Apfel, Nuss und Mandelkuss - Vera Hewener - E-Book

Apfel, Nuss und Mandelkuss E-Book

Vera Hewener

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Beschreibung

Jedes Jahr die gleichen Fragen, jedes Jahr viel Trubel und Vorbereitung, jedes Jahr die Faszination für das schönste Fest der Christenheit: Weihnachten. Die Weihnachtsgeschichten von Vera Hewener erzählen von dem ganz besonderen Zauber der Adventszeit, beflügeln die Fantasie und schicken die Seele auf die Reise. (DieWoch 05.12.20) Das Buch versammelt neueste und ausgesuchte Geschichten für stimmungsvolle, heitere und besinnliche Stunden im Kerzenschein aus dem literarischen Werk von Vera Hewener.

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Jedes Jahr die gleichen Fragen, jedes Jahr viel Trubel und Vorbereitung, jedes Jahr die Faszination für das schönste Fest der Christenheit: Weihnachten. Die Weihnachtsgeschichten von Vera Hewener erzählen vom ganz besonderen Zauber der Adventszeit, „beflügeln die Fantasie und schicken die Seele auf die Reise.“ (DieWoch 05.12.20) Das Buch versammelt neue und ausgesuchte Weihnachtsgeschichten für Groß und Klein aus dem literarischen Werk von Vera Hewener für besinnliche, heitere und nachdenkliche Momente im Kerzenschein.

„Vera Hewener versteht es meisterlich, Fiktion und Realität miteinander zu verknüpfen...viel Raum für Besinnlichkeit und Reflektion.“ DieWoch Buchtipp 11.10.2017. „Offensichtlich steckt auch ein Schalk in Hewener." Anja Kernig SZ 07.12.17. „Einfühlsam geschriebene Geschichten, mal heiter und komisch, mal reflektierend und nachdenklich.“ DieWoch Buchtipp 10.11.18. „Wer sich gerne im hektischen Alltag eine Auszeit gönnen möchte, findet hier reichlich Raum dafür, kurzum ein Adventsbuch zum Schmökern und Vorlesen.“ Heusweiler Wochenpost 17.11.21.

Vera Hewener, Dipl.-Sozialarbeiterin, geb. 1955 in Saarwellingen, veröffentlicht seit 1986 Lyrik, Erzählungen und Bühnenstücke. Veröffentlichungen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Ungarn, Einzelübersetzungen ins Französische und Ungarische. Mehrfach ausgezeichnet, u.a. vom Centro Europeo di Cultura Rom (I) Superpremio Cultura Lombarda 2001, Superpremio Mondo Culturale, 2002; von CEPAL Centre Européen pour la Promotion des Arts et des Lettres Thionville (F) 1. Preis Deutsche Sprache 2004, Großer Europäischer Preis der Poesie 2005, Trophäe Goethe 2007, Trophäe Mörike 2015, Wilhelm Busch Preis 2017.

Inhaltsverzeichnis

Das Winterlied

Weihnachtsgeschenk für Opa

Der digitale Nikolaus

Apfel, Nuss und Winterkleid

Nikolausalarm

Der Fuchs und die Christrose

Die Weihnachtsmusikanten

Seht her, ein Stern zieht uns voran

Das grosse Vorbild

Zu viel oder zu wenig?

Die Adventsfeier

Der springende Funke

Weihnachtsgrüsse aus einer anderen Welt

Dresdner Stollen

Das Krippeli

Tornado im Advent

Ein Wunder für ein Himmelreich

Die „Frauen vom Heiligen Geist“

Verborgene Winterwelt am Köllerbach

Skizirkus in Sankt Moritz

Allezeit Weihnachten

Gans oder gar nicht

Bad Hofgastein

Wiener Oper

Weihnachten in der Berghütte

Herrscher des Himmels erhöre das Lallen

Schöne Bescherung

Berliner Advent

Das Weihnachtskonzert

Ein nobler Herr

Die Wolferten kommen

Bücher von Vera Hewener

DAS WINTERLIED

„Keine Flocke ist so weiß, wie der heiße Sonnenschweiß“, sang Karlchen mit voller Inbrunst auf die Melodie Alle Vögel sind schon da.

