Amélie und der deutsche Major II - juergen von rehberg - E-Book

Amélie und der deutsche Major II E-Book

Juergen von Rehberg

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Beschreibung

Amélie und der deutsche Major II Nach dem Tod von Jaques, versucht Francine Ordnung in ihr Leben zu bringen. Jean-Marie, Jaques' Sohn aus erster Ehe, verliebt sich in Francine, und auch der Verwalter der Kaffeeplantagen macht ihr Avancen. Ihr Herz ist aber noch immer sehr stark mit Jaques verbunden. Ein Erholungsaufenthalt in der Schweizer Bergwelt hilft ihr, Abstand zu gewinnen und eine wichtige Entscheidung zu treffen.

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Mein spezieller Dank gilt zwei wunderbaren Freundinnen:

Angélique aus Krems, die mich ermuntert hat eine Fortsetzung von „Amélie und der deutsche Major“ zu schreiben und

Elke aus Hamburg, die mir das Foto für mein Cover geschenkt hat.

Seit dem Tod von Jaques vorm Walde waren schon mehrere Wochen vergangen, und in dieser Zeit hatte sich einiges ereignet.

Während Jaques Ehefrau Franziska und Jean-Marie, der Sohn von Jaques aus erster Ehe, die von Jaques gewünschte Seebestattung allein vollzogen hatten, so gab es eine Woche später eine kleine intime Feier.

Roger, der Sohn von Pierre war mit seiner Ehefrau Ninette und Sohn Claude angereist, um das Andenken von Jaques zu ehren.

Manon, einzig noch lebendes Mitglied aus der Résistance, hatte darauf bestanden, mitzukommen, obwohl ihr das Reisen schon sehr große Mühe machte.

Nun saßen sie alle zusammen, vereint in Trauer und lieben Gedanken an den Verstorbenen.

Roger hatte sich erhoben, um eine kleine Rede zu halten.

„Es ist schade, dass Papa das nicht miterleben kann. Ich wünschte, er säße hier, neben Manon, und würde mit uns das Leben feiern.

Er hat mir oft erzählt, wie das damals war, als die Deutschen Paris besetzt hatten, und wie ein deutscher Major, Jaques Vater, sich ausgerechnet in ein Mitglied der Résistance verliebt hat.“

Manon nickte zustimmend. Ihr, von vielen Zeichen des Alters gezeichnetes Gesicht, wurde von einem feinen Lächeln umspült.

Sie musste gerade daran denken, wie sehr sie A-mélie um den hübschen „Suisse“ beneidete, von dem alle glaubten, er wäre ein Schweizer Hotelierssohn, und den sie selbst gern für sich gehabt hätte.

Roger, der zu Manon geblickt hatte, als er das sagte, musste ebenfalls lächeln. Sein Vater Pierre hatte ihm davon erzählt, dass Amélie und Manon Rivalinnen gewesen sind. Roger fuhr mit seiner Rede fort.

„Und wie dann die beiden, in Liebe verbunden, dem Krieg den Rücken gekehrt haben, um in einem freien Land zu leben.

Sie landeten, nach einer abenteuerlichen Flucht, in der Schweiz, um danach mit dem Flugzeug weiterzufliegen, über Lissabon nach Dakar, und von dort weiter mit dem Schiff, nach Port-au-Prince.

Hermann und Amélie haben auf Haiti eine Kaffeeplantage gegründet, und wenige Zeit später auch eine Familie; Jaques wurde geboren.

Das Unternehmen prosperierte, und der Knabe wuchs heran. Als er alt genug war, wurde Jaques nach Paris geschickt, um an der Sorbonne zu studieren.

Am Ende seines Studiums, blieb er noch eine Weile in Paris, wo er auch Marie kennenlernte, und schon bald darauf heiratete.

Als Marie schwanger wurde, schien das Glück vollkommen zu sein. Am Tag der Geburt hat das Glück jedoch seine Hand zurückgezogen, denn für das Leben des Kindes musste Marie ihr eigenes geben.

Jaques kam damit nicht zurecht und ertränkte seinen Schmerz in Alkohol. Er dachte sogar an Selbstmord, hat es aber nicht getan.

