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Diese Sammlung bereits erschienener Artikel bietet eine Fundgrube für alle, die eine feine Beobachtung und eine pointierte Sprache mögen. Das Leben ist so vielfältig wie die Charaktere der Menschen. Darum bietet es eine Fülle an Geschehnissen, über die wir von Herzen lachen können. Merke: "Fröhlichkeit ist gut für die Gesundheit" (Sprichwörter 17,22).
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Seitenzahl: 145
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Inhaltsverzeichnis
Titelseite
Vorwort
Nach dem Amen war ich schlauer
Neu anfangen
„Jetzt wehre ich mich!“
Hoffnungslose Fälle?
Bibelwissen? Kein Problem!
Vergeben und vergessen
Beziehungen
Bekehrungskampfsportler
Der Herr des Zorns
„Fragen, vom Leben selbst gestellt“
Lust auf den Himmel?
Eiskalt erwischt
Neu werden
Trauerspiele
Lernen ist mühsam
Hören und staunen
Echte Klebekraft
Freunde fürs Leben
Klare familiäre Ziele
Ernsthafte Christen
Gnadenbringende Weihnachtszeit
Silvesterfreuden
Sicherheitsstandards
Die Sünde lauert überall
Ein Wohlgeruch für den Herrn?
Alltägliche Quälereien
Lobe den Herrn!
Charakterfeste Typen
Ein ganz normales Pfarramt
Ausgetrickst
Vom Segen der Arbeit
Der Mensch sieht, was vor Augen ist
Errare humanum est
Die Macht der Gewohnheit
No risk – no fun!
Heute schon getölt?
Deine Sprache verrät dich
Der neue Pastor
Fromme Sammler und Jäger
Ein Teutone in Rom
Bekenntnis eines Berufs-Christen
Märchenhaftes aus 1001 Nacht
Und die Bibel hat doch recht!
Über alle Zweifel erhaben
Christsein mit allen Sinnen
Alles ist eitel
Automobile Anfechtungen
Jedem Tierchen sein Pläsierchen
„Drei Kilo Erdbeben, bitte!“
Familienidyllen
Kleider machen Leute
Gestörte Selbstwertgefühle
Zurück zur Demut
Urlaubsgottesdienste
Begrüßungsrituale
Aber ehrlich!
Bibelarbeiten mit gelegentlichen Untiefen
Wir kaufen eine Couch
Die Facebook-Generation und wir anderen
Fasten als Lebensstil
Frauen
Geistliche mit kleinen Macken
In den Niederungen des Alltags
Hurra, wir sind bibeltreu!
Männer
Pauschalreisende
Urlaubserinnerungen
Das Leben hinterlässt seine Spuren
Die hohe Kunst des Zuhörens
Edward A. Murphy jr. lässt grüßen
Dumm gelaufen
Großeltern
Merkwürden
Messeneuheiten
Heitere Familienfeier
Ist doch logisch, oder?
© 2015 Bibellesebund Verlag, Marienheide
Umschlaggestaltung: Julia Plentz
Umschlagfoto: © DiegoCervo/Fotolia
ISBN: 978-3-95568-333-7 (eBook)
ISBN: 978-3-95568-135-7 (Buch)
www.bibellesebund.net
der erste Entwurf für ein Vorwort klang so erhaben, dass meine persönliche Literaturkritikerin nur abwinkte: „Das solltest du lockerer schreiben.“ Ich habe es getan. Leider hat sie versäumt zu sagen, dass ich es auch abspeichern sollte. Das habe ich nämlich nicht getan. Als ich mein Selbstwertgefühl durch das Lesen der entkrampften Fassung stabilisieren wollte, entgleisten mir die Gesichtszüge: Ich fand nur meinen einstigen Stolz, die Goethe-Preis-verdächtige Version. Ich denke, ich habeden Wink mit dem Zaunpfahl verstanden. Sie werden auch ohne Vorwort die nächsten Seiten finden. Da bin ich ziemlich sicher.
