Wie Teenies ticken - Hauke Brost - E-Book

Wie Teenies ticken E-Book

Hauke Brost

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Beschreibung

Eltern und Kinder konstatieren gleichermaßen eine Sprachlosigkeit zwischen den Generationen, wie die UNESCO-Studie zum Thema Situation der Jugendlichen in Deutschland 2007 klarstellte: 40 Prozent der deutschen Jugendlichen beklagen sich darüber, dass ihre im Beruf gestressten Eltern "zu wenig mit ihnen reden" und nicht verstehen, wie sie, die Jugendlichen, ticken. Zeit also, die Sprachlosigkeit zu überwinden! In Zusammenarbeit mit der Jugendzeitschrift YAM! und deren Leserinnen und Lesern wird bei Schwarzkopf & Schwarzkopf im September 2007 das Buch Wie Teenies ticken erscheinen. Der dritte Band nach den Bestsellern Wie Männer ticken (2005) und Wie Frauen ticken (2006) wird über 100 Fragen stellen und beantworten, die Eltern an ihre jugendlichen Kinder haben und mit ungefilterten Antworten der Jugendlichen den Dialog zwischen ihnen und ihren Eltern zu verbessern helfen. Verlag und Autor reagieren damit auf eine sowohl für Eltern wie auch für Jugendliche unbefriedigende Situation und leisten einen Beitrag zur besseren Verständigung zwischen den Generationen. Verfasser des Buches Wie Teenies ticken ist wiederum Erfolgsautor Hauke Brost, der für sein neues Buch mit über 1.000 Jugendlichen im sogenannten Teenie-Alter sprach und ihre ganz persönlichen Ansichten zu Familie, Berufsplanung, Stars, gewaltverherrlichenden Computerspielen, Sex, Politik, Zukunftsplanung, Wertevermittlung und Eigenverantwortung aufzeichnet. Wie Teenies ticken ist ein ebenso ernsthafter wie auch unterhaltsamer Versuch, die offensichtliche Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Jugendlichen zu überbrücken. Es ist ein Buch, das Eltern ihren Kindern schenken können, aber auch Kinder ihren Eltern! "Die jugendlichen Leser der Zeitschrift 'YAM!' haben mitgemacht, viele beteiligten sich im Internet, es sprach sich irgendwie so herum. 'Ein Buch über uns? Geil!', das war die einhellige Meinung. Und sie waren ausgesprochen wortgewandt. Sie schickten Essays und Lyrik, Thesen und Forderungen, verzweifelte Anklagen gegen ihre Eltern und zu Herzen gehende Liebeserklärungen an ihre Familien (vor allem an die Großeltern). Sie zeigten sich tolerant und verzweifelt, verständnisvoll und hilflos. Sie schrieben ehrlich. So entstand das Buch." Hauke Brost

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Seitenzahl: 328

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Hauke Brost

WIE TEENIES TICKEN

111 Fakten, die aus allen Eltern Teenie-Versteher machen

Mitarbeit: Cecilie von Heintze (12), Vanessa Kremer (13), Magdalena Kroetz (15), Tim Soden (15) und viele andere

Schwarzkopf & Schwarzkopf

»Eltern sollten ihren Kindern weniger Druck machen. Druck kann ziemlich schwer auf einem lasten.« Tina, 14

»Mein erster Kuss soll schön sein, aber nicht so schlabberig.« Anika, 12

»Was mich bedrückt, ist: Was tun bei Penisbruch?«

Jens, 12

»Großeltern sind echte Zeitmaschinen. Sie lebten in der Vergangenheit und jetzt in der Zukunft.« Ines, 13

»Teenie sein heißt Gefühlschaos. Es ist die Zeit, in der wir träumen können, aber auch, wo wir mit der Realität konfrontiert werden.« Jasmin, 16

»Ich habe ihn so geliebt. Und dann wache ich davon auf, wie meine beste Freundin an ihm herum leckt. Es war schrecklich.« Friederike, 15

»Ich hab bei eBay einen Duft gekauft, der Mädchen willig macht. Hat leider nicht geklappt.« Christian, 12

VORWORT

Stellen wir uns einmal vor, unsere Teenies ständen in »Brehms Tierleben«. Wir Erwachsenen schlagen dort nach, weil wir gern etwas mehr über diese merkwürdigen Lebewesen wissen möchten. Was würden wir wohl lesen?

»Teenie normalis (= lat., »der normale Teenie«). Menschenähnliches Wesen mit auffallend widersprüchlichen Eigenschaften.

Der teenie normalis ist in freier Wildbahn leicht erkennbar an extremer Reizbarkeit und ebenso ausgeprägter Anhänglichkeit. Er oder sie tarnt sich gern mit dem Vortäuschen einer stark ausgeprägten Allwissenheit, mit der er seine real existierende Ahnungslosigkeit listig zu überdecken weiß.

Der teenie normalis zeichnet sich durch verbissenen Fleiß (beispielsweise beim Erlangen des nächsthöheren Levels in seinem Computerspiel) und durch grenzenlose Faulheit aus (beispielsweise beim Anfertigen seiner Hausaufgaben). Auffallend ist seine hoch entwickelte Beratungsresistenz, die der erfolgreichen Integration in ein menschliches Rudel (z.B. Familie) nachhaltig im Wege steht.

Gern haust der teenie normalis in einer meist viereckigen Höhle, die gemeinhin (wenn auch fälschlich) als »Kinderzimmer« bezeichnet wird, in Wahrheit aber eher einer öffentlichen Mülldeponie ähnelt. In dieses wegen verstreuter Nahrungsreste häufig von allerlei Ungeziefer mitbevölkerte Versteck zieht sich der teenie normalis immer dann zurück, wenn er akute Störungen seines empfindlichen Seelenfriedens befürchten muss.

Zu seinem Kummer sieht sich der teenie normalis solchen Störungen recht häufig ausgesetzt. Sie gehen meist von anderen Rudelmitgliedern (z.B. Eltern) aus, die mit weithin hörbaren und meist in schriller Tonlage ausgestoßenen Rufen wie ›Bring den Müll runter‹, ›Räum dein Zimmer auf‹, ›Mach deine Hausaufgaben‹, ›Mach die Musik leiser‹ o.ä. in seine eigene, hermetisch abgeschlossene Welt einzudringen versuchen.

Die Kommunikation mit anderen Lebewesen seiner Gattung ist beim teenie normalis überdurchschnittlich ausgeprägt. So wurden Exemplare beobachtet, die der Nachrichtenübermittlung dienende Gerätschaften (Festnetz und Handys) bis zu sieben Stunden am Stück nonstop und verbissen gegen jedwede Fremdnutzung verteidigten.

