Vom Salzburger Land bis Trentino-Südtirol - Vera Hewener - E-Book

Vom Salzburger Land bis Trentino-Südtirol E-Book

Vera Hewener

0,0

Beschreibung

Im Winter auf dem Hornschlitten ins Tal fahren, in Sankt Moritz in der Notrufzentrale sitzen, Weihnachten in der Berghütte umringt von Steinböcken feiern oder in Wien am Eheleben eines Fiakers teilhaben. Die Geschichten, Gedichte und Reisenotizen von Vera Hewener führen vom Salzburger Land, nach Wien, Tirol, Graubünden bis ins Trentino-Südtirol. Hymnisch-gewaltige Gesänge lassen an Hölderlin und Rilke denken. SZ, 17.11.03. Einfühlsam geschriebene Geschichten, mal heiter und komisch, mal reflektierend und nachdenklich. DieWoch Buchtipp 10.11.18. Wer sich gerne im hektischen Alltag eine Auszeit gönnen möchte, findet hier reichlich Raum dafür. Heusweiler Wochenpost 17.11.21.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 99

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über das Buch

Im Winter auf einem Hornschlitten ins Tal fahren, in Sankt Moritz in der Notrufzentrale sitzen, Weihnachten in der Berghütte umringt von Steinböcken feiern oder in Wien am Eheleben eines Fiakers teilhaben. Die Geschichten, Gedichte und Reisenotizen von Vera Hewener führen vom Salzburger Land, nach Wien, Tirol, Graubünden bis ins Trentino-Südtirol.

Vera Hewener, geboren 1955 in Saarwellingen, Dipl.-Sozialarbeiterin, veröffentlicht neben sozialwissenschaftlichen Publikationen Lyrik, Erzählungen und Szenen u.a. in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Frankreich. Mehrfach international ausgezeichnet, u.a. Superpremio Cultura Lombarda (I) 2001, 1. Preis Deutsche Sprache 2004 (F), Grand Prix Européen de Poésie (F) 2005, Goethe Trophäe (F) 2007, Wilhelm Busch Preis (F) 2017.

Pressesplitter:

„Heweners Sprache ist Rhythmus und Malerei.“ SZ, 07.05.2002. “Zart und duftig sind viele dieser Gedichte, voller Freude über den Einklang mit der Natur; hymnisch-gewaltige Gesänge lassen an Hölderlin und Rilke denken.“ SZ, 17.11.03. „Jedes Wort schillert und ruft ein Bild hervor...Vera Hewener baut aus dem, was sie sieht, kleine Wortkunstwerke.“ SZ, 07.11.2011. „Die Gedichte sind im wahren Sinne des Wortes farbenfroh. Vera Hewener versteht das Handwerk des Dichtens.“ SZ, 29.07.09. „Naturlyrik par excellence im wahrsten Sinn des Wortes.“ Buchtipp DieWoch, 20.08.16. „Offensichtlich steckt auch ein Schalk in Hewener, einer, der mit heiterer Leichtigkeit Reime und Silben sammelt, bündelt und wieder streut.“ SZ, 07.12.17. „Einfühlsam geschriebene Geschichten, mal heiter und komisch, mal reflektierend und nachdenklich.“ DieWoch Buchtipp 10.11.18. „Wer sich gerne im hektischen Alltag eine Auszeit gönnen möchte, findet hier reichlich Raum dafür.“ Heusweiler Wochenpost 17.11.21. „Eine neuartige Wirklichkeitsnähe entsteht durch eine überreiche Metaphorik, die sie in eine eher nüchterne Sprach-Atmosphäre pflanzt. Diese Binnenspannung wird besonders bei den Streifzügen durch Städte und Ortschaften deutlich.“ Wochenspiegel Buchtipp 16.03.23.