„Nanu, wo hast du denn diesen Text her?“ fragte ihn Oma, die am Tisch saß und Karten legte.

„Ich weiß nicht. Er ist mir einfach eingefallen“, brummelte Karlchen.

„Aha“, meinte Oma. Der Sommer war schon längst gegangen. Draußen stürmte und donnerte es. Der späte Herbst ließ nichts aus.

„Kein Orkan ist stark genug, den Park zu stürmen wie im Flug“, sang jetzt Mariechen und setzte sich auch an den Tisch.

„Ach, das ist ja ein schöner Chor“, lobte Oma.

„Mach doch mit“, bat Mariechen.

„Lasst mich mal überlegen“, sagte sie. „Niemand lässt den Winter aus, nicht einmal die Weihnachtsmaus.“

„Hei, das wird ein lustiges Winterlied,“ freute sich die Mutter, die aus der Küche kam. „Jetzt bist du dran, Mama, du musst dir auch etwas ausdenken“, sagte Karlchen. Die Mutter überlegte und ergänzte das Winterlied. „Heute röste ich Maronen, um den Herbstwind zu belohnen“.

„Ich bin wieder dran“, rief Mariechen. „Hm, mal überlegen. Alle Vögel fliegen fort, wintern dort im Sonnenort.“

„Lasst uns Mandelplätzchen backen und kleine Geschenke packen“, sprudelte es aus Karlchen heraus. „Ihr habt den Wald vergessen“, erkannte die Oma, „also, wie wär es damit: Seht der grüne Tannenbaum träumt schon von dem Wintertraum.“ „Ja“, jubelte Karlchen, „da fehlt noch etwas. Apfel, Nuss und Mandelkuss, jetzt ist’s m mit dem Herbstwind Schluss.“ „Richtig“, sagte die Mutter, „Denn jeden Winter warten wir auf die weiche Flockenzier.“

„Hurra“, rief Mariechen, „jetzt haben wir ein eigenes Familienwinterweihnachtslied erfunden.“

„Ja“, meinte Oma, „nun müssen wir es noch zusammenfügen. Also schreibt jetzt jeder seine Verse auf und wir sortieren sie danach.“ So begannen alle, ihre Sätze aufzuschreiben und bildeten daraus Strophen. „Jetzt könnt ihr beiden das ganze Lied singen“, meinte die Mutter. Karlchen und Mariechen sangen aus vollem Herzen:

Alle Vögel fliegen fort,

wintern dort im Sonnenort.

Kein Orkan ist stark genug,

den Park zu stürmen wie im Flug.

Heute röste ich Maronen,

um den Herbstwind zu belohnen.

Keine Flocke ist so weiß,

wie der heiße Sonnenschweiß.

Jeden Winter warten wir

auf die weiche Flockenzier.

Niemand lässt den Winter aus,

nicht einmal die Weihnachtsmaus.

Seht der grüne Tannenbaum

träumt schon von dem Wintertraum

Apfel, Nuss und Mandelkuss,

jetzt ist‘s mit dem Herbstwind Schluss.

Lasst uns Mandelplätzchen backen

und kleine Geschenke packen.

„Das war schön“, freute sich Karlchen.

„Ja“, ein richtiger Familiendichtertag“, strahlte Mariechen.

„Jetzt habt ihr euch aber einen heißen Kakao verdient“, versprach die Mutter und ging in die Küche, um die Milch zu wärmen.

