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111-mal greift Hauke Brost ins pralle Leben, wenn er zum Beispiel augenzwinkernd über den unschätzbaren Wert einer gut sortierten Rentner-Hobbywerkstatt schreibt, über das entspannte Shoppen ohne Zeitdruck oder über das Glück der braun gebrannten Rentner auf Teneriffa. Aber auch ewig Rastlose finden sich wieder: "Die jungen Kollegen werden sich noch wundern" heißt eines der 111 Kapitel und erzählt von Rentnern, die mit 65 einen grandiosen Start-up hingelegt haben und jetzt ihr eigener Chef sind. 111-mal schmunzeln, 111-mal staunen und 111-mal sehnsüchtig abzählen, wann man endlich selbst auf Rente darf: Das garantiert dieses Buch allen, die dem letzten großen Lebensabschnitt etwas skeptisch entgegensehen. Natürlich ist es das ideale Geschenk für den Abschied aus dem Berufsleben - aber auch für jüngere Menschen ist es ein super Geschenk, denn gleich zu Beginn heißt es: "SIE haben sich doch schon mit 13 auf die Rente gefreut!" Total fit, reisefreudig, unternehmungslustig und hervorragend vernetzt: Menschen der Altersklasse 60+ waren noch nie so gut drauf wie heute. Die Werbung hat sie längst entdeckt. Kaufkräftig sind sie wie nie zuvor. Und jünger als alle Generationen vor ihnen. Aber "bald auf Rente"? Das klingt ja furchtbar alt! Von wegen "auf dem Abstellgleis", das Gegenteil ist der Fall: Immer mehr Menschen warten sehnsüchtig auf den Tag, an dem sie sich endlich selbst verwirklichen und noch einmal so richtig aufdrehen können. Tschüs, Firma - jetzt legen wir erst richtig los! Warum die Rente kein Abschied, sondern ein Neustart sein kann, macht Hauke Brost zum zentralen Thema seines neuen Buches 111 Gründe, sich auf die Rente zu freuen. In Rente gehen bedeutet schon lange nicht mehr "sich zur Ruhe setzen", ganz im Gegenteil: Menschen der Altersklasse 60+ sind heute fit und unternehmungslustig wie nie zuvor und sehen die Zeit nach der Arbeit eher als Start ins zweite Leben an: endlich frei! Das beweist Bestsellerautor Hauke Brost (Wie Männer ticken, Wie Frauen ticken, Wie Singles ticken usw.) in seinem neuen Buch gewohnt scharfsinnig und humorvoll. 111 Gründe, sich auf die Rente zu freuen ist ein gedrucktes Feuerwerk von Ideen, Erfahrungen und Erfolgsgeschichten für "die schönsten Jahre des Lebens". DER 3. GRUND: SIE WISSEN SCHON GENAU, WAS SIE AUF RENTE MACHEN WERDEN "Da sind Sie ja nun fast der Einzige. Die meisten sind doch dämlich. Die ackern bis zum letzten Tag, geben erst einen aus und dann ihren Büroschlüssel ab, haben keinerlei Plan und fallen, plumps, ins Rentenloch. Die gehen ihren Frauen auf den Keks, belästigen fremde Menschen mit Anzeigen wegen Falschparkerei, regen sich über faule Äpfel auf, die von Nachbars Baum übern Zaun gefallen sind, und so weiter. Sie doch nicht! Sie haben einen guten Plan. Schon mit 35 oder 40 haben Sie das Rentenloch so zuzementiert, dass nicht mal eine Maus mehr hineinfallen könnte. Geschickt haben Sie sich die Connections aus Ihrer beruflichen Hochphase warmgehalten, um daraus am Tag X ein richtig geiles Geschäft zu machen. Vernetzt sind Sie ohne Ende. Die ganze Branche wartet nur auf den Tag, an dem Sie endlich auf Rente gehen. Dann mischen Sie den Laden auf. Dann sind Sie endlich Ihr eigener Chef." Hauke Brost
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Seitenzahl: 274
Hauke Brost
Es gibt Bücher, die schreiben sich quasi von selbst. Man muss sich nur hinsetzen, in sich hineinlauschen und aufschreiben, was man da so hört. Nach einer ganzen Reihe von Bestsellern schreibe ich jetzt also ein Buch übers Aufhören.
Nein, mein lieber Autor. Das ist Quatsch. Es geht gar nicht ums Aufhören. Es geht um etwas Neues, etwas Spannendes, etwas Unerhörtes, etwas noch nie Dagewesenes, es geht um eine Art Dauerurlaub mit Folgen – aber auch mit Risiken. Denn wer weiß schon, wie das wird, wenn man nicht mehr in die Firma muss / darf / kann (je nachdem, aus welcher Perspektive man das betrachtet)?
Manch einer fällt in ein tiefes schwarzes Loch, wenn er auf Rente ist. Es gibt Leute, die geben ihren Büroschlüssel ab und sind am nächsten Tag schon mausetot. Manche hingegen blühen erst richtig auf. Einen meiner Exchefs (Horst W.) traf ich Jahre nach seinem Ausscheiden zufällig auf der Straße und er sah zehn Jahre jünger aus als mit 65, war braun gebrannt und machte irgendwas mit griechischem Wein. Der Mann hat nur gelacht.
