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Ich widme dieses Buch den Menschen, denen ich begegnen durfte. Jene, die mich inspiriert haben, ein Buch über Menschen und deren Schicksale zu schreiben. Menschen, die sich begegnen. Die gefangen sind im Ich und doch dem Du des nächsten Kapitels näher sind, als sie glauben. Die sich öffnen und verschließen, behalten und verlieren. Innere Monologe. Subjetiv. Und doch universal.
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Verdammt, der letzte Schluck war doch zu viel. Hoffentlich merken die nicht gleich alle, dass ich völlig besoffen bin. Die Schuhe tun auch weh an den Füßen. Richtige Nuttenschuhe. Geil. Ich, die Hure. Vielleicht hab ich jetzt endlich einen Job gefunden, der zu mir passt. So. Ich geh jetzt rein. Oder nicht? Die Leuchtreklame ist geil. So richtig puffig. Klischee. Wie im Schundroman. Richtig versaut. Ich. Hab denen am Telefon erzählt, dass ich mit BDSM Erfahrung habe. Waren aber nur ein paar Spielchen. Und die meisten davon nur virtuell. Hat aber Spaß gemacht. Ob ich wirklich sadistisch veranlagt bin? Domse wäre eigentlich noch besser als Hure. Bringt mehr Kohle und die Herrin ist Queen.
Denen werd ich es beweisen. Die Zahlungen einstellen. Das haben die sich gedacht. Die werden schon sehen, wie ich jetzt mein Studium finanziere. Der reiche Sack. Und seine kleine Schlampe. Egoschweine.
Gott, es war zu viel Alk. Aber was soll ich machen? In meiner Situation kann man doch wohl auch nur saufen. Ohne den scheiß Suff hätte ich mich doch nie und nimmer bei kaufmich.at angemeldet. Oder wäre nie und nimmer vorhin ins Taxi gestiegen. ,,Einmal zum Club „All Inclusive“ bitte.“ Das habe ich gesagt. Wie toll das klingt.
Das Rotlichtmilieu hat mich schon immer fasziniert. Da geht es anders ab als in der Romanistik.
Verdammt. Noch einen Schluck nehmen, dann geht es aber los. Oder zwei, drei. Hauptsache, der Rausch lässt nicht nach. Dann bring ich das am Ende nicht.
Ich geh da jetzt rein.
Wer ein Loser ist, wer ein Studium abbricht, wer Langzeitstudiengebühren zahlen muss, der muss eben arbeiten. Der hat es verdient, hier zu stehen.
Schön billig sehe ich aus. Wie sich das gehört. Nuttig. Wie im Film. Wie in der Literatur. Kiezromantik...
Ich hätte die 500 Mäuse von meinen ersten und letzten beiden Internetfreiern nicht gleich wieder versaufen dürfen. Das wären schon die Strafgebühren fürs Wintersemester gewesen.
Der Alte zahlt nicht mehr. Nicht für Verlierer wie mich.
Dabei bin ich eigentlich ziemlich geil. Ja, geil und sexy. Früher nicht. Zu Schulzeiten nicht. Aber jetzt ja.
Der Strohrum knallt. Ich bin so Hure. Die da drin warten schon auf mich. Ich geh da jetzt rein.
Wo soll ich mich hier melden? Ich hab keine Lust auf eine Blamage. Blamage bei Nutten. Was solls. Noch einen kleinen Schluck, dann fliegt die Flasche weg. Dann geh ichs richtig an.
Weg damit und los. Mich liebt niemand. Liebe ist doch die größte Hure. Man zahlt, wird gefickt, zahlt. Dann kann ich fürs Ficken auch endlich bezahlt werden. So. Mein Leben ist eh im Arsch.
Ich hab es geschafft. Bin drin. Die Puffmutter ist locker und freundlich. Guckt etwas komisch. Die wird den Suff merken. Hoffentlich nicht! Egal. Ich bin nun mal heruntergekommen und verdorben. Deshalb bin ich hier.