WEIHNACHTSGESCHENK FÜR OPA

Traurig saß Oma auf dem Sessel, tieftraurig. Ihr Mann war im Sommer gestorben und nun war bereits wieder Weihnachten. Sie konnte das alles immer noch nicht verstehen. Warum musste er von ihr gehen? Im Krieg hatte sie sich geschworen, Hitler wird mir meinen Mann nicht nehmen. Jahrelang versteckte sie ihren Ehemann und war von einem Bauernhof zum nächsten gezogen. Gegen Kriegsende denunzierte sie jemand. Er wurde verhaftet und kam in ein Konzentrationslager. Zwei Jahre musste er durchstehen, dann kam er zurück. Er hatte nie darüber gesprochen, was ihm dort widerfahren war. Während sie durch ihre Erinnerungen wanderte, wurde ihr Blick immer dunkler, das Gesicht verfinsterte sich.

„Oma“, fragte Karlchen neugierig, „weißt du, was das Christkind mir bringt?“

Oma schreckte auf. „Was hast du gefragt, Karlchen?“

„Ob du weißt, was mir das Christkind bringt? Ein kleines Geschenk vielleicht?“, wiederholte er und blickte sie flehentlich mit seinen großen braunen Augen an. Er sah seinem Großvater sehr ähnlich.

„Ich weiß es nicht, Karlchen, ich weiß gar nichts mehr“, bekannte die Witwe.

„Was weißt du nicht mehr? Hast du alles vergessen?“, stutzte Karlchen. Was war denn nur mit Oma los?

„Ich weiß nicht mehr, ob der liebe Gott noch ein Auge auf uns hat“, sagte sie mit tonloser Stimme.

Karlchen verstand nicht. „Wie meinst du denn das? Der liebe Gott sieht alles, hat der Pfarrer gesagt.“

Oma holte tief Luft. Sie hatte für einen Moment vergessen, dass sie nicht allein war. „Entschuldige Karlchen, ich bin mit meinen Gedanken bei Opa.“

„Opa ist jetzt im Himmel,“ wusste Karlchen. „Ob er wohl weiß, was das Christkind mir bringt?“

„Opa ist im Himmel, ganz bestimmt. Alle guten Menschen kommen in den Himmel“, sprach sie mehr zu sich als zu ihrem Enkelkind. Wieder hatte sie den Krieg vor Augen, den Alarm der Sirenen, den Beschuss. Dem letzten Luftangriff konnte sie gerade noch entgehen.

„Wenn Opa hier wäre, würden wir jetzt Karten spielen“, erinnerte Karlchen sich.

Oma bekam Tränen in die Augen. „Ganz bestimmt“, schluchzte sie. Wie gut, dass ihre Enkelkinder keinen Krieg erleben mussten. Hoffentlich blieb es weiterhin friedlich.

„Weißt du was“, schlug Karlchen vor, „lass uns jetzt auch Karten miteinander spielen. Das wär doch ein wundervolles Geschenk für Opa. Dann kann er uns zuschauen und ist nicht so allein im Himmel“.

Oma weinte still in sich hinein. Warum hatte Gott ihr den Mann genommen, fragte sie sich. Er hatte doch keinen Grund. Trotz des Krieges war ihr Gottvertrauen ungebrochen geblieben. Menschen verursachten das viele Leid, nicht Gott.

„Nicht weinen, Oma. Wir sind doch auch traurig, dass er nicht mehr da ist“, versuchte Karlchen, sie zu trösten.

„Entschuldige, aber er fehlt mir so sehr“, grämte sie sich.

„Uns fehlt er doch auch. Kein Opa war so lieb zu uns wie er. Auf der ganzen Welt gibt es keinen besseren Opa. Komm, lass uns Karten spielen. Dann freut er sich mit uns.“

Karlchens Vorschlag riss den dunklen Vorhang etwas auf. Ich verderbe meinem Enkel den Heiligen Abend, spürte sie. Das hatte Karlchen nicht verdient. Die Enkelkinder wussten doch gar nicht, was im Krieg geschehen war. Kein einziges Wort war jemals über ihre Lippen gekommen.

„Du hast Recht, spielen wir Karten.“ Oma trocknete die Tränen, Karlchen holte das Kartenspiel aus dem Schrank und begann, sie zu mischen.

