Wo bleibt die Revolution - Egon W. Kreutzer - E-Book

Wo bleibt die Revolution E-Book

Egon W. Kreutzer

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Beschreibung

Die "Revolutionäre Situation" entsteht, wenn Volkswirtschaft zu"Volksbewirtschaftung" verkommt, wenn aus Menschen "Humankapital" wird, dessen Wert einzig an Nützlichkeitskriterien bemessen wird. Der Staat hat den Ausgleich zwischen den Kapitalinteressen und den Interessen der Bevölkerung herzustellen. Doch auch in der Demokratie ist der Staat ohne eine funktionierende Wirtschaft nicht überlebensfähig. Schwache politische Führungsfiguren neigen daher dazu, den Kapitalinteressen die höhere Priorität einzuräumen. Das bleibt der Bevölkerung nicht verborgen. Es entwickelt sich Widerstand, der durch repressive Gesetze und permanente Überwachung ruhig gehalten werden muss. Natürlich gibt es einen Punkt, an dem dies alles nicht mehr ausreicht. Viele fragen sich daher schon lange: Wo bleibt die Revolution? Wann die Revolution kommt, hängt allerdings auch davon ab, wie die gesellschaftlichen Voraussetzungen aussehen, um Übergriffigkeiten von Staat und Kapital überhaupt entgegentreten zu können. Wo ein gemeinsames Bewusstsein der Zusammengehörigkeit fehlt oder zerstört wurde, wo Individuen mit mangelndem Selbstwertgefühl unterdrückt und ausgebeutet werden, wird die Schmerzgrenze sehr viel später erreicht als bei einem einigen Volk mit ausgeprägtem Geschichsbewusstsein und Selbstvertrauen. Wer sich allerdings von der scheinbaren Ruhe in Deutschland beeindrucken lässt, erkennt nicht die "Tiefenströmung" der gesellschaftlichen Mitte, in deren vermeintlicher Trägheit eine starke, immerwährend wirkende Kraft verborgen ist, die, wie das Wasser in der Mitte des Flussbetts, unermüdlich daran arbeitet, sich dieses Bett neu zu formen und mit der Zeit jede scharfe Biegung des Flusslaufes abzurunden. Neoliberalismus und Globalismus haben zum Ende des vorigen Jahrhunderts auch Deutschland und die EU erreicht und den sozialen Frieden gestört. Protagonisten links-grünen Gedankenguts und Alt-68er in den Institutionen wurden nach oben gespült. Das Ergebnis: Beschädigung der wirtschaftlichen Kraft des Landes, was mit einer verheerenden Energiewende, der Verteufelung des Verbrennungsmotors und nicht zuletzt mit Gender-Gaga und Refugees-welcome-Rufen in Angriff genommen wurde. Inzwischen wendet sich das Blatt. Globalistischen Strukturen zerbrechen, Regionen und Nationalstaaten erstarken.Trump und Johnson sind die Vorreiter, die in ihren Staaten die Balance zwischen Staat, Wirtschaft und Volk wieder herstellen. Wenn wir Glück haben, gelingt das ohne Barrikaden und Guillotine.

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Unter der Führung von Angela Merkel ist eine große Koalition links-grüner Politik entstanden, auch wenn die Regierungsparteien weiterhin CDU/CSU und SPD heißen.

Diese Koalition hat uns die Gender-Ideologie, die Energiewende und die Verdammung des Verbrennungsmotors beschert und damit die Gesellschaft gespalten und die Axt an die wirtschaftliche Basis der Republik gelegt. Hinzu kommt die von den gleichen linken Rändern durchgesetzte, unverantwortliche Öffnung der Grenzen und die Einwanderung in die Sozialsysteme, den Wohnungs- und den Arbeitsmarkt.

Es drängt sich heute, rückblickend, geradezu die Frage auf:

„War das vielleicht schon die Revolution?“,

und, falls ja, „Wer hat das so gewollt, wer hat es nahezu kampflos zugelassen?“

Ein Fluss bringt Flussschiffer hervor, doch Schiffer können niemals einen Fluss hervorbringen.

Staat und Wirtschaft können Revolutionen hervorrufen, …

Inhalt

Vorwort zur Neuausgabe 2020

Vorwort der Erstausgabe 2014

Teil 1 Die Volksbewirtschaftung

Das Spielfeld volkswirtschaftlichen Handelns

Das Überleben des politischen Systems

Die Sicherheit des Gesamtsystems

Grundversorgung und Infrastruktur

Der Scheinwettbewerb der Oligopole

Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit

Volkswirtschaftliches Versagen bei Grundversorgung und Infrastruktur?

Sicherheit vor natürlichen Einflüssen und kriegerischen Staaten

Volkswirtschaftliches Versagen in punkto Sicherheit?