Was mir aber noch am Herzen liegt: Über mich selbst zu lachen, fällt mir leicht. Kenne ich mich doch ziemlich gut. Wo es andere betrifft, habe ich die Namen geändert, denn es ist nicht meine Absicht, jemanden zu kränken. Dass wir Leute mit kleinen und großen Macken sind, macht uns doch unverwechselbar markant und meist in besonderer Weise liebenswert.
Ralf Mühe
Es war eine Kanzel in einer altehrwürdigen Kirche, an der ich bei meinem ersten Gottesdienst scheiterte. Das gute Stück hing in beachtlicher Höhe über den Köpfen der gespannt lauschenden Gemeindeglieder. Statt meiner Worte hörten sie aber zunächst nur den Aufschlag meiner Bibel. Sie war vom schrägen Pult abgerutscht und zu Boden gefallen. Und das gleich zweimal hintereinander. Ein drittes Mal sollte mir das nicht passieren. Mit meiner Linken hielt ich nun die Bibel und mit der Rechten das Konzept, was jedoch den kleinen Nachteil hatte, dass ich nichts von beidem lesen konnte. Egal: Ich redete, was ich von der Vorbereitung behalten hatte. Und ich redete lang – glaubte ich. Nachprüfen konnte ich es nicht, denn über der Armbanduhr lag der Ärmel des Jacketts. Nach dem Amen war ich schlauer: Knapp sechs Minuten hatte meine Predigt gedauert. Erfrischend kurz, wie jemand später wohlwollend meinte.
Aber das war noch nicht alles. Beim Abendmahl sollte ich die „Einsetzungsworte“ sagen. Nach der Blamage auf der Kanzel wollte ich nicht zugeben, dass mir allein schon der Begriff fremd war. Ich wusste von nichts und faselte beim Austeilen des Abendmahls das, wovon ich glaubte, dass es die Leute hören wollten.
Doch schon bahnte sich die dritte Prüfung an. Die Gemeindeglieder hatten inzwischen Platz genommen. Zurück blieben der Pfarrer, der das Abendmahl geleitet hatte, und ich. Wir standen vor dem Altar. Alle Leute starrten auf uns. Offenbar sollte ich schon wieder etwas sagen. Die Orgel verstummte, aber mir fiel nichts ein. Der Blick des Pastors über den Brillenrand signalisierte Ungeduld. Was gab es noch zu bereden? Worauf wartete er? Ich hatte nicht die geringste Ahnung. Hau doch endlich ab, dachte ich verzweifelt. Dann fasste ich meine Gedanken in die feierlichen Worte: „Gehe hin in Frieden!“ Ich sagte es sehr laut und deutlich. Dabei hob ich theatralisch beide Arme. Der gute Mann zuckte zusammen und ging. Endlich. Er ging!
Am Ende des Gottesdienstes gab es für mich nur noch eines: auf schnellstem Wege durch einen Seitenausgang ins Freie. Ich hatte versagt. Ich war gescheitert. Nie wieder würde ich einen Gottesdienst halten, schwor ich. Das war vor vielen Jahren. Inzwischen habe ich Hunderte Male auf Kanzeln gestanden und gepredigt.
Viele Neuanfänge sind nichts anderes als die Wiederholung alter Fehler. Das jedenfalls ist meine These. Nein, wissenschaftlich untermauern kann ich sie nicht, denn zum Akademiker habe ich es nicht geschafft. Im Gegensatz zu einem nahen Verwandten von mir. Er wäre Arzt geworden, hätte man ihn nur die Oberschule (so hieß das wohl damals) besuchen lassen. Der Glückliche. Er konnte sein Leben lang mit der Vorstellung leben, zu etwas Höherem geboren zu sein. Doch weil die Zeiten so schlecht waren, brauchte er das nie unter Beweis zu stellen. Bemüht hat er sich jedenfalls nicht darum. Mir dagegen standen alle Chancen offen, und ich habe sie nicht genutzt – trotz eines Neuanfangs durch einen überstürzten Schulwechsel. Verständlich, weshalb mich das Thema „Neu anfangen“ so tief berührt. Es ist ein Stück meiner Lebensgeschichte.
