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Intrigen, Bosheiten und hinterlistige Fallen kennt jeder, der brav arbeiten geht. Die Firma als solche ist ein Haifischbecken. Aber wir, also die Guten, erkennen das meistens viel zu spät. Darum kriegen immer die anderen das Lob vom Chef, die Gehaltserhöhung und die Beför-derung. Die Bösen kommen weiter, die Guten gucken in die Röhre. Schluss damit! Nur Kompetenz bringt null - du musst die Tricks drauf-haben. Aber wie wird man vom Gemobbten zum Mobber? Was zeichnet den perfekten Schleimer aus? Wie legt man Kollegen aufs Kreuz? Wie klaut man ihre Ideen? Wie räumt man die firmeneigene Konkurrenz unauffällig aus dem Weg? Wie wird man unliebsame Zeugen los? Wie wird man der Liebling vom Chef?
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Seitenzahl: 268
Hauke Brost
Der Kollege als solcher ist wirklich ein netter Typ. Zumindest auf den ersten Blick. Man muss nämlich schon genauer hinschauen, um sein wahres Gesicht zu erkennen. Denn hintenrum stellt er uns, also den Guten, den Leistungsträgern, allzu gern ein Bein. Er lauert wahrscheinlich nur darauf, dass wir Fehler machen, und wird sie umgehend zum eigenen Vorteil nutzen. Er quatscht vermutlich alles weiter, was wir ihm anvertrauen. Er petzt, er schleimt sich ein, er verbreitet Halbwahrheiten und belästigt uns mit seinen schlechten Gewohnheiten. Zumindest gilt das für sehr viele Kollegen. Und jeder von uns hat für diese These einige Beispiele im Kopf.
Seine Ahnungslosigkeit übertüncht der Kollege mit arroganter Besserwisserei. Er ist stinkfaul und unauffindbar, wenn Arbeit droht. Im Tarnen, Täuschen und Verpissen ist er Meister. Wenn aber ausnahmsweise mal etwas klappt in der Firma, dann war es garantiert sein Verdienst. Kurzum: Dem Kollegen als solchem wünschen wir vollkommen zu Recht die Pest an den Hals.
Das Leben könnte so schön sein! Wir könnten das kakerlakenähnliche Wesen namens Kollege sogar ignorieren und uns künftig nur noch auf die Arbeit konzentrieren. Aber es gibt da ein Problem.
Chefs haben nämlich eine Vorliebe für Kakerlaken. Tausendmal flöten sie uns, also den Guten, den Leistungsträgern, ins Ohr: »Herr Meier, ich liebe Ihren Widerspruchsgeist! Ich bin von so vielen Ja-Sagern umgeben! Solche Querdenker wie Sie, die braucht die Firma!« Sprüche wie diese sind verlogen. Glauben Sie kein Wort davon. Denn wenn es um die nächste Gehaltserhöhung oder um den besseren Job geht, dann ist der Kakerlaken-Kollege dran. Wir aber, die Guten, die Leistungsträger, wir gucken in die Röhre.
Noch fieser als der Kollege ist nur – die Kollegin. Da sie eine Frau ist, kann sie natürlich viel besser intrigieren. Sie ist klatschsüchtig und durchtrieben, scheinheilig und falsch. Entweder ist sie potthässlich und kann sich deshalb selber nicht leiden, oder sie setzt ihr Äußeres schamlos als Waffe ein. Sie tratscht, sie lügt, sie spielt den einen gegen den anderen aus und verbringt mindestens die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit Tätigkeiten, für die sie nicht bezahlt wird. Treten wir die Kollegin in die Tonne und drehen der Tonne den Rücken zu, so geht der Deckel wieder auf und wir haben ein Messer im Rücken. Na, an wen denken Sie gerade?
Aber Moment mal! Gibt es ihn denn gar nicht mehr: den fairen, fröhlichen, kompetenten Kollegen, mit dem wir abends gern noch ein Bierchen trinken gehen, dem wir unsere Frauen anvertrauen können und den wir jederzeit zum Grillen in unseren Garten einladen würden? Gibt es sie denn gar nicht mehr: die gute Kollegin, die eine Freundin ist, die uns immer zur Seite steht, die uneitel und gewissenhaft ihren Job macht und die uns vor Gefahren, wenn mal welche drohen, rechtzeitig und ohne Hintergedanken warnt? Die Kollegin, mit der man als Frau gern nach Feierabend shoppen oder auf Männerschau in eine Bar geht?
Doch: Es gibt sie. Beide. Aber leider sind sie bei der Konkurrenz. Und wenn sie tatsächlich bei Ihnen im Betrieb arbeiten sollten, was eher unwahrscheinlich ist: Wie kann man sie denn erkennen? Die Welt ist schlecht, und das Böse schläft bekanntlich nie. Es neigt dazu, sich zu verstellen. So wie der böse Wolf im Märchen lässt sich der Kollege die Tatze mit Mehl bestreuen, legt sie auf unseren Schreibtisch und behauptet frech, er sei das liebe Mütterchen. Von wegen liebes Mütterchen.