Ich werde jetzt etwas persönlich, obwohl Sie mich nicht kennen. Wenn dieses Buch erscheint, bin ich 62 Jahre alt. Einerseits schaue ich auf über 40 Jahre in ein- und demselben Beruf zurück. Eine Menge Chefs habe ich überlebt. Die heute am Ruder stehen, könnten allesamt meine Söhne sein. Und viele von ihnen haben bei mir gelernt.
Das macht mich einerseits stolz, aber andererseits: Ich glaub ja immer noch, dass ich in meinem Job der Beste bin. Auch wenn das außer mir sonst keiner so sieht. Eigentlich stecke ich sie alle in die Tasche. Andererseits schaue ich nach vorn und sehe eine ziemlich spannende und total neue Lebensphase vor mir. Die letzten 10, 20 oder 30 Jahre – wer weiß das so genau – kann ich mir nämlich jetzt schon als sehr aufregend vorstellen. Ich weiß auch genau, was ich dann machen werde:
Sehr viel mit meinen Neufundländern am Nordseestrand laufen, ein exzellenter Ehemann sein, viel mit meinem Trecker über die Insel Pellworm fahren‹ Den Kenner freut’s, es ist ein Deutz (D50, Baujahr 1965).›, alle drei Tage meine Wiesen mähen, Golf spielen, Boot fahren, jedes Jahr einen Bestseller schreiben, meine Enkel hegen und pflegen, meine Unternehmung »Seebestattung für Tiere« zum Marktführer machen‹www.seebestattung-fuer-tiere.de›, meine Berufserfahrung an Youngster weitergeben‹www.medienschule-pellworm.de›, im Café meiner Frau als Tellerwäscher und Kellner arbeiten und irgendetwas bauen, das so noch niemand gebaut hat; hierfür habe ich bereits eine Kreissäge für den professionellen Bedarf angeschafft. Das erste Projekt wird mein Dachboden, aus dem ich ein Atelier der Luxusklasse machen werde. Nur für mich.‹ Meine Frau sagt, das putzt sie nicht auch noch. Aber kein richtiger Kerl hört auf seine Frau, wenn er einen guten Plan hat.›
Ach so, ich möchte auch viel relaxen, den SPIEGEL von vorn bis hinten durchlesen, malen, Mittagsschlaf halten, eine Sauna bauen und drin schwitzen, ein Gewächshaus bepflanzen und Tomaten ziehen, wirklich gute Freunde wie Andy, Menso, Marius und Ulf zum exzessiven Feiern einladen, grillen, Cello und Klavier spielen, Opern in Hamburg, Berlin und München genießen und vorher das Textbuch gelesen haben, die Winter in unserem Apartment auf Teneriffa verbringen, Nächte mit meinen Söhnen durchfeiern, einen Pool bauen und drin schwimmen, ein fettes Auto fahren, die Sonne aufgehen sehen und das alles möglichst noch mit hundert. Na ja, das sind so die bescheidenen Pläne. Von den hochtrabenden, visionären und etwas überzogenen Plänen möchte ich hier nicht sprechen.
Ich liebe meinen Job als Chefreporter bei einer großen Zeitung, aber ich freue mich auch unbändig auf die Rente. Wenn morgen einer kommt und sagt: Hier, alter Mann, nimm die Kohle und geh nach Hause, dann verneige ich mich dankbar und schließe meine Bürotür von außen zu.
Leider kommt keiner und sagt das. Meine Chefs lieben mich irgendwie. Das habe ich über 40 Jahre gebraucht wie die Luft zum Atmen. Das war mein Lebenselexier. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich wirklich noch jeden Sonntag um Viertel nach zehn in der Redaktionskonferenz sitzen und kluge Vorschläge für die Montagsausgabe machen muss. Manchmal wäre es mir lieber, die Zeitung erst am Montag zu sehen und dann kräftig abzukotzen, weil sie wieder einmal alles falsch gemacht haben.
Ich bin genauso wie Sie. Denn auch Sie wissen alles irgendwie besser und ärgern sich über die Fehler der nächsten Generation. Sie und ich sind nun bald auf Rente. Aber was ist richtig? Was ist ein Irrtum? Was wird kommen? Was wird wahr? Was ist Spinnerei? Was macht der Körper mit dir? Was wird aus deiner Ehe, wenn du deinen Job nicht mehr hast? Was wird aus deinen Träumen, wenn du sie tatsächlich verwirklichen kannst? Was wird dir fehlen?
Das fragt sich nicht nur der Chefreporter. Das fragen sich die Kassiererin vom Supermarkt, die Putze vom Raststätten-WC, der Architekt, der Chefarzt, der Vorstandsvorsitzende, der Pförtner, die Altenpflegerin, der Kfz-Mechaniker, kurzum: Das fragt sich jeder. Na, dann schreiben wir doch mal ein Buch darüber.
Es wird ein Buch, das Sie vor der Rente lesen sollten. Es wird ein Buch, das Sie vielleicht verschenken möchten an jemanden, der auf Rente geht. Es wird ein Buch, das Sie bewegen wird, und das ist wörtlich gemeint: Womöglich »bewegt« es Sie in eine andere Richtung als bisher.
»111 Gründe, sich auf die Rente zu freuen.« Mein Problem ist nicht, 111 Gründe dafür zu finden. Sondern welche Gründe ich weglassen soll, damit das Buch in die »111er-Reihe« passt.‹ »111 Gründe, Hunde zu lieben« und »111 Gründe, Katzen zu lieben« – beide Bestseller aus meiner Feder – haben Sie hoffentlich schon gelesen und oftmals verschenkt …› Na ja: Lesen Sie mal.