Zurück zu meiner These. Ich kann sie mit drei Beispielen belegen.
1. Erst kürzlich wieder stimmte man in einer Gemeinde den Gesang zu hoch an. Bis zur Mitte der Strophe kämpfte man sich mit der Kopfstimme durch, dann ging es nicht mehr. Irgendein beherzter Sänger stimmte neu an. Tiefer, wie er meinte. Doch tiefer war nur der Anfangston, nicht aber die Tonlage. Sie entsprach exakt der vorigen ...
2. Eine Irin erzählte mir, wie sie um einen Schwaben freite. Damals hatte sie erhebliche Mühe, ihre zukünftige Schwiegermutter zu verstehen. Oft wusste sie einfach nicht, was da breit geschwäbelt wurde. Statt sich deut(sch)licher zu artikulieren, verstärkte die werte Dame bei der Wiederholung lediglich die Phonstärke. Sie schien das Problem nicht begriffen zu haben, deshalb war auch die Wiederholung nutzlos.
3. Sie waren die Innovation des Bibellesebund-Freizeitzentrums: Frischhaltedosen fürs Frühstücksbrot. Einfach chic, aber kompliziert zu bedienen. Es verging kaum ein Tag, an dem nicht eines der guten Stücke mitsamt dem Inhalt zu Boden fiel. Also gab ich eine Bedienungsanleitung, und zwar so einleuchtend, dass sie auch der größte Trottel begreifen musste. Nur einer eben nicht: ich selbst. Meine Worte waren kaum verhallt, da griff ich tatkräftig zu. Aber entgegen meiner eigenen klüglichen Anweisungen eben falsch! Und das vor einem Publikum, das sich kaum noch auf den Stühlen halten konnte. Wie gemein Leute aber auch sein können!
Das Buch mit diesem aggressiven Titel lag wie eine Kampfansage auf dem Schreibtisch einer Mitarbeiterin. „Hast du schon gesehen ...?“ In der Art, wie mein Kollege die Frage stellte, wusste ich schon, wovon er sprach. „Ich habe“, fiel ich ihm kurzsilbig ins Wort und warf bedeutungsvoll einen Blick auf die „Waffe“. Wir waren ratlos. Gut, auf Händen getragen hatten wir die Kollegin nie, das war uns schon klar. Aber hatten wir ihr so zugesetzt, dass sie sich gegen uns wehren musste? Ich äußerte die Vermutung, dass ihr vielleicht unsere männliche Dominanz zum Problem geworden sei.
Unsere Gemüter beruhigten sich wieder. Dennoch beschloss ich, ab sofort meine Naivität aufzugeben und psychologischen Scharfsinn an den Tag zu legen. Ich brauchte nicht lange, um fündig zu werden. Eine Mitarbeiterin, schlank wie eine Tanne, hatte einen äußerst festen Schritt: Na klar, jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, das musste Körpersprache sein. Warnsignale sozusagen, die ich bisher nicht wahrgenommen hatte: „Pass auf, hier komme ich!“ oder so. Bei einer anderen Person entdeckte ich eine fast apokalyptisch anmutende Wehrhaftigkeit: Als Knoblauch-Esser konnte sie sich allein mit dem Hauch ihres Mundes verteidigen. Je länger, desto klarer sah ich die Dinge: Da war jemand, dessen Worte wie Maschinengewehrsalven Schutz vor dem Hinhören gaben. Hatte man ihn vielleicht in zarter Jugend allzu hart getadelt? Neue Dimensionen der Menschenkenntnis eröffneten sich.