In seltsamem Widerspruch hierzu steht die auffallende Verschwiegenheit des teenie normalis zur Mittagszeit, sobald er sich nach Heimkehr in sein Revier mit der Frage ›Na, wie war’s in der Schule?‹ konfrontiert sieht. Auf diese eher harmlos erscheinende Frage reagiert er gern mit einem schwer verständlichen, äußerst aggressiven Gutturallaut, der nur von ausgeprägten teenie normalis-Kennern als ›wie immer‹ oder ›gut‹ gedeutet werden kann. In der Regel folgt auf diesen Laut ein weithin vernehmlicher Knall, der vom Zuschlagen der Kinderzimmer- bzw. Mülldeponietür ohne Einbeziehung der sogenannten Türklinke herzurühren scheint.

Ca. vier Jahre nach erstmaligem Auftreten all dieser merkwürdigen und vorwiegend unverständlichen Verhaltensweisen tritt der teenie normalis in eine neue Lebensphase ein, legt (oftmals über Nacht) seine absonderlichen Gewohnheiten ab, entmüllt seine Höhle und ist wieder ansprechbar. Jetzt ist er kein teenie normalis mehr.«

So weit die Definition des Teenies in »Brehms Tierleben«, wenn unsere Kids drinstehen würden. Aber zum Glück ist der »teenie normalis« ja kein »menschenähnliches Wesen«, sondern ein wunderbarer, liebenswerter und phantastischer junger Mensch auf dem schmalen Grat zwischen Kind und Erwachsenem. Auf diesem schmalen Grat allerdings treibt er allerlei Unfug, ist schwer zu begreifen und bringt uns Eltern manchmal (manchmal? Dann haben Sie aber Glück mit Ihrem!) zur Weißglut.

Teenies ticken seltsam. Wie sie ticken – das wüssten wir doch gar zu gern. Also los: Befragen wir die Teenies doch einfach mal! Befragen wir sie zu ihrer Meinung über Eltern, Schule, Politik, Zukunft, Klima, den ersten Kuss, erste Liebe, ersten Sex. Und natürlich auch, warum Kinderzimmer aufräumen so fürchterlich ist.

Mitten in die Produktion dieses Buches platzte die große UNESCO-Untersuchung, deren Thema die Lage der Jugendlichen im Deutschland 2007 war. Das erschreckende Ergebnis: 40 Prozent aller Teenies beklagen sich darüber, dass ihre Eltern zu wenig mit ihnen reden.

Wenn das so ist, dann kommt dieses Buch genau rechtzeitig. Denn wenn Eltern nicht mit ihren Kindern sprechen, dann sicher auch deshalb, weil sie ihre Kinder einfach nicht mehr verstehen. Sie wissen nicht, »wie Teenies ticken«. Hier kommen die Teenies nun sehr ausführlich zu Wort. Es ist ein Buch, das Teenies für ihre Eltern kaufen können – mit angestrichenen Passagen: »Das wollte ich euch immer schon mal sagen, aber ihr hört mir ja niemals zu!« Ja, ein Buch für Eltern. Über ihre Teenies. Die Sprachlosigkeit zwischen Eltern und Teenies ist nämlich in vielen Familien (zum Glück nicht in allen) ziemlich ausgeprägt.

Wie ist das Buch aufgebaut? Ganz ähnlich wie die Bestseller »Wie Männer ticken« und »Wie Frauen ticken«. Die Überschriften der Kapitel sind Fragen, die Eltern an ihre Teenies haben. Sie zeugen von viel Zuwendung und Liebe, aber auch von vielen Sorgen und von viel Unverständnis. Manchmal sind sie beinahe traurig. Manchmal auch unfreiwillig komisch. Andererseits: Die meisten Fragen hat sich jeder, der Kinder im Teeniealter hat, auch schon mal gestellt.

Dann – und das ist neu – kommen jeweils ein Elternteil und ein Teenie im »O-Ton« zu Wort. Erst danach wird zusammengefasst, was andere Teenies zu diesem Thema meinen. Es ist ein Mix aus Gesprächen in feinen Villenvierteln und Problemstadtteilen. Die jugendlichen Leser der Zeitschrift »YAM!« haben mitgemacht (übrigens sehr fleißig), viele beteiligten sich im Internet, es sprach sich irgendwie so herum. »Ein Buch über uns? Geil!«, das war die einhellige Meinung der Jugendlichen.

Und sie waren – in Zeiten von Bildungsnotstand und PISA-Alarm ist das erstaunlich – ausgesprochen wortgewandt. Sie schickten Essays und Lyrik, Thesen und Forderungen, verzweifelte Anklagen gegen ihre Eltern und zu Herzen gehende Liebeserklärungen an ihre Familien (vor allem an die Großeltern). Sie zeigten sich tolerant und verzweifelt, verständnisvoll und hilflos. Sie schrieben ehrlich. So entstand das Buch.

Teenies kommen heute früher in die Pubertät und sind weiter entwickelt als es ihre Eltern damals im gleichen Alter waren. Deshalb kommen in diesem Buch nicht nur 13- bis 17-Jährige, sondern auch 11- bis 12-Jährige zu Wort.

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Hauke Brost

1. KAPITEL:

DIE TEENIES UND IHRE FAMILIE

1 |

WARUM SEID IHR IMMER SO PATZIG?

Das Kind ist wieder einmal völlig daneben. Die Mutter rastet aus: »Es reicht mir! Man kann ja überhaupt nicht mehr mit dir reden! Kaum sag ich was, schnappst du ein! Du bist so was von patzig! Es reicht schon, wenn ich frag, wie es heute in der Schule gewesen ist! Als wäre das eine Zumutung, dass ich es überhaupt wage, dich was zu fragen!«

Die Tochter wehrt sich kaum weniger emotional. »Mama, du spinnst doch! Was heißt hier patzig? Ich bin eben so, wie ich bin! Wenn ihr das patzig findet, ist mir das doch egal! Ich bin sauer, weil ihr mich provoziert! Du nervst total! Selber wollt ihr eure Scheiß-Ruhe haben, aber mir lasst ihr überhaupt keine Ruhe! Ständig soll ich reden oder was machen oder aufräumen oder helfen oder so. Ich hab keinen Bock drauf! Sprich mich doch einfach gar nicht an! Aber das begreifst du nicht.«