Hauke Brost
(www.haukebrost.de)
1. KAPITEL
Das muss gewesen sein, als Sie Fußball spielen wollten und stattdessen Mathe-Hausaufgaben machen mussten. Oder als Ihre Busenfreundin die neue Barbie bekommen hatte und Sie sollten Ihr Zimmer aufräumen, bevor Sie Barbie gucken gehen. Noch wahrscheinlicher ist aber: Sie waren 13, als es begann. Die ersten Pickel, zum ersten Mal verliebt, zum ersten Mal gegen alles und vor allem gegen diesen verdammten Zwang, etwas machen zu müssen.
Es war ja nicht so, dass Sie nichts machen wollten. Es war das Muss. Wissen Sie noch, die Sache mit dem Müllwegbringen? Kein Mensch auf der ganzen Welt, auch kein 13-jähriger, möchte sein Leben inmitten eines Müllberges verbringen. Auch mit 13 weiß man, dass die Stadtreinigung mit ihren Mülltonnen und den festen Terminen, zu denen sie abgeholt werden, an und für sich eine ganz vernünftige Einrichtung ist. Aber diesen schrillen Ruf aus der Küche, der da lautete: »BRING DEN MÜLL RUNTER, UND ZWAR SOFORT!« – den haben Sie gehasst.
Sie haben den Zwang gehasst, alles sofort tun zu müssen, was Ihnen aufgetragen wurde. Und da haben Sie angefangen zu träumen. Von einer Welt, in der Sie alles tun können, aber nichts tun müssen. Bis es so weit sein würde, mussten Sie noch viele Zwänge durchleiden. Irgendwann standen Sie dann selber in einer Küche, mit genau diesem Ton, den Sie verabscheut hatten, und SIE waren es, diese schrille Stimme, das war IHRE Stimme: »BRING DEN MÜLL RUNTER, UND ZWAR SOFORT!« Aber das führt jetzt nicht weiter.
Ja, es war wohl mit 13, als Sie sich erstmals auf die Rente gefreut haben. Andererseits gibt es Menschen, die freuen sich schon vor dem Durchtrennen ihrer eigenen Nabelschnur auf die Rente. Sie kriegen einen Klaps auf den Po, sollen Luft holen, und was machen sie? Gähn. Noch ein Klaps. Jetzt schreien sie. Aber nicht, um Luft zu holen. Sondern aus Protest gegen die Tatsache, dass sie ab jetzt noch 65 Jahre oder sogar länger auf die Rente warten sollen. Hab ich doch gesagt: SIE, so viel steht fest, wären genau der richtige Autor bzw. die richtige Autorin für dieses Buch.
Zwangsläufig handelt dieses Buch in weiten Teilen vom leidigen Berufsleben. Deswegen wollen wir das Thema hier nur kurz anreißen (wir kommen noch oft genug darauf zurück …). Könnte es sein, dass Sie in einer absolut chaotischen Firma mit katastrophalen Führungsstrukturen und lauter Pfeifen in wichtigen Positionen tätig sind? Ist es nicht so, dass ohne Sie der Laden schon längst pleite gegangen wäre? Opfern Sie sich etwa nicht selbstlos für den Laden auf, und das seit Jahren, ruinieren Ihre Gesundheit, verzichten auf jegliches Privatleben und erheben immer wieder tapfer Ihre mahnende Stimme, aber keiner hört auf Sie? Ist in Ihrer Firma etwa die Weisheit von 30 oder 40 Berufsjahren noch gefragt?
Nein, das ist sie natürlich nicht. Junge geklonte Wesen von einem anderen Stern haben mit gegelten Haaren überm Kopfhörer vom iPhone und mit dem iPad in der schwarzen Umhängetasche den Laden längst übernommen. Diese Aliens haben zwar von nichts eine Ahnung, aber dafür wissen sie alles besser. Ihnen jedoch, Ihnen schlägt der Kummer um das Wohl der Firma derart auf den Magen, dass tatsächlich jedes Jahr in diesem Betrieb doppelt zählt.
Wenn Sie Ihre Lage aber einmal von dieser Perspektive aus betrachten, dann müssten Sie eigentlich schon längst auf Rente sein. Dann sind Sie ein Fossil, und die Firma ist vielleicht nur so was wie die »Truman Show«: ein riesiger Glaskasten, der extra für Sie gebaut wurde und in dem man Ihnen eine unsinnige Aufgabe nach der anderen stellt. Nur weil das die Firma billiger kommt, als Sie in echt auf Rente zu schicken.