Als seine Eltern von Einheimischen feige ermordet wurden, und deren Lebenswerk dem Verfall drohte, wachte Jaques auf.

Er hörte mit dem Trinken auf, steckte Jean-Marie, der damals gerade einmal zehn Jahre alt war, in ein Internat, und kümmerte sich um die Firma.

Damit begann eine schwere Zeit, sowohl für den Vater des Kindes als auch für das Kind selbst. Es hat Jahre gedauert, bis Vater und Sohn zusammengefunden haben.

Und viele Jahre später, als er selbst nicht mehr daran glaubte, schaute das Glück wieder beim Fenster herein. Jaques lernte Francine kennen und lieben.“

Rogers Blick wanderte zu Franziska, die jedes seiner Worte, mit Tränen in den Augen und voller Dankbarkeit in sich aufsog.

„Und wieder einmal hielt es das Glück nicht lange aus. Das Schicksal trat an seine Stelle, um dir den geliebten Ehemann, dir den Vater und uns den Freund zu nehmen.“

Während Roger das sagte, wanderte sein Blick zu den einzelnen Personen, die wie gebannt seinen Worten lauschten.

Eine unbeschreiblich schöne Stimmung hatte den ganzen Raum erfüllt, welche sich wie ein samtweicher Schal um die verletzten Seelen schlang.

„Wir sind heute hier zusammengekommen, um Jaques zu gedenken, in Trauer und in Freude.

In Trauer, weil er nicht mehr unter uns weilt, und in Freude, weil wir ihn kennenlernen durften und ein Stück weit, Teil seines Lebens waren.“

Roger erhob sein Glas und fügte hinzu:

„Lasst uns auf Jaques trinken und auf die Lebenden. Santé, mes amis!“

Die Freunde aus Paris blieben noch ein paar Tage, bevor sie wieder zurückflogen. Jean-Marie zeigte ihnen die Insel und die Plantage, und beim Verabschieden versicherte man sich gegenseitig, in Verbindung zu bleiben.

*****

Jean-Marie hatte, in Absprache mit Francine, den Namen seines Vaters in die weiße Marmortafel eingravieren lassen.

Jaques hatte sie einst zum Gedenken an die ermordeten Eltern anfertigen und im Garten aufstellen lassen.

Sie stand unter einem der Mahagonibäume und war einen guten Meter hoch. Über den eingravierten Namen war der Zweig eines Kaffeebaums stilisiert.

Jetzt standen, unter den Namen von Hermann und Amélie vorm Walde, auch die Namen Marie und Jaques vorm Walde.

Francine hatte sich auf der Bank niedergelassen, welche neben dem Gedenkstein aufgestellt war.

Es war ein herrlicher Spätsommertag, und der Gesang der Vögel verlieh dem Besucher ein Gefühl der inneren Ruhe und Geborgenheit.

Francine betrachtete den Stein. Als sie zum ersten Mal hier saß und den Namen von Jaques, neben dem von Marie las, stieg für einen kurzen Moment ein Gefühl der Eifersucht in ihr auf.

Sie wies dieses Gefühl sofort wieder von sich und empfand stattdessen große Scham. Sie musste daran denken, dass ihr eigener Name irgendwann einmal dazu graviert werden würde.

Und dann wären sie alle wieder vereint in Harmonie, bar jeglicher Eifersucht. Was für ein wunderbarer Gedanke.

Francines Blick wanderte über die Buchstaben der eingravierten Namen.

„Hallo, Hermann und Amélie“, sagte sie liebevoll, „ich hätte euch sehr gern kennengelernt. Allein, um aus eurem Mund die Geschichte eurer abenteuerlichen Flucht zu hören.“

Ihr Blick wanderte weiter zu Marie.

„Hallo, Marie! Es tut mir leid, dass ich eifersüchtig auf dich war. Wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Du warst sicher eine wunderbare Frau, wie sonst hätte Jaques dich zur Frau genommen.“

Als Francines Blick bei Jaques angelangt war, füllten sich ihre Augen mit Tränen.

„Hallo, mein Liebster“, sagte sie mit tränenerstickter Stimme, „es tut noch immer so weh. Ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll. Deine Liebe fehlt mir so sehr.“

Francine hörte Schritte. Es war Jean-Marie.