Verstehen wir das jetzt richtig? Wenn man Teenies in Ruhe lässt, sind sie auch nicht so patzig? Weitere O-Töne von Teenies zu diesem Thema. »Die Nerverei geht schon los, wenn wir nach Hause kommen.« – »Wie war’s in der Schule??? Die Frage kann ich nicht mehr hören. Sie nervt total. Ich erzähle schon, wenn’s was zu erzählen gibt. Aber wenn ich sage ›gut‹ und in mein Zimmer verschwinde, dann bin ich der Böse.« – »Zieh deine Schuhe aus, häng deine Jacke anständig auf, komm essen, mach deine Hausaufgaben, bring den Müll weg, räum dein Zimmer auf, so geht das laufend. Das ist stressiger als Schule.« – »Und dann auch noch meine kleine Schwester. Ständig kommt sie in mein Zimmer und will was. Die ist wie eine Klette. Wenn ich sie lieb rausschmeiße, geht sie nicht. Wenn ich laut werde, dann heißt es: Immer hast du schlechte Laune, und ich kriege die Schuld.«

Den letzten Teil ihres Schulweges, nämlich die Strecke zwischen Wohnungstür und Kinderzimmer empfinden Teenies als eine Art Kampf-Parcours, auf dem sie wahlweise dumm angequatscht, mit lästigen Fragen genervt oder mit unliebsamen Aufträgen belästigt werden. Erst wenn sie ihre Zimmertür von innen zuknallen, fühlen sie sich wie der Mercedesfahrer in diesem Werbespot, der vor dem Lärm der Großstadt ins Wageninnere flüchtet: »Endlich zu Hause«.

»Abends geht der Stress ja weiter. Wenn Papa nach Hause kommt, macht er auf Familie. Dann sollen sich alle an den Tisch setzen und reden. Reden, phhh. Als wenn ich tagsüber nicht genug reden muss. Ich hab nichts gegen Family, aber das ist too much. Ich bin vielleicht gerade am Telefonieren, oder ich bin im Computerspiel kurz vorm nächsten Level, da kann ich nicht so einfach raus. Nur weil 19 Uhr ist und jetzt alle gemeinsam irgendwas machen sollen. Ich hab meinen eigenen Rhythmus. Wenn das doch nur mal jemand kapieren würde …« Haben unsere Teenies also nur deshalb so oft schlechte Laune, weil wir Erwachsenen ständig mit ihnen reden wollen? Vielleicht sollten wir sie tatsächlich hin und wieder mal »so richtig« in Ruhe lassen!

2 |

WARUM MUSS MAN EUCH ZU ALLEM ZWINGEN?

Die Mutter hat gesagt: »Red du doch mal mit ihm!« Der Vater hat absolut keine Lust, abends den Ausputzer für alle tagesaktuellen Probleme zu spielen. Aber er redet noch mal im Guten mit seinem Sohn. Seine Meinung: »Freiwillig machst du doch gar nichts. Es geht nur noch mit Druck. Du siehst nicht mal ein, dass man auch mal aufräumen muss und so. Oder dass man nicht ständig telefonieren oder fernsehen sollte. Du sperrst dich einfach gegen alles. Warum muss man dich zu allem zwingen?«

Sein Sohn schaut demonstrativ zur Zimmerdecke, aber dann bricht es doch aus ihm heraus: »Bin ich ein Baby oder was? Wieso muss ich dann aufräumen, wenn ihr das wollt? Es ist mein Zimmer, mein Chaos, mein Ding! Das geht überhaupt niemanden was an! Ich renn doch auch nicht durch euer Schlafzimmer und motze rum, wieso liegen hier Socken und so! Was soll der Scheiß? Ihr sollt mich in Ruhe lassen! Und unter Zwang mach ich schon mal gar nichts!«

Freiwillig gehen Teenies an den Computer oder Fußball spielen oder in die Disco. Freiwillig machen sie alles, was Spaß macht. Mehr noch: Sie sind die wahre Spaßgesellschaft, quasi die legitimen Nachfolger der APO (obwohl sie natürlich überhaupt nicht wissen, was das mal gewesen sein soll). Teenies haben gerade erst kapiert, dass die Gesetze der Erwachsenen weder gottgewollt noch natürlich sind, sondern mehr oder weniger willkürlich gesetzte Maßstäbe, die möglicherweise nur zur Unterdrückung der eigenen Freiheit dienen. Wer sagt, dass die volle Mülltüte genau dann in den Keller getragen werden muss, wenn man dazu aufgefordert wird? Dass man den Dreckshaufen im Kinderzimmer ausgerechnet heute aufräumen muss, wo er doch schon seit Wochen so herumliegt? Und warum soll man Hausaufgaben am frühen Nachmittag machen – ausgerechnet dann, wenn die Sonne scheint? Warum soll man um zehn zu Hause sein, wo die Kumpels doch alle (alle, klar) Ausgang unlimited oder mindestens bis elf haben? »Ich hab ja nichts dagegen, den Geschirrspüler auch mal einzuräumen. Aber warum eigentlich direkt nach dem Essen, das kann doch warten. Küchentür zu und gut ist.« – »Stress gibt es nur, weil ich alles immer sofort machen soll. Die lassen mir überhaupt keine Freiheit oder so.« – »Gehorchen, gehorchen. Bin ich Sklave oder doof oder was.« Du befiehlst, und ich mache es: Diese Gleichung geht mit Kindern auf, aber nicht mit Teenies. Weil sie allergisch auf alles reagieren, was sie mit »Kindern« gleichsetzt.

In seltsamem Widerspruch dazu steht aber die Tatsache, dass Teenies durchaus sozial denken und (zumindest theoretisch) einen gewissen Druck sowie den Zwang zur Übernahme von Verantwortung befürworten und gutheißen. »Ist schon okay, dass ich im Haushalt mithelfe, das kann Mama ja schließlich nicht alles alleine machen.« – »Wenn die mich nicht manchmal zwingen würden, täte ich gar nichts machen.« – »Sicher gibt es Stress, aber das liegt auch an mir. Ich bin nun mal von Grund auf stinkend faul.« – »Wenn ich Kinder in meinem Alter hätte, die würden spuren, aber hallo. Da müsste ich nix zweimal sagen.« Schau mal einer an.

3 |

WARUM SPRECHT IHR NICHT MIT UNS?