Da draußen in der wahren Welt, da weiß vielleicht gar niemand von Ihrer Existenz. Wenn Sie ab morgen früh die Arbeit total einstellen würden, nicht mehr ans Telefon gehen, kein Werkzeug mehr in die Hand nehmen, Ihren Computer gar nicht erst anschalten und sich auf keinem einzigen Meeting mehr sehen lassen würden, wenn Sie nicht einmal mehr in die Kantine gehen und nie mehr in der Raucherecke stehen würden und Ihr Parkplatz bliebe leer: Würde das überhaupt jemand merken? Wie lange würde es dauern, bis jemand sagt: »Ach, was mir gerade einfällt: Was macht eigentlich XY?«
Achselzucken. Leere Augen, in denen ein totales gedankliches Vakuum erkennbar ist, schauen in andere leere Augen, in denen das totale gedankliche Vakuum noch deutlicher erkennbar ist. Diese leeren Augen kennen Sie gut. Sie gehören Ihren lieben Kollegen und Mitarbeitern. Wann immer Sie von denen Ehrgeiz, Kreativität, Engagement und Einsatz verlangt haben, bekamen Sie diesen leeren Blick zurück. Er galt nicht einmal Ihnen. Er war nicht einmal böse gemeint. Genauso schaut ein Schaf auf der Weide, wenn Sie am Zaun entlang spazieren gehen. Leer.
Dieses Mal jedoch gilt der leere Blick tatsächlich Ihnen. Man weiß einfach nicht, was aus Ihnen geworden ist. Irgendwann waren Sie einfach nicht mehr präsent. Sie waren zum Fossil geworden.
Und nun wachen Sie wieder auf aus dem bösen Traum. Ihr Büro ist natürlich nicht der Glaskasten aus der »Truman Show«. Zumindest noch nicht. Aber 111 Gründe, sich auf die Rente zu freuen und den Glaskasten endlich zu verlassen, die fallen Ihnen doch lässig ein. Sehen Sie? Auch darum wären Sie der ideale Autor für dieses Buch.
Da sind Sie ja nun fast der Einzige. Die meisten sind doch dämlich. Die ackern bis zum letzten Tag, geben erst einen aus und dann ihren Büroschlüssel ab, haben keinerlei Plan und fallen, plumps, ins Rentenloch. Die gehen ihren Frauen auf den Keks, belästigen fremde Menschen mit Anzeigen wegen Falschparkerei, regen sich über faule Äpfel auf, die von Nachbars Baum übern Zaun gefallen sind, kloppen mit dem Besen gegen die Decke, wenn da oben mal gefeiert wird, sitzen blöd auf der Parkbank, schwärmen dort von ihren tollen Erfolgen von vor hundert Jahren und sehen jeden Monat ein Jahr älter aus, also in einem Jahr sind die nicht 66, sondern gefühlte 78.
Sie doch nicht! Sie haben einen guten Plan. Schon mit 35 oder 40 haben Sie das Rentenloch so zuzementiert, dass nicht mal eine Maus mehr hineinfallen könnte. Geschickt haben Sie sich die Connections aus Ihrer beruflichen Hochphase warmgehalten, um daraus am Tag X ein richtig geiles Geschäft zu machen. Vernetzt sind Sie ohne Ende. Die ganze Branche wartet nur auf den Tag, an dem Sie endlich auf Rente gehen. Dann mischen Sie den Laden auf. Dann sind Sie endlich Ihr eigener Chef. Dann werden Sie es den ganzen Nieten zeigen, Sie werden durchstarten, aber endlich auf eigene Rechnung, und Ihr Know-how geht zu 100 Pro in Ihre Kasse, Sie werden wahrscheinlich der King in Ihrem Gewerbe, oder Sie haben längst eine ganz andere Geschäftsidee im Kopf, mit der Sie die Welt verblüffen werden. Wer sollte eigentlich dieses Buch schreiben, wenn nicht Sie?
Wir sind schon mittendrin im Thema; merken Sie das auch gerade? Wenn Sie erst mal auf Rente sind, dann haben Sie endlich Zeit für Ihre Memoiren. Wenn das kein Grund ist, sich auf die Rente zu freuen! Jeder hat schon mal gesagt: »Was ich alles erlebt habe, also, da müsste ich dringend mal ein Buch draus machen!« Ganz egal, ob man Fernfahrer, Aldi-Kassiererin oder Chefarzt ist: Im Laufe der Jahre kommt ein Fundus von Geschichten zusammen, das glaubt einem gar keiner. Auf Rente haben Sie endlich Zeit dafür. Und wenn es täglich nur ein paar Seiten sind – schreiben macht einfach unglaublich viel Spaß.
Zwar gibt es am Ende noch ein kleines Problem zu lösen, denn zwischen Ihnen und dem Millionenpublikum steht die Suche nach einem passenden Buchverlag (den man erst einmal finden muss), aber es gibt ja zum Glück das Internet (Ihr Buch als iBook fürs iPad wäre doch ein Knaller) und »Books on demand« sind auch nicht so übel. Ja: Sobald Sie auf Rente sind, schreiben Sie Ihre Memoiren.
2. KAPITEL
Sie gehören natürlich nicht zu denjenigen, die ständig »früher war alles besser« murmeln. Aber geben Sie ruhig zu, dass es Ihnen manchmal verdammt weit vorn auf der Zunge liegt (uns hört hier ja keiner zu).
Es ist ja auch nicht nur falsch. In vielen Betrieben haben die Controller das Sagen. Immer weniger Leute kriegen immer mehr Aufgaben. Wo eine Kundenberatung für einen Umsatz von 50 Pfennig früher schon mal zehn Minuten dauern durfte, dort wird der Kunde heute gar keinen finden, der ihn berät. Weil keiner mehr da ist. Und wenn, dann ist es jemand ohne die geringste Fachkenntnis.
In großen Firmen ist nicht mehr der Kunde König, sondern der Aktionär. Nur »Shareholder Value« zählt. Wer anruft, weil er mit der Ware nicht zurechtkommt, der landet bei einer gebührenpflichtigen 0180er-Nummer im outgesourcten Servicepool.