INHALTSVERZEICHNIS

Salzburger Land

Wintermärchen

Fünf Uhr morgens in Taxenbach

Missverständnis am Fulseck

Gasteiner Ballade

Im Dunstkreis

Einkehr

Winterwege

Bad Hofgastein

Bergwanderung

Lichtblüten

Karwoche

Wien

Schöne Bescherung

Wintergeplänkel

Schneefall

Wiener Oper

Wartezeiten

Das große Vorbild

Der Nikolo

Kältegipfel

Ein nobler Herr

Zwergschnauzers Kaffeekränzchen

Maroni fürs Herz

Der Genießer

Tirol

Weihnachten in der Berghütte

Ist der erste Schnee gefallen

Die Wolferten kommen

Achenkirch

In Mayrhofen

Maria Himmelfahrtskirche

Hüttenpause

Aprés Ski

Ausschau

Rundgang

Die Feder

Sonnwendgebirge

Brixen im Thale

Graubünden

Der Ruf

Todesstunde

Der Rohrbruch

Winterspuk

Nikolausalarm

Alemannische Fasnet

Das Krippeli

Karneval

Skizirkus in Sankt Moritz

Trentino-Südtirol

Glitzerschnee und warmer Tee

Lawinenwarnung

Primiero

Moena

Ladinische Aussichten

Schattenströme

Weihnachtsstern

Vieni Gésu, reste per noi

Winternarretei

Frühlingssturm

Nebelreiter

Blätterasche

Quellenverzeichnis

Werkverzeichnis

SALZBURGER LAND

Wintermärchen

Dort, wo sich das Licht trifft,

auf dem Blauweiß der Zweige,

auf dem Schneefeld,

das Besucher nicht kennt,

auf der Eiszone,

die ein Gebirgsbach durchmisst,

in den Kältenebeln des Morgens,

schwindelt in meinen Augen

das Märchen, das man Winter nennt.

Es flüstern Kristalle,

klirren Tannenzapfen,

stöhnt Gebälk unter der Eistracht,

eine Sinfonie aus Weiß.

Fünf Uhr morgens in Taxenbach

Himmelsgestirne

feiern im Dunkeln die Stille.

Scheinwerfer erhellen den Gebirgskamm,

markieren die Höhendifferenz

des Gschandtner Bergs,

die sich allmählich verkleinert.

Die Schutzhülle der Nacht

gewährt auch den Rastlosen Schlaf.

Schnee tändelt leichtfüßig ins Tal.

Das rote Blinklicht des Streuautos

verkündet Straßenglätte,

weckt die Schläfer auf.

Im Fensterkreuz blinzelt Licht.

Ich spüre den Wind,

der durch die Ritzen zu mir spricht.

Wunderbarer Morgen,

schenkt mir die Gelassenheit,

zu sein.

Missverständnis am Fulseck

Es noch einmal versuchen, Wiederanfang und unwiderruflich das dritte und letzte Mal, dieses Begehren, die Schneepiste zu erobern, den Skibrettern die Stirn zu zeigen, die Freifahrt ins Tal zu gewinnen. Die Skilehrerin hat Geduld mit mir und meiner Angst. Meine Füße sind bereits erstarrt. Talbein, Bergbein und Innenski, plausible Erklärungen für Fahrtechnik, Kurven und Bremsmanöver. Alles funktioniert, es ist ja so einfach und das Gefühl, dazu zu gehören, wäre wundervoll. – Wäre da nicht der Gedanke an das Mögliche!

Der Sturz ist nicht besonders hart. Hilfestellung beim Aufsteigen. Weiter geht’s. Linkskurve, Rechtskurve und nach drei Stunden üben die Probe: Einbremsen ins Markierte. Die auf dem Schnee liegenden roten Stangen warnen mich: Hier musst du mit dem Fersenfuß mächtig aggressiv in die Innenkante steigen und dann nach außen ziehen. Mir kommt der erste Zweifel. Und so zuckle ich dank meiner Vorsicht drei Meter in Fahrt und Pflug und Innenski nach außen schieben. Ich stehe! Alles geht gut.

Dann die Kurvenprobe. Stangen gesteckt und Richtung begrenzt. Darüberfahren bedeutet hinzufallen. Der zweite Zweifel. Der Winkel ist so klein. Derart enge Kurven und ich soll das schon können? - Der zweite Sturz über das Gestänge. Meine Handgelenke schmerzen, die Knochen melden sich. Doch es geht wieder. Hilfestellung beim Aufsteigen. Mir zittern die Knie und meine innere Stimme sagt: Hör doch auf! Hör doch endlich auf! Das kannst du nicht! Tröstende Worte der Skilehrerin: „Üben, immer wieder üben. Das geht schon. Aber du musst tun, was ich dir sage. Aktiv fahren.“