„Aber dass du es weißt. Wenn du schummelst, wird Opa dich an den Haaren ziehen. Und schau mir nicht in die Karten.“

Jetzt lächelte Oma. „Ich schummle doch nicht.“

„Aber weil du so groß bist, linst du immer in mein Blatt. Wer nicht ehrlich ist, den holt der Teufel, sagt unser Pfarrer immer. Und du willst doch wieder zu Opa kommen.“

Dieser liebe Junge, dachte sie, gibt sich alle Mühe, dass ich wieder atmen kann. Karlchen hatte sie besonders in Herz geschlossen. Wenn sie in sein Gesicht sah, sah sie ihren Mann in jungen Jahren vor sich. Vielleicht würde ihr Mann auch wollen, dass sie wieder lachen konnte. Vielleicht hatte Gott ihren Mann zu sich genommen, bevor er wegen einer Krankheit leiden musste. Er hatte im Krieg genug gelitten. Sie griff um das Kreuz, das an der Halskette baumelte. Lieber Gott, betete sie in Gedanken, wenn du mich wirklich liebst, dann schenk mir die Kraft, mich mit dem Schicksal zu versöhnen und meinem Enkel Freude zu bereiten.

„Ja“, schluchzte sie jetzt wieder, „ich will da oben bei ihm sein.“ Sie atmete tief ein.

„Aber jetzt noch nicht, Oma. Du musst noch warten bis wir groß genug sind. Ich verrate auch nicht, wenn du trotzdem schummelst. Es ist ja nur ein Kartenspiel“, versicherte Karlchen.

DER DIGITALE NIKOLAUS

Es war kurz vor dem ersten Advent, als die Kinder in der Grundschule ein Tablet geschenkt bekamen. Damit sollte der digitale Unterricht erleichtert werden. Nicht nur wegen des Heimunterrichts aufgrund der Pandemie. Dies sollte auch den Aufbruch in die moderne Didaktik und Pädagogik verkörpern. Lernen als Computer gesteuerte Wissensvermittlung, mehr noch, Selbstlernen als Einstieg in selbständiges Denken und Handeln. Das waren die Tugenden, die heute in der Wirtschaft verlangt wurden. So begrüßten die Eltern, die vom Heimunterricht geplagt waren, diese vorweihnachtliche Gabe in der Hoffnung, dass die Pandemie doch noch etwas Gutes für die Sprösslinge bewirken könnte. Von nun an wurde der Unterrichtsstoff digitalisiert präsentiert. Jeden Morgen pünktlich um acht Uhr erwachte das Tablet zum Leben: „Guten Morgen liebe Schüler*Innen. Bitte öffnet euer Tablet. Wir wollen mit dem Unterricht beginnen.“

Die wohlklingende Computerstimme war als Schleife programmiert. Heute sollte mit dem arithmetischen Grundwissen fortgefahren werden. Die Geschwister Michael und Fritz saßen an ihren Tablets und lauschten wie gebannt den Anweisungen. Das Einmaleins verlangte ungeteilte Aufmerksamkeit. Einmal eins war eins. Was war zweimal eins? Auf dem Bildschirm flackerten zwei Tablets. So ging es weiter. Als die Stimme bei zehnmal eins angekommen war, blinkten zehn Tablet auf der Oberfläche. Michael, Klassenbester mit einem übereifrigen Erfindergeist, spitzte zu Fritz hinüber. „Das ist ja ein Schaltkreis“, rief er. „Zehnmal eins ist also ein Schaltkreis?“, fragte Fritz. „Ja, genau. Wenn alle miteinander in Verbindung stehen, wird daraus ein Schaltkreis.“