Der jüngere Kollege, den man Ihnen vor die Nase gesetzt hat, findet das alles ganz normal. Woher soll er auch wissen, was Sie zunehmend bedenklich stimmt: dass nämlich »früher« tatsächlich andere Regeln galten? Dass Menschen wichtiger waren als Bilanzen?
Das Problem ist: Sie haben nicht mal ein konkretes Feindbild, sondern nur so ein unbestimmtes Bauchgrimmen. Ihr Chef kann ja auch nichts dafür. Die Zeiten sind halt schwierig geworden. Es muss alles irgendwie mit der Globalisierung zusammenhängen. Erstmals stellen Sie erschrocken fest, dass Sie die jungen Leute heute nicht mehr um ihre Jugend beneiden. SIE möchten sich heute nicht noch mal hocharbeiten müssen, stimmt’s?
Das ist ein ganz interessanter Gedanke. Denn früher waren die Alten ganz scharf darauf, sich ihre Jugend zurückzuholen. Willy Schneider sang es: »Man müsste nochmal 20 sein …« Haha! 20 möchte heute keiner mehr sein, der kurz vor der Rente steht! Sechs Jahre studieren und dann Taxe fahren? Oder gleich Hartz IV? Das eigene Kind siebenmal umschulen, weil die Firma immer weiter nach Osten zieht? Zehn Jahre später, also mit 30, vor 20-jährigen Controllern buckeln? Die fünfzehnte Umschulung machen? Nee, nee, lasst mich in Ruhe damit.
Es ist nicht witzig, heute jung zu sein, und es ist gut, dass wir, also die Leute so um die 60, die kommenden Dramen entspannt von oben betrachten können. Deutschland wird irgendwann sowieso geflutet, Sylt zerbricht in zwei Teile, Christen sind eine mehr oder weniger verfolgte Minderheit, schlecht entsorgter Atommüll rottet die Menschheit aus, der Euro steht nur noch in den Geschichtsbüchern und wer Geld verdienen will, muss nach Afrika umsiedeln. (Die Chinesen sind schon da. Dort wird demnächst produziert, aber Sie müssten dann einen Sprachtest in Akan bestehen, sonst kommen Sie nicht rein.) Möchten Sie das?
Wenn Sie darüber nachgedacht haben, ist die nächste Erkenntnis nicht weit. Die lautet: Eigentlich passen Sie schon lange nicht mehr in diese verrückte Zeit. Jetzt fangen Sie an, sich richtig auf die Rente zu freuen, hab ich nicht recht?
»Na, und du? Wie lange hast du noch?« Wenn Sie das gefragt werden, und Sie sind es schon gefragt worden, dann wird es langsam einsam um Sie. Zählen Sie mal auf, wer noch da ist von der alten Gang: Sie werden mit einer Hand auskommen. So langsam sind Sie der Letzte, der noch übrig geblieben ist aus der guten alten Zeit. SIE machen das Licht aus.
Aber wollen Sie wirklich der Allerletzte sein? Die meisten Kumpels waren irgendwie schlauer als Sie, oder risikofreudiger, oder die hatten weniger Verpflichtungen, oder sie waren konsequenter, jedenfalls haben sie nicht erst mit 65 oder sogar noch später in den Sack gehauen. Es kommt der Tag, und für Sie ist er nicht mehr fern, wo Sie sich fragen werden: Was ist eigentlich besser? Mit 58 oder sogar noch früher aufhören, dafür auf ein bisschen Geld verzichten, oder bis zum Ende durchziehen und eventuell mit etwas Pech gar nichts mehr von der Rente genießen können?
Gibt es eigentlich Leute, die zu früh nach Hause gegangen sind? Oder gibt es nur welche, die schon viel früher hätten gehen sollen?
Na ja: Es gibt natürlich welche, denen ihr Abschied sehr schnell sehr leid tut. Weil sie nichts mit sich anzufangen wissen und weil sie ihren ganzen Lebenswert aus ihrer Firma bezogen haben. Das sind jedoch Fehler, die Sie niemals machen würden. Für Sie gilt: zu lange im Job geblieben. Das werden Sie spätestens dann feststellen, wenn man Ihnen den Hausausweis abnimmt und Sie zwangsweise vor die Tür setzt.
Die Zeiten ändern sich schneller, als der Mensch das verkraften kann. Wenn Sie zum Beispiel in der Kommunikationsindustrie arbeiten, kommen Sie der rasanten Entwicklung kaum noch hinterher. Eine Fortbildung jagt die nächste. Sie müssen in kürzester Zeit ein derart gewaltiges Pensum in sich hineinstopfen, dass Ihnen Hören und Sehen vergeht. Sie sind aber nicht mehr so aufnahmefähig wie einer mit 25 oder 30 Jahren, Sie brauchen länger, es geht weniger in Ihren Kopf hinein, Sie lernen langsamer, Sie haben Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme, Sie schweifen in Gedanken häufiger ab als früher und Sie fragen sich immer öfter: Muss ich mir das wirklich noch zumuten?
Ihre Ergebnisse werden bewertet, das geht in die Personalakte, ohnehin soll jeder Zehnte in den nächsten Jahren rausgespart werden, und der Firma wäre es ganz recht, wenn sie mit Ihnen anfangen könnte. Freiwillig natürlich. Es zwingt Sie ja keiner.
