Wie Familien ticken - Hauke Brost - E-Book

Wie Familien ticken E-Book

Hauke Brost

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Beschreibung

Familie 2009: Bestandsaufnahme, Bilanz, Ausblick. Von der Geburt des ersten Kindes bis zur Rolle der Großeltern beleuchtet Bestsellerautor Hauke Brost ebenso humorvoll wie drastisch das Phänomen Familie. Mit leichtem Augenzwinkern und doch ernsthaft beantwortet er 111 Fragen zum Thema 'Familie heute', und die Antworten kommen nicht von ihm selbst. Sie kommen von Müttern, Vätern, Jugendlichen und Großeltern, die er in über 4000 Interviews befragt hat. Vom Frühstück ('Alle kommen in die Küche rein, kratzen sich, glotzen auf den Tisch und erwarten, dass alles da steht, wo es immer steht') über das eheliche Sexleben ('Findet mein Mann mich noch attraktiv?') bis zum Elternbild ('Ist Papa nur für uns ein Held?') wird alles besprochen, was Erwachsene und Jugendliche interessiert. Ein Buch für alle, die manchmal fast an der Familie verzweifeln. Ein Buch für alle, die eine Familie gründen möchten. Ein Buch für Väter, Mütter, Jugendliche und Großeltern. Ein Buch, das das Familienleben leichter macht.

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Seitenzahl: 283

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Hauke Brost

Wie Familien ticken

111 Fakten, die aus allen Eltern, Kindern und Großeltern Familienversteher machen

Schwarzkopf & Schwarzkopf

Vorwort

Familie ist, wenn mehrere total unterschiedliche Menschen auf verhältnismäßig engem Raum irgendwie miteinander auszukommen versuchen. Familie ist, wenn jeder bestimmen und keiner nachgeben möchte. Familie ist, wenn jeder gegen jeden kämpft und trotzdem keiner ohne den anderen kann. Familie ist, wenn alle friedlich beim Frühstück sitzen und sich gegenseitig die Marmelade rüberschieben. Familie ist, wenn der Sohn für seine liebeskummerkranke Schwester den Küchendienst übernimmt. Familie ist das schöne Fotoalbum mit den Bildern von Mallorca, als die Großen noch klein und süß waren. Familie ist, wenn Oma von früher erzählt und die Kinder fasziniert zuhören. Familie ist, wenn der Brutalo von nebenan seiner Frau eine reinhaut. Familie ist, wenn an Muttertag alle so tun, als wäre nix. Familie ist, wenn Papa die Kinder holt und pünktlich wieder abzugeben hat.

Familie ist Liebe und Hass, Einheit und Trennung, Türenschlagen und Küsschengeben, Zärtlichkeit und Gefühlskälte, Geruch nach gutem Gulasch und nach ungelüftetem Klo. Familie ist am Anfang immer eine gute Idee. Familie ist ein erstrebenswertes Ideal. Familie ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Für die Familie entscheidet man sich meistens freiwillig. Familie ist ein schöner Plan. Und jeder dritte schöne Plan scheitert.

Trotzdem gibt es viel mehr funktionierende Familien, als die meisten von uns glauben. Bei diesem Thema vermitteln uns die Medien ein total falsches Bild. Ein Wunder ist das aber nicht: »Bad news are good news«, sagt der Journalist. Also findet die funktionierende Familie in den Medien kaum statt.

»Schon jede dritte Ehe wird geschieden« ist zweifellos eine meldenswerte Nachricht. »Zwei von drei Ehen halten« ist hingegen keine Geschichte, die Journalisten interessiert. »Familiendrama: Ehemann tötet Frau, Kinder und sich selbst« ist allemal eine Schlagzeile. »Familienwunder: Ehemann lebt schon 15 Jahre glücklich mit Frau und Kindern zusammen« würde keiner lesen wollen. Und wenn es eine funktionierende Familie doch einmal in die Schlagzeilen schafft, dann hat sie vorher mindestens Sechslinge gekriegt.

Nur in der Werbung ist Familie die Idylle vom Sonntagmorgen, wo Vater, Mutter und Kinder einträchtig bei strahlendem Sonnenschein im Garten frühstücken und ein bestimmter Käse alle total glücklich macht. Denn Familie ist im Alltag auch der tägliche nervige Kleinkrieg um Hausaufgaben, offene Zahnpastatuben und liegen gelassene Socken. Familie ist Hausfrauen- bzw. Doppelbelastungs-Stress. Familie ist die endlose Debatte beim Abendbrot, die zugeknallte Kinderzimmertür, der eingeschlafene Sex, der ewige verdammte Geldmangel, die Sucht der Kinder nach Markenklamotten und der Streit um den schiefen Weihnachtsbaum.

Dumme Männer, die nichts kapieren. Hysterisch schreiende Frauen. Missratene Gören. Grässliche Schwiegereltern. Junge Geliebte. Der schlimme Satz: »Wir sind nur noch wegen der Kinder zusammen.« Trennung. Scheidung. Das Drama danach: All das ist Familie. Es gibt auch Familien, in denen findet Familie gar nicht statt. Da weiß niemand etwas vom anderen. Da kümmert sich auch keiner um den anderen. Und schon morgens läuft der Fernseher.