Aufbau und Erhalt einer stabilen Position im globalen Wirtschaften

Volkswirtschaftliches Handeln zur Beeinflussung des materiellen Wohlstands der Bevölkerung

Nachfrageorientierung in der globalisierten Wirtschaft

Bedarfsorientierung in der globalisierten Wirtschaft

Die andere Seite der Medaille: Die negative Außenhandelsbilanz

Der Akt der Stabilisierung

Deutschlands Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit

Gestaltung eines volkswirtschaftlichen Markenkerns

Teil II Die gesellschaftlichen Voraussetzungen

Reale Ausbeutung und realer Widerstand

Das Selbstwertgefühl - und warum es so leicht ist, es zu unterdrücken

Die Potenz sozialer Netzwerke

Teil III Alles ist im Fluss

Von den Quellen bis zum Meer – die lebendige Gesellschaft

Die Hemmnisse

Die großen Fragen

Teil VI Die Rolle des Kapitals und die notwendige Krise

Die notwendige Krise

Anhang

Das magische Dreieck

Vorwort zur Neuausgabe

Vor sechs Jahren habe ich die Frage „Wo bleibt die Revolution“ erstmals in Buchform gestellt und, so weit es mir möglich war, beantwortet.

Die seinerzeit noch ziemlich gewagte Prognose, die Revolution käme von der nationalen, bzw. regionalen Wirtschaft her, und nicht etwa von einem modernen Robin Hood, nicht von den Grünen, nicht von den Linken, sondern von denen, deren Lebensqualität durch die Übermacht der global agierenden Konzerne beschädigt wird, denen der Raum zum Schaffen Stück für Stück genommen wird, ist in diesen sechs Jahren fester geworden.

Nicht nur dass die Menschen im Rust Belt der USA den gewählt haben, der versprochen hat, Amerika wieder groß zu machen und trotz der ungeheuerlichen Schlammschlacht, die von den Demokraten gegen Donald Trump geführt wurde, weiter zu ihm halten; auch anderswo hat die Rückbesinnung auf den Schutzraum des Nationalstaates an Gewicht gewonnen und die Welt schon weiter verändert als dies 2014 erwartet werden konnte.

Die Aktualisierung des Textes – unter Einbeziehung der in den vergangenen sechs Jahren eingetretenen, relevanten Ereignisse – hat mir gezeigt, dass Teile meiner damaligen Prognosen durchaus bereits eingetreten sind und sich die Wahrscheinlichkeit für den noch offenen Teil erhöht hat.

Unverändert geblieben sind die grundsätzlichen Aussagen zur volkswirtschaftlichen Basis jeglicher Politik, die einerseits Verständnis für manches unverständlich erscheinende Verhalten der Politiker ermöglichen, andererseits aber auch aufzeigen, wo die Versuchung, „Volksbewirtschaftung“, statt Volkswirtschaft, zu betreiben, jene natürliche Grenze überschreitet, die den Widerstand, die Revolution, geradezu herausfordert.

Die Leser der Erstausgabe werden vieles wiedererkennen, aber auch feststellen, dass die aktualisierte Fassung aufgrund der inzwischen eingetretenen Ereignisse noch mehr Optimismus ausstrahlt als die Erstausgabe.

Im Frühjahr 2020

Egon W. Kreutzer

Vorwort der Erstausgabe von 2014

Wo bleibt die Revolution? Eine Frage, die immer öfter gestellt wird, ohne dass es schon einen Hinweis auf eine einigermaßen zuverlässige Antwort gäbe. Schulterzuckend heißt es zumeist nur: „Es geht uns eben noch lange nicht schlecht genug …“, und damit endet das Nachdenken wieder für eine Weile.

Dass es uns geht, wie es uns geht, und warum das für eine Revolution bisher scheinbar immer noch nicht schlecht genug ist, ist der hohen Kunst der „Volksbewirtschaftung“ zu verdanken, einer nahen, aber stets schamhaft verleugneten Verwandten der Nationalökonomie.

Die offizielle Volkswirtschaftslehre, auch Makro- oder Nationalökonomie genannt, erscheint vielen wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ein Meer an Statistiken und Formeln bricht über den interessierten Laien herein, der sich der Materie zuwendet. Generationen von Professoren haben sich daran versucht, im Nachhinein zu erklären, warum die Konjunktur zu welchem Zeitpunkt in welcher Weltgegend angezogen hat oder zusammengebrochen ist – und daraus weitgehend unzutreffende Prognosen und unpassende Empfehlungen für die jeweils verantwortlichen Regierungen abgeleitet.

Diese äußere Erscheinungsform der Volkswirtschaftslehre wird von zwei Faktoren maßgeblich bestimmt – nämlich der Tatsache, dass sich gesamtwirtschaftliche Prozesse zwar vergleichen lassen, dass aufgrund der höchst unterschiedlichen Ausgangssituationen jedoch weder der Vergleich im Zeitverlauf, noch der Quervergleich unterschiedlicher Volkswirtschaften wirklich zu gesicherten Erkenntnissen und schon gar nicht zu wirklich zutreffenden Prognosen führen kann. Außerdem ist die Zunft der Volkswirtschaftsprofessoren nicht frei davon, ihre Fähigkeiten vorrangig in den Dienst politischer Interessen und Ideologien zu stellen und ihre Ergebnisse entsprechend zu interpretieren.