Diese verdammte Sprachlosigkeit vieler Teenies macht die Eltern verrückt. Der Vater versucht zum x-ten Mal ein Gespräch. Er klingt fast verzweifelt, als er sagt: »Ihr habt doch echt Glück mit uns! Ganz ehrlich, ich möchte jetzt Teenie sein und nicht vor dreißig Jahren. Ihr habt doch immer jemanden, der mit euch redet und sich für euch interessiert. Ihr müsstet euch nur ein bisschen öffnen. Aber genau da ist das Problem! Du sprichst ja kaum noch mit uns. Wir nehmen gar nicht teil an deinem Leben. Das tut uns echt leid, Mama und mir.«

Sein Sohn klingt fast gönnerhaft, als er sagt: »Ach Papa. Immer diese Rederei. Alles wollt ihr ausdiskutieren. Ich hab meine eigene Welt. In der habt ihr nichts verloren. Von der wisst ihr auch gar nichts. Was soll man reden mit jemandem, der einen sowieso nicht versteht? Wenn ich ein Problem habe, bei dem ihr helfen könnt, dann komme ich schon von selbst damit an! Na ja, meistens geht es dann um Geld, stimmt schon. Aber ich frage euch doch auch nicht ständig aus und will alles von euch wissen. Ihr sollt mich einfach in Ruhe lassen und so, wie ich nun mal bin!«

Teenies haben überhaupt keine Lust, sich von Erwachsenen weise Ratschläge anzuhören. Gerade dass die Eltern angeblich alles auch schon mal durchgemacht haben (oder das jedenfalls behaupten), disqualifiziert sie für einen auch nur annähernd auf gleicher Augenhöhe stattfindenden Dialog. Es ist seltsam: Jede Mutter hasst diese eine andere Mutter, die man ständig auf dem Spielplatz trifft und die für jedes kleine Problem, das man mit den eigenen Kindern hat, sofort die oberlehrerhaft vorgetragene General- und Ultimativlösung weiß. Was macht man mit dieser aufdringlichen Frau? Genau: Man erzählt ihr nichts mehr.

Aber sobald die Kinder im Teenie-Alter sind, verhält sich die genervte Mutter ebenso. Sie »meint es ja nur gut«. »Ach, das kenn ich …« – »Das war bei mir auch so …« – »Schau mal, mach es doch so …« Bla bla bla. »Wir reden gern mit jemandem, der so wie wir ist. Ihr Eltern kennt doch schon alles. Aber genau das wollen wir nicht«, sagen die Teenies.

Sie haben viele Geheimnisse. Sie würden sie vielleicht ganz gern erzählen, zumindest einige davon. Aber sie mögen keine Belehrung. Es gibt da offenbar so eine Art Grundregel, die bei den Gesprächen mit Teenies zu diesem Thema immer wieder angedeutet wurde: Gespräch suchen ja – zuhören auf jeden Fall immer – von sich selbst erzählen gern – aber bitte nur Ratschläge geben, wenn man als Elternteil explizit danach gefragt wird. Und: Niemals, aber auch wirklich niemals etwas weitererzählen, weder den Geschwistern noch dem anderen Elternteil. Es sei denn, die Teenies geben dazu ausdrücklich ihr Einverständnis ab.

Wenn sich Eltern und Teenies nur noch gegenseitig anschweigen, dann ist das fast so wie in vielen Ehen. Man lebt zusammen, aber man ignoriert sich. Das finden Teenies (man lese und staune) überhaupt nicht gut. »Dann hören Eltern nämlich auf, für uns wichtig zu sein.« – »Aber reden hat was mit Vertrauen zu tun.« – »Eltern sollten immer versuchen, mit einem zu reden.« – »Sogar anschreien ist besser als schweigen.« – »Aber sie sollen einen nicht zwingen zu reden. Sonst bringen sie die Suppe zum Überkochen, und dann gebe ich ihnen die Schuld an allem, was mir passiert ist.«

Vor allem, wenn Teenies wortlos in ihrem Zimmer verschwinden und am liebsten in ihrem ganzen Leben niemals wieder rauskommen würden, kann man ganz sicher sein: Die haben ein Problem. Teenies gönnen sich keine Fehler. Sie lächeln nicht über sich. Sie wollen perfekt sein. Schon ein klitzekleines Versagen kann sie in die tiefste Depression stürzen. »Teenie sein ist echt anstrengend, aber das wissen Erwachsene nicht mehr. Sie haben es einfach vergessen.«

Manche Teenies sagen es ganz klug: »Um zu reden, braucht man Vertrauen zueinander. Aber um jemandem zu vertrauen, muss man sich erst einmal selber trauen. Und wir sind in so einem Alter, wo wir mit uns selber nicht klarkommen. Wie dann erst mit den Eltern? Das müssen wir erst einmal kapieren, dass wir denen vertrauen können.« Und immer wieder kommt der Satz: »Wenn die was weitererzählen, ist es aus mit dem Reden.« Das gilt definitiv auch fürs Weitererzählen zwischen Mutter und Vater. Deshalb bitte erst mit dem Teenie reden, ob das okay ist.

4 |

WARUM SEID IHR NICHT MEHR SO SÜSS WIE FRÜHER?

Die Mutter erinnert sich allzu gern an die schöne Zeit, als die Tochter noch ein kleiner Engel war. »Papa und ich reden so oft davon. Du warst so ein liebes Kind. Anhänglich und schmusig warst du, das stimmt wirklich! Und heute? Aufsässig, launisch und zickig bist du geworden. Und grundsätzlich gegen alles. Schwer zu begeistern, meistens schlecht drauf. Wir haben dich ja trotzdem lieb, aber manchmal fragen wir uns: Was ist nur aus unserer Süßen geworden?«

Ihre Tochter ist voll genervt. »Ich bin doch kein Kind mehr! Süß ist ein Kleinkind, aber doch kein Teenie! Ich will gar nicht süß sein! In ein paar Jahren kann ich wählen und Auto fahren! Aber das ist euch überhaupt nicht klar. Ihr seht mich immer noch so, wie ich vielleicht mal vor zehn Jahren gewesen bin, du sagst es doch selbst. Aber bist du denn noch dieselbe wie vor zehn Jahren? Frag dich das doch mal!«

Teenies hassen sich. Es gibt mit Sicherheit zwischen Geburt und Tod keine andere Altersklasse, die so heftig mit sich selbst im Unreinen ist. Kein einziger Teenie mag sich. Kleinkinder kennen das Problem noch nicht. Erwachsene entwickeln ein entspanntes Verhältnis zu sich selbst. Teenies aber wären gern irgendjemand – nur nicht sie selbst. Sie sind zu dünn, sie sind zu dick, sie haben zu kleine Brüste, zu wenig Muskeln, zu viele Pickel, sie sind zu dumm, haben die falschen Eltern, die falschen Geschwister, unmögliche Klamotten, jedenfalls nicht die angesagten, finanziell geht gar nichts, und verliebt sind sie auch, aber garantiert unglücklich. Ach so, und weder Po noch Beine sind wirklich schön. Es ist ein Kreuz, ein Teenie zu sein. Aber was heißt denn eigentlich »süß«, aus Erwachsenensicht?