»Wer von euch hat einen neuen Papa?« Wenn das in der Klasse Ihres Kindes gefragt wird, gehen mehr Finger hoch, als unten bleiben. In einer Hamburger Schulklasse (in normalem Milieu) lebten im Frühling 2009 von 26 Kindern nur noch zwei mit ihren leiblichen Eltern zusammen! Darum gehört das Thema Patchwork zur modernen Familie wie »Yes we can« zu Barack Obama. Vater und Mutter haben vor 30 Jahren geheiratet, sind immer noch zusammen und freuen sich jetzt über ihr erstes Enkelkind? Das gibt es, ja. Aber solche Familien sind fast schon die Ausnahme.

Ich möchte Ihnen kurz erzählen, was dies für ein Buch ist. Es ist jedenfalls kein Ratgeber. Ich, der Autor, bin kein Familien-Experte und würde mir ohnehin niemals einen klassischen »Ratgeber« kaufen. Ich bin Reporter. Für meine Bücher gehe ich auf die Straße, frage die Menschen, höre zu und schreibe mit. So entstanden die Bestseller »Wie Männer ticken«, »Wie Frauen ticken«, »Wie Teenies ticken« und »Wie die lieben Kollegen ticken«. Hier erzähle nicht ich. Hier erzählen Menschen wie Sie und ich.

Für das erstgenannte Buch (2005) legte ich Männern Fragen vor, die Frauen interessieren. Fürs zweite Buch (2006) umgekehrt; fürs dritte (2007) sprach ich mit Teenies über ihre eigene Befindlichkeit, und für den vierten Bestseller (2008) sprach ich mit Menschen an ihrem Arbeitsplatz. Die meisten der über 4000 Befragten hatten naturgemäß zu Hause eine Familie, oder sie wünschten sich eine. Vieles von dem, was sie mir zum Thema Familie erzählten, passte aber in keines der genannten Bücher so richtig hinein. Ich habe mir das aufgehoben und gut gemerkt. Sie mit diesem Buch in der Hand profitieren also erstmals von der geballten Kraft von vier Jahren Recherche im Dienste der guten Sache, nämlich, wie eine Zeitung einmal über mich schrieb: »Der einen Spezies Mensch die jeweils andere zu erklären« sei die zur Perfektion getriebene Spezialität des Bestsellerautors Hauke Brost.

Aber es wird immer schwerer, ein gutes Familienleben zu führen. Viele Männer müssen fort. Nicht in den Krieg so wie früher, sondern der Arbeit hinterher. Viele Frauen sind berufstätig. Entweder weil sie wollen. Dann ist es ihr gutes Recht. Oder weil sie müssen. Dann ist es schlecht. Viele Alte sind allein. Die Wohnungen sind zu klein. Viele Kinder sind früh verdorben. Aus dem iPod kommt alles, aber nichts Gutes. Statt Mensch ärgere dich nicht mit dem Vater spielen sie Counter Strike mit Fremden. Viele möchten später Hartz IV werden. Aber wo der Harz liegt, das wissen sie nicht.

Es ist auch alles irgendwie schlimmer geworden. Vor der Schule lungert der Dealer. Nach der Disco lauert der Straßenbaum. Lustlos labert der Lehrer. Dem Pastor ist es egal, ob die Kinder zum Konfirmandenunterricht kommen. Ein geiles Handy zählt mehr als ein gutes Herz. Was ist das nur für eine Welt?

Warum sich die ganze Mühe trotzdem lohnt, wie andere Menschen ihre Familie erleben und mit den ganzen Problemen klarkommen, wie eine Familie überhaupt funktioniert und ob es goldene Regeln für ein gutes Familienleben gibt: Das wollte ich – geschieden, glücklich verheiratet, drei leibliche Söhne, fünf Patchwork-Kinder – gerne wissen. Sie wollen das auch. Darum gibt es jetzt das neue Buch »Wie Familien ticken«. Viel Spaß beim Lesen, natürlich auch beim Verschenken – und viel Glück mit Ihrer eigenen Familie!

Hauke Brost

www.haukebrost.de

1. Kapitel

Zur Einstimmung 11 Alltags-Stoßseufzer

1. Muss ich denn alles selber machen?

Die Frau ist modern. Emanzipiert. Gut ausgebildet. Clever. Intelligent. Attraktiv. Und ganz schön ausgeschlafen. Sie hat ihr Leben im Griff. Sie achtet auf sich. Sie lässt sich nicht die Butter vom Brot nehmen. Sie kennt sich aus mit Politik und Fußball. Sie steckt so manchen Mann in die Tasche und ihren eigenen sowieso. Sie fährt besser Auto als er und hat schon mal einen Abfluss repariert. Sie hält das Geld zusammen und auch sonst die Zügel in der Hand. Sie ist nicht nur die heimliche Chefin. Sie hat das Sagen. Und trotzdem ertappt sie sich immer wieder dabei, dass sie dem Rest der Familie hinterherräumt, dass sie die meisten ungeliebten Arbeiten übernimmt, dass sie wieder einmal der seelische Müllschlucker für alle ist und die Putze sowieso. Das ist doch eigentlich ein seltsamer Widerspruch. Eigentlich müsste die Frau auf Händen getragen werden – aber stattdessen lassen sich alle von ihr auf Händen tragen!

Der Stoßseufzer »Muss ich denn alles selber machen?« ist typisch weiblich. So hört man die Frauen murmeln, wenn sie die ganzen Faulpelze in der Familie wieder einmal an die Wand klatschen könnten. Warum ist das so? Frauen hören den Grund nicht so gern. Hier steht er trotzdem.

Der Grund ist, dass Frauen ganz einfach harmoniesüchtig sind. Sie haben keine Lust auf Stress. Darum machen sie alles selber, was die anderen nicht machen möchten. Also haben sie irgendwie selber Schuld an ihrem Schicksal.