Hinterfotzige Kollegenschweine fragen uns mit dem sanftesten Lächeln der Welt, ob sie uns aus der Kantine einen Kaffee mitbringen dürfen. Uns sind Fälle bekannt, wo sie heimlich Abführmittel hineinkippen. Karrieregeile Emporkömmlinge und mit allen Wassern gewaschene Schleimer ohne jede fachliche Qualifikation geben uns scheinbar gut gemeinte und selbstlose Ratschläge und wissen doch genau, dass deren Umsetzung letztendlich ein Desaster zur Folge hätte. Aber wir selbst, also die Guten, die Leistungsträger, wir sind einfach zu gutgläubig und ehrlich und fallen deshalb prompt darauf rein. Die fiesen Fallen der Kollegen erkennen wir regelmäßig zu spät, weil unsere volle Konzentration dem Wohle der Firma gehört und wir gar keine Zeit für irgendwelche Abwehrmaßnahmen haben.
Der Kollege als solcher sowie sein weibliches Gegenstück sind demzufolge Wesen, die man lieben oder hassen kann. Eins sollte man nicht: sie unterschätzen. Denn irgendwas führen sie alle im Schilde. Alle.
Deutschland weiß inzwischen, »Wie Männer ticken«. Nach der Lektüre dieses Bestsellers jubeln die Frauen, denn sie erkennen ihren Kerl wieder und begreifen endlich, dass andere Männer genauso simpel gestrickt sind wie er. Der Folgeband »Wie Frauen ticken« ist ebenfalls ein Bestseller, und da jubeln die Männer: Sie begreifen beim Lesen, dass andere Frauen genauso schwierig sind wie ihre eigene, und warum das so ist. Der dritte Band dieser Bestseller-Serie – »Wie Teenies ticken« – ist ein von Eltern bejubeltes Buch. Da lernen sie nämlich, dass auch in fremden Kinderzimmern ein kleines Monster wohnt!
»Wie die lieben Kollegen ticken« ist nun der ultimative Schwimmkurs fürs Haifischbecken. Sie werden so manchen Kretin aus Ihrer Firma wiedererkennen und erfahren, mit was für linken Tricks der Schlawiner arbeitet. Sie werden begreifen, warum immer die anderen eine Gehaltserhöhung kriegen. Und wie Sie es am geschicktesten anstellen, auch mal zu den »anderen« zu gehören! Dazu allerdings müssen Sie ein Arschloch werden und vor allem ganz, ganz früh aufstehen.
Trotzdem geht es in diesem Buch nicht nur um fiese Intrigen. So wurde zum Beispiel bundesweit ermittelt, was die lieben Kollegen eigentlich in ihren Schreibtischschubladen verstecken. Warum sie ihren Kaffeebecher hüten, als wäre es ihr Augapfel. Was tatsächlich bei der Weihnachtsfeier auf dem Damenklo vor sich geht. Und was passiert, wenn man die eigene Kollegin im Bordell trifft
1000 Interviews mit Menschen wie du und ich! Es wurden Arbeiter und Angestellte interviewt, kleine Unternehmer und hochbezahlte Manager, Abteilungsleiter und Vorzimmerdamen, Betriebsräte und Finanzbeamte, Verkäuferinnen, Klempner, Polizisten und noch viele, viele mehr.
»Wie die lieben Kollegen ticken« ist keine subjektive Meinungsäußerung, sondern das Ergebnis von Interviews am und über den eigenen Arbeitsplatz und die mehr oder weniger »lieben« Menschen, mit denen man sich da auseinandersetzen bzw. herumärgern muss. Es gibt nur einen, dessen Kollegen in diesem Buch nicht vorkommen. Das ist der Autor selbst.
Viel Spaß beim Lesen und beim Weiterverschenken. Sie werden schon wissen, welcher Kollege dieses Buch unbedingt bekommen sollte. Aber nehmen Sie nicht jedes Kapitel tierisch ernst. Denn – wie gesagt – es gibt ihn ja: den lieben Kollegen.
Hauke Brost
www.haukebrost.de
1. Teil:
Auch wenn Sie noch keine Zeile in diesem Buch gelesen haben, können Sie jetzt schon feststellen, ob Sie karrieretauglich sind. Denn wenn Sie die Frage aus der Überschrift für überzogen halten oder gar mit Nein beantworten würden, dann sind Sie für Karriere viel zu naiv. Die richtige Antwort heißt nämlich Ja: Ausnahmslos jede Firma ist ein Haifischbecken, auch wenn das Betriebsklima super zu sein scheint.
Denn selbst in einer Minifirma, die nur aus dem Chef und zwei Angestellten besteht, wird nach der nächsten Krise nur einer seinen Job behalten. Der andere wird gehen müssen. Wer denn nun: der angeblich so nette Kollege oder Sie? Allein schon deshalb ist auch Ihre Firma garantiert ein Haifischbecken.
Gewiss: Es ist ja möglich, dass Sie sich gut mit Ihrem Kollegen verstehen. Aber Sie sind weder sein Zwillingsbruder noch seine Mama. Sie sind von Haus aus sein Konkurrent. Und Konkurrenten sind nun einmal – Gegner.