Das vorliegende Buch wagt den Sprung über diese Hürden und führt von den Grundsätzen der „Volksbewirtschaftung“, die eine die „Staatlichkeit“ erst begründende Notwendigkeit ist, zu der Frage, wie das Zusammenspiel aller Kräfte und Interessen einen Staat stabilisieren kann, und welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um spür-bare „revolutionäre“ Änderungen implementieren zu können.

Zuletzt wird die Frage gestellt, welche Art von Krise erforderlich wäre, um einen revolutionären Prozess in Gang zu setzen, und eine überraschende Antwort gegeben, weil diese Krise bereits erkennbar und der Prozess schon in Gang gekommen ist, sein revolutionäres Potential aber noch völlig unterschätzt wird.

Im Frühjahr 2014

Egon W. Kreutzer

Teil I

Die Volksbewirtschaftung

Volkswirtschaft oder Volksbewirtschaftung?

Die Ausführungen des ersten Teils entkleiden die Volkswirtschaftslehre von allem Zahlenmüll und allen klugen Theoremen und führen sie zurück auf ihre Grundlagen, die an den Fingern einer Hand abzuzählen sind:

Zahl und Fähigkeiten der Bevölkerung

Zugang zu den natürlichen Ressourcen

Geldversorgung

Außenhandel

Staatsform, Ideologie und gesamtgesellschaftlicher Konsens

Diese kleine Aufzählung mag zwar mager erscheinen, doch finden sich darin tatsächlich alle eine Volkswirtschaft beschreibenden Kriterien wieder.

Es ist das Zusammenspiel dieser Faktoren, aus dem die möglichen Ziele volkswirtschaftlichen Handelns abzuleiten sind und das deren Erreichung ermöglicht.

Die Gliederung dieses Abschnitts orientiert sich daher an den maßgeblichen Zielsetzungen, die im Rahmen volkswirtschaftlichen Handelns anzustreben sind, diese wiederum gleichen – wie könnte es anders sein – vom Ansatz her der fünfstufigen Maslow‘schen Bedürfnispyramide.

Selbsterhalt durch Herstellung der erforderlichen Grundversorgung und der notwendigen Infrastruktur

Sicherheit vor natürlichen Einflüssen und kriegerischen Staaten

Aufbau und Erhalt einer stabilen Position im globalen Wirtschaften

Gestaltung eines volkswirtschaftlichen Markenkerns

Freiheit von materiellen (Export-) Zwängen

Diese Betrachtungsweise ermöglicht eine intensive Beschäftigung mit allen politisch relevanten Themenstellungen, angefangen beim so genannten demografischen Faktor und seinen Auswirkungen, bis hin zur Frage eines gerechten Steuersystems und der sinnvollen Struktur von Staatshaushalten, zielt damit also direkt auf die Anforderungen an die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen, die sich aus einem volkswirtschaftlichen Masterplan ableiten ließen, ohne deshalb den Planwirtschaftsorgien des ehemaligen Ostblocks gedanklich auch nur nahe kommen zu müssen.

Das Spielfeld volkswirtschaftlichen Handelns

Grundbedingung für volkswirtschaftliches Handeln ist ein in sich geschlossener Wirtschaftraum, der unter einer einheitlichen politischen Gesamtverantwortung steht. Dieser Wirtschaftsraum, der in aller Regel geografisch von Staatsgrenzen definiert ist und durch selbstverantwortete, internationale Aktivitäten seiner Bürger, Unternehmen und Organisationen eine Erweiterung erfahren kann, stellt das innere Spielfeld dar.

Das innere Spielfeld der Volkswirtschaft kann jedoch kaum in einer Art von staatlichem Autismus nach außen abgekapselt werden, wie es in Nordkorea noch versucht wird. Es ergeben sich beinahe zwangsläufig immer neue Gelegenheiten und Notwendigkeiten für Interaktionen, die über die eigentlichen Staats- und originären Interessengrenzen hinweg gehen. Gemeinhin handelt es sich dabei um eigene oder fremde Expansionsbestrebungen, die dazu bewegen, das äußere Spielfeld zu betreten, nahe und ferne Nachbarn auf diesem Planeten zu beobachten und mit ihnen über volkswirtschaftliches Agieren in Austausch zu treten.