So negativ, wie das klingt, ist es aber nicht gemeint. »Besser, ich räume alles gleich selber weg, als dass ich mich jetzt auf endlose Diskussionen einlasse« – das ist doch ein Standpunkt, den man durchaus vertreten kann! Wenn man nun einmal harmoniesüchtig ist.

Keine Frage: Jeder in der Familie muss sich ständig zwischen mühsamen sozialen Zwängen und purem Egoismus entscheiden. »Gehorchen oder Stress kriegen?« (Das gilt für alle Kinder.) »Schweigen – und angegiftet werden – oder wenigstens ein bisschen Interesse vortäuschen?« (Das gilt für alle Ehemänner.) Und eben: »Selber machen oder debattieren?« (Das gilt für viele Frauen.) Sie räumen den Familien-Egoisten hinterher, kümmern sich um alles und haben dadurch eben weniger Streit zu ertragen.

Frauen mögen tatsächlich keinen Streit. Es soll alles »schön« sein. Alle sollen sich »lieb haben« und sich »miteinander vertragen«. Weil aber alle nur an sich selber denken (außer Mama), herrscht ein Ungleichgewicht in der Familie. Alle lassen alles liegen, keiner kümmert sich um den anderen, nur die Mutter räumt hinterher und kümmert sich und macht und tut. Tja: Wenn sie nun mal so gestrickt ist …

Da kann man schon mit gewissem Recht argumentieren: »Du musst doch gar nicht alles selber machen! Mann und Kinder sind zu viel mehr fähig, als du ihnen abverlangst! Du bist die nette Putze, die alles macht? Ja, aber warum beschwerst du dich dann? Es zwingt dich doch keiner dazu!«

Dieser provozierende Standpunkt klingt fies und gemein. Andererseits muss man auch mal eins bedenken: Es gibt Mütter, denen macht das alles überhaupt nichts aus. Die räumen dem Rest der Familie freiwillig hinterher und sind dabei auch noch gut drauf. »Ja, das sind schreckliche Heimchen am Herd«, schimpft die zornige emanzipierte Frau …

… und tut ihren Geschlechtsgenossinnen damit ganz schön unrecht. Denn das muss gar nicht so sein. Es kann ja auch einen Deal geben, zum Beispiel zwischen Mutter und Kind. Sie sagt: »Ich will von dir nur eins: dass du dich selber um die Schule, um gute Zensuren, um deine Lehre (oder was auch immer) kümmerst. Ich nehme dir den Rest ab. Du musst hier keinerlei Pflichten erledigen. Du musst nur für gute Leistung sorgen. Sonst nichts.« Oder es ist ein Deal mit dem Mann: »Ich will nur, dass du deinen Job machst. Ich nehme dir den Rest ab und halte dir alles vom Hals. Schaff die Kohle ran, Alter. Mehr wird von dir hier nicht verlangt.«

Das wäre tatsächlich eine Familien-Strategie, die man ernst nehmen sollte. Man muss sie ja nicht übernehmen. Vielleicht ist sie aber gar nicht so schlecht. Wie auch immer: »Muss ich denn alles selber machen?«ist eine zwar typisch weibliche, aber auch eine total schwachsinnige Frage. Denn SIE muss überhaupt nichts machen. Sie macht es. Aus eigenem Antrieb. Und vermutlich nur deshalb, weil sie eben harmoniesüchtig ist. Der schöne Nebeneffekt: Alles ist so gemacht, wie sie es gerne hat. Dann muss sie auch weniger schimpfen.

2. Warum spricht hier niemand mit mir?

Das ist ebenfalls ein typisch weiblicher Stoßseufzer. Sie werden es niemals erleben, dass ein Mann diese Frage stellt. Sie werden die Frage auch niemals von einem Ihrer Kinder hören. Männer möchten eigentlich gar nicht sprechen. Ihre Kinder möchten auch am liebsten nur ihre Ruhe haben. »Warum spricht hier niemand mit mir?« haben Sie bestimmt auch schon einmal geseufzt, wenn Sie eine Frau sind.

Die Frage ist höchst interessant. Denn es stimmt ja gar nicht. Natürlich wird mit der Frau gesprochen! Zum Beispiel so: »Was gibt’s heute zu essen?«, »Gibste mir mal die Fernbedienung?«, »Bringste mir noch’n Bier mit?«, »Kann ich dein Auto haben?«, »Leihste mir deine Bluse?«, »Kannste mich nachher zum Hockey fahren?«, »Fragste mal meine Vokabeln ab?«. Na bitte, geht doch! Oder?

Da wird zwar gesprochen. Aber nicht ganz so, wie eine Frau sich das vorstellt.

Psychologen benutzen gern das Wort Seelengespräch. Lassen Sie sich das Wort bitte einmal auf der Zunge zergehen. Sprechen Sie es gern auch mal laut aus: SEELENGESPRÄCH. Kannten Sie bisher nicht, stimmt’s? Unter einem Seelengespräch versteht man einen Dialog zwischen zwei Menschen mit dem Ziel, möglichst viel von dem jeweils anderen zu erfahren. Frauen – vorzugsweise Ehefrauen und Mütter – möchten am liebsten den ganzen Tag solche Seelengespräche führen. Sie möchten in die Tiefe gehen und möglichst alles über ihre Lieben wissen. Sie möchten sich nicht über Fußball unterhalten oder über sonst etwas Unwichtiges. Sie möchten ein Seelengespräch.

