunten Arme die Reihen teurer schwarzer Kleider durchsuchten.
Durch fünf Milligramm Valium beruhigt, besah sich Aisling mit vollkommen ruhiger Hand die Partykleider. Sie begann sich richtig wohl zu fühlen, beinahe glücklich. Irgend etwas richtig Aufreizendes, lachte sie in sich hinein, während sie die üppigen Brokat- und Crêpe-Kleider durchsah und nach einem Stück Ausschau hielt, das Michaels aufgetakelter Freundin die Socken ausziehen würde. Aisling war sich bewußt, daß das Valium ihr ein Stimmungshoch vorgaukelte, aber das war ihr gleichgültig. Sie überließ sich den dumpfen Glücksgefühlen, die ihr zu Kopf stiegen.
Der Tag, der so katastrophal begonnen hatte, war auf dem Wege der Besserung, dachte sie kichernd und streckte Fiona winkend einen vollkommen unpassenden Samtschlauch entgegen.
»Du solltest öfters mal Valium nehmen«, bemerkte Fiona, hängte das Samtkleid wieder auf die Stange zurück und schob Aisling in den hinteren Teil des Ladens.
»Die etwas größeren Größen«, sagte Fiona beschwingt, zog eine weinrote Jacke von der Stange und hielt sie Aisling an.
Rock und Jacke, die auf dem Bügel noch einen weit geschnittenen Eindruck gemacht hatten, schienen an Aisling geschrumpft zu sein. Unsicher äugte Aisling aus der Umkleidekabine hervor, da niemand außer Fiona sie sehen sollte.
»Vielleicht etwas mit einem besseren Schnitt ...«, murmelte Fiona, die mit zusammengekniffenen Augen das Ensemble begutachtete.
»Nicht besser geschnitten, sondern ganz einfach nur größer«, erwiderte Aisling tonlos. Das Valiumkichern war aus ihrer Stimme verschwunden. »Ich werde scheinbar immer dicker. Kein Wunder, daß Michael sich diese Frau ausgesucht hat, wie war doch gleich ihr Name?«
»Quäle dich nicht damit, an sie zu denken, Aisling«, erwiderte Fiona geduldig.
»Ich kann nicht anders. Ich kann nicht aufhören, an sie zu denken, wie auch immer sie heißen mag. Aber ich wette, daß sie schlank und hinreißend aussieht. Liege ich da richtig?«
»Also gut, sie hat eine gute Figur, und ich denke, man könnte sie als hinreißend beschreiben. Für meinen Geschmack übertreibt sie es ein wenig. Du weißt schon, lauter rote Fransen, mehr Make-up als Joan Collins und viele teure Stücke mit zu vielen Verzierungen und riesigen goldenen Knöpfen. Ähnlich wie dieses Ding hier.« Fiona riß ein kurzes Leinenjäckchen von der Stange, hielt es sich gegen den Körper und verzog das Gesicht.
»Um keinen Preis möchte ich mich mit so etwas zeigen«, erklärte sie. »Leinen mit Ziermünzen, vollkommen aus der Mode.«
Und ich würde da nicht hineinpassen, auch wenn es mir gefallen würde, dachte Aisling mutlos. Sie blickte in Richtung der Kleiderstangen und fragte sich, ob sie irgend etwas in Größe zweiundvierzig hätten, das etwas hermachen würde.
Sie haßte es, einkaufen zu gehen. Aber heute sollte es anders sein. Heute wollte sie ihr Geld für etwas verwenden, in dem sie sich wohl fühlen würde. Sie wollte sich wie die selbstsichere Frau fühlen, die Michael geheiratet hatte.
Während der vergangenen Woche war es ihr sogar gelungen, drei Pfund abzunehmen. Eine Mahlzeit am Tag, soviel schwarzen Kaffee oder Tee wie man wollte, Vollkornbrot oder Brötchen für die Zwischenmahlzeiten und jede Menge frisches Obst und Gemüse. »Sie werden niemals hungrig sein während Ihrer vierwöchigen Diät!« versprach die Zeitschrift, aus der sie die Diät herausgerissen hatte. Und sie hatte tatsächlich keinerlei Hunger verspürt, außer dem Verlangen nach Vollkornkeksen mit Schokolade zu ihrem Mittagskaffee.
Jetzt fragte sie sich, ob es überhaupt irgendeinen Sinn machte, Gewicht verlieren zu wollen. Sie hatte heute abend so gut wie möglich aussehen wollen. Sie wollte, daß Michael vor all den Leuten von der Zeitschrift stolz auf sie sein konnte. Nach einem Jahr der Diskussionen würde die Beilage nun tatsächlich herauskommen. Aisling hatte sich dazu entschieden, ihr eigenes Leben umzukrempeln, und Michaels harte Arbeit zu feiern.
Sie hatte viel zuviel Zeit in ihrem häuslichen Einerlei verschwendet, versteckt unter Wäschehaufen und dreckigem Geschirr.