Wer das supergute Betriebsklima in seiner Firma als Gegenbeispiel anführt, hat die Prinzipien der Marktwirtschaft nicht begriffen. Die lebt nämlich vom Wettbewerb. Auf dem Markt ebenso wie intern. Es wird also nicht der beste Kollege befördert, sondern der, der sich am besten verkauft. Es ist ja auch nicht das beste Auto das meistverkaufte, sondern das mit der besten Werbestrategie und dem besten Image. Sie haben Ihre Werbestrategie und Ihr Image, und Ihr Kollege hat seine. Wer die bessere hat, der kommt weiter. Auf Kosten des anderen.
Unter einem Haifischbecken (Um mal eine Lanze für Haifische zu brechen: Keiner weiß so recht, wie sich eigentlich Haifische in einem Becken verhalten. Wahrscheinlich schwimmen sie friedlich und gelangweilt umeinander herum.) – also: Unter einem Haifischbecken versteht man eine Zwangs-Community, in der sich die einzelnen Bewohner misstrauisch beäugen und jederzeit bereit sind, andere Bewohner wegzubeißen – sofern diese sich eine gewisse Schwäche leisten, die das Risiko des Angriffs minimiert und die eigenen Erfolgschancen maximiert.
Nun geschieht das natürlich nicht bewusst. Ihr Kollege steht nicht morgens vor dem Spiegel, macht seine Kung-Fu-Übungen und schreit dabei Ihren Namen. Er hat auch keine Dartscheibe in der Garage hängen, wo er Ihr Foto auf die 12 geklebt hat. Das machen Sie (umgekehrt) ja auch nicht. Nein: Das läuft alles viel subtiler ab.
Ihr Kollege hat nicht Sie im Visier, sondern sein Ziel. Das ist doch völlig legitim! Aber wie sieht sein Ziel aus? Ganz einfach: Ihr Kollege möchte, ebenso wie Sie, langfristig mehr Geld verdienen, eine bessere Position erreichen, weniger bluten und am liebsten kaum noch arbeiten müssen, viel Erfolg mit klugen Sprüchen ernten und bei Ihren Vorgesetzten einen hervorragenden Eindruck hinterlassen, ohne dass darunter sein Privatleben leidet.
Denn er hat tatsächlich ein Privatleben. So wie Sie. Also gibt es überhaupt noch keinen Grund, ihn für ein Arschloch zu halten, denn diese Zielsetzung haben Sie ja gemeinsam. Aber wer kriegt den Job denn nun, wenn es zwei Bewerber gibt und Sie sind einer davon? Die Antwort heißt: Das größere Arschloch kriegt den Job. Und deshalb ist es wichtig, dass wir, also die Guten, auch ein bisschen Arschloch werden. Und dass wir andere, noch größere Arschlöcher in der Firma mit schlafwandlerischer Sicherheit erkennen. Da kommt das nächste Kapitel gerade recht.
Im Baukasten »Wir basteln uns ein Arschloch« wäre dies sozusagen die erste Übung. Denn wer ein Kollegen-Arschloch erkennen will, muss zunächst einmal einiges über das Arschloch wissen.
Am besten lesen Sie dieses Kapitel mittags in der Kantine, und zwar möglichst laut und unbedingt mehrmals hintereinander. Sie behalten dann einfach mehr davon im Kopf. Gut ist auf jeden Fall, wenn möglichst viele Kollegen und Vorgesetzte Ihnen dabei zuhören. Nachteile müssen Sie nicht befürchten. Denn jedes einzelne Kollegen-Arschloch hat die Eigenschaft, sich selbst für ehrlich, aufrichtig und leistungsstark zu halten. Merke: Das Arschloch ist man niemals selber! Sie können dem Arschloch alles Mögliche über Arschlöcher an den Kopf werfen. Es wird Ihnen voll und ganz beipflichten!
Das Arschloch erkennt man zunächst einmal am Gang. Achten Sie bitte darauf: Das Arschloch geht niemals gedankenverloren und scheinbar ziellos über den Flur. Es geht auch niemals an der Wand entlang; das machen nur Verlierer. Das Arschloch stürmt auf dem Mittelstreifen.
Immer hat das Arschloch einen wichtigen Auftrag, der sofort erledigt werden muss. Ja, es gibt sogar Arschlöcher, die hinten Augen haben! Sobald sie sich beobachtet fühlen, beschleunigen sie ihren Schritt. Sie rennen fast. Dabei tragen sie die Nase grundsätzlich hoch und immer irgendwas unterm Arm. Chefsache. »Unser Arschloch hat es immer eilig«, sagt eine Sekretärin aus der Versicherungsbranche. »Irgendwie weiß jeder, dass dieser Kollege überbezahlt und unterbeschäftigt ist. Aber er schafft es doch immer wieder, dass der Chef ihn für wichtig hält.«
Eine kleine Firma im Schwäbischen, sie handelt mit Kühlaggregaten aller Größen; nennen wir sie Fa. Schäuble. Dort arbeitet ein Arschloch mit ausgezeichneten Delegier-Qualitäten. Das heißt: Es verteilt den ganzen Tag über Aufträge an andere, statt auch mal selber was in Angriff zu nehmen. Sein Trick: Es hat stets Order von oben! »Schäuble möchte «, oder: »Gruß von Schäuble, und er bittet Sie «, oder: »Ich sprach neulich mit Schäuble und da haben wir für dieses Problem Sie ausgeguckt « So geht das den ganzen Tag. Drei Viertel davon sind natürlich frei erfunden; Herr Schäuble weiß gar nichts davon. Aber nur hinter vorgehaltener Hand wagen es die Kollegen, das Arschloch zu imitieren. Dann gucken sie verschwörerisch und murmeln: »Kommt von Schäuble.« Wobei nicht einmal klar ist, ob sie das ironisch meinen!