Wann hatten Sie (Frage jetzt mal an die lesenden Männer!), wann also hatten Sie zum letzten Mal ein Seelengespräch mit Ihrer Frau? Wahrscheinlich ist das länger her als der letzte Sex, stimmt’s? Und der ist auch schon lange her. Sie reden mit Ihrer Frau über alles Mögliche, aber das macht die Frau nicht satt. Sie will mehr wissen: Wie es tief drinnen in Ihnen aussieht. Welche Ängste Sie quälen. Welche Gefühle Sie bewegen (Gefühle?, fragt der Mann, welche Gefühle?). Wo Sie Ihre Träume vergraben haben, und welche das sind. Wie das damals mit Ihrer Mutter war. Woran die erste Liebe scheiterte, und warum Ihre Frau mit keiner anderen vergleichbar ist. Wie Sie sich das Alter vorstellen. Welche Ziele Sie nie verwirklichen konnten und warum. Sie sollten imstande sein, auch mal eine Schwäche zuzugeben. Eine Träne dürfen Sie verdrücken (leichtes Schniefen reicht). Aber das haben Sie nicht drauf, Sie gefühlsarmer alter Macho! Das alles ist Ihnen fremd! Ach je: Sie als Mann sind noch weit entfernt vom Seelengespräch. Aber Sie können das lernen, echt!

Der Mann fragt jetzt: Ja, aber wie denn? Ich würde ja gerne mal so ein Seelengespräch führen, wenn’s denn der Ehe dienlich ist und wenn es meine Frau glücklich macht! Nur weiß ich nicht, wie ich das anstellen soll. Na, da können wir doch helfen.

1.) Sie warten, bis die Kinder im Bett sind. 2.) Sie fragen Ihre Frau, ob Sie ihr was zu trinken holen dürfen. 3.) Sie haben selbst was Nettes zu trinken vor sich stehen. 4.) Sie zünden eine Kerze an. 5.) Sie schalten den Fernseher aus. 6.) Sie fassen Ihre Frau an, legen also zum Beispiel Ihre Hand auf ihre, oder Sie nehmen sie in den Arm. 7.) Jetzt sagen Sie einen vollkommen schwachsinnigen Satz, zum Beispiel: »Weißt du, woran ich gerade denken muss …?« (Bitte mit einem etwas tragischen Unterton, nicht wehleidig, aber auch nicht nur so dahingesagt! Etwas Hollywood! Kino! Großes Kino! Und emotional! Leicht gepresst! Etwa so, als wenn Sie mal müssten und das Klo ist besetzt!) »Weißt du, woran ich gerade denken muss …?«

Klar, was die Frau antwortet, denn sie kann ja keine Gedanken lesen, also sagt sie: »Nee, woran denn?« Was denn auch sonst! Aber schon ist ihr Interesse geweckt, und alle ihre emotionalen Antennen zielen auf Sie. »Weißt du, woran ich gerade denken muss …?« ist der klassische Einstieg zum Seelengespräch.

Und jetzt, und jetzt, und jetzt – erzählen Sie eine Geschichte aus Ihrer frühesten Kindheit oder eine Geschichte, als Sie noch frisch verliebt in Ihre Frau waren, oder eine Geschichte, die von Ihren Eltern handelt. Mein Gott – irgendeine Geschichte wird doch in Ihrem Kopf hängen geblieben sein. »Es muss ungefähr 1964 gewesen sein, ich war vier Jahre alt, auf dem Markt, wo ich mit meiner Mutter war, schenkte mir eine Verkäuferin einen Apfel, und sie sagte: Wegen deiner schönen blauen Augen. Das habe ich niemals vergessen.« Bingo! Gute Geschichte, guter Einstieg für ein echtes Seelengespräch. Oder: »Als du damals auf mich zukamst in der Disco und ich dich das erste Mal sah und du so knallevoll warst, da wusste ich, dass ich dich für immer lieben würde.« Bingo-Bingo-Mega-Bingo! Das wird eine lange Nacht. Wer weiß, was noch passieren wird. Die Frau ist angefixt. Sie hatte ein Seelengespräch.

Weiter oben in diesem Kapitel stand mal »Fernseher aus«, das können Sie sich gleich merken, das zieht sich durch alle Kapitel und ist wichtig: Familien ticken so. Entweder läuft der Fernseher, oder Sie haben ein schönes Familienleben. Wiederholen Sie das bitte zehnmal für sich selbst: »Entweder läuft der Fernseher, oder ich habe ein schönes Familienleben.«

Als Nächstes lästern wir ein bisschen über die Frauen ab. Was die Seelengespräche angeht, übertreiben die meisten Frauen nämlich maßlos. Weil sie ständig die totale Öffnung ihrer Lieben abfordern, verletzen sie die natürliche Schutzschicht, mit der sich Mann und Kinder gegen allzu viel weibliche (bzw. mütterliche) Anteilnahme verteidigen. Das lesen Frauen nicht gern, aber es ist so. Sie kennen ja die Konsequenzen:

Die Familie »macht dicht«. Kinder knallen mit den Türen, Männer vergraben sich in Sprachlosigkeit. Das alles sind Abwehrfunktionen. »Komm mir nur nicht zu nahe!«, signalisiert die Familie. Aber die Frau will immer noch mehr wissen, immer weiter in die Tiefe gehen, immer intensivere Seelengespräche.