„Salut, Francine!“

Jean-Marie setzte sich neben Francine und legte seinen Arm um sie.

„Hier ist Papa oft gesessen. Im Gegensatz zu dir hatte er meist ein Glas Wein in der Hand. Was meinst du, soll ich uns ein Glas holen?“

Francine schaute in das fröhliche Gesicht von Jean-Marie. Sie beneidete ihn fast ein wenig, wie unbeschwert er mit dem Tod seines Vaters umging, obwohl er ihn ebenso sehr liebte wie Francine.

„Nein, danke“, antwortete Francine, „es ist noch zu früh für ein Glas Wein.“

„Für ein gutes Glas Wein ist es nie zu früh“, erwiderte Jean-Marie lachend.

„Du bist ein Filou1“, sagte Francine, „vielleicht später.“

„Wie gefällt dir der Stein?“, fragte Jean-Marie, und Francine antwortete:

„Sehr; es ist eine wunderbare Idee. Und der Platz dafür ist perfekt. Man kann so den geliebten Menschen nahe sein.“

„Das stimmt“, antwortete Jean-Marie, und dann stellte er Francine eine überraschende Frage:

„Stört es dich, dass der Name von Papa neben Mama steht?“

Francine spürte, dass sie zu erröten begann. Mit einer hastigen Bewegung fuhr sie über ihr Gesicht, gerade so, als wolle sie die Röte damit wegwischen.

„Aber nein“, antwortete sie sogleich, um dem Gesagten ein „Mehr“ an Wahrheit zu verleihen.

Sie blickte verstohlen zu Jean-Marie, in der Hoffnung, er würde ihre Verzweiflungstat nicht entdeckt haben.

„Das freut mich“, sagte Jean-Marie.

Die Art, wie er es gesagt hatte, brachte Erleichterung für Francine. Jean-Marie hatte ihr kurzes verwirrt Sein nicht entdeckt.

„Ich lasse dich dann wieder allein“, sagte Jean-Marie und entfernte sich. Zuvor gab er Francine noch einen Kuss auf die Stirn.

Francine lächelte. Sie schaute Jean-Marie nach, bis er ihrem Blick entschwunden war. Dann wanderte ihr Blick wieder zurück auf den Stein mit dem Namen ihres Liebsten und sagte:

„Ich finde, du hast einen wunderbaren Sohn; und ein bisschen ist er auch mein Sohn. Ich hoffe, du hast nichts dagegen.“

*****

Die Übelkeit, von der Francine in den letzten Tagen immer wieder heimgesucht worden war, hatte einen guten Grund.

„Sie sind schwanger, mein Kind.“

Als Professor Moreau diese bedeutsamen Worte sagte, fühlte sich Francine einer Ohnmacht nahe.

Gabriel Moreau war mehr als nur ein Arzt. Er war der Familie vorm Walde seit vielen Jahren als Freund verbunden.

Francine hatte ihn aufgesucht, weil sie die Ursache ihrer immer wiederkehrenden Übelkeit abklären lassen wollte. Sie hatte mit allem Möglichen als Ursache dafür gerechnet; aber ganz sicher nicht mit dieser.

Der Professor schaute in das entsetzte Gesicht von Francine und fragte:

„Freuen Sie sich denn gar nicht, meine Liebe?“

„Verzeihen Sie, Herr Professor“, stammelte Francine, „es kommt nur so plötzlich.“

„Na ja“, erwiderte der Professor mit einem Lächeln, „das wollen wir doch nicht hoffen. Neun Monate sollte es schon dauern.“

Jetzt löste sich Francine aus ihrer vorübergehenden Starre und schloss sich dem Lächeln des Professors an.

„Na, sehen Sie, Francine“, sagte der Professor, „jetzt freuen wir uns beide. Und was den <Professor> angeht, den lassen wir künftig weg. Ich heiße Gabriel, und ich wünsche mir, dass wir DU zueinander sagen.“

„Aber das geht doch nicht, Herr Professor“, erwiderte Francine, worauf Gabriel antwortete:

„Und ob das geht. Oder möchtest du mit einem alten Knacker wie mir nicht per DU sein? Jaques würde es sicher gefallen. Da bin ich mir absolut sicher.“

Francine bekam Tränen in die Augen. Ihr wurde in diesem Augenblick gewahr, dass in ihr ein Teil eines geliebten Menschen in Form eines Kindes zu wachsen begonnen hatte, welches er niemals auf dem Arm halten können würde.