„Hm“, brummelte Fritz und dachte, dass Zahlen sich ab einer gewissen Größe wohl in Dinge verwandelten und einen eigenen Kreislauf entwickelten. Wie war das wohl dann mit den vier Kerzen am Adventskranz? Viermal eine Kerze ergaben nach dieser Theorie, so nannten die Erwachsenen unbewiesene Annahmen, einen Adventskranz. Wenn nun aber vier Adventskränze zusammengeschlossen würden, wäre das dann ein Adventskreis? Würden die Kerzen oder die Kränze miteinander kommunizieren? Oder wenn an Weihnachten die Geschenke digital verteilt würden, wäre das dann ein Geschenkekreis? Was wäre wohl mit dem Nikolaus? Würde er die Socken digital füllen oder kam er persönlich vorbei? „Du hast doch Speicherkarten“, klärte Michael den kleinen Bruder auf. „An Nikolausabend machen wir die Tablets an und sehen am nächsten Morgen nach, was drauf ist.“ Das digitale Lernen nahm seinen Lauf und begann, sich zu verselbständigen.

Am Abend saßen alle beim Abendessen an einem Tisch, auch Oma Christa. Fritz zählte die Familienmitglieder und kam auf fünf. Fünfmal eins war also ein Familienkreis. Das musste er sich merken. Was man so alles zusammenschalten konnte! Jetzt begann er erneut zu multiplizieren. Zweimal eins war ein Paar, dreimal eins eine kleine Familie, viermal eins ein Adventskreis, fünfmal eins ein Familienkreis, sechsmal eins ein Jugendkreis, siebenmal eins eine Handballmannschaft. Weiter kam er nicht.

“Fritz, was überlegst du denn so angestrengt? Hat das Tablet nicht funktioniert?“, fragte seine Mutter. „Ich lerne gerade das Einmaleins“, verkündete er stolz. „Funktioniert es oder hast du Fragen?“

„Nein, nein. Ich habe gerade nochmal die Zehnerreihe durchgezählt.“ Seine Mutter nickte und war froh, dass die Entlastung scheinbar funktionierte. „Wenn ihr fleißig seid, wird der Nikolaus euch bestimmt belohnen“, sagte sie.

„Au fein. Mama, hast du noch ein paar Speicherkarten übrig?“, fragte Fritz. „Speicherkarten? Hm, vielleicht hat Papa noch ein paar Sticks rumliegen. Ich seh gleich mal nach“, versprach sie nichtsahnend. Sie fand noch zwei Speicherkarten, die sie Fritz brachte. „Jetzt macht ihr aber die Tablets aus. Ihr wisst doch, dass morgen Nikolaustag ist.“

Michael nahm die Sticks und überlegte. Wenn er die Sticks in ein Tablet oder ein Laptop einsteckte, konnte er dann die Nikolausgeschenke optimieren? Er müsste dann alle Geräte irgendwie miteinander verbinden. Vielleicht gelang dies über die Schulcloud. Ja, dachte er, das ist die Lösung. Er würde in jedes Gerät einen Stick einstecken und alle bei der Schulcloud einloggen. Gedacht, gemacht. Michael erklärte Fritz, was er tun sollte und schickte ihn in das Arbeitszimmer der Eltern. Er sollte die Laptops unbemerkt von den Eltern in ihr Zimmer bringen. Damit ihre Mutter sie beim Gutenachtkuss nicht sah, versteckte er sie unter den Betten. Als die Mutter gegangen war, flüsterte er: „Fritz, die Luft ist rein. Komm, hilf mir mal, alles auf den Schreibtisch zu stellen.“ Fritz tat, wie ihm befohlen. Michael, der Technikspezialist, verband sie mit einem Kabel, wählte die Schulcloud an und gab die Laptops und Tablets frei. „So“, sagte er voller Vorfreude, „Nikolaus kann kommen.“

Am nächsten Morgen ging der Vater in das kleine Arbeitszimmer, um mit dem Homeoffice zu beginnen. Er erschrak. „Renate, komm mal her. Die Laptops sind weg. Jemand ist heute Nacht bei uns eingebrochen.“