»Süß« heißt anschmiegsam, lieb und kuschelig. Anschmiegsam sind Teenies durchaus. Sie mögen es nur nicht zeigen. Allzu groß ist die Liste derjenigen Dinge, die »überhaupt nicht gehen«, die »peinlich« sind. Lieb und kuschelig können Teenies auch sein, aber nicht unbedingt zu Hause. Sie nabeln sich gerade ab, und dazu gehört auch, dass man die Muskeln spielen lässt. Sie sind auf Krawall gebürstet. Sie testen ihre Grenzen, denn sie haben soeben erkannt, dass ihre Grenzen irgendwo im Nirwana liegen – aber bestimmt nicht da, wo sie bisher ihre Grenzen sahen. Sie versuchen es einfach. Und das ist nun wirklich nicht das Klima, in dem man »lieb und kuschelig« sein möchte. Eltern, die einen »ganz lieben« Teenie haben, sollten sich nicht zu früh freuen. Es könnte (könnte, muss nicht!) – also, es könnte sein, dass die Abnabelung später umso heftiger stattfindet.

Teenies wollen cool sein. Lieb und kuschelig ist uncool. Wenn sie sich trotzdem mal vorm Fernseher ankuscheln und sogar den Arm von Mama oder Papa um die eigene Schulter legen, oder wenn sie in einem vorübergehenden Anfall von Sehnsucht nach Nähe Sonntagmorgen ins elterliche Bett schlüpfen, dann ist das sehr, sehr viel, und man kann es nur genießen. Die Regel ist es nicht. Und man sollte den alten Zeiten auch nicht hinterhertrauern. Hier beginnt eine neue Zeit. Bisher waren die Eltern für das Kind da, haben es umsorgt und beschützt. Jetzt geht das Kind neue Wege, es sucht gerade seine eigene Linie, und dabei muss man es, so schwer es auch fällt, alleine gehen lassen. Mit viiiiel Toleranz und ebenso klaren Regeln. Bis hierhin darfst du – mach dein eigenes Ding –, und ab hier trifft dich die volle Härte des Gesetzes: Das genau ist der richtige Mix, um Teenies durch ihre schwerste Zeit zu bringen.

Wenn ein Teenie zum Vater sagt: »Hi, alter Mann. Alles fit im Schritt?«, dann ist das natürlich nicht süß, sondern eigentlich frech. Aber es ist andererseits der Versuch, gleichzeitig liebevoll wie ein Sohn und cool wie – na, sagen wir mal aus Erwachsenensicht, cool wie Udo Lindenberg zu sein. Der ist ja sowieso eine Art sympathischer Dauer-Pubertär. Ein Mann, der niemals erwachsen werden will. Der heute noch wie ein 15-Jähriger auf vollcool macht und sich seltsam verkleidet, um sich abzugrenzen. Genau das wollen unsere Teenies auch: Cool sein und sich abgrenzen. Und das ist vollkommen okay.

5 |

WAS HALTET IHR VON EUREN ELTERN?

Das Abendessen endete wieder einmal mit zugeschlagenen Türen. Irgendwie muss ein falsches Wort gefallen sein; manchmal reicht schon eine Kleinigkeit! Der Vater geht hinterher ins Zimmer seiner Tochter und redet mit ihr. Er weiß auch nicht weiter: »Du findest uns doch total bescheuert. Wie aus einer anderen Welt. Nur weil wir deine Musik nicht so gern hören und deine Stars nicht kennen. Unsere Werte, die wir dir vermitteln wollen, die gehen dir doch zum einen Ohr rein und zum anderen raus. Da kommt nichts an, scheinbar.«

Seine Tochter ist auch nicht glücklich, dass es schon wieder Zoff gegeben hat. Sie ist eher versöhnlich gestimmt: »Wieso, ihr seid doch okay! Aber ihr seid eben schon alt! Ihr schnallt nichts mehr! Ihr kennt meine Musik nicht, ihr redet anders, ihr seid schlecht drauf, aber ihr habt ja auch eure Probleme … Weißt du, manchmal zofft ihr euch, wenn ich im Bett bin. Ich hör das natürlich. Das tut mir weh. Ich will nicht, dass ihr euch streitet. Dann krieg ich Angst, dass ihr euch trennt und ich hab dann kein Zuhause mehr. Dann merk ich erst, wie ich an euch hänge. Aber manchmal seid ihr so total bescheuert, dass ich am liebsten ausziehen würde. Das mach ich sowieso. Wenn ich 18 bin, dann bin ich weg. Aber wenn ich später mal Kinder habe, dann bring ich die bestimmt zu euch, da könnt ihr dann drauf aufpassen. Dann (sie lacht), dann seid ihr Oma und Opa, cool.«

Teenies lieben ihre Eltern. Irgendwie. Aber gleichzeitig halten sie ihre Eltern für frustrierte, nervende Wesen, die alles viel zu eng sehen und die niemals zugeben, dass sie auch mal Fehler machen. »Eltern sind Objekte, die wir manchmal am liebsten zum Mond schießen möchten. Nur wenige Teenies finden ihre Eltern immer toll, egal was passiert.«

Teenies, die in geschiedenen Ehen mit nur einem Elternteil aufwachsen, sehen das nicht so negativ. Da gibt es offenbar weniger Konflikte. »Man zofft sich manchmal, okay. Aber das geht vorbei. Im Grunde ist man doch aufeinander angewiesen, und das wissen beide.« Der Umstand, dass die Familie nicht mehr komplett ist, sorgt offenbar für eine gewisse Solidarisierung.

Probleme gibt es erst dann, wenn jemand neu hinzukommt (Freund der Mutter, Freundin des Vaters) und meint, seine Lebensaufgabe bestehe jetzt darin, den Teenie auf den rechten Weg zu bringen. Das allerdings ist zum Scheitern verurteilt, und es ist wirklich einer der dramatischsten Fehler, die Erwachsene im Umgang mit Teenies machen können.