Dieses Dichtmachen ihrer Lieben verletzt nun wiederum die Gefühle der Frau. Sie reagiert beleidigt. »Niemand spricht hier mit mir«, sagt sie und meint: »Niemand teilt mein Bedürfnis nach Nähe und Vertrauen!« Dabei ist es ganz anders: Die Frau hat ein viel größeres Bedürfnis nach Nähe und Vertrauen als Mann und Kinder. Wer das nicht weiß und berücksichtigt, der hat ganz schnell Familienstress.

Stundenlang telefoniert die Frau dann mit ihrer allerbesten Freundin. Dabei darf sie niemand stören. Die beiden sind seelenverwandt. Sie führen eben jene Seelengespräche, nach denen sie sich so sehr in ihrer eigenen Familie sehnen. Fragen Sie mal ein Kind, wie es in der Schule war: »Gut.« Ist das ein Seelengespräch? Oder fragen Sie einen Mann, wie sein Tag in der Firma war: »Wie immer«, heißt die knappe Antwort. Ist das ein Seelengespräch?

Nein, ist es nicht. Nun fragt die Frau ihre allerbeste Freundin, wie es beim Shoppen war, und nach gefühlten drei Stunden sind die beiden immer noch nicht bei der eigentlichen Antwort auf die Frage angekommen, sondern sie breiten ihre gesamte Gefühlslage voreinander aus, hören sich wissbegierig zu, fragen immer wieder nach, kommen vom Hundertsten ins Tausendste und finden einfach kein Ende. Wie schön, dass es mindestens eine allerbeste Freundin gibt, mit der man ungestörte Seelengespräche führen kann …

3. Warum sind hier alle so unordentlich?

Weil sich schon jemand finden wird, der aufräumt. Wer das sein wird, muss ja wohl nicht erwähnt werden. Frauen haben nicht unbedingt ein ausgeprägteres Ordnungsbedürfnis als Männer; sie fühlen sich aber – anders als Männer – ständig für alles verantwortlich. Unter anderem für den Zustand, in dem sich die Wohnung befindet. »Weil es ja sonst keiner macht.« Und genau da liegt der Fehler.

Frauen könnten ja ebenso wie Männer imstande sein, ihre Lieblingssendung zu gucken, während die Wäsche in der Trommel und die Teller im Geschirrspüler aufs Ausräumen warten, während die Betten noch nicht gemacht und die Hausaufgaben noch nicht kontrolliert sind. Sie könnten Verantwortung delegieren, müssten dann aber auch mit den Konsequenzen leben.

Typisch Frau ist zum Beispiel dies. Er fragt: »Wo ist meine Brille?« Sie sagt: »Auf der Truhe im Flur.« Und gleichzeitig springt sie auf und geht zu der Truhe im Flur, wo sie auf ihren Mann trifft, der ebenfalls auf dem Weg zu jener Truhe im Flur ist. Nun nimmt sie die Brille von der Truhe im Flur und gibt sie ihrem Mann in die Hand. Genauso gut hätte sie es bei dem Tipp, wo die Brille ist, belassen können. Sie hätte sogar sagen können: »Das interessiert mich einen Sch …, wo du deine Brille vergessen hast«, aber so gemein müsste sie ja gar nicht sein: Sie müsste nur einmal ihrem Mann, wenn sie ihm schon gesagt hat, wo seine Brille liegt, den anstrengenden Weg zur Truhe im Flur selbst überlassen, ohne ihn auch noch dabei zu unterstützen. Aber weil Frauen ständig alle anderen Familienmitglieder bei irgendetwas unterstützen möchten, kommen sie selbst zu nichts und klagen dann: »Warum sind hier alle so unordentlich?«

4. Warum benehmen sich unsere Kinder nur bei fremden Leuten so wohlerzogen?

»Sie haben aber liebe Kinder!« Was eigentlich ein hübsches Kompliment ist, lässt die meisten Eltern erstaunt die Augenbrauen hochziehen. Hä? Unsere Kinder und lieb? Gut erzogen gar? Hier muss eine Verwechslung vorliegen! »Ich weiß ja nicht, wer gestern bei Ihnen übernachtet hat, aber meine waren das bestimmt nicht.« – Falsche Antwort! Es waren die eigenen Kinder. Nur benehmen die sich bei fremden Leuten ganz anders als zu Hause. Warum ist das so?

Es ist so, weil Kinder überhaupt nicht aufsässig, egozentrisch und unleidlich sind. Sie geben sich nur so, und zwar genau dort, wo sie es sich leisten können. Zu Hause testen sie aus, wo ihre Grenzen sind. Auf Jahre. Tag für Tag. Woanders hingegen möchten sie gern einen guten Eindruck hinterlassen. So wie Erwachsene das auch möchten. Sie wollen nicht, dass man schlecht über sie denkt. Und das schaffen sie ja auch. Sie zeigen bei Tisch die besten Manieren, springen auf und holen was aus der Küche, helfen selbstverständlich und ungefragt beim Abräumen, beziehen ihr Bett selbst und am nächsten Morgen wieder ab, machen freundliche Bemerkungen, brillieren mit bescheiden vorgetragenem Mutterwitz und führen ihre Gasteltern gepflegt an der Nase herum.

Natürlich möchten sie sich auch positiv von ihren eigenen Freunden unterscheiden, die in dieser Familie zu Hause sind und sich dementsprechend wieder einmal unmöglich benehmen. Was gibt es Schöneres für ein Kind, als dem eigenen Freund von dessen Eltern ständig als gutes Beispiel vorgehalten zu werden? Das ist doch ein kleiner, aber feiner Triumph, den man so richtig schön auskosten kann!