„Ich hoffe, es sind Tränen der Freude, meine Liebe“, sagte Gabriel, „und jetzt lass mich dich in den Arm nehmen und dir versichern, dass ich dich, während der ganzen Schwangerschaft, begleiten werde.“

„Danke, Gabriel“, erwiderte Francine, die gerade einen guten Freund gewonnen hatte, der ihr eine wesentliche Hilfe gewesen war, eines der wunderbarsten Geschenke anzunehmen, welche das Leben für die Menschen bereithält.

„Tout ira bien!2“, flüsterte Gabriel, der Francine noch immer fest umschlungen hielt.

Francine spürte, wie ein wohliges, warmes Gefühl ihren ganzen Körper durchströmte und wie freudige Erwartung sie in Besitz nahm.

Sie gab Gabriel einen Kuss auf die Wange und sagte:

„Ich muss es gleich Jaques erzählen.“

Gabriel, der um den Gedenkstein wusste, lächelte und antwortete:

„Tu das, Francine, und grüße ihn lieb von mir.“

*****

Francine hatte Jean-Marie gebeten, er möge am Abend zu ihr kommen. Als sie ihm die Tür öffnete, erschrak sie. Jean-Marie hielt ihr einen Strauß roter Rosen entgegen.

„Für die schönste aller Rosen“, sagte Jean-Marie und streckte Francine, glückselig strahlend, die Blumen entgegen.

Francine bemerkte sofort, dass Jean-Marie nach Alkohol roch. Aus diesem Grund, und vielleicht auch deshalb, weil Jean-Marie mit dem Tod seines Vaters noch immer nicht zurechtkam, versuchte sie die groteske Situation zu entschärfen, indem sie scherzhaft sagte:

„Du kannst gerne hereinkommen; aber die bleiben draußen.“

Dabei deutete sie auf den voluminösen Rosenstrauß, den ein Mann normalerweise seiner Angebeteten schenkt.

Im Kopf von Francine lief gerade ein Film ab, dessen Inhalt sie so gar nicht wahrhaben wollte. Sollte Jean-Marie am Ende in sie verliebt sein?

Die Antwort darauf erfolgte unmittelbar.

„Aber warum, mein Schatz“, sagte Jean-Marie, „magst du keine Rosen?“

Erst jetzt wurde Francine offenbar, dass Jean-Marie wohl eine größere Menge Alkohol konsumiert haben musste.

Seine Bewegungen wurden fasrig und seine Sprache begann zu stolpern. Er hatte sich offenbar Mut antrinken müssen, um diesen Schritt zu wagen.

Francine hatte bisher nur eine Art kleiner Bruder in ihm gesehen, und jetzt gerade stand ein Mann vor ihr, der sein Begehren in Wort und Tat zelebrierte.

Francine sah Jean-Marie an. In ihrem Blick vereinten sich Entsetzen und Mitleid gleichermaßen, als sie sagte:

„Lass uns das vergessen, Jean-Marie. Du gehst jetzt nach Hause und kommst morgen, wenn du wieder nüchtern bist. Wir werden dann über alles reden.“

Jean-Maries Enttäuschung war nicht zu übersehen. Sein Gesicht mutierte zu einer starren Maske, und seine Augen füllten sich mit Tränen. Es waren Tränen der Wut.

Er warf den Blumenstrauß mit einer heftigen Geste zu Boden, und noch im Weggehen warf er die Worte „ich hasse dich“ hinterher.

Francine überlegte, ihm nachzueilen, ließ es aber sein. In dem Zustand, in welchem sich Jean-Marie gerade befand, wären ihre Worte abgeprallt wie die Wogen des Meeres, wenn sie vom Felsen zurückgeschleudert werden.

Francine überlegte, ob sie, und wenn, wann sie Jean-Marie jemals ein Zeichen gegeben haben könnte, das ihn zu diesem Schritt veranlasst hat.