Als ich in einem Buchkatalog blätterte, fiel mir sofort jener Titel ins Auge: „Sag, was du meinst, dann erreichst du, was du willst. – Wie man sich erfolgreich durchsetzt.“ Ich grübelte. Sollte ich an meiner eigenen Persönlichkeit arbeiten und aufrüsten? Der Blick auf den Umfang des Buches ließ mich zögern. Vielleicht sollte ich mich doch eher den Tugenden des Pazifismus zuwenden, denn zum Nachgeben hatte ich ja nach langen Ehejahren im Übermaß Gelegenheit.
Es kam alles ganz anders. Ich hatte völlig vergessen, dass ich mein Herz künftig nicht mehr so auf der Zunge tragen wollte. Ich sprach mit der Kollegin über jenes besagte Buch und seine Wirkung. Dabei stellte sich heraus, dass es gar nicht für sie persönlich gewesen war. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Ich konnte also (im Wesentlichen) so bleiben, wie ich war. Angesichts dieser Tatsache fiel es mir jetzt nicht mehr schwer, die anderen mit ihren Eigenheiten zu akzeptieren. Vielleicht waren deren Verhaltensweisen gar nicht gegen mich gerichtet, sondern einfach Ausdruck ihrer persönlichen Prägung. Ganz ausschließen sollte man das nicht.
Es gibt sie zum Glück, denn ihr Vorhandensein gibt dem Rest der Menschheit das Gefühl einer gewissen Überlegenheit. Ein paar Beispiele gefällig? Es würde mich freuen, wenn ich Sie davon überzeugen könnte, dass meine Behauptung vom Leben selbst diktiert ist.
Fall 1: Da sah ich doch in einem Hotel einen jungen Mann, der sich als unverbesserlicher Hartschädel erwies. Leicht bis mittelschwer angesäuselt suchte er den Weg ins Freie. Zielstrebig knallte er mit der Stirn gegen einen Flügel der Glastür, deren Automatik mit seiner Schnelligkeit nicht mitkam. Peng! Das Glas war zwar dahin, aber die Tür tat sich dennoch auf. Der Mann trat ins Freie. Er ging zwei Schritte zur Seite und sog die frische Luft ein. Aber nicht lange. Offenbar meldete sein Gehirn erst jetzt den Crash und ließ ihn in Ohnmacht fallen. Wie ein Stein fiel er zurück und durchschlug mit dem Hinterkopf den anderen Teil der Glastür. Sauber. Das war ganze Arbeit. Der Mann selbst hatte außer ein paar Kratzspuren nichts abbekommen. Habe ich zu viel gesagt? Weiter geht’s.
Fall 2: Eigentlich wollte die Putzfrau im Geschäft meines Onkels nur die Kellerwände mit Wasser abspritzen. Als sie jedoch eine Maus erblickte, schreckte sie zurück. Der Wasserstrahl traf die heiße Glühbirne, es gab einen Schlag und dunkel ward es. Für eine Weile hörte man nur das Wasser und die Putzfrau laufen. Sie ertastete sich den Weg aus dem Kellerraum, vergaß jedoch, den Wasserhahn abzustellen. Man hätte später den Kellerraum als Swimmingpool vermieten können.
Fall 3: Er betrifft leider meine Wenigkeit. Ich hatte unseren Kleinbus auf einem Parkplatz abgestellt. Nicht exakt genug an der aufgezeichneten Linie entlang, wie ich fand. Eine kleine Korrektur gestand ich mir zu. Ich versuchte sie, ohne dabei den Motor anlassen zu müssen. Mit dem linken Fuß blieb ich auf der Straße, mit dem rechten trat ich die Kupplung, und der Wagen rollte, bis – o nein ... Ich brauchte eine ganze Weile, um meinen Sohn von dem Kunststück zu überzeugen, dass ich mir selbst auf den Fuß gefahren war! Er glaubte es nur, weil ich wie festgewurzelt am Wagen stehen blieb. Physische Schäden hat mir das Ganze nicht eingebracht. Aber psychische, denn jedes Mal, wenn das Thema „Nichts ist unmöglich!“ aufkommt, glaubt mein Sohn, einen süffisanten Beitrag aus seiner eigenen Erlebniswelt leisten zu müssen.