5. Warum ist unser Sex nicht mehr so wie früher?

Weil der Hormonspiegel eines Mannes nach zwei Jahren Beziehung drastisch absackt. Das hat die Natur in grauer Vorzeit so eingerichtet, damit der Neandertaler nicht ständig anderen Neandertalerinnen hinterherschaut, sondern brav in seiner Höhle bleibt bzw. das erlegte Wild immer in die eigene Höhle schleppt. Er hat also weniger Lust auf Sex, und das bisschen Sex zu Hause reicht ihm dann. Ganz schlau eingerichtet von der Natur. Der Spagat, einem Mann Treue anzugewöhnen und seinen Hormonspiegel trotzdem auf Kennenlern-Niveau zu halten, wäre natürlich noch schlauer gewesen. Aber das hat die Natur irgendwie nicht hingekriegt.

Und wussten Sie, dass die vielen »Heute nicht Schatz, ich hab Kopfschmerzen«-Witze allen Umfragen zufolge Schnee von gestern sind? In circa 70 Prozent aller Beziehungen klagen nicht die Männer, sondern die Frauen über zu wenig oder zu eintönigen Sex. Den Männern reicht’s. Sie sind ohnehin ständig müde, mit den Gedanken woanders oder bar jeder erotischen Initialzündung. Es müsste deshalb viel mehr »Heute nicht Schatz, ich hab so ein Ziehen im Hodensack«-Witze geben!

Aber nun zur Stoßseufzer-Frage: Vermutlich ist der Sex noch so wie früher. Nur war das, was man heute im Bett miteinander macht, früher aufregend und neu, und heute ist es eben gewohnt und (allzu?) vertraut. Trotzdem ist die überwiegende Mehrheit der verheirateten Deutschen – Männer wie Frauen – mit ihrem Sexualleben »zufrieden« bis »sehr zufrieden« (nach »glücklich« oder »sehr glücklich« wird meistens gar nicht gefragt).

Die meisten Paare leiden unter heftigem sexuellem Leistungsdruck. Das ist ein ziemlich großes Problem. Sobald einer von beiden mal ein paar Tage oder ein paar Wochen keine Lust auf Sex entwickelt, denkt der andere, dass irgendwas nicht stimmt mit der Liebe. Nur deshalb, weil die Lust auf Sex auch dann sinkt, wenn tatsächlich was nicht stimmt. Kein Paar würde auf die Idee kommen, jahrelang zweimal die Woche aus Prinzip zum Griechen zu gehen und Gyros mit Pommes zu essen. Aber fast jedes Paar glaubt, dass es mindestens zweimal die Woche Sex haben muss. Alles andere sei doch »nicht normal«, ist die gängige Einstellung dazu. Andererseits erwarten vor allem die Frauen, dass Sex immer irgendwie »zelebriert«, ein »schönes Fest der Sinne« und »phantasievoll« sein muss. Das erwarten sie naturgemäß von den Männern. Nun gehen Sie mal jahrelang zweimal die Woche zum Griechen und machen jedes Mal ein zelebriertes, phantasievolles schönes Fest der Sinne draus! Das schaffen Sie gar nicht. Gyros mit Pommes ist nun mal Gyros mit Pommes, und Sex ist Sex. Da ändern Sie auch nix dran, wenn Sie Kerzen anzünden und die CD im Schlafzimmer-Player wechseln. Also entspannen Sie sich. Nehmen Sie den Leistungsdruck aus dem Sex. Dann macht die Liebe plötzlich wieder Spaß und kann auch fast so aufregend sein wie früher, als alles noch ganz frisch gewesen war.

6. Warum lassen mich meine Eltern nicht in Ruhe?

Weil sie ein völlig anderes Verständnis von familiärer Kommunikation haben als Kinder und Jugendliche. Du kommst von der Schule nach Hause und weißt schon, was passiert: Es wird dir wieder nicht gelingen, dich unbelästigt in dein Zimmer zu verziehen. Sondern es prasseln nutzlose Anmerkungen bzw. Fragen auf dich ein, von denen »Wie war’s denn in der Schule?« noch die harmloseste (wenn auch die häufigste) ist. »Häng deine Jacke anständig auf«, »Feuer deine Schuhe nicht immer in die Ecke«, »Mach am besten gleich deine Hausaufgaben«, »Komm essen« und »Räum dein Zimmer auf«: Solche und ähnliche Sprüche verfolgen dich, bis endlich die Tür hinter dir zufällt. Warum lassen sie dich nicht einfach in Ruhe? Hier elf Gründe:

1.) Weil sie vergessen haben, wie geschafft sie selber früher nach der Schule gewesen sind. 2.) Weil sie sich nun mal für dich interessieren. 3.) Weil du von alleine ja sowieso nichts erzählst. 4.) Weil sie sich Sorgen machen. 5.) Weil du ohne Druck keinerlei Ordnungsliebe entwickeln würdest. 6.) Weil sie sonst keinen zum Reden haben. 7.) Weil sie neugierig sind. 8.) Weil sie ein schweigendes Kind für ein unglückliches Kind halten. 9.) Weil sie nichts so sehr fürchten, wie den Kontakt zu dir zu verlieren. 10.) Weil sie mit sich selber nichts anzufangen wissen. 11.) Weil sie sich einfach freuen, dass du da bist.