In jüngerer Zeit sind neue, globale Herausforderungen dazu gekommen, wie z. B. der Schutz der Atmosphäre und der Weltmeere, oder die Eindämmung einer pandemischen Seuche, die ein Zusammenwirken der Weltgemeinschaft erforderlich machen, dabei jedoch in ganz erheblichem Maße zu Interessenkonflikten führen, die ihren Ursprung in verfehlten oder auch nur in zu egoistischen volkswirtschaftlichen Zielsetzungen haben. Gerade diese neuen Herausforderungen machen deutlich, dass verantwortungsvolle Wirtschaftspolitik keineswegs nur den kurzfristigen Vorteil der eigenen Wirtschaftsunternehmen im Auge haben darf, sondern stets auch in längerfristigem Denken darauf achten muss, sich nicht selbst durch Mitwirken am hemmungslosen Raubbau, bzw. durch seine mehr oder minder stillschweigende Duldung, die Existenzgrundlage zu entziehen. Noch immer ist Staatspolitik darauf ausgerichtet, „Stärke“ zu gewinnen und zu erhalten.

Die Mittel und Methoden dazu sind durchaus als technokratisch zu bezeichnen und müssen sich – wann immer es notwendig erscheint – auch gegen die Lebensinteressen der Bevölkerung richten. Das Streben nach Stärke in wirtschaftlicher Hinsicht und das Streben nach Stärke in militärischer Hinsicht sind dabei kaum voneinander zu trennen, ja sie bedingen sich geradezu gegenseitig. Das Extrembeispiel, das wohl keiner weiteren Erläuterung bedarf, finden wir beim Blick auf die Vereinigten Staaten von Amerika.

Ein Musterbeispiel dafür, dass es auch anders geht, war über einige Jahrzehnte die junge Bundesrepublik Deutschland, doch auch die neutralen Europäer, Österreich und Schweiz, sollten Erwähnung finden, bevor das Beispiel USA unwidersprochen als Regelfall angesehen wird.

Betrachtet man beide in der Realität existierenden Möglichkeiten, so entsteht der Eindruck, dass Volkswirtschaft unter zwei Aspekten betrieben werden kann. Einmal unter dem Aspekt, die Volkswirtschaft primär als einen integralen Bestandteil der „Staatsmacht“ anzusehen und sie den staatlichen Machtinteressen unterzuordnen, zum anderen unter dem Aspekt, die Volkswirtschaft primär als ein Handlungsfeld zur Verbesserung der Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung anzusehen. Dass in beiden Fällen innerhalb der Bevölkerung ganz erhebliche Wohlstandsgefälle möglich sind, ist von dieser Grundeinstellung unabhängig.

Wenn in den USA die Produktion von Militärflugzeugen und Zivilflugzeugen unter Machtinteressen quersubventioniert wird, also sowohl das Militär bestmöglich ausgerüstet, als auch der weltweite Markt der Zivilflugzeuge mit steuersubventionierten Produkten aufgerollt wird, dann dient diese Verquickung primär dem Machterhalt, sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht.

Dabei wachsen selbstverständlich die Vermögen der Shareholder der involvierten Wirtschaftsbetriebe, es mag auch zu Wohlstand unter den Angestellten und Facharbeitern kommen – es gibt jedoch nur ganz bedingt auch Auswirkungen auf die so genannte Unterschicht.

Wenn in Österreich der Ausbau eines Tourismusgebietes durch staatliche Hilfen und die Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur subventioniert wird, wird sich die eintretende Belebung vermutlich stärker auf die gesamte Einkommenssituation der Region auswirken, weil eben nicht nur die Investoren Gewinne generieren, sondern auch mehr Kellnerinnen und Skilehrer beschäftigt werden. Auf die Lebensumstände der Industriearbeiter und Arbeitslosen in den Ballungszentren muss dies jedoch keineswegs einen Einfluss haben.

Wirtschaftspolitik darf eben – trotz aller gegenteiligen Behauptungen unter dem Motto: „Sozial ist, was Arbeit schafft“, keinesfalls mit Sozialpolitik verwechselt oder gleichgesetzt werden.

Das innere Spielfeld

Volkswirtschaft wird zumeist lediglich als die Profession von Wirtschaftswissenschaftlern angesehen, die in ihren Elfenbeintürmen Statistiken wälzen und hin und wieder mit Prognosen an die Öffentlichkeit treten, während ihre Studenten versuchen, aus den inzwischen erkannten, historischen Fehleinschätzungen ihrer Zunft zu lernen.

Dass volkswirtschaftliches Handeln ein wesentliches Aufgabenfeld der Politik darstellt, wird dabei leicht übersehen. Die notwendigen Kompetenzen werden jedoch auch in der praktischen Politik zumeist so auf einzelne Ressorts verstreut, dass sie weder regierungsintern noch in ihrer Ausstrahlung auf das Publikum als ein geschlossenes Handlungsfeld wahrgenommen werden. Wo die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs schwach ausgeprägt ist und sich die einzelnen Ressorts ihren abgegrenzten Aufgabengebieten weitgehend isoliert widmen, ist ein volkswirtschaftlich insgesamt effektives Handeln naturgemäß schwieriger und häufiger von Fehlentwicklung begleitet als da, wo ein klarer und durchsetzungsfähiger Wille die Richtung und die Ziele vorgibt.