Es gibt sogar Arschlöcher, die kennt gar keiner. Die kommen natürlich nur in größeren Firmen vor. Man weiß eigentlich gar nicht, wofür sie eingestellt worden sind. »Hast du ’ne Ahnung, was der bei uns macht?«, fragen die Kollegen, wenn sie im Lift auf die 7 gedrückt haben und das Arschloch – hektisch wie immer – im 4. Stock verzweifelt auf den »Tür zu«-Knopf hämmert und im 5. Stock wie von der Tarantel gestochen rausflitzt. »Nee. Keine Ahnung.« Aber Arschlöcher dieser Kategorie rennen stets geschäftig und hochnäsig hin und her, schubsen uns (die Guten) am Kopierer beiseite, drängeln sich in der Kantine vor und setzen sich garantiert an den Tisch vom – nein, nicht vom Chef; dafür sind sie zu unwichtig. Sie setzen sich an den Tisch von demjenigen, der ihnen die Tür zum Chef öffnen soll! Vielleicht zu seiner Sekretärin oder zum Vorarbeiter oder zum Abteilungsleiter. Niemals würden sie sich zum Beispiel mit dem Azubi an einen Tisch setzen, denn der kann sie nicht weiterbringen. Das Arschloch tut niemals etwas ohne Hintergedanken.
Das Arschloch hat es aber nicht nur eilig. Es hat auch eine ganz bestimmte Kopfbewegung drauf. Stellen Sie sich mal ein Meeting vor (so nennt man heutzutage diese langatmigen und nutzlosen Besprechungen, bei denen sich die Arschlöcher profilieren dürfen und wir, die Guten, kaum zu Wort kommen). Jetzt äußert irgendjemand eine Meinung. Man weiß noch nicht genau, was der Chef dazu sagt: Wird er den Vorschlag abnicken, oder wird er ihn in der Luft zerreißen?
Das Arschloch hat in diesem Moment ein Problem. Einerseits will es nicht den Eindruck erwecken, ein Schleimer zu sein. Andererseits will es keinesfalls einen Kommentar abgeben, der vielleicht der Meinung des Chefs widersprechen könnte. Also entscheidet es sich für die »Arschloch-Kopfbewegung«, die zum Karrieremachen ganz wichtig ist: Nicken und Kopfschütteln mit einer einzigen Bewegung!
Versuchen Sie es mal selbst: Wie nickt und kopfschüttelt man gleichzeitig? Sehen Sie. Geht doch! Schon oft gesehen, war Ihnen aber vermutlich noch nie so bewusst. Das ist so eine schwankende Kopfbewegung, wie man sie von BSE-kranken Rindern kennt: Halb Nicken, halb Kopfschütteln. So lange, bis der Chef seine Meinung äußert. Dann kann man daraus ein Nicken machen (wenn der Chef den geäußerten Standpunkt unterstützt) oder ein Kopfschütteln (wenn er den Standpunkt für vollkommen falsch hält).
Also: Sie erkennen das Arschloch erstens am Gang und zweitens am BSE. Geht aber noch weiter. Das Arschloch kopiert den Chef bis zur Lächerlichkeit. Der Boss trägt gern Schwarz? Gehen Sie davon aus, dass die Arschlöcher in der Firma ihre weißen Hemden umgehend in die Mülle treten. Oder dies: Der Boss hat eine bestimmte Geste drauf. Zum Beispiel: Wenn es Stress gibt und er sich richtig konzentriert, dann wirft er die Krawatte mit sattem Schwung über die linke Schulter, damit sie ihn nicht behindert (so ist das in der Beraki GmbH, einem der bekanntesten deutschen Architektenbüros).
Das Arschloch wird diese Geste garantiert kopieren und sich bei jedem Scheiß den Schlips um die Ohren hauen! Kann auch sein, dass der Chef die Hemdsärmel immer einmal umkrempelt, aber nicht bis zum Ellenbogen. Oder dass er die Uhr rechts trägt, siehe eine längst vergangene Epoche bei VW in Wolfsburg. Achten Sie mal drauf, wer das als Erster nachmacht! Sehen Sie – schon wieder ein Arschloch.
An der Automarke kann man das Arschloch auch erkennen. Fährt der Boss zum Beispiel einen 7er BMW, würde sich das Arschloch niemals einen Benz kaufen. Aber auch keinen 7er, selbst wenn es die Kohle hätte. Das Arschloch fährt dann listig einen 5er. Oder einen 3er. Das signalisiert dem Chef: Hey, ich bin aus dem gleichen Holz wie du! Aber ich maße mir nicht an, gottgleich zu sein! Du bist der Boss. Ich schaue zu dir auf. Hoffentlich merkst du, Gott, wer deiner würdig ist. Mit wem kannst du sonst über die Vorteile von BMW gegenüber Benz usw. plaudern?