Aber Fortbildungsseminare, mit deren Tempo ein Mensch von Ende 50 oder Anfang 60 gar nicht mehr mithalten kann, sind ein erprobtes und, wie ich vermute, oftmals auch ein ganz bewusst eingesetztes Folterinstrument. Sie selbst haben es vielleicht noch nicht begriffen, aber Ihr Körper schon. Sie schlafen schlechter als früher, die Firma verfolgt Sie manchmal bis in die Träume, Ihr Magen ist nicht mehr so robust, manchmal haben Sie sogar Bauchweh, Sie sind gereizter, Ihre Ehe leidet und – ja, sagen Sie mal: Ist das etwa kein Grund, sich auf die Rente zu freuen?
Wenn etwas nicht läuft, dann fragt man Sie. Wer ein Problem hat, der kommt zu Ihnen. Muss etwas geregelt werden: Sie machen das. Wer zum Teufel soll die Firma retten, wenn Sie auf Rente sind?
Erst neulich hat der Chef gezeigt, dass er das selber auch so sieht. Hat er Ihnen nicht zu verstehen gegeben, dass Sie absolut unentbehrlich sind? Endlich hat er kapiert, wer hier der wahre Leistungsträger ist! Zwar hat er Ihnen nicht gleich mehr Gehalt versprochen, und eigentlich hat er es auch nicht so deutlich gesagt, aber Sie haben ihm ganz klar angesehen, dass er eines begriffen hat: Ohne SIE läuft hier nichts. Ja, der weiß, was er an Ihnen hat.
Selbst der aufrichtigste Mensch neigt dazu, jemanden zu belügen. Und wissen Sie auch, wen man ständig belügt? Sich selber. Was Sie eben gelesen haben, ist nämlich ausgemachter Käse. Und irgendwann wird Ihnen das bewusst. Es wäre natürlich schlimm, aber es ist sehr oft tatsächlich so, dass erst eine Krankheit Ihnen die Wahrheit vor Augen führt.
Sie liegen im Bett und Ihre Gedanken kreisen ständig um das Wichtigste, was Sie derzeit haben (außer Frau, Kinder, Enkel usw.): die Firma. Ihr Handy ist an, das Festnetztelefon liegt auf dem Nachttisch, und in Ihre tiefe Sorge, wie der Betrieb ohne Sie weiterlaufen soll, mischt sich eine gewisse verschämte (und allzu menschliche) Häme: Nun sollen die doch mal sehen, wie sie zurechtkommen! Das kann ja ein Chaos geben! Sie konnten ja nicht mal eine korrekte Übergabe machen! Die wissen doch gar nicht, was läuft! Die rufen bestimmt gleich an. Noch heute. Na, dann morgen. Die sind sich wohl zu fein, um anzurufen? Die lassen lieber die Firma in die Grütze gehen! Typisch Kollegen. Wursteln vor sich hin, anstatt dass sie mal anrufen. Oder ist kein Empfang? Doch, fünf satte Striche. Festnetz geht auch, jedenfalls ist ein Amt da. Na, sollen die doch. Werden schon sehen. Sie selber sind jetzt mal ganz egoistisch. Genau so, wie der Arzt und die Frau das wollen. Erst mal auskurieren. Ja nicht zu früh aus dem Bett. Mal an was ganz anderes denken. Mal wieder ein Buch lesen. In der BILD nicht nur den Sportteil, sondern auch mal die Seite zwei mit der Politik und was sonst noch passiert ist. Kreuzworträtsel. Einfach mal so tun, als wenn Sie schon auf Rente wären.
Das ist im Moment etwas ungewohnt, denn die Firma zieht Ihre Gedanken immer wieder an wie der Nordpol die Magnetnadel. Das mit der Entspannung ist im Moment noch nicht Ihr Ding. Das fällt noch ziemlich schwer.
Viel früher, als Arzt und Frau das wollen, lassen Sie sich wieder gesundschreiben. Sie sind schließlich kein Typ zum Hände-in-den-Schoß-Legen. Sie haben eine Aufgabe. Und genau zu der zieht es Sie wieder hin. »Na Leute? Wo steht das Klavier? Wo soll ich anfangen? Was habt ihr alles versaut inzwischen?«
Die lieben Kollegen grüßen freundlich, wenden sich wieder ihrer Arbeit zu und machen weiter, als wären Sie gar nicht weg gewesen. Der Chef fragt, ob Sie wieder auf dem Damm sind, aber viel Zeit hat er nicht. Sie scheren wieder in Ihren Alltag ein und haben auch gleich richtig viel zu tun, und das, genau das ist der Grund, warum Sie am ersten Arbeitstag nach Ihrer Krankheit das Wichtigste glatt übersehen: dass kein Mensch Sie wirklich vermisst hat.
Wenn Sie eine gute Ehe führen, dann werden Sie abends mit Ihrer Frau darüber sprechen. Die meisten Männer werden es jedoch mit sich selber ausmachen: im Stau, beim Gassigehen mit dem Hund, allein im Hobbykeller, vielleicht am Tresen der Stammkneipe. Da ist zunächst nur ein dumpfes Gefühl, das man ungern zulässt. Es ist wie ein beginnender Schnupfen: Erst achtet man nicht so drauf, dann wird er stärker, lässt sich nicht mehr ignorieren und man stellt fest: Es hat dich erwischt.