Dies könnte als Kritik an der Demokratie missdeutet werden, weshalb daran erinnert werden muss, dass es starke Führungsfiguren auch in der Demokratie gegeben hat und gibt, während unfähige Führungsfiguren auch in Monarchien und Diktaturen niemals auszuschließen waren.

In der Demokratie sollte es allerdings einfacher sein, unfähige Führungsfiguren durch fähigere zu ersetzen – und das wiederum spricht eindeutig für die Demokratie als Regierungsform.

Das Überleben des politischen Systems

Grundsätzlich ist Volkswirtschaft also das Handlungsfeld der Politik und muss daher, immer im Sinne der Maslow‘schen Bedürfnispyramide, zunächst einmal so eingestellt werden, dass das politische System eines Staates überleben kann.

Die viel gehörte Klage: „Die Politiker betrachten den Staat als einen Selbstbedienungsladen“, verliert damit nicht an Gewicht und Bedeutung. Es darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass nur durch die Sicherstellung der Versorgung des politischen Systems, mit allem was es zu seinem Überleben und Funktionieren benötigt, der Erhalt des Staates und damit des einheitlichen Wirtschaftsraumes überhaupt gewährleistet wird. Entzieht man dem politischen System die materielle Grundlage, fällt der Staat zwangsläufig in die Anarchie oder wird zur Beute anderer Staaten und ihrer politischen Systeme.

Größe und Umfang des politischen Systems müssen in einer gesunden Relation zur Größe des Staatsgebietes und zur Zahl der Einwohner, zur Komplexität der Gesellschaft und ihrer arbeitsteiligen Wirtschaft, sowie zu den von innen und außen drohenden, bzw. auch nur befürchteten Gefahren stehen.

Nur um das zu verdeutlichen: 500.000 Quadratkilometer unbewohnter Wüste können mit einem weitaus geringeren Aufwand administriert werden als 100 Quadratkilometer eines dichtbesiedelten mitteleuropäischen Ballungsraumes.

Für die Gestaltung des Spielfeldes ergibt sich daraus eine erste Regel, welche die Mindestproduktivität für einen funktionierenden Wirtschaftraum beschreibt.

Mindestproduktivitäts-Regel

Die Summe der Ergebnisse des wirtschaftlichen Handelns einer Volkswirtschaft muss mindestens ausreichen,

um die materielle Basis des nicht produktiven politischen Systems (Legislative, Exekutive und Judikative) sicherzustellen und

den minimalen Selbsterhalt sowie die notwendige Reproduktionsrate der produktiven Bevölkerung zu gewährleisten.

Die Einhaltung dieser einfachen Regel genügt, um feudalistische oder diktatorische Regime mit starken, vorwiegend nach innen gerichteten, militärischen oder paramilitärischen Repressionskräften über lange Zeiträume stabil zu halten.

Typische Ausprägungen von Volkswirtschaften, die lediglich nach der Regel der Mindestproduktivität arbeiten, fanden sich, historisch betrachtet, in Gesellschaften, in denen weltliche und kirchliche Fürsten, abgestützt auf die durch Repression ausgebeutete Arbeitskraft ihrer Leibeigenen, ein Zwei-Klassen-System installieren und aufrecht halten konnten. Es sind zugleich die Erscheinungsformen einer Reihe von – trotz scheinbar demokratischer Wahlen - immer noch bestehenden Diktaturen auf dem afrikanischen Kontinent.

Aus dieser Mindestproduktivitäts-Regel ergeben sich jedoch Ableitungen, die höchst interessant sind:

Der Aufwand für die Repression steigt mit dem Maß der Ausbeutung der produktiven Bevölkerung und mindert damit den erhofften Mehrnutzen für die Teilhaber des politischen Systems bis an den Punkt, an dem die absolute Leistungsobergrenze einer Volkswirtschaft erreicht ist.

Wird dieser Punkt überschritten, kommt es zum Zusammenbruch der Ordnung. Sei es, dass Aufstände aufflackern, sei es, dass Polizei und Militär die Gefolgschaft aufkündigen, sei es, dass innerhalb der Machtelite Verteilungskämpfe um die Anteile an der Beute ausbrechen – immer ist mit einer chaotischen Phase zumindest partieller Unregierbarkeit zu rechnen.

Chaotische Phasen stellen jedoch eine Einladung an die Kräfte außerhalb dar, sich das (vorübergehend) paralysierte Staatswesen ganz oder in Teilen anzueignen. Oft unter dem Vorwand, wieder Friede und Ordnung ins Land bringen zu wollen, ziehen fremde Mächte ein und übernehmen das politische System und die damit verbundenen Pfründen.

