Zerfallsprodukte - Dirk Baecker - E-Book

Zerfallsprodukte E-Book

Dirk Baecker

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Beschreibung

Unsere Gesellschaft erhält sich im Modus ihrer eigenen Austauschbarkeit. Der Soziologe Dirk Baecker wirft in Kursbuch 203 einen systemtheoretischen Blick aus der Gesellschaft auf die Gesellschaft und stellt fest, dass sich sie sich immer nur als Variante ihrer selbst substituiert, dass sie sich in ihrer Beständig- und Beharrlichkeit andauernd als austauschbar zeigt, sich selbst auf diese Weise also dauernd überlebt, aber genau dadurch ihr eigenes Überleben sichert. Diese Diagnose hängt vor allem mit dem westlichen Zeitverständnis zusammen, denn anders als östliche Weisheitslehren, die einen Sinn für Ewigkeit und Flüchtigkeit aufbringen, ordnen westliche Kulturkreise nach geschichtlichen Abläufen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Alle Ereignisse innerhalb dieses Systems geschehen, laufen ab, konsolidieren sich somit selbst, erwecken aber genau dadurch den Eindruck einer Dauerhaftigkeit.

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Seitenzahl: 23

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Inhalt

Dirk BaeckerZerfallsproduktePerspektiven einer soziologischen Theorie

Der Autor

Impressum

Dirk BaeckerZerfallsproduktePerspektiven einer soziologischen Theorie

Man überlebt Unfälle, Katastrophen, Zusammenbrüche. Wenn man überlebt. Nicht alle überleben sie. Man denkt immer, das Überleben käme, wenn es kommt, nach dem Zusammenbruch, aber streng genommen muss es, um zu gelingen, schon während des Zusammenbruchs beginnen. Andernfalls überlebt man nicht. Im Folgenden mache ich den Versuch, Ereignisse so zu denken, dass sie Zusammenbruch und Überleben zugleich sind. Man kann wählen, ob man sich auf die Seite von Trauer und Melancholie oder auf die Seite von Aufbruch und Neuanfang konzentriert. Überleben ist immer beides. Ganz neu ist der Versuch nicht.

Terry Winograd und Fernando Flores haben im Anschluss an Martin Heideggers Begriff einer »unzuverlässigen Zuhandenheit« eine Theorie des Einsatzes von Computerprogrammen in Organisationen vorgelegt, die die Organisation als Form des Überlebens von Zusammenbrüchen beschreibt.1 Und Niklas Luhmann hat eine Theorie sozialer Systeme entworfen, in der Systeme ihren eigenen Zerfall erzwingen, um das Material zu gewinnen, mit dem nicht nur Neuanfänge, sondern auch Wiederholungen des Altbewährten möglich sind. Auf Luhmanns Ideen werde ich mich im Folgenden konzentrieren. Ich kläre die Grundbegriffe, die nötig sind, diese etwas ungewohnte Perspektive einzunehmen. Und ich schließe mit einem Vorschlag, Resilienz als Form ein und desselben Ereignisses zu denken. In der Literatur ist es üblich, Resilienz als einen Zyklus von Phasen zu denken, den adaptive Systeme durchlaufen. Soziale Systeme haben dazu selten die Zeit. Sie nehmen den Zusammenbruch im Anfang schon vorweg und fangen damit an, immer schon aufzuhören. In Ereignissystemen muss man Trägheit dynamisch denken.

Austauschbarkeit und Beharrung

Im Widerspruch zu unserer täglichen Anschauung, aber im Einklang mit unserem Gefühl einer hohen Dynamik der Verhältnisse leben wir in einer Welt der vergänglichen Formen und robusten Medien. Wir glauben, die Dinge seien stabil und die Materie und die Ideen, aus denen sie bestehen, flüchtig. Doch nehmen wir einmal probehalber die umgekehrte Perspektive ein. Was greifbar ist, zergeht, doch woraus es gewonnen wurde, überlebt. Organismen im Verhältnis zum Leben, Gedanken im Verhältnis zum Denken, der Satz und die Geste im Verhältnis zur Kommunikation: In jedem dieser Fälle ist das eine flüchtiger als das andere, obwohl wir dank europäischer Ontologien trainiert sind, die Flüchtigkeit ausgerechnet dem zuzurechnen, das bleibt. Wir halten das Leben, das Denken und die Kommunikation für flüchtig, obwohl sie es sind, in denen neue Organismen, Gedanken, Sätze und Gesten möglich sind.