SIE hat eine Erkenntnis erwischt, die zunächst äußerst unschön ist und die Ihr Leben verändern wird. Ob zum Positiven oder zum Negativen, das wird sich erst noch herausstellen. Diese Erkenntnis heißt: Du bist absolut ersetz- und austauschbar.
Wer lange dabei ist und richtig gute Arbeit leistet (so wie Sie), der klettert in der Firmenhierarchie langsam nach oben. Immer weiter. Stufe für Stufe. Doch irgendwann ist eine Stufe erreicht, wo man ahnt: Höher wird es nicht mehr gehen! Du bist jetzt so weit oben, wie du kommen kannst. Von nun an wird alles so bleiben, wie es ist, oder – nein, was jetzt gedacht werden müsste, das denkt man eben nicht: dass es nämlich auch mal andersherum gehen kann, also wieder abwärts. Man richtet sich ein da oben an der Spitze und man glaubt, dass es für immer ist. Das ist es aber nicht.
Die Firma wird verkauft, die Neuen bringen ihre eigenen Leute mit und man wird langsam nach unten weggedrückt. Kriegt einen ehrenvollen Titel, ein paar Quadratmeter mehr, und natürlich behält man das alte Gehalt sowie alle anderen Privilegien, die man sich mühsam erarbeitet hat. Man findet das nicht unbedingt gut, weil man ja immer noch eine Spitzenkraft ist, aber was soll man machen – die Zeiten sind eben so, und nicht immer behalten die Besten die besten Jobs. Vielleicht würden andere hinschmeißen, aber man selbst doch nicht. Viel zu groß ist die Loyalität, und dann ist da ja auch noch der eigene Stolz.
Man sitzt und sitzt und sitzt und verdient ungefähr so viel wie drei von den jungen Leuten, die sie jetzt frisch von der Uni holen und die alle nur noch Zeitverträge kriegen, die ausgenutzt und geknechtet werden und die mit 25 schon sehr alt aussehen. Übrigens sehen sie alle gleich aus. Das ist so bei der heutigen Generation. Alles Geklonte. Keine Individuen. Aber egal.
Jetzt kommt Ihr Chef ins Spiel. Er könnte Ihr Sohn sein, er ist auch kein Schlechter, er hat Respekt vor Ihrer Lebensleistung und zählt sogar zu Ihren Bewunderern, aber wer sitzt ihm im Nacken? Eben: die Controller. Die kürzen ihm eine Stelle nach der anderen. Für jeden, den er holt, muss er zwei feuern. Nachts brütet er über seinem Stellenplan. Wundert es Sie, dass er irgendwann auch mal über Ihr Gehalt stolpert?
Blöderweise ist es genau die Phase, in der Sie erstmals in Ihrem ganzen langen Berufsleben etwas kürzertreten möchten. Das heißt: Sie stehen nicht mehr für jeden Kleinkram zur Verfügung, sondern Sie konzentrieren sich als »Elder Statesman« auf das Wesentliche und leisten es sich auch schon mal, hin und wieder Nein zu sagen. Was flüstert der Chef da vor sich hin?
»Drei junge Leute krieg ich für diesen alten Mann, der sowieso nicht mehr die volle Leistung bringt.« »Ein Leben in Ehren, keine Frage. Aber muss der sein Gnadenbrot ausgerechnet bei mir kriegen? Wo sie mir im Nacken sitzen wie nix Gutes?« »Verdammt, ich hab den geerbt, und der bleibt, bis er 65 ist.« »Ganz schön teuer, der Mann. Und dann die vielen Privilegien, wo er die wohl herhat. Welcher Depp hat ihm die gegeben?«
Der Junge wird Ihnen das niemals ins Gesicht sagen, aber Sie werden es spüren. Sie sind ja nicht blöd. Im Gegenteil. Sie haben in all den Jahrzehnten gelernt, die Gefühle Ihrer Kollegen im Voraus zu spüren und den leisesten Stimmungsumschwung wie ein Seismograf zu registrieren. Man macht Ihnen nichts mehr vor. Ab sofort wissen Sie also, dass man eine Etage über Ihnen schon eiskalt ohne Sie plant. Ihr Countdown läuft. Und was Sie jetzt machen, jetzt, in diesem Moment: Das hängt von Ihrem Naturell ab.
Sie können mit einer satten Abfindung nach Hause gehen; nie war die Gelegenheit dafür besser als heute. Oder Sie machen weiterhin Go-slow und freuen sich einfach auf Ihre Rente. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Bankberater.
Hier eine kleine Zwischenbemerkung. Dies ist wirklich kein Buch nur für Männer kurz vor der Rente, sondern es ist ebenso eins für Frauen in der gleichen Situation. Es würde sich jedoch sehr ermüdend lesen, wenn ständig von Mann / Frau die Rede wäre, von ihm / ihr usw. Deshalb ist der Arbeitnehmer kurz vor der Rente in diesem Buch fast immer ein Mann. Die Frauen werden es dem Autor verzeihen, zumal Frauen, wenn sie es so lange im Arbeitsleben ausgehalten haben, im Laufe der Zeit sowieso zwangsläufig viele männliche Eigenschaften angenommen haben (Ellenbogen, Leute wegbeißen, zur Not auch schleimen usw.).