Die Bibel ist wirklich ein wertvolles Buch. Besonders dann, wenn sie noch nach Jahren wie neu im Regal steht und der Goldschnitt noch nicht gelöst ist. Dann haben auch die Kinder und Enkel noch etwas davon.
Es gibt in dieser Hinsicht natürlich unterschiedliche Ansichten. Ich denke an jene resolute Frau, die mir schmeichelte, indem sie mich einmal in den Stand eines Theologen erhob. Sie las recht oft in der Bibel. Dabei bevorzugte sie das, was „zwischen den Zeilen“ stand. Natürlich entdeckte sie auf diese Weise einen Reichtum an unausgesprochenen Wahrheiten. Darauf waren andere Christen in knapp zwei Jahrtausenden nicht gestoßen. Meine Auslegungen über das, was schwarz auf weiß in der Bibel steht, nahmen sich neben ihren Erkenntnissen geradezu dürftig aus. Aber die Frau gestand mir immerhin zu, ein Westentaschentheologe zu sein.
Bibelkenntnis gehört zum Allgemeinwissen. Man muss das Buch der Bücher noch nicht einmal gelesen haben, um Bescheid zu wissen. Diesen Eindruck vermittelte mir jedenfalls ein älterer Diskussionspartner, dessen Lautstärke und Selbstsicherheit klarstellte, wer hier recht hatte. Er zitierte aus dem Gedächtnis (!) grundlegende Wahrheiten aus den Mosebriefen und dem Evangelium nach Petrus. Als ich ihm meine Bibel reichte, damit er seine Nachhilfestunde effektiver gestalten könnte, wollte er sich damit nicht aufhalten. Schade eigentlich.
Ich hatte schon immer vor den Leuten Hochachtung, die die Grundsprachen der Bibel fließend beherrschen. Eine Kostprobe seines Könnens gab mir ein Pastor, der das hebräische Alte Testament aufschlug. Ohne lange zu fackeln fing er an, 1. Mose 1, Vers 1 flüssig zu übersetzen: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott ...“ Beneidenswert, ein Naturtalent!
In eine ziemliche Verlegenheit brachte mich die Frage eines Gemeindeältesten. „Wie kann es möglich sein“, wollte er von mir wissen, „dass der König Jesus verfolgen und die Kinder in Bethlehem töten ließ, wo er doch zuvor den wunderbaren Auszug des Volkes durch das Rote Meer miterlebt hatte?“ Ich musste mehrfach schlucken. Es war in der Tat eine schwierige Frage.
Als einer, der sich lieber Positivem widmet, eigne ich mich vermutlich am wenigsten dazu, zum Thema vergeben etwas zu schreiben. Ich vermute, dass ich darüber hinaus oft zu naiv bin, um zu verstehen, dass ich eine Aussage auch als Kränkung hätte auffassen können. Ich bin einfach nicht der Typ, der einen hohen Umschlag von Verletzungen und Vergebung aufzuweisen hat. Immerhin bin ich im Vergessen groß. Das trifft meist auch auf negative Kleinigkeiten zu. Vermutlich beraube ich mich damit der Fähigkeit, wesentlich hingebungsvoller über die Lasten des Lebens klagen zu können.
Ganz anders verhielt es sich diesbezüglich mit einem älteren Herrn, dessen Würde sich an einem bedeutungsvollen Notizbuch festmachte. Er hatte nämlich eine Methode wider das Vergessen entwickelt. Markante Aussagen notierte er sofort in ein Heft. Offenbar war ich so einer, bei dem sich Aufzeichnungen lohnten. Manchmal musste ich schnell dahingeworfene Aussagen Wort für Wort wiederholen, damit er mit dem Schreiben nachkam. Dabei spielte stets ein Lächeln um seine Lippen. Sicher rechnete er schon mit einer reichen Ernte späterer Entschuldigungen.