Aber so sehr sie sich auch mühte, sie konnte sich an nichts Derartiges erinnern. Eine tiefe Traurigkeit befiel sie. Sie fragte sich, wie es wohl weitergehen würde; jetzt, da sie ein Kind in sich trug.

*****

Francine hatte den ganzen Tag auf Jean-Marie gewartet; aber er kam nicht. Sie überlegte, ob sie ihn vielleicht anrufen sollte, nahm aber Abstand davon. Sie wollte ihn keinesfalls drängen. Vielleicht war seine Scham übermächtig, und er brauchte nur ein wenig mehr Zeit.

Als jedoch eine Woche verstrichen war, ging Francine in die Offensive. Sie rief Jean-Marie mehrmals an, kam jedoch immer nur bis zur Mailbox.

Die Ungewissheit, und die damit eingehende Sorge, ließen Francine ins Auto steigen und zur Plantage fahren.

Kenscoff ist ein kleines Dorf, ca. 40 km südöstlich von Port-au-Prince und zugleich auch der Sitz der Plantage.

Zur Plantage gehören auch ein kleines Wohnhaus und ein weiteres Gebäude, in welchem die Verwaltung untergebracht ist.

Die Plantage ist umzäunt, und hat ein wenig den Charakter einer Festung. Das kann man schon daran erkennen, dass ein Wachdienst vorhanden ist.

Nach dem feigen Mord an Hermann und Amélie vorm Walde, zu Zeiten der Schreckensherrschaft von „Papa Doc“ Duvalier3 und seinen „Tontons Macoutes“4 hatte Jaques diese Maßnahme ergriffen.

Francine wurde vor dem Tor angehalten. Ein Mann in einer Art Uniform trat heran und fragte Francine nach ihrem Begehr. Francine stieg aus dem Wagen.

Im selben Moment kam der Mann, der im Pförtnerhaus saß, und der Francine erkannt hatte, herausgestürzt, und herrschte den Wachmann mit aufgeregter Stimme an:

„Siehst du nicht, wer das ist?“

Der Wachmann schüttelte klarerweise den Kopf. Woher hätte er Francine auch kennen können. Die wenigen Male, die sie auf der Plantage war, konnte man an einer Hand abzählen. Und außerdem wechselten die Männer am Tor ja ständig.

„Das ist die Herrin“, sagte der Pförtner, und zur besseren Verdeutlichung fügte er noch hinzu:

„Das ist die Witwe vom Herrn Konsul.“

Der etwas verwirrte Wachmann verbeugte sich tief, als Zeichen seiner Wertschätzung, und dem Versuch der Wiedergutmachung seines Fehlers.

„Ist schon in Ordnung, Kamaka“, sagte Francine, die sich – sehr zum Erstaunen des Pförtners – dessen Namen gemerkt hatte. Es lag wohl daran, dass er Francine gefiel.

„Ist Jean-Marie irgendwo auf dem Gelände?“, fragte Francine, und der Pförtner antwortete:

„Da fragen Sie am besten den Verwalter.“

„Und wo finde ich diesen Herrn?“, fragte Francine.

Der Pförtner wies auf das lange, flache Gebäude, welches weit hinten gut zu erkennen war.

„Vielen Dank, Kamaka“, sagte Francine und stieg wieder in den Wagen.

Der Wachmann öffnete das Tor und Francine fuhr hinein. Als sie vor dem Gebäude ankam, stand der Verwalter schon vor der Tür. Kamaka hatte ihn offensichtlich informiert.

„Küss die Hand, Frau Baronin“, sagte der Verwalter und verbeugte sich leicht.

„Sie wissen, wer ich bin?“, erwiderte Francine, und in ihrer Stimme lag eine leichte Schärfe. Die Art der äußerst jovial wirkenden Begrüßung schien ihr völlig unangebracht.

„Aber ja doch, Frau Baronin“, antwortete der Verwalter in derselben Manier, wie zuvor, worauf Francine sagte:

„Wäre es dann nicht an der Zeit, dass Sie sich erst einmal vorstellen? Ich kenne Sie nämlich nicht.“

Jedes dieser Worte war wie ein Hieb ins Gesicht. Der Verwalter zuckte zusammen.