Das geht natürlich auch in jeder x-beliebigen Hausmeister-Firma, wenn der Chef einen Golf fährt. Das Arschloch holt sich dann auch einen Golf, aber nicht so einen geilen. Vielleicht – noch besser – nur einen Polo, um nicht anmaßend zu erscheinen. Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie viele Karrieren auf dem Firmenparkplatz entschieden werden? Sie fahren wahrscheinlich das Auto, das Ihnen gefällt, stimmt’s? Tja: Es ist ja Ihre Karriere.
Das alles treibt manchmal seltsame Blüten. Hin und wieder geht es nämlich nicht nur um die richtige Automarke, sondern sogar um das richtige Kennzeichen! In der Gegend von Mainz gibt es eine Firma, deren Name mit einem E und einem Z beginnt. Der Chef ist sehr stolz darauf, einen Jaguar mit dem Kennzeichen MZ-EZ 200 zu fahren. Weil er ja nun seine Firmen-Initialen im Kennzeichen hat. Da gab es nun einen jungen Mitarbeiter, der kaufte sich ein altes Golf-Cabrio. Und weil seine Freundin bei der Zulassungsstelle arbeitete, bekam er das Kennzeichen MZ-EZ 500. Also auch mit den Initialen vom Chef. Sogar mit einer noch schöneren Zahl dahinter. Der junge Mann hielt das doch tatsächlich für eine hervorragende, karriere-förderliche Idee!
War es aber nicht. Der Chef lächelte äußerst säuerlich. Die 100 oder maximal die 150 im Kennzeichen wäre okay gewesen, aber gleich die 500? Dem jungen Kollegen wurde die Probezeit verlängert. Aber nur einmal. Danach tat es allen Beteiligten furchtbar leid, dass man doch nicht so gut wie erwartet zusammenpasste.
Lächerlich? Ja, stimmt. Trotzdem die Wahrheit. Sie müssen das alles nicht toll finden. Aber Sie sollten schon ein bisschen mitschwimmen können im Haifischbecken. Also achten Sie bitte auf Ihr Kfz-Kennzeichen.
Der hastige Gang, eindeutige Symptome von BSE und das schimpansenhafte Chef-Kopieren: Wahrscheinlich haben Sie schon eine ganze Reihe von Kollegen im Kopf, während Sie das gelesen haben. Aber nun kommen wir mal zu den Netten.
Auf jeden Fall können Sie dem Kollegen aus der Personalabteilung trauen, der Ihnen eines Tages zum Abschied Ihre Arbeitspapiere aushändigen wird. Der meint es wirklich ehrlich, wenn er sagt: Sie sind raus, und ab morgen läuft der Laden ohne Sie! Wie schön, dass endlich mal jemand aufrichtig zu Ihnen ist.
Aber Scherz beiseite. Wenn unstillbare Harmoniesucht eine Ihrer herausragenden Schwächen ist, werden Sie schon vor diesem schicksalhaften Kündigungstag die Suche nach dem sogenannten lieben Kollegen, dem Sie vertrauen können, aktiv vorantreiben. Zwar werden Sie dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit immer wieder enttäuscht: »Es irrt der Mensch, solang er strebt« (Goethe). Und Sie streben ja nun mal nach Harmonie.
Sie suchen also einen Kollegen, der ungefähr so gutherzig ist wie Sie? Der Ihnen niemals eine böse Falle stellen würde? Der Sie vielleicht sogar selbstlos vor solchen Fallen warnt? Der ein Geheimnis für sich behalten kann und der auch mal mit Ihnen über seine eigenen Schwächen spricht, der also seinerseits Vertrauen aufbaut? Ja: Solche Kollegen gibt es! Nur kann man auch mit ihnen bisweilen böse Enttäuschungen erleben.
»Ich fand meine neue Kollegin Beate von Anfang an sympathisch«, erzählt die Verkäuferin einer Herrenboutique, die in einer Seitenstraße der Düsseldorfer Kö zu finden ist. »Ich habe ihr am Anfang auch richtig geholfen und sie mit allem vertraut gemacht, was man hier so wissen muss. Sie war total dankbar und wir waren ein paar Mal zusammen was trinken. Ihr Freund ist vorbestraft wegen Einbruchs; das hatte sie unserem Chef bei der Einstellung verschwiegen, aber mir hat sie es anvertraut. Und all so was. Na ja, wir hatten uns richtig angefreundet. Dachte ich jedenfalls So nach und nach hab ich ihr auch was von mir erzählt. Wie meine Ehe den Bach runterging, von der Abtreibung und von meinen Allergien. Und von meinen Pilzen in der Scheide. Alles Sachen, die eigentlich keinen was angehen. Also, wir verstanden uns echt gut. Bis diese neue Filiale in Köln aufgemacht wurde. Dass eine von uns dort Chefin wird, war klar. Aber wer? Wir wollten beide den Job. Und als ich dann mein entscheidendes Gespräch hatte, kriegte ich vom Chef alles zu hören, was ich Beate erzählt hatte. Er meinte, ich solle erst mal meine Probleme in den Griff kriegen. Inklusive der Scheidenpilze. Neue Chefin in Köln ist – Beate.«
Man kann daraus lernen. Natürlich dürfen Sie in der Firma Freundschaften schließen. Natürlich dürfen Sie sich privat mit Kollegen treffen. Natürlich dürfen Sie sich öffnen. Nur: Hören Sie mehr zu, als Sie erzählen! Kriegen Sie mehr raus, als Sie preisgeben! Beißen Sie sich lieber zweimal auf die Zunge, bevor Sie sich irgendwie angreifbar machen! Und erzählen Sie niemals, wirklich niemals einer Kollegin irgendetwas von Ihren Scheidenpilzen.