Eine großartige Lektion in Seelenhygiene erhielt ich einmal vor vielen Jahren von einer Frau. Mit gnadenloser Offenheit bekannte sie mir: „Vergib mir, dass ich dich oft für arrogant halte.“ War ihr Verlangen nach einem reinen Gewissen nicht beispielhaft? Augenblicklich taten sich Abgründe bei mir auf. Dummerweise sah ich mich jedoch nicht in der Lage, die Gefühle der Frau zu vergeben. Vielleicht waren sie ja berechtigt und stellten gar keine Schuld dar. Da sie aber so sehr nach Vergebung verlangte, sprach ich ihr – sozusagen als Ersatz – meine Vergebung für ihre unangebrachte Schwatzhaftigkeit zu. Damit war sie allerdings auch nicht zufrieden. Komplizierte Welt!
Können Sie sich selbst verzeihen? Auch das ist ein Lernprozess. Als Bibelschüler erlaubte ich mir einmal ausgerechnet im Fahrstuhl einen Druckausgleich des Leibes. Ich war ja allein. Doch die augenblickliche Veränderung der Luftverhältnisse in diesem engen Raum war über alles Erwarten fulminant. Gerade jetzt stoppte der Fahrstuhl und eine würdige ältere Lehrerin gesellte sich zu mir. Ziemlich irritiert sog sie die Luft ein, sagte aber nichts. Ich versuchte eine Unschuldsmiene aufzusetzen und fächerte mir Luft zu. Ansonsten wäre ich gern im Boden versunken. Verziehen habe ich mir diese Fehlleistung lange nicht.
Meine erste Beziehung habe in den Sand gesetzt. Damals, in jenem Alter, als ich noch aus Protest gegen das Spießbürgertum die Absicht hatte, Weihnachten im Sommer zu feiern und bei Feierlichkeiten mit verschlissenen Jeans neue Akzente zu setzen. Wie borniert war ich doch, als ich auf die Frage eines Mädchens, ob sie mit mir gehen dürfe, antwortete: „Selbstverständlich! Bis da vorne zur Straßenkreuzung – und dann trennen sich unsere Wege.“
Ein solcher Glücksfall hat sich nie wiederholt. Nie, wirklich nie wieder hat eine Frau mir je einen solchen Antrag gemacht. Im Gegenteil. Um meine Ehefrau musste ich regelrecht kämpfen. Erst gegen ihren eigenen erklärten Willen, dann gegen die (berechtigten?) Bedenken meiner zukünftigen Schwiegermutter. Es war nicht leicht. Aber ich habe es offenbar nicht besser verdient. Inzwischen hat unsere Beziehung immerhin schon 40 Jahre gehalten. Diese stabile Basis hat es uns erlaubt, freundschaftliche Beziehungen zu anderen Leuten einzugehen. Und auch verunglückte so zu überstehen, dass wir später nicht auf die Psychiatercouch mussten.
Sehr flüchtig, aber nicht weniger eindrücklich gestaltete sich jene Beziehung, bei der ich jemandem grüßend zuwinkte, weil ich ihn verwechselte. Ob der sofortige Versuch gelang, das Winken als Serie nervöser Zuckungen zu kaschieren, kann ich nicht sagen.
Eine freundschaftliche Beziehung entwickelte sich, als ich jemandem aus Versehen den Parkplatz wegnahm. Ich hörte nicht, was mein Gegenüber sagte, aber ich sah deutlich an der Mundbewegung, dass es sich nicht um eine Schmeichelei handelte. Ich korrigierte meinen Fehler und ging dann auf den Kontrahenten zu: „Wie gut, dass Sie nicht ausgerastet sind“, sagte ich, „weniger Beherrschte hätten mich sicher ein A... geschimpft.“ Der Mann erstarrte wie ein Ertappter, dann lächelte er. Seither grüßt er mich sehr zuvorkommend.