Derartige kriegerische Überfälle auf Staaten mit geschwächter Führung ziehen sich wie ein blutroter Faden durch die Geschichte aller Nationen und haben auch in der Gegenwart immer noch Konjunktur. Chaotische Phasen in „Staatsgeschichten“ können jedoch auch andere Ursachen haben. Vor allem Einflüsse der Natur, wie Dürreperioden, Überschwemmungen, Epidemien, Vulkanausbrüche oder Erdbeben, führen dazu, dass der Eigenbedarf der produktiven Bevölkerung steigt, während die Zahl der verfügbaren produktiven Kräfte durch solche Ereignisse nicht selten reduziert wird. Dies führt – sozusagen auf natürlichem Wege – an den vorbeschriebenen Punkt, an dem die Leistungsobergrenze erreicht ist – und damit der materielle Erhalt des politischen Systems nicht mehr sichergestellt werden kann.

Andere Einflüsse, die allerdings schwerer nachvollziehbar sind, kommen aus einem wachsenden, manchmal sogar übersteigerten Selbstbewusstsein der Bürger. Erinnert sei an die Zeiten, als sich über dem einfachen Bauernstand die Zünfte der Handwerker organisierten – und im Wissen um ihre „Unersetzlichkeit“ für die Bedürfnisse der Herrschenden, in langwierigem und zähem Ringen das Recht erstritten, als freie Bürger in freien Städten leben und arbeiten zu dürfen.

Auch solche Einflüsse sind in der Gegenwart nicht selten. Immer aufgeklärtere Bürger in vielen Staaten dieser Welt fordern immer mehr Einfluss auf die Gestaltung des Gemeinwesens und ihres eigenen Lebens. Es kam so zu politischen Konkurrenzen, deren Wurzeln außerhalb des dicht geschlossenen Zirkels alter Machteliten lagen. Sozialisten, Linke, Gewerkschaftler, Kommunisten und wohlmeinende Altruisten führten und führen Aufstände und Revolutionen an, die nicht aus der Qual der maximalen Ausbeutung geboren sind, sondern aus dem originären Wunsch nach wahrer Freiheit und angemessener, bzw. gerechter Teilhabe am Bruttosozialprodukt.

Wo solche Revolutionen in der Lage waren, bzw. sind, dem politischen System die Handlungsfähigkeit zu nehmen, standen und stehen auch heute die „sich freuenden Dritten“ an den Grenzen und verschaffen sich Einlass. Venezuelas Maduro hält sich zwar noch und konnte im Frühjahr 2020 einen (unprofessionellen) Söldner-Angriff abwehren, doch stellt sich nicht die Frage, ob er sich halten können wird, sondern eigentlich nur die Frage: Wie lange noch. Es müssen übrigens nicht Soldaten sein, die eine Revolution revidieren – eine gefälschte Wahl, die eine globalisierungsfreundliche Regierung an die Macht bringt, reicht völlig, um die Interessen der „Eliten“ wieder zu befriedigen.

Die Sicherheit des Gesamtsystems

„Krisenvorsorge“ ist das Stichwort für die erste Erweiterung der Mindestproduktivitätsregel.

Krisenvorsorge-Regel

Die Volkswirtschaft muss darüber hinaus aus ihren laufenden Erträgen den Aufwand

für ausreichende Verteidigungsmaßnahmen gegen zu erwartende Angriffe von außen,

zum Aufbau von Vorräten für mit gewisser Wahrscheinlichkeit eintretende Notsituationen und

zur Erkennung und Auflösung innerer Widerstandstendenzen

erwirtschaften.

Reine Despotien missachten diese Regel, um stattdessen den kurzfristigen Vorteil maximaler eigener Bereicherung wahrzunehmen. Doch auch diese nur geringfügige Erweiterung der Mindestproduktivitätsregel genügte schon, um z. B. die europäischen Nationalstaaten des 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts und ihre herrschenden Monarchien trotz vieler kriegerischer Auseinandersetzungen einigermaßen stabil zu erhalten. Um die zusätzlichen Aufgaben auch erfüllen zu können, kam es jedoch darauf an, einerseits das Bevölkerungswachstum zu fördern und andererseits die Produktivität der industriellen Erzeugung zu steigern.

Damals war es die Dampfmaschine des James Watt, die den Menschen erstmals die Möglichkeit einer standortunabhängigen und praktisch beliebig skalierbaren Energiegewinnung bot. Wind- und Wassermühlen, sowie die Ausnutzung der Kraft von Pferden und anderen Tieren, verschwanden schnell und bis auf wenige denkmalgeschützte Reste aus der Welt. Der neu gewonnene Reichtum weckte Begehrlichkeiten und musste geschützt werden.

Volkswirtschaft entwickelte sich mehr und mehr zur Kriegswirtschaft. Industrie war in weiten Teilen Rüstungsindustrie – und an jungen Männern, die bereit waren, in den Krieg zu ziehen, herrschte kein Mangel.