Aber Stress gibt es ja nicht nur, wenn man aus der Schule kommt. Vielen Eltern fällt es auch sonst schwer, ihren Kindern das notwendige Maß an Privatsphäre zuzugestehen. Ja, viele Eltern machen sich noch nicht einmal klar, dass Kinder überhaupt ein Recht auf ihr eigenes, ganz privates Reich haben! Siehe zum Beispiel das Thema »Zimmer aufräumen«. Wenn man als Jugendlicher gern im Chaos lebt und es toll findet, alle Sachen auf den Fußboden zu schmeißen und dort liegen zu lassen, ist der Stress schon vorprogrammiert. Eltern glauben nämlich, dass man später ein sehr schlampiger Erwachsener sein wird, wenn man als Kind nicht das Aufräumen gelernt hat. Da ist zwar durchaus was dran. Aber es ist natürlich vollkommen unnötig und übertrieben, das Aufräumen zu einer »heiligen Pflicht« zu machen – so, als würde wegen eines chaotischen Kinderzimmers demnächst der Dritte Weltkrieg ausbrechen.

Eltern wollen, dass immer alles nach ihren Vorstellungen gemacht wird. Es fällt ihnen unglaublich schwer, Kinder und Jugendliche als eigene Persönlichkeiten mit eigenen Vorstellungen zu akzeptieren. Was übrigens am besten hilft, ist: Gar nicht lange diskutieren, Tür zu und aus »Goodwill« einmal pro Woche richtig gründlich aufräumen. Das hat obendrein die folgenden elf Vorteile: 1.) Man findet wieder, was man schon lange vermisst. 2.) Es riecht besser. 3.) Das ganze Zimmer wirkt wie frisch gestrichen und renoviert. 4.) Das Zimmer ist plötzlich größer. 5.) Mit dem Zimmer räumt man auch gleich den Kopf mit auf und kann nachher besser denken. 6.) Weniger Stress (siehe oben). 7.) Geringere Stolpergefahr. 8.) Weniger Ungeziefer (Spinnen usw.). 9.) Freunde kommen einen lieber besuchen. 10.) Man wird den Geschwistern als Vorbild präsentiert. 11.) Aufgeräumtes Zimmer vorzeigen ist der passende Moment dafür, Mama um Geld anzupumpen (es stimmt sie nämlich milde).

7. Warum versteht mich keiner?

Diese Frage klingt ein bisschen nach dem Autofahrer, der im Verkehrsfunk die Warnung vor einem Geisterfahrer hört und sich wundert: »Was heißt hier einer? Das sind Hunderte!« Ist es nicht eigentlich eine Frage, die sich Verlierer und zartbesaitete Selbstbemitleider stellen? Die ewig Unverstandenen. Die doch immer das Beste für alle wollen: für den Partner oder die Partnerin, für die Kinder, für die ganze Familie. Es ist also eine höchst verdächtige Frage. Wer sie ständig stellt, der hat ein Problem. Und trotzdem ist es einer der elf häufigsten Stoßseufzer in der Familie: »Warum versteht mich keiner?«

Sagen wir es mal ganz brutal: Weil du zu dämlich bist, deine Wünsche und Vorstellungen innerhalb der Familie so rüberzubringen, dass sie jeder kapiert und sich dann auch danach richtet. Du bist ein Familien-Loser. Es liegt dieses Mal ausnahmsweise nicht an den anderen. Es liegt an dir. »Warum versteht mich keiner?« Ja, warum denn?

11 mögliche Gründe, von denen vermutlich mehrere zutreffen: 1.) Du sprichst zu wenig und glaubst, dass die anderen dich auch so verstehen müssten. 2.) Du sprichst eine Sprache, die niemand in der Familie versteht. 3.) Du fängst immer gleich an zu heulen und scheidest schon deshalb als Kommunikationspartner aus. 4.) Du weißt dir meistens nicht anders zu helfen, als zu schreien. 5.) Du wirst ausfallend und beleidigst die anderen Familienmitglieder, bevor sie damit anfangen können, dich zu verstehen 6.) Du respektierst die anderen in der Familie nicht als ernsthafte Lebenspartner, sondern du hältst alle außer dich für bescheuert. 7.) Du neigst dazu, Debatten vorzeitig abzubrechen, und knallst schon mal gern mit den Türen, feuerst irgendwas gegen die Wand oder wirst sogar handgreiflich. 8.) Du möchtest den anderen etwas mitteilen, was vollkommener Schwachsinn ist, und verwechselst ihren natürlichen Protest mit Unverständnis für deine Situation. 9.) Du bist ein notorischer Egozentriker und denkst immer nur an dich. 10.) Du bist keinem Argument der ach so bösen anderen zugänglich, bestehst also auf einseitiger Kommunikation. 11.) Du möchtest weder verstehen noch verstanden werden, sondern es geht dir lediglich um deine persönliche bessere Machtposition im Mini-Kosmos der Familie.

Jedenfalls gelingt es dir nicht, mit den anderen in der Familie zu kommunizieren. Und dafür kann niemand etwas. Außer dir selber.

Allenfalls kann man noch verstehen, wenn Teenies diese Frage stellen. Sie leben tatsächlich in einer Welt, die allen anderen (übrigens inklusive den eigenen Geschwistern) derart fremd ist, dass ein gravierendes Kommunikationsproblem unausweichlich auf alle Beteiligten zukommt. Aber auch Teenies müssen sich die Frage gefallen lassen, warum sie als Geisterfahrer über die familiäre Autobahn rasen, anstatt die Richtung zu ändern. Dazu wären Teenies nämlich durchaus in der Lage. Sie wollen nur nicht. Sie verzweifeln an der Welt, und sie bemitleiden sich deshalb selbst am meisten.