Jede dritte Ehe scheitert, in Großstädten fast jede zweite. Millionen Erwachsene müssen sich also irgendwann einmal in einer anderen Familie zurechtfinden. Teenies haben meistens gar nichts dagegen, dass Mama oder Papa mit neuen Partnern daherkommen. Sie haben aber eine Menge dagegen, dass der oder die »Neue« sich augenblicklich in ihr Leben einmischt. »Ich war zu Mamas neuem Freund total eklig und hab auf stur geschaltet, hab nicht mal mit ihm geredet. Aber nur, weil er sich gleich als Papa aufgespielt hat.«

Teenies finden es gut, wenn der »Neue« in der Familie sich erst einmal heraushält und abwartet, bis sich ein gewisses Vertrauensverhältnis aufgebaut hat. Sie möchten sich erst selbst ihr Urteil bilden. Das kann dauern: »Monate, Jahre, was weiß ich.« Hinzu kommt, dass sie ja schon »einen Papa haben« und überaus empfindsam reagieren, wenn dessen Funktion in Frage gestellt wird. Aber auf den »Teenie und die Scheidung« kommen wir ohnehin noch zurück.

Davon abgesehen, finden Teenies ihre Eltern »ganz okay«. Das Verhältnis ist ein bisschen vergleichbar mit dem des Autofahrers zur Polizei. Man schimpft auf die Ordnungsmacht und fühlt sich ungerecht behandelt, wenn man geblitzt wird. Aber kaum ist ein Kratzer im Auto oder das Radio geklaut, läuft man aufs nächste Polizeirevier.

Ein Kritikpunkt ist aber diese verdammte Einigkeit, die Eltern im Umgang mit Teenies an den Tag legen. »Nie hält einer zu dir. Sie bilden immer eine Front gegen dich.« Du willst ein Piercing, Mama sagt nein – glaub ja nicht, dass Papa vermittelt. Er sagt natürlich auch nein. Das Gleiche gilt für Tattoos, lila Haare, GI-Schnitt und ähnliche Teenie-Ideen, sogar für den vom Teenie gewünschten Hamster oder, je nach Mentalität, für die ersehnte Hausratte.

Es gibt Tage, an denen Teenies ihre Eltern hassen. Zunächst ist diese peinliche elterliche Fürsorglichkeit zu erwähnen: »Sie bringen mich und meine Freundin zum Kino, und dann kommen Sprüche wie ›Passt auf, wenn ihr über die Straße geht‹ oder ›Lasst euch nicht von Fremden ansprechen‹. Als wenn wir kleine Kinder wären …«

Zum Zweiten beklagen Teenies, dass Eltern sich selbst zu wichtig und die Bedürfnisse der Teenies zu unwichtig nehmen. »Wenn meine Mutter mit einer anderen Mutter aus unserer Klasse telefoniert und irgendwas von mir wissen will, dann muss ich meinen Chat unterbrechen und irgendeine schwachsinnige unwichtige Auskunft geben, als wenn mein Chat nichts ist. Ich sollte mal versuchen, sie beim Telefonieren zu unterbrechen!«

Liebst du deine Eltern? 75 Prozent der Teenies sagen ja. Nur schlappe fünf Prozent sagen nein. 20 Prozent sagen »irgendwie schon«. Nahezu alle Teenies beginnen die Antwort aber mit »äh«, »öh« oder »weiß nicht«.

6 |

WIE WOLLT IHR VON UNS BEHANDELT WERDEN?

Immer neue Strafmaßnahmen, einfach alles durchgehen lassen oder doch gleich ab ins Internat? Es kommt zum ultimativen Krisengespräch. Die Mutter sagt: »Du bist doch gegen alles. Egal, ob ich mich für dich interessiere oder ob ich dir was raten will oder ob ich dich einfach ignoriere: Nie bist du zufrieden. Du nimmst nichts an, du verstehst meine Bedenken nicht, du hältst immer nur dagegen. Einerseits tust du so erwachsen, und andererseits benimmst du dich wie ein bockiges kleines Kind.«

Ihre Tochter will keinesfalls ins Internat. Sie versucht es so: »Du sollst endlich aufhören, mich wie ein Kind zu behandeln, Mama! Daran liegt der ganze Stress! Wovor willst du mich eigentlich immer schützen? Das widerspricht sich doch total: Einerseits sagst du, dass ich alt genug bin für dies und das und dass ich selbst Verantwortung übernehmen soll, und dann bevormundest du mich wieder! Ich kann es dir doch nie recht machen! Egal, was ich tu. Wenn ich was von dir will, und es heißt ›keine Zeit‹, dann soll ich das akzeptieren. Aber wenn ich was zu tun hab, dann akzeptierst du das nicht, und ich muss alles stehen und liegen lassen. Du siehst auch nie, was ich so alles mache! Immer nur, was ich nicht schaffe. Weißt du was, ihr könnt mich alle mal.«

Mangelnde Fairness und künstliches Klein-Halten sind tatsächlich zwei der häufigsten Vorwürfe, die Teenies ihren Eltern machen. »Sie sollen mich machen lassen, was ich will.« – »Sie sollen mich selbst meine Grenzen herausfinden lassen.« Aber auch: »Ich will nicht allein in der Welt stehen, sondern meine Eltern sollen immer einen schützenden Arm um mich legen« (Isabel, 12). Es ist ein schmaler Grat, auf dem Eltern sich da bewegen müssen. Erstaunlich klare Worte findet die 15-jährige Lisa:

»Eltern sollten ihre Kinder so behandeln, wie sie selber von ihnen behandelt werden wollen. Wenn meine Eltern schlecht drauf sind, spreche ich sie nicht darauf an, ich lass ihnen ihre schlechte Laune. Und genauso sollte es bei mir auch sein! Wenn ich schlechte Laune habe, sollen sie das so respektieren, wie ich ihre respektiere! Wenn ich traurig oder sauer bin, sieht man mir das oft an. Dann fragen meine Eltern mich, was los ist. Meistens antworte ich mit ›Nichts!‹, und die Sache hat sich. Wenn ich Probleme habe, über die ich mit meinen Eltern sprechen will, komme ich von alleine zu ihnen. Aber oft will ich einfach in Ruhe gelassen werden. Ich brauche meine Privatsphäre, und wenn ich mal in meinem Zimmer alleine gelassen werden will, dann sollte das auch so sein können, ohne viele Nachfragen.