„Was, das gibt es nicht, heute Nacht? Aber ich hab gar nichts mitbekommen.“ Nach der Flasche Wein waren beide in den Tiefschlaf gefallen. „Kinder“, rief die Mutter, „ist euch etwas geschehen? Wir hatten einen Einbruch heut Nacht. Die Laptops sind weg.“ Michael grinste: „Das war bestimmt der Nikolaus.“ Der Vater wunderte sich über Fritzchens Fantasie. „Dann müssten die Laptops jetzt in einem Strumpf stecken. Lasst uns mal nachsehen.“ Die Familie begab sich ins Wohnzimmer. Die Socken hingen gefüllt mit Süßigkeiten am Band. „Da sind sie aber nicht. Wir müssen die Polizei verständigen.“ Der Vater war besorgt. „Papa, warte doch. Vielleicht hat der Nikolaus sich im Dateienbaum verirrt“, versuchte Michael, den Vater davon abzuhalten. „Wie, Dateienbaum? Wie soll der Nikolaus denn da reinkommen?“ Dem Vater schwante nicht Gutes. Er hatte geheime Daten, Betriebsgeheimnisse, auf seinem Computer. „Hast du nicht gesagt, in eine Cloud käme jeder hinein?“, suchte Michael nach Bestätigung. Du lieber Himmel, er wird doch nicht? Im Kopf des Vaters lief ein schlechter Film ab. „Michael, sag mal, hast du etwa dem Nikolaus dabei geholfen?“ Das Entsetzen stand ihm im Gesicht geschrieben.

„Weiß nicht“, stammelte er kleinlaut, da die Stimme seines Vaters Ärger vermuten ließ. „Zeig mir doch bitte mal eure Tablets.“ Sie gingen ins Kinderzimmer. Alle Geräte standen auf dem Schreibtisch, die Lämpchen glühten, helle Warntöne piepsten. „Oh je“, entfuhr es Michael. „Das war wohl zu viel für den Nikolaus. Der füllt sicher noch die Speicherkarten.“ Der Vater zog blitzschnell das Netzkabel und löste alle Verbindungen. Die Geräte waren ausgeschaltet. „Aber Papa, jetzt hat der digitale Nikolaus sein Werk nicht vollendet. Hast du nicht gesagt, wir dürften den himmlischen Mächten nicht dazwischenfunken?“ Der Vater versuchte, tief durchzuatmen. „Michael, es gibt keinen digitalen Nikolaus. Er hat euch doch die richtigen Socken, die im Wohnzimmer hängen, gefüllt. Ein Stick ist nur elektronisch mit Daten zu füllen. Du kannst die Schokolade zwar ausdrucken, wenn sie in einer Datei gespeichert ist, aber nicht aufessen.“

„Nicht? Dann gibt es auch kein digitales Multiplizieren?“, fragte Fritz jetzt verunsichert. „Das Einmaleins hat sich nicht geändert. Einmal eins ist immer noch eins“, sagte der Vater.

„Aber zweimal eins ist ein Paar und zehnmal eins ein Schaltkreis. So steht es auf dem Schulcomputer“, meinte Fritz.

„Dann gib mir mal dein Tablet.“ Der Vater machte es wieder an. Alles funktionierte. Nur eine Fehlermeldung, dass die Freigabe nicht erteilt werden konnte, weil das Passwort fehlte. Gott sei Dank, dachte er. Dann rief er die Seiten der Arithmetik auf. Ein Tabletbildchen tauchte auf der Oberfläche auf. „Siehst du, einmal eins ist ein Tablet. Wenn ich jetzt auf zehnmal eins gehe, kommt ein Schaltkreis. Das hat Michael gesagt“, beharrte Fritz auf seiner Erkenntnis. „Aber Fritzchen, das sind nur Symbole, damit du besser die Zahlenreihen lernen kannst. Wenn du zehnmal ein Tablet rechnest, hast du zehn Tablets. Du kannst aber auch zehn Tablets einfach zusammenzählen und du erhältst ebenfalls die Zahl zehn. Das heißt aber noch lange nicht, dass dies ein Schaltkreis ist.“