Wenn Ehemänner und Väter sich fragen, warum sie keiner versteht, dann ist es schon komplizierter. Meistens haben sie dann ein Autoritätsdefizit. »Keiner versteht mich« bedeutet bei Männern: »Keiner hört auf mich« oder »Keiner hält sich an das, was ich sage« oder »Niemand kapiert, was ich wirklich möchte«, in der Kernaussage jedoch: »Meine Position in der Familie ist nicht die, die ich eigentlich haben müsste und möchte.« Viele Väter sehnen sich insgeheim nach der hierarischen Familienstruktur zurück, die sie von ihren eigenen Großeltern kennen und die ihnen natürlich mehr Macht zubilligen würde, als sie in einer heutigen, meist recht demokratischen Familienstruktur für sich reklamieren können.

Früher hat der Alte einfach bestimmt, dass die Familie am Sonntag nach der Mittagsruhe einen Spaziergang zu machen hat, und es hätte keiner gewagt, dagegen aufzubegehren. Heute muss sich der Vater eines 15-Jährigen schon etwas äußerst Interessantes einfallen lassen, um seinen Sohn hinterm Computer vorzulocken; insofern ist der Job des Vaters schwieriger geworden. Aber auch der Job des Ehemanns, denn die Frau kuscht auch nicht mehr, sondern sie sagt vielleicht: »Mach du doch mal was mit den Kindern! Ich treff mich mit meiner Freundin.« Und weg ist sie.

Allerdings fragen Männer sich nur selten, warum sie niemand versteht. Weil Männer sich ohnehin weniger fragen als Frauen. Sie denken nicht ständig über ihre eigene Situation nach. Sie funktionieren, und das genügt ihnen. Frauen jedoch fühlen sich stets unverstanden. Eine jede Frau glaubt, dass sie eigentlich eine Prinzessin hätte werden sollen. Deshalb kann es einer Frau wunderbar gehen – sie wird trotzdem insgeheim mit ihrem traurigen Schicksal hadern. Als Folge davon ist sie latent unzufrieden – sie gibt den anderen die Schuld daran. Sie fühlt sich unverstanden und schlecht. Nun muss sie sich trösten und kauft sich was Schickes, oder sie isst etwas Süßes. Danach geht es ihr besser. Trotzdem lässt sie – mit vollen Einkaufstaschen auf einer Praline kauend – noch schnell den Stoßseufzer los: »Warum versteht mich keiner?« Sehen Sie: So einfach ist das.

8. Bin ich denn eure Haushälterin?

Es ist ja schön, dass alle diese so unterschiedlichen Menschen, die sich Familie nennen, wenigstens morgens etwas gemeinsam haben. Sie kommen nämlich – einer nach dem anderen – mehr oder weniger zerzaust in die Küche reingelatscht, gähnen ungeniert und haben Hunger. Der äußert sich darin, dass sie den Küchentisch anglotzen.

Es geht nicht einer von ihnen zum Kühlschrank und holt etwas heraus, was er vielleicht noch nett auf einem Teller anrichtet und hinterher wieder mit Plastikfolie abgedeckt in den Kühlschrank zurückstellt. Nein, Gott bewahre. Sie stehen nur da und glotzen auf den Tisch.

Auf diesem Tisch hat jetzt das Frühstück zu stehen, weil auf diesem Tisch immer das Frühstück steht. Sie kratzen sich ohne alle Manieren, sie fahren sich durch die ungekämmten Haare, sie haben entweder überhaupt keine Lust auf gar nichts, oder sie haben es unglaublich eilig, jedenfalls stehen sie für einen Moment so da und glotzen auf diesen Tisch. Der muss anständig gedeckt sein. Anständig heißt: Da, wo die Marmelade immer steht, da muss sie auch heute stehen. Und zwar die richtige Marmelade. Die mit den ganzen Erdbeeren drin. Keine mit halben Brombeeren und keine mit viertel Blaubeeren, sondern die mit den ganzen Erdbeeren. Und zwar nur die von der einen Marmeladenfabrik und nicht die von irgendeiner anderen. Oder es muss Nutella sein. Da kann der Edeka von nebenan genau dieselbe Pampe unter dem Etikett »Gut & Günstig« zum halben Preis anbieten, und es würde genauso schmecken, nur eben ohne den Nutella-Aufdruck auf dem kackbraunen Glas: Nix. Gar nix. Ja, essen die denn die Packung oder den Inhalt? »Das mag ich aber nicht!«, heißt es dann.

Gefrühstückt, hastig und ungesund, den frisch Gepressten wieder einmal stehen gelassen, »Tschüs, Mama«, und schon sind sie weg. Ein flüchtiger Kuss, kein Dankeschön, kein Abräumen. Wieso sagen die eigentlich »Mama« zu ihrer Haushälterin?

Aber das ist ja wenigstens etwas: das gemeinsame Frühstück. In vielen Familien ist es – einmal abgesehen von Heiligabend – das letzte Mal, dass sich alle gemeinsam in einem Raum versammeln. Das wird nicht wieder vorkommen. Weder mittags noch abends. Weder heute noch morgen.

Die Putzfrau und Haushälterin, auch »Mama« oder »Schatz« genannt, macht aber nicht nur traditionsgemäß das Frühstück für alle. Sie hat auch sonst genug zu tun. Als Hausfrau kann sie gleich damit anfangen, wenn die Letzten überstürzt das Haus verlassen haben. Ist sie jedoch berufstätig, so konzentriert sich ihr unbezahlter Nebenjob auf ein relativ schmales Zeitfenster irgendwann nach Feierabend. Helfen die anderen denn gar nicht im Haushalt?