Nun ein positives Beispiel. »Ich bin echt mit allen Wassern gewaschen und kenne die Behörde seit über 20 Jahren in- und auswendig«, sagt Christian (44), der im Rathaus einer hessischen Kleinstadt Bauanträge bearbeitet. »Aber kürzlich ist mir doch ein Fehler passiert. Es war so: Ich hatte mich mit einem Bauherrn angelegt, der nicht nur Mist gemacht hatte, sondern auch noch patzig war. Da habe ich auf stur geschaltet und ihn erst mal am langen Arm verhungern lassen. Wie man das eben hin und wieder einmal so macht als Beamter. Irgendwann kam dann ausgerechnet mein Intimfeind ins Zimmer, also ein Kollege, mit dem ich mich noch nie verstanden habe. Er meinte: Du, sei vorsichtig. Die reden schon über dich. Diese Akte, wo du keinen Bock drauf hast: Das ist der Schwager vom Chef. Nur mal so als Tipp.« Und schon war er wieder draußen. Also ich muss sagen: Donnerwetter. Das hätte ich dem nicht zugetraut, dass er mir so einen Gefallen tut. Ich hätte ja in Teufels Küche kommen können, wegen Aktenverschleppung und so.«
Und jetzt kommt, was jeder aus seiner eigenen Firma kennt: »Na ja, ich hab mich natürlich revanchiert. Beim nächsten Meeting in der Behörde hab ich ihn als gutes Beispiel genannt, wie man auch als Beamter kreativ und unbürokratisch arbeiten kann. Er hat mir so einen Blick zugeworfen nach dem Motto: Aha, ist angekommen, jetzt sind wir quitt – ja, so läuft das.«
Ja, so läuft das wohl. Und man könnte kotzen. Begann der vorletzte Absatz mit den vier Worten: »Nun ein positives Beispiel«? Das ist natürlich nicht so! Dies war nun wirklich kein positives Beispiel, sondern lediglich ein neuerlicher Beweis dafür, dass Hilfestellung unter Kollegen niemals aus reiner Gutmenschlichkeit geleistet wird. Sondern weil man dafür etwas zurückhaben möchte. Aber versuchen wir es doch unerschrocken noch einmal. Nun also wirklich ein »positives Beispiel«.
»Ich hatte einen Mentor, als ich noch ein Trainee war«, erzählt Jörg K., der heute (mit 42 Jahren) Chef einer 200-Mann-Firma für das Catering von Fluggesellschaften ist. »Er wusste alles, und ich war total neu in dem Business. Immer wieder hat er mir Ratschläge gegeben, die ich teilweise für schwachsinnig hielt (heute nicht mehr). Ich habe mich durchaus nicht an alle gehalten. Aber wenn ich mal kurz vorm Hinschmeißen war, dann bin ich erst zu ihm gegangen. Seine Tür war immer offen. Er hatte immer Zeit. Meistens hat er mir dann eine Brücke gebaut, sodass ich doch nicht hinschmeißen musste. Und was der draufhatte! Wenn ich für irgendwas drei Nächte gebraucht habe, dann hat er das in 20 Minuten erledigt, und es war Weltklasse. Er hat mich echt aufgebaut und langsam mit allen Tricks vertraut gemacht. Er hat mir auch beigebracht, wie man mit Krisen umgeht. Er war so abgeklärt, das war der Hammer. Den hat echt nichts aus der Ruhe gebracht. Ich schaue heute noch zu ihm auf.«
Aber was ist aus dem Mann geworden? Vermutlich wurde er längst auf dem Schrottplatz für langgediente Mitarbeiter entsorgt. Eingesargt auf dem menschlichen Dampferfriedhof, wo heutige Jungdynamiker in Führungspositionen gern die gesammelte Kompetenz von 30 oder mehr Berufsjahren verrotten lassen, anstatt sie konsequent zu nutzen und entsprechend zu honorieren.
Erfahrung, Gelassenheit, gekonntes und gelerntes Krisenmanagement sowie das in Jahrzehnten angelernte und gewachsene Über-den-Tag-hinaus-denken-Können sind zwar Tugenden, die jeder junge Manager gern selber hätte. Aber wenn er sie bei einem in Ehren ergrauten Untergebenen findet, wird er ihn so schnell wie möglich aus dem Geschäft drängen und sich stattdessen mit lauter gleichgeschalteten Ja-Sagern umgeben, die ihm mit an Hörigkeit grenzender Einschleimerei um den Bart streichen. Das ist die traurige Realität in deutschen Firmen. Also: Was ist aus ihm geworden?