Oh ja, ich bin aktiv, sehr aktiv. Mein Zustand ist eine Mischung aus Wagemut, Angst und Trauer. Noch verstehe ich jedes einzelne Wort, jede Anweisung, jede Erklärung für mein Versagen. Doch es hilft nicht. eine ist sie nicht. Die Angst bleibt, diese irrationale Blockade. Ich versuch’s trotz alledem noch einmal. Meine Technik soll gut sein, sagt sie. Sie muss es schließlich wissen! Man schaut mir zu. Auch das noch! Ich ärgere mich über meine Unbeholfenheit, nichts in mir sagt: Zeig’s denen oder jetzt erst recht! Dieser Siegeswille ist nicht vorhanden. Meine Erklärungen lauten: Wenn du aufhörst, ist der Stress weg. Aber ich soll ja anders denken: Es geht schon, keine Halbherzigkeiten, du kannst das. Ich bin absolut einsam und zugeschneit da oben. Der drei Meter hohe Aufstieg steigert meine Pulsfrequenz und das Kniezittern. Ich kann nicht, ich kann nicht! Aber ich muss jetzt runterfahren!

Vom Talbein auf’s Bergbein und Gewicht verlagern, damit ich die Kurve krieg’. Ich höre ihre wohlgemeinten Worte. Ich habe Angst. Meine innere Stimme sagt: Ich kann nicht, ich kann nicht! Und sie sagt: „Rechter Ski in Fahrtrichtung und links umsteigen.“ Doch ich sehe vor mir die roten Stangen auf dem Boden liegen und drei Meter weiter die Rückfront der Brandalm. Mir ist klar, wenn ich jetzt nicht mehr bremsen kann, rase ich in die Almwand. Es ist plötzlich alles unverständlich laut, ich verstehe nichts mehr, ein schwarzes Loch. Jetzt ist es zu spät, keine Linkskurve mehr möglich, nur noch bremsen, bremsen.

Der letzte Sturz und mein rechtes Wadenbein schmerzt, meine Zehen krampfen, meine Arme sind verdreht. Wieder die Erklärung, dass nichts passieren kann, eben nur hinzufallen. Das ist nicht weiter schlimm, ungefährlich, es kann doch nichts passieren!

Doch ich weiß, es hat mir jetzt endgültig gereicht. Ich will durch keine schwarzen Löcher mehr fahren, mir nicht mehr beweisen müssen, dass ich das auch lernen kann. Ich muss nicht alles können! Mein Selbstbewusstsein kann doch nicht vom Skifahren abhängen! Ich will nicht mehr, weil ich nicht mehr kann und ich kann nicht mehr, weil ich nicht mehr will. Nur meine Skilehrerin kann das nicht verstehen.

Gasteiner Ballade

Zwischen Bergspitzen raucht Nebel,

ist der Sonne Augenknebel

im Gasteiner Tal.

Eingepfählte Wegpassagen,

zugeschneite Höhenlagen,

der Brückensteig ist schmal.

Spuren zeichnen meinen Tritt,

Ferne fällt mit jedem Schritt.

Das Bild verblasst, wird fahl.

Von Dorfgastein bis Laderding

ein Sonnenschweif in Gipfeln hing,

des Wand’rers liebste Wahl.

Der Achenpromenade nach

vereistes Gras am Ufer brach,

die Erde quoll schwarz auf.

Nach Stunden dann Bad Hofgastein,

der Thermentempel lud mich ein,

der warme Wasserlauf.

Ich gönnte meinen Füßen Ruhe,

löste meine Wanderschuhe,

beendete die Qual.

Erholt der Stadtbummel begann,

ich mich der Wegstrecke entsann,

der Kilometerzahl,

die ich grad hinter mir gelassen,

konnte ich es nicht recht fassen.

Es war einmal

die Lust, das Winterherz zu finden,

die Zeit in der Erinn’rung binden,

der Suche heil’ger Gral.

Im Dunstkreis

Ein Dunstkreis hält den frühen Tag gefangen.

Welch Gähnen bleicher Wolken, deren Hauch

umherzieht, sich verpustet, seinen Schmauch

auf breiten Tannen ablädt; weiß behangen

der Kurpark Wege wähnt und Bänke, Stangen

am Teichrand, jeden Zweig an jedem Strauch.

Die Wasservögel kreisen um den Lauch

der Gräser unbekümmert, gefangen

im Griesel. An Bad Hofgasteines Thermen

sich Gäste Leib und Seele wärmen.

Ich wandere im Frost entlang der Ache

nach Hundsdorf, Fronten sind dort gleicher.

Der Tand verblasst, Konturen werden weicher,

die Sonne wirkt, aus Schnee wird eine Lache.

Einkehr

Bad Hofgastein umwirbt ein warmes Licht.

Am Stubnerkogel blendet es den Gipfel,

die Wolken spannen ihre weiten Wipfel,

hoch droben trüben Dunstfelder die Sicht.