In dieser Zeit der ersten Industrialisierung fand allerdings ein wichtiger Trennungsprozess statt: War ehedem das rein politische System durch die Art der Herrschaft zugleich auch im wesentlichen Eigentümer der Produktionsfaktoren Grund und Boden und Kapital, so trat daneben das sich immer weiter verselbstständigende System der Großindustrie auf die Bühne. Eine wichtige und einflussreiche Gruppierung, die sich dem öffentlichen Politikbetrieb nur noch indirekt widmete, jedoch – seit damals – einen ganz erheblichen Einfluss auf das politische System ausübt, weil seine wirtschaftliche Potenz zu einer unverzichtbaren Säule für die Existenz des politischen Systems geworden war.

Hätte Krupp keine Kanonen geliefert, Wilhelm II. hätte keinen Krieg führen können. Also war man auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen. So einfach war das damals. So einfach ist es auch noch heute.

Das Verhalten der großen Player der Wirtschaft ist maßgebliche Stütze des politischen Systems, so wie auch das Verhalten des politischen Systems die maßgebliche Stütze von Großindustrie und Kapital darstellt. Beide sind in einer so engen Symbiose gefangen, dass keiner mehr ohne den anderen kann, und das führt dazu, dass Volkswirtschaft heute dafür sorgen muss, dass beider Interessen möglichst vollständig befriedigt werden, weil das politische System – und damit der Staat, die Volkswirtschaft – sonst im Chaos versinken würde und vor der Gefahr des Unterganges stünde.

Mit den vorbeschriebenen Anforderungen, nämlich der Überlebensfähigkeit des politischen Systems und seiner Absicherung gegen innere und äußere Schadeinflüsse, ist das Spielfeld, auf dem jede Art von „Volkswirtschaft“ ausgeübt werden kann, hinreichend beschrieben. Ein Zurückgehen hinter diese Mindestanforderungen führt mehr oder minder schnell, aber zuverlässig, zur Auflösung von Staat und Volkswirtschaft.

Dass im bisherigen Text überwiegend mit historischen Beispielen hantiert wurde, war der Tatsache geschuldet, dass gerade diese unerschütterlichen Grundbedingungen für eine Volkswirtschaft leichter zu akzeptieren sind, wenn sie am geschichtlichen, und damit in seiner Entwicklung nachvollziehbaren und abgeschlossenen Beispiel erläutert werden, als in der noch brodelnd gärenden Suppe der Gegenwart, die uns mit Krisen aller Art konfrontiert, während das Krisenmanagement – je nach politischer Grundeinstellung – gefeiert oder verdammt wird.

Im weiteren Text wird die Gegenwart mit ihren ungelösten Problemen in den Vordergrund treten und weitaus detaillierter besprochen werden als das bis hierher der Fall war. Um dabei nicht in Fallstricke zu geraten, müssen die wichtigen Voraussetzungen quasi als Axiome außerhalb des kritischen Blickes bleiben. Kurz zusammengefasst lauten diese:

Eine Volkswirtschaft braucht ein tragendes politisches System, dessen Wille ihr Richtung und Ziel vorgibt. Dieses System muss gegen innere und äußere Gefahren hinreichend geschützt werden.

Das politische System kann nicht existieren, ohne sich auf die Produktionsmacht von Großindustrie und Kapital abzustützen, während Großindustrie und Kapital nicht ohne ein zuverlässig funktionierendes politisches System existieren können. Letzteres gilt selbstverständlich auch für die so genannten „Global Player“.

Angriffe auf die Symbiose von Staat und Kapital kommen folglich einem volkswirtschaftlichen Suizid gleich.

Das heißt aber nicht, dass die Beziehungen zwischen Staat und Kapital, dass die Eigentums- und Ertragsstrukturen des Kapitals, damit in der derzeitigen, ganz überwiegend destruktiven Form festgeschrieben werden müssten. Im Gegenteil: Genau hier liegt der Schlüssel für viele Problemlösungen vergraben, der mit diesem Buch Kapitel für Kapitel ans Licht gebracht werden soll.

Grundversorgung und Infrastruktur

Der moderne Staat kann sich große (qualitative) Unterschiede in der Grundversorgung und Infrastruktur zwischen den Trägern und Institutionen des politischen Systems und den Einwohnern des Staates alleine aus Gründen der Praktikabilität im arbeitsteiligen Wirtschaften nicht mehr leisten.