Jörg K. sagt: »Er arbeitet noch hier in unserer Firma. Allerdings bin ich jetzt der Boss. Wenn er aber etwas sagt in einem Meeting, dann höre ich darauf. Ich meine: Er hat manchmal auch schwachsinnige Ideen, die total von gestern sind. Aber ich kann ihn nicht so niedermachen, wie ich das mit anderen machen würde. Er hat irgendwie Rentnerschutz bei mir. So wie Welpenschutz, nur eben andersherum, auf Alte bezogen. Der Typ hat dazu beigetragen, dass ich heute den Vorstand leite. Er hatte damals nichts davon. Aber solange ich Einfluss habe in der Company, wird dieser Mann seinen Platz haben und nicht auf der Straße sitzen.«
Es sei dieses schöne Beispiel erwähnt für eine gewisse Dankbarkeit, die möglicherweise auch Ihr Chef irgendeinem Fast-Rentner gegenüber empfindet. Und die er pflegt. Chefs, das dürfen Sie nie vergessen, waren auch mal Azubis. Ganz kleine, unwichtige Teile des Systems, in das sie erst noch hineinwachsen wollten. Aber hören wir doch mal jenen »Fast-Rentner«, der jetzt unter der Führung seines Ex-Azubis immer noch in derselben Firma arbeitet.
»Der Jörg, jaja, der hat bei mir gelernt. Und heute ist er mein Chef«, sagt Broder B. und grinst. Fast sieht er selbst wie ein Firmenchef aus. Er hat graue Schläfen, trägt einen exakt sitzenden Maßanzug und ist braun gebrannt. Aber er hat nur ein kleines Arbeitszimmer und muss sich die Sekretärin mit neun anderen Kollegen teilen; sein ehemaliger Azubi hat vier Sekretärinnen nur für sich allein. »Das ist schon ein merkwürdiges Gefühl, unter dem eigenen Azubi zu arbeiten. Aber ich komme damit gut zurecht. Ich habe ihn immer gemocht. Schon damals, als er noch nicht mal Abi hatte und bei mir ein Praktikum machte. Da war Substanz. Das hab ich gleich gespürt. Der war heiß, der brannte. Na ja, ich habe ihm ein bisschen geholfen. Das machst du doch nicht aus Kalkül heraus, oder weil du irgendwie taktierst! Na gut, heute: Heute bietet keiner mehr so eine richtige Ausbildung. Heute geht es nur noch darum: Wie kann man möglichst schnell billige Arbeitskräfte heranzüchten, damit die Rendite stimmt. Shareholders Value ist das Vaterunser. Aber in den 80ern, da haben wir noch richtig ausgebildet. Da haben wir Werte vermittelt und auf Qualität Wert gelegt. Ich hatte doch keine Ahnung, dass der es mal so weit bringt, der Jörg! Aber was mich freut, ist dies: Normalerweise wäre ich doch schon lange weg vom Fenster. Heute gehörst du mit fast 60 zum alten Eisen, und fast alle aus meiner Generation sind schon raus. Ich mache hier immer noch meinen Job. Nicht, dass ich noch irgendwelche Ambitionen hätte; schließlich muss ich keinem mehr was beweisen. Aber der Jörg, der hält die Hand über mich. So kriege ich ein bisschen zurück, obwohl ich damals wirklich nicht an so was gedacht habe.«
Welchem Kollegen man sonst noch trauen kann? Dem, den Sie wirklich intensiv kennen. Seit Jahren oder Jahrzehnten. Dann auf jeden Fall dem, dessen Frau mit Ihrer Frau befreundet ist (oder andersrum, wo die Männer zusammenhocken). Weil sich kein Kollege die Blöße gibt, auch noch zu Hause beschimpft und wie ein Arschloch behandelt zu werden, nur weil er selber sich in der Firma wie ein Arschloch benommen hat. Ferner können Sie Kollegen vertrauen, die bereits auf dem Sprung zur Konkurrenz sind. Die müssen nicht mehr kämpfen. Und schließlich (unter Vorbehalt) allen, mit denen Sie eine Seilschaft haben; aber darauf kommen wir noch zurück. Sonst können Sie keinem trauen.
Weil das Leben kein Wunschkonzert ist. Schätzungsweise jeder dritte erwachsene Deutsche ist Spießer, Dummkopf, Über-Leichen-Geher, Schleimer, Kleinbürger, Blockwart, Lügner, Hochstapler, Faulpelz, Schmarotzer, Täuscher, Verpisser, Leuteschinder, Petzer, Ausbeuter, Falschspieler, Wegseher, Feigling, Frauenverächter, Angeber oder alles gleichzeitig. Ihre Firma spiegelt natürlich den Bevölkerungsschnitt wider. Schon deswegen treffen Sie dort auf lauter Kretins. Privat würden Sie, weil Sie ja zu den Guten gehören, mit derlei menschlicher Ausschussware keinerlei Kontakte pflegen; aber in der Firma können Sie sich das nicht aussuchen. Also ist Ärger vorprogrammiert.