Wenn ich meine eigenen Erfahrungen machen will, zum Beispiel, ob mir Zigaretten schmecken oder nicht, sollte ich die auf jeden Fall machen dürfen! Meine Eltern können mir Tipps geben, aber die Entscheidung sollte letzten Endes wohl doch ich treffen dürfen! Ja, sie sind für mich verantwortlich, aber solange ich nichts tue, was gegen das Gesetz ist, ist es gut, wenn Teenager ihre eigenen Erfahrungen machen! Ich glaube, mein Vater würde nicht wollen, dass ich jetzt schon einen Freund hätte, und ich weiß, dass meine Eltern dagegen sind, dass ich vor der Ehe mit ihm schlafe. Aber wenn sie mir meinen Freund oder Geschlechtsverkehr verbieten, kann es dazu kommen, dass ich es vor ihnen verheimliche. Das will ich nicht. Wenn ich eine Entscheidung treffen würde, zum Beispiel eine Beziehung mit einem Jungen eingehen oder Geschlechtsverkehr haben, dann möchte ich, dass mir meine Eltern so weit vertrauen, dass sie diese Entscheidung akzeptieren! Denn nur wenn sie meine Entscheidungen akzeptieren, kann ich ihre akzeptieren.«

»Das Verhältnis zwischen Erwachsenen und Teenagern ist immer sehr schwierig«, meint Nadine (17) rückblickend. »Meistens verstehen die Eltern ihre Kinder nicht und die Kinder ihre Eltern auch nicht. Liebe Eltern: Wenn wir zickig sind, dann ist das ganz normal. Wenn ihr einen Anfall kriegen solltet, dann geht doch ausnahmsweise mal in ›euer‹ Zimmer, nehmt euch ein Kissen und schreit rein! Das hilft. Ich weiß es daher, weil ich das auch schon oft gemacht habe, und warum solltet ihr das dann nicht auch mal machen? Haltet durch! Rennt nicht mit dem Kopf gegen die Wand! Zieht euch ein paar Chips rein und guckt einen Film, macht im Notfall einfach Yoga-Übungen und habt Geduld. Irgendwann sind auch wir erwachsen, und wenn wir mal Kinder haben, dann werden wir euch sicher verstehen.«

Wie viel Zärtlichkeit Teenies möchten bzw. vertragen, kann man als Elternteil schlecht beurteilen. Das schwankt nämlich immens. Regina ist zwölf. Sie drückt es so aus: »Wenn man schlecht drauf ist, da ist man manchmal genervt, dass die Mutter einen Abschiedskuss gibt, obwohl es eigentlich ganz normal ist. Die Mutter liebt ihr Kind, und es wird eigentlich immer so bleiben, nur in der Pubertät, da sind die Teenies leider immer total launisch. Ich persönlich würde es gut finden, wenn meine Eltern mich normal behandeln würden. Nicht kalt. Aber auch nicht zu sehr lieben, dass man es von dem Küssen schon satt hat. Bei mir ist eher das Letztere der Fall. Und wenn ich mal schlecht drauf bin, da schreie ich meine Mutter an, was ich danach sehr bedaure. Oft ist es echt schrecklich. Natürlich kann ich verstehen, dass meine Eltern mich total lieb haben, aber … Irgendwo ist da diese rote Grenze, die man lieber nicht überschreiten sollte, wenn man kein Geschrei hören will. Wie gesagt, normal. Einfach nur normal.«

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WIE WICHTIG IST FAMILIE FÜR EUCH?

Der Sonntag ist im Eimer. Es sollte ein schöner Ausflug werden, aber der Teenie hat wieder mal schlechte Laune und macht keinen Hehl daraus. Also gut, alles wird abgeblasen. Hinterher sagt die Mutter: »Wir tun alles für dich, und du hasst uns. Wir sind dir doch total unwichtig. Wenn wir was zusammen machen wollen, ziehst du sooo ein Gesicht. Es ist dir auch total peinlich, mit uns zusammen gesehen zu werden. Am liebsten hättest du es wahrscheinlich, wenn wir gar nicht da wären.«

Ihr Sohn sieht das anders: »Mama, du redest Müll. Ey, ohne Familie, das ginge ja gar nicht. Ich hab zwar nur Stress mit euch, aber das ist doch total was anderes. Ich weiß noch, wie ich klein war: Da hab ich manchmal schlecht geträumt, dass alle tot sind. Papa, du, mein Bruder und alle. Oma und Opa auch. Alle auf einmal. Dann bin ich aufgewacht, aber schreiend. Also, ich hab das heute nicht mehr, diese Träume. Trotzdem. Wenn mich jemand fragt, was das Schlimmste wäre überhaupt, dann wenn alle sterben, zum Beispiel bei einem Unfall oder so. Aber ich hatte nun mal keinen Bock heute. Scheiß-Ausflug.«

Die Familie kriegt von fast allen Teenies Riesenkomplimente. Quer durch alle Gesellschaftsschichten. Egal, ob christlich oder muslimisch erzogen. Weitere O-Töne. »Ohne wäre ich nichts.« – »Das sind doch die wichtigsten Menschen überhaupt.« – »Wenn ich so was lese von Krieg, und Kinder stehen plötzlich alleine da, das wäre das Schlimmste für mich.« – »Wir haben nur Stress, aber trotzdem, ich lass nichts auf die kommen.« – »Erst freu ich mich auf die Klassenreise, dass ich die mal alle nicht ertragen muss, und dann kann ich es nicht erwarten, bis ich wieder zu Hause bin.« – »Manchmal hasse ich meine Eltern, aber das ist was anderes. Natürlich liebt man die Familie, mehr als alles.« – »Ja, Familie ist noch wichtiger als Freunde haben.«

So positiv haben sich in den Gesprächen für dieses Buch über neunzig Prozent der Teenies zum Thema Familie geäußert. Auffällig war aber, dass sie mit »Familie« nicht unbedingt das »Familienleben« meinen, also z.B. gemeinsame Ausflüge, Gespräche, Spieleabende, Mahlzeiten im Familienkreis o.ä. Vor allem die Existenz der Familie ist ihnen wichtig – dass also jemand da ist. Woraus das eigentliche Familienleben dann bestehen sollte, darüber gehen die Meinungen der Teenies auseinander.