Wo staatliche Verwaltungen die Datenverarbeitung nutzen und die direkte Schnittstelle zum Bürger über das Internet herstellen, gehört der flächendeckende Zugang zum Internet zur notwendigen Grundversorgung. Wo Minister und Staatssekretäre Straßen und Autobahnen in gepanzerten Limousinen benutzen, ist auch Platz für die Klein- und Mittelklassewagen der Arbeiter und Angestellten, deren Mobilität (Pendler) ausschlaggebend für die Erwirtschaftung etlicher Prozentpunkte des BIP ist. Das Smartphone hilft dem Chef nicht weiter, wenn der Außendienstmitarbeiter, dem er eine wichtige Information geben will, keines hat …

Die Grundversorgung, die beim Zugang zu Frischwasser und der dafür erforderlichen Infrastruktur beginnt, endet mit Strom und Telefon noch lange nicht. Es braucht Nahrungsmittel, Kleidung, Möbel und Wohnungen, um das menschliche Überleben in Mitteleuropa zu sichern, ebenso braucht es ein funktionierendes Transport- und Logistikwesen.

Ärzte, Apotheken und Kliniken, Feuerwehren, Notärzte und Rettungsdienste sind ebenso unverzichtbar, wie Kindergärten, Schulen und Universitäten. Inzwischen gehört wohl auch der Geldautomat im Vorraum der Bank oder neben der Zapfsäule an der Tankstelle zum gewohnten Inventar der Grundversorgung, so wie noch vor Jahren die heute selten gewordenen öffentlichen Telefonzellen an jeder zweiten Straßenecke.

Die Bereitstellung der Grundversorgung in Deutschland teilen sich heute die einzelnen Gebietskörperschaften mit privaten Wirtschaftsunternehmen und mehr oder minder gemeinnützigen Vereinen und Organisationen. Die sich daraus ergebende Komplexität wird zum Teil mit Gesetzen, Vorschriften und vertraglichen Regelungen beherrscht, zu einem anderen Teil aber auch durch die unserem Wirtschaftssystem immanente Flexibilität der unternehmerischen Entscheidungen vieler konkurrierender und kooperierender Marktteilnehmer.

Störungen der Grundversorgung sind ausgesprochen selten und werden in aller Regel sehr schnell behoben. Selbst die sich hierzulande in den letzten Jahren wiederholenden großen Flutkatastrophen konnten keine ernsthafte Gefährdung der Bevölkerung oder gar des „politischen Systems“ hervorrufen. Das Netz der Grundversorgung ist engmaschig und vielfach redundant. Fällt die Trinkwasserversorgung aus, kann der nächste Supermarkt einen schier unerschöpflichen Nachschub an Mineralwasser sicherstellen. Ist im Ort A die Brücke weggespült, ist schon wenige Kilometer weiter der nächste noch passierbare Übergang nutzbar. Fällt das Festnetz aus, nimmt man einfach das Mobiltelefon – und umgekehrt. Kommt die Zeitung nicht, stehen Rundfunk und Fernsehen, auch das Internet, als Informationsmedien bereit – und wenn die Bahn ein Gleis wegen eines umgestürzten Baumes zeitweise nicht befahren kann, stehen ersatzweise Busse zur Verfügung.

Das ist das schöne Bild der Realität. Wer das vor Augen hat, sieht keinen Handlungsbedarf und denkt nicht daran, alles was uns so selbstverständlich geworden ist, als ein großes volkswirtschaftliches Arbeits- und Problemfeld zu betrachten.

Die offensichtlichen Probleme

Das weniger schöne Bild der Realität wird sichtbar, wenn man nicht mit dem Auto über die Brücke fährt, sondern sich zu Fuß daran macht, einmal einen Blick unter die Brücke zu werfen. Fünfundzwanzig Prozent aller Brückenbauwerke in Deutschland sind sanierungsbedürftig, einige davon dringend, so der Stand aus dem Herbst 2013. Ein Großteil der öffentlichen Wege und Straßen befindet sich ebenfalls in einem desolaten Zustand. Die Kanalnetze unter den Straßen sind weitgehend kaputt und lassen viel mehr ins Grundwasser sickern, als uns lieb sein kann.

Dieses weniger schöne Bild wird auch sichtbar, wenn man sich in den weniger attraktiven Regionen des Landes umsieht. Entvölkerte Dörfer, aus denen die Jungen weggezogen sind, verwahrloste Viertel in den Großstädten, die sich allmählich tatsächlich in „No-Go-Areas“ verwandeln, wo selbst die Polizei der nackten Gewalt der Kriminalität eher hilflos gegenüber steht.

Die Probleme werden praktisch überall sichtbar, wo sich das Verbergen nicht lohnt, weil die Zahl derer, die es sehen könnten, weil sie vorbeikommen, zu klein ist. Es wird aber auch überall da sichtbar, wo die nackte Not keinen anderen Ausweg mehr offen lässt. Sei es an den seit Jahren nicht renovierten Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden, sei es in den Gängen der Job Center und ARGEN, sei es an den Ausgabestellen der Tafeln – oder an den Verspätungsanzeigern der Deutschen Bahn, vom wochenlang nur bedingt bedienten Mainzer Hauptbahnhof ganz zu schweigen.