Viele Frauen arbeiteten und versorgten ihre Familie. Es gab also keinen Grund, warum sie das nicht auch tun sollte. Vielleicht war es genau das, was sie jetzt brauchte, hatte Fiona sie ermutigt. Jetzt, wo die Jungs etwas älter waren und alleine zur Schule kommen konnten, gab es keinerlei Vorwand mehr für Aisling, zu Hause zu bleiben. Sicherlich war es nicht so schwer, eine Arbeit zu finden und aus dem Loch herauszuklettern, in das sie gefallen war.
Manchmal empfand sie eine plötzliche Sehnsucht nach ihrem alten Leben. Die sorglosen Tage, als sie mit Jo Rathmines zusammengelebt hatte und die beiden ungebundenen Mädchen jeden Pfennig ihres Lohns für Kleidung, Make-up und billigen Wein für Partys ausgegeben hatten, erschienen ihr jetzt idyllisch. Während der Woche arbeiteten sie hart, und am Wochenende amüsierten sie sich exzessiv, immer unterwegs und bereit für die nächste Party. Jo wollte am Montagmorgen nie aus dem Bett steigen, aber Aisling war schon früh wach und bereit aufzubrechen. Viele Mitarbeiter beschwerten sich über das viel zu kleine Versicherungsbüro in der Stadtmitte, sie jedoch hatte es geliebt.
Jeder Abend am Wochenende war Partyzeit. Während der Woche gingen sie oft ins Kino, wenn ihnen einer der Filme gefiel, die im Stella liefen. Danach kauften sie sich Fritten mit Zwiebelringen, die sie in ihrem winzigen Wohnzimmer zu Hause aßen, und debattierten über die Vorteile eines Robert Redford gegenüber denen des jungen, gutgebauten Richard Gere.
Heute ging Aisling nur noch zum Einkaufen aus dem Haus, oder um die Kinder in die Schule zu fahren, oder aber um noch schnell eine Tasse Kaffee bei Fiona zu trinken, ehe diese zum Tennis oder zu einer Aerobikstunde wegfuhr. Oft verbrachte sie den gesamten Tag zu Hause; sie kochte, wischte und wartete darauf, daß die Zwillinge und Michael nach Hause kommen und ihr Leben aufheitern würden.
Jetzt wurde ihr bewußt, was für eine einsame Lebensweise das war. War das etwa alles, was sie vom Rest ihres Lebens erwarten durfte? Sie hatte vorgehabt, ihre Schürze an den Nagel zu hängen und sich eine Arbeit zu suchen. Aber weshalb sollte sie das jetzt noch tun?
Wenn sie schon ihren Mann nicht halten konnte, wie sollte sie da in der Lage sein, eine Arbeit zu behalten? Und wer wollte eine fünfunddreißigjährige Hausfrau in seinem Büro haben? Bei Licht betrachtet waren ihre Schreibmaschinenkenntnisse schon vor zehn Jahren nicht berauschend gewesen, wie sollte sie da also heute mit einem Computer klarkommen?
Alles, was sie aus der Welt der Technologie wußte, hatte sie bei einer schnellen Besichtigung der Zeitung vor drei Jahren gelernt, als diese gerade ihr System erneuert hatte.
Eine Viertelstunde jemanden dabei zu beobachten, wie er auf einem Computer den Henker spielte, war wohl kaum das, was man als Erfahrung bezeichnen würde.
Der Gedanke an die Zeitung ließ sie wieder an Michael denken. Vielleicht wußte es ja jeder in seinem Büro. Wie sollte sie da den Kollegen heute abend bei der Eröffnungsparty gegenübertreten, wenn sie darüber nachgrübelte, wer alles in das Geheimnis eingeweiht war? Sie hatte noch nicht einmal die Gelegenheit, Michael vor der Party noch zur Rede zu stellen. Er hatte ihr gesagt, daß er vorher nicht noch einmal nach Hause käme, und hinzugefügt, daß Aisling allein dort hinkommen müsse.
Wie zuvorkommend, dachte sie und grübelte darüber nach, ob er seine Freundin auch alleine zu Partys schickte. Oder holte er sie mit Blumen in der Hand ab und versprach ihr im Taxi teure Antiquitäten?
»Ash, zieh das hier mal über«, unterbrach Fionas Stimme ihre Tagträume. Sie starrte auf das Kleid, das ihre Freundin in der Hand hielt.
»Rot ist genau die richtige Farbe für dich, und mit etwas verruchtem knallrotem Lippenstift und frisiertem Haar wirst du sie alle aus dem Feld schlagen!« ermutigte sie Fiona.
Aisling nahm das tiefausgeschnittene rote Crêpekleid mit in die Umkleidekabine und hielt es sich an. Es war viel knalliger als ihre Kleidung es in letzter Zeit gewesen war, und die kräftige Farbe ließ ihr Gesicht noch blasser erscheinen.