Ozon bedrängt im Tal die graue Schicht.

Folgt Einkehr auf den schlechten Wetterzipfel

schaffen genügend Ausgleich mürbe Kipfel

auf Sahneeis. Kaffeearoma mischt

sich in den Mittag voller Festtagssprüche,

tischt Nobles auf aus edler Sternenküche,

ein Festmahl, das die Sinne schnell besticht.

In Gaumenfreuden schwelgen trunken Gäste.

Nur draußen hellauf knistern alle Äste.

Bad Hofgastein umwirbt ein warmes Licht.

Winterwege

Im Zentrum wandern frostgeschützt im Nerz

die Gäste unbekümmert auf geräumten Wegen,

flanieren um den Teich auf schmalen Stegen,

als wäre Kälte ein Dezemberscherz.

Die Enten ihn beschnattern Terz für Terz,

wie Windgesänge, die in Tannen fegen

und Schneegestöber. In den Wildgehegen

die Tiere Nahrung wittern. Ein Futterherz

am Kreuz der Hütte baumelt. Von harschen Tritten

gestört verlassen sie die Lichtung. Mitten

im Schneeplüsch ziehen Pferde eine Kutsche.

In Decken eingepackte Passagiere

durchrattern holpernd Rotwilds Waldreviere.

Dem Wagen wird das glatte Eis zur Rutsche.

Bad Hofgastein

27.12.2000

Radon ist das Edelmetall, das die Münzen hier zum Klingen bringt und all jenen, die sie ausgeben, Regeneration verspricht. Nach vier Jahren bin ich wieder hier, hier in Bad Hofgastein. Mir scheint, dass sich nichts verändert hat. Die Berge glänzen in der Sonne und das Kurzentrum behütet nach wie vor seine Ruhe. Die Stätte der Gesundheitspflege zieht immer noch mehr ältere als jüngere Jahrgänge an.

Bad Hofgastein umwirbt an diesem späten Vormittag ein warmes Licht, das auf seine Besucher ausstrahlt. Die Pensionen, Kurhotels und Therapiezentren sind weihnachtlich hergerichtet. Der Schmuck der Fassaden verschönert das ohnehin malerische Straßenbild. Auch die Privathäuser sind gepflegt. Man findet nur wenig Nachlässiges in den Seitengassen. Es ist nicht überall Erste Klasse, aber fraglos mittelständisch. Hier könnte man sein Alter zubringen, nichts regt auf. Ob dies allerdings dauerhaft zum Wohlbefinden beiträgt, weiß ich nicht. In dieser Ruhe könnte man auch lebendig begraben sein. Das Panorama ist traumhaft. Der Tourismus hat ihm nichts anhaben können. Der Tourismus hat es mitgeschaffen. Ob er es auch irgendwann wieder zerstört? Was bliebe zurück, wenn die Gäste ausblieben? Was bleibt zurück, wenn die Gäste weiterhin kommen?

Hier sagt man ‚Grüß Gott’ und obwohl ich diesen Gruß zuletzt vor über dreißig Jahren dem Pastor und der Schwester meiner Gemeinde entbot, kommt er ganz natürlich über meine Lippen. Mir ist, als wäre die Zeit stehen geblieben, die Tradition ungebrochen, zumindest vordergründig. Österreich, das Land der Könige und Kaiser, der Sisi und der Donaumonarchie. Wie viele Klischees liegen in diesen Grenzen und wie viel Ungesagtes frisst hinter den Fenstern die Seelen auf? Regt sich etwas hier, seit dem Haider die Menschen im In- und Ausland verschreckte? Ich bemerke nichts davon. Die Suche nach Erholung ist unpolitisch. Ich nehme die Eindrücke dieses Ortes ohne Blessuren auf, sie tun mir gut.

Das Licht, das vom Stubnerkogel aus die Wolken durchdringt, scheint bis in die letzten Winkel. Es überfällt auch mich und zaubert eine Freude, die alles Bedenkliche aus dem Augenblick verbannt. Dies ist eine Wohltat, kann ich doch sonst meist nur die Schatten wahrnehmen, das Graue, das auch Schönes trübt. Angesichts dieses Gefühls beschließe ich, mich ganz der Frische der Bergluft hinzugeben, frei zu atmen und Kraft aufzunehmen, die mir wohl bald wieder fehlen wird. Auch wenn mein Kreislauf des Öfteren streikt, stört mich dies nicht. Die Ruhepausen schenken mir Zeit, mit Muße in den Himmel zu schauen.