Schlau wie Sie sind, versuchen Sie natürlich, zwischenmenschliche Kontakte während der Arbeitszeit auf diejenigen Kollegen zu beschränken, die nicht unter die genannten Gattungen fallen. Aber erstens sind die rar, zweitens funktioniert das aus betriebsbedingten Gründen nicht immer, und drittens gehören Sie wahrscheinlich auch zu mindestens einer der genannten Gattungen. Jedenfalls in den Augen Ihrer Kollegen. Woran man doch wieder einmal erkennen kann, dass die nicht den leisesten Hauch einer Ahnung haben.
Auffallend viele Arbeitnehmer sind frustriert, haben jegliche Corporate Identity verloren und sind finster entschlossen, die Firma auszunutzen. Daraus entsteht natürlich eine gewisse grundsätzlich schlechte Laune bei der Arbeit, die einem guten Betriebsklima hinderlich ist und die aus an sich ganz netten Menschen grummelnde Unsympathen macht. Stattliche 82 Prozent der für dieses Buch befragten Arbeitnehmer beantworteten die Frage, ob sie sich mehr engagieren würden, wenn die Firma ihre eigene wäre, mit einem klaren »Ja«. 95 Prozent nannten als Grund für schlechtes Betriebsklima »Frust über die Arbeit«. Und immerhin 43 Prozent nannten als Grund, warum sie in der Firma keine Höchstleistung bringen: »Meine Firma verarscht mich doch auch.« Man kann daraus schließen: Der Arbeitnehmer als solcher geht missmutig in die Firma, fühlt sich von ihr betrogen und unterbezahlt und beobachtet wütend, dass Kollegen mit schlechterer Qualifikation an ihm vorbeiziehen. Es rumort im Kollegen. Und deshalb ist er so unleidlich.
Generell ist das Betriebsklima in kleineren Firmen besser als in großen. Zwei Beispiele. In der Fünf-Leute-Firma S., einem Heizungsinstallationsbetrieb im Schwäbischen, arbeiten der Chef, drei Gesellen und die Sekretärin seit ca. 15 Jahren ohne jedwede Fluktuation zusammen. Sie haben ein gemeinsames Ziel, nämlich ihre Firma bzw. ihren Arbeitsplatz zu sichern. Sie lassen sich gegenseitig ihren Freiraum, d.h.: Der Chef kontrolliert nur in Maßen, was seine Leute den Tag über treiben. Reklamationen gibt es so gut wie nie. Die drei Gesellen betreiben florierende Nebenbeigeschäfte auf eigene Rechnung; der Chef weiß es, schaut aber weg. Er wird kaum bessere Leute als diese drei kriegen. Man hat sich arrangiert miteinander und möchte so weitermachen. Hier ist das Klima gut.
Im 5000-Leute-Konzern B., der früher einmal familiengeführt war, regieren heute die Controller. Der Betrieb ist in der Futtermittelindustrie einer der ganz Großen. Nach dem teilweisen Verkauf der Firma an einen Global Player wurden die Daumenschrauben angezogen und sicher auch manch ein lieb gewordenes, aber allzu feudales Privileg gestrichen. Auf Geschäftsführer-Ebene wurden die Dienstwagen kleiner, in der Kantine wurde das Essen teurer, der Leistungsdruck wurde erhöht, die Vorgaben verschärft und insgesamt wurden die Kontrollmechanismen besser ausgeschöpft als bisher. Als Argument wurde – durchaus zu Recht – angeführt, dass man nur so im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig bleiben und betriebsbedingte Kündigungen vermeiden könne. Leider haben die neuen Mitbesitzer es verpasst – und das ist in vielen großen Firmen ein Problem –, die Arbeitnehmer mitzunehmen. Die haben einfach nicht begriffen, dass der neue etwas schärfer wehende Wind ihre eigenen Arbeitsplätze sichern hilft. Als es neulich um einen aufwendigen Sonderauftrag ging, waren kaum Freiwillige zu finden. Allgemein hieß es: »Früher hätte ich das gern gemacht. Als der ›Alte‹ noch das Sagen hatte. Aber heute kann ich mich mit dem Laden nicht mehr identifizieren. Es ist mir egal, wie es der Firma geht.« Hier ist das Klima saumäßig schlecht.
Wie viel heiße Luft jemand produziert, das hängt von seinem Rang in der Firmenhierarchie ab. Unten, am Fuße der Pyramide, wird meistens sehr effektiv malocht. Da fehlt einfach die Zeit, heiße Luft zu produzieren. Aber in den mittleren Etagen sind viele Kollegen mehr mit sich selbst als mit dem Wohle der Firma beschäftigt. Je mehr Einfluss jemand hat, desto mehr Zeit muss er nämlich damit verbringen, ihn zu sichern.
Ein solider Arbeiter verbringt fast die ganze bezahlte Zeit damit, zu arbeiten. Ein leitender Angestellter jedoch verbringt geschätzte 40 Prozent seiner Arbeitszeit mit Tricksereien, Intrigen und dem Ausbau seiner Position. Nur ganz oben an der Spitze des Unternehmens wird wieder viel gearbeitet. Da kann man sich nicht so durchmogeln. Fragen Sie mal einen Vorstandsvorsitzenden oder einen mittelständischen Unternehmer, was er den ganzen Tag so macht: Da möchten Sie nicht tauschen (außer beim Geld natürlich, da schon).