Also: Ihre Frau meint, dass Sie kürzertreten sollten. Vielleicht hat sie recht, vielleicht auch nicht. Letztlich müssen Sie das ja sowieso selbst entscheiden. Aber wenn Ihre Frau Sie drängt, dann könnten Sie doch mal gemeinsam mit ihr überlegen, was denn nach dem Tag X überhaupt passieren soll! Leider gibt es viele Ehen, in denen darüber gar nicht gesprochen wird.
Tag X ist natürlich der erste Tag, an dem Sie auf Rente sind. Sie beide haben nun mit Glück noch mindestens zwei Jahrzehnte gemeinsam. Da Sie Ihr ganzes Leben malocht haben, kommt nun eine absolute Premiere. Sie haben nämlich noch nie mit Ihrer Frau zusammengelebt, ohne dass Ihr Job mit am Frühstückstisch gesessen hat. »Jetzt noch ’n Kaffee, und dann ins Büro«, das war all die Jahre so. »Jetzt noch ’n Kaffee, und dann …« Ja, was dann?
Wir kommen in diesem Buch noch mehrfach darauf zurück, denn »Rente und Ehe« ist natürlich ein großes Thema. Aber schon an dieser Stelle muss man deutlich sagen, dass ein Gespräch mit Ihrer Frau über die Zeit nach dem Tag X niemals zu früh geführt werden kann. Vor allem dann nicht, wenn sie ohnehin schon aufs Kürzertreten drängt, während Sie noch richtig kräftig Gas geben in der Firma. Vielleicht bringt Ihre Frau Sie ja auf ganz neue Ideen, die Ihnen den Abschied versüßen und vielleicht sogar die Vorfreude auf den Tag X erheblich steigern könnten.
Also, Sie beide sitzen nun entspannt auf dem Balkon, die Gute hat Ihnen ein kühles Bier gebracht, und nun reden Sie über den Tag X. Was denn dann eigentlich passieren soll mit Ihnen. Vielleicht scherzen Sie: »Du würdest mich doch gar nicht aushalten den ganzen Tag.« Sie sagt: »Ich möchte endlich mal reisen.« Vor Ihrem geistigen Auge schwindet die Rente dahin, Ihre Gattin schwebt in den Armen des Kapitäns in der schneeweißen Uniform auf dem »Traumschiff« durch den Salon der »MS Deutschland«, Sie hingegen würden sich eher (und kostengünstiger) mit der Angel am Teich sehen, neben Ihnen eine Kiste Bier und hinter Ihnen der aufgespannte Regenschirm für den nächsten Schauer, aber das behalten Sie jetzt besser für sich, stattdessen lassen Sie sich natürlich auf die Urlaubsdebatte ein, und Urlaubsdebatten mit Ehefrauen können dauern, also wird die eigentliche Frage, was denn nun aus Ihnen beiden werden soll nach dem Tag X, erst einmal verschoben.
Aber es kann gut sein und es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass Sie sich abends im Bett, wenn Ihre Frau schon schläft, zum ersten Mal so richtig auf die Rente freuen. Denn irgendwie wären Sie ja auch ein bisschen stolz, wenn der Kapitän der »MS Deutschland« Ihre Frau zum Tanz auffordert. Ist ja vielleicht auch ein Fotograf in der Nähe, der dann ein Foto macht von den beiden. Nur so, für die Nachbarn. Mannomann. Geil, oder?
Da haben wir jetzt einen Nerv getroffen, richtig? Viele werden heutzutage erst kurz vor der Rente Opa. Die jungen Frauen kriegen ihre ersten Kinder ja ungefähr zehn Jahre später als noch vor 20 Jahren, statistisch betrachtet. »Spätgebärende« gibt es auch immer öfter. Das ist zwar eine katastrophale Wortschöpfung, aber so nennt man die nun mal. Manche sind sogar schon fast 40, wenn sie ans erste Kind denken.
Na ja. Wir Älteren haben dafür nicht unbedingt das totale Verständnis, aber wichtiger ist: Wir werden Opa! Zum ersten Mal. Irgendwie blöd, dass wir noch voll im Job drin stecken. Mannomann, was würden wir uns kümmern! Nächtelang hängen wir am Telefon und lassen uns jeden Pups genauestens erklären. Natürlich wissen wir alles viel, viel besser als die jungen Leute. Natürlich machen sie alles anders, als wir das machen würden. Da müssen wir dringend hin, da werden wir wirklich gebraucht. Man kann doch so ein kleines, hilfloses Wesen nicht dieser ausgeflippten Internet-Generation überlassen, die glaubt, dass eine PlayStation pädagogisch genauso wertvoll ist wie Mensch-ärgere-Dich-nicht-Spielen!
Da läuft was gründlich schief, wenn wir uns nicht umgehend sofort selbst um unser erstes Enkelkind kümmern. Also müssen wir dabei sein. Ganz selbstverständlich würde jeder frischgebackene Opa sofort 1000 Kilometer am Stück fahren, um sein Enkelkind selber wickeln zu dürfen. Dagegen spricht jedoch, dass sich der frischgebackene Opa leider Tag für Tag in der Firma einzufinden hat, und zwar pünktlich. Als wenn es nichts Wichtigeres als die Firma gäbe. Plötzlich ist sie so unglaublich unwichtig geworden. Wie viele Tage sind das eigentlich noch bis zur Rente? Können wir schon ein Metermaß abschneiden, jeden Tag einen Zentimter?