Ich hätte mich doch auch hier umziehen können, sagt sie.
Sie zeigt mir die Zimmer. Ein grünes, ein blaues, ein rotes. Stilvoll. Und doch billig. Ich schwanke. Verdammt. Ob alles in Ordnung sei, fragt sie. Klar.
Der Whirlpool.
Das BDSM Zimmer.
,,Da kennst du dich ja dann aus.“ Ähm, naja.
Sie erklärt, wie mit den Kunden vorzugehen ist. Ich höre nicht zu. Kann nicht zuhören. Mein Kopf dröhnt.
Dann kommen wir in den Aufenthaltsraum. Da sind sie endlich: Die Kolleginnen.
Richtige Huren.
Sie alle scheinen, im Gegensatz zu mir, sehr gechillt und überhaupt nicht aufgeregt zu sein. Eher gelangweilt. Manche beäugen mich neugierig. Wie ich wohl auf die wirke mit meinem 0815 Lackkorsett und den Pseudogruftiplateaus? Plötzlich komme ich mir total unprofessionell vor. Das verwöhnte Studimädchen will Nutte spielen. Ich brauche Alkohol. Wie ich hier wohl an den nächsten Drink komme?
Die Frauen im Aufenthaltsraum scheinen alle keine deutschen Wurzeln zu haben, ein paar von ihnen sind schwarz. Ich höre spanische Wortfetzen. Spanisch ist gut. Spanisch kann ich.
Im Hintergrund läuft das Fernsehen. Abwechselnd werden abwechselnd das Logo des Puffs und irgendein idiotischer Talkshowschwachsinn eingeblendet.
Gegenüber der Sitzgruppe steht eine Bar. Dort arbeitet die Puffmutter. Männer sind keine da.
Ich soll mich dazu setzen, zu den Kolleginnen.
Ich will reden. Ich will die Anderen kennen lernen. Sprachen kann ich ja. Das ist mein Ding.
Spanisch, Italienisch, Französisch. Das wird im Puff doch wohl nützlich sein?
Eine schwarze Schönheit setzt sich neben mich. Aus Jamaika stamme sie und ihr Name sei Amber. Das erfahre ich. Wie ein hässliches Weißbrot komme ich mir vor neben dieser Perle der Karibik. Sie spricht sehr gebrochenes Deutsch, wir wechseln lieber in die englische Sprache. Man, im Suff bin ich ein Fremdsprachengenie. Nüchtern vielleicht auch. Aber besoffen traue ich mich.
Ich will lieber Spanisch reden.
Die Jamaikanerin wird stehen gelassen und ich setze mich zu der anderen Schwarzen. Aus der Ecke habe ich vorhin Spanisch gehört.
Und ich lag richtig. „Soy la nueva.“ Sie guckt skeptisch, aber freundlich. Aus Kuba sei sie. Toll. Kuba ist eines meiner Sehnsuchtsländer. Ich erfahre, dass sie aus Havanna stammt. Sie steckt sich eine Kippe an und ich bereue, dass ich keinerlei Tabakwaren mitgenommen habe.
Nun gerate ich in einen regelrechten Redeschwall.
Oh, der böse Alkohol. Mein Spanisch ist doch gar nicht so scheiße, trotz der langen Zeit, die vergangen ist, seit ich zum letzten Mal mit einem Muttersprachler gesprochen habe. Wo die Männer sind, frage ich. Die kämen schon, ist ihre Antwort. Ich empfinde eine Mischung aus Angst und positiver Aufregung. Ich will, dass es endlich losgeht. Das ich endlich sein kann, was ich bin: Hure. Mein Gegenüber gähnt. Unverständlich für mich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das hier je Alltag wird.
Ich fühle mich so uninteressant neben all den exotischen Schönheiten. Und doch auch privilegiert. Ich sollte mehr zur Schau stellen, was ich kann und bin. Ich bin jünger. Unverbrauchter. Und warum nicht ein bisschen aus dem erfundenen Nähkästchen plaudern?