Trotzdem gibt es einen Trend. »Mehr gemeinsam machen«, »nicht immer nur fernsehen«, »mal was unternehmen« stehen auf der Wunschliste oben. Einer äußert sich positiv über eine Klassenkameradin, die »nur am Wochenende an den Computer darf« – obwohl er selbst täglich mehrere Stunden davor verbringt. »Die machen stattdessen was zusammen.« Sogar der verpönte regelmäßige Sonntagnachmittagsspaziergang im Familienkreis kommt wieder zu Ehren (»finde ich gar nicht so schlecht«), Vater-Sohn-Rituale wie gemeinsam angeln oder zum Fußballverein gehen stehen hoch im Kurs, aktiv mit den Eltern Sport treiben ist durchaus beliebt, und – man glaubt es nicht – viele Teenies vermissen, dass ihnen abends im Bett nichts mehr vorgelesen oder eine Geschichte erzählt wird. Sie würden es irgendwie peinlich finden und garantiert ihren Kumpels nichts davon erzählen. Aber sie sehnen sich danach, noch mal so behandelt zu werden wie früher, als sie noch klein waren. So betrachtet, könnte man Eltern tatsächlich mehr Mut und Elan zu alledem wünschen, was man ganz klassisch unter »Familienleben« versteht.

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INTERESSIERT IHR EUCH FÜR FAMILIENGESCHICHTE?

Generationen haben an dem Familienstammbaum gearbeitet. Aber der Teenie scheint die Kette unbedingt unterbrechen zu wollen. Seine Vorfahren gehen ihm, auf Deutsch gesagt, am Arsch vorbei. Sein Vater ist traurig deswegen. Er sagt: »Du könntest ruhig mehr Interesse an unserem Stammbaum haben! Den hat mein Urgroßvater angelegt, und wir haben alle daran mitgearbeitet. Schau doch mal, wir gehen zurück bis ins 16. Jahrhundert …«

Sein Sohn lässt die gewünschte Sensibilität wieder einmal gänzlich vermissen. »Geh mir weg mit dem Leichenkram. Die sind doch alle schon tot! Was interessiert mich das? Ich lebe heute und kann damit überhaupt nichts anfangen …«

Dieser Teenie ist in der Minderheit. Die meisten in seinem Alter finden es ausgesprochen spannend, etwas über ihre Herkunft zu erfahren. Sie finden es zum Beispiel toll, wenn ihre Großeltern etwas aus ihrer Kindheit erzählen und beschäftigen sich auch gern mit noch früheren Zeiten. Aber natürlich kommt es darauf an, wie man ihnen die Familiengeschichte nahe bringt:

»Meine Eltern wollten früher immer, dass ich die ganzen Namen auswendig lerne. Wie im Geschichtsunterricht. Wie hieß die Urgroßtante von Papa, die damals den Tischler geheiratet hat? Das war total langweilig! Aber dann hab ich auf dem Dachboden mal einen Karton mit alten Fotos entdeckt, schon so richtig vergilbt waren die. Auf manchen stand hinten in so alter Schrift drauf, wer das ist und wann die Bilder gemacht worden sind. Mann, war das lange her! Da bin ich mal zu meinem Opa gegangen mit dem Karton, und der hat richtig leuchtende Augen gekriegt. Seitdem reden wir oft darüber und wollen vielleicht auch mal einen Stammbaum machen. Ich kann natürlich gut helfen, wegen Internet und so« (Michi, 13).

»Ich finde Familiengeschichte total spannend. Ein Cousin von meinem Vater hat damit mal angefangen. So richtig aufgemalt, wer wen geheiratet hat und wer welche Kinder bekommen hat! Dann haben wir die Köpfe von denen eingescannt, soweit es eben Fotos gab. Ich zum Beispiel sehe einer Tante von meiner Mutter total ähnlich, das ist ja geil. Aber leider ist sie schon tot« (Nicola, 14).

»An sich halte ich da nichts von. Hab auch keine Zeit dafür. Aber irgendwann will man doch wissen: Warum bin ich ausgerechnet so, wie ich bin? Wo komm ich eigentlich her? Dadurch versteht man sich dann auch selber besser. Ich zum Beispiel raste leicht aus, und Mama sagt dann immer: ›Genau wie deine Tante Elisabeth.‹ Die mag sie nicht so gern, und dann bin ich traurig und reiße mich zusammen« (Nadja, 11).

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WIE KOMMT IHR MIT EUREN GESCHWISTERN KLAR?

Mama würde am liebsten einen Stacheldrahtzaun zwischen den Kinderzimmern spannen. Womöglich noch mit Selbstschussanlage. Die einst so lieben Geschwisterchen kratzen sich täglich die Augen aus und stören den Familienfrieden nachhaltig. Die Mutter sagt: »Das ist nicht mehr auszuhalten! Neuerdings habt ihr nur noch Streit! Früher war das nicht so. Da habt ihr zusammen gespielt, das war ganz süß. Wir hatten euch doch extra so dicht hintereinander bekommen. Wir dachten: Die vertragen sich dann besser. Aber seit ihr beiden in der Pubertät seid, ist es echt die Hölle.«

Ihre Tochter (die »Mittlere« von dreien) mault herum: »Geschwister, voll ätzend. Die nerven nur rum! Das ist auch total ungerecht, also die dürfen alle viel mehr als ich. Mein Bruder ist älter, da sehe ich das ja noch ein. Aber meine Schwester ist total klein und darf schon fast mehr als ich. Weil sie noch so klein ist! Das ist doch total widersinnig! Wenn du in der Mitte bist, hast du die Arschkarte. Ich bin in der Mitte. Erzähl mir nicht, dass ihr alle Kinder gleich behandelt. Das stimmt einfach nicht. Mich behandelt ihr jedenfalls am miesesten von allem und ich hasse euch deswegen« (Türknallen).

In der Mitte zu sein als Geschwisterkind, das ist tatsächlich blöd. Aber sicher ist: Geschwister sind für Teenies auf jeden Fall was Feines. Wenn sie älter sind, können sie ihnen viele gute Ratschläge geben. Sie haben ja alles schon mal erlebt. Sie wissen, wie man die Eltern am besten beschwatzt. Sie können bei den Hausaufgaben helfen und den Teenies sagen, welche Klamotten sie zur Party anziehen sollten.

Kleinere Geschwister sind auch gut. Mit denen zusammen können die Teenies noch mal Kind sein. Das können und wollen sie ja sonst nicht, um Gottes willen, sie sind ja keine Kids mehr! Aber von den Kleinen werden sie ja sozusagen dazu gezwungen. Sie können mit ihnen toben, mit Puppen oder Bauklötzen spielen. Ganz so wie früher, als sie selber noch Kinder waren. Und das – ist irgendwie schön. »Wer keine Geschwister hat, dem ist oft langweilig, glaube ich.« – »Da müssen dann ja immer die Eltern für einen da sein, wenn man keine Geschwister hat.« Vorteile des Lebens als Einzelkind werden hingegen selten genannt und sind eher praktischer Natur: »Du musst dann wenigstens nicht alles teilen, und du musst auch nicht immer auf andere aufpassen.«