Arne Claasen und die tödliche Fracht - Ole Hansen - E-Book
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Arne Claasen und die tödliche Fracht E-Book

Ole Hansen

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Beschreibung

Zwischen Sturm und Brandung wartet der Tod: Der Hamburg-Krimi »Arne Claasen und die tödliche Fracht« von Ole Hansen jetzt als eBook bei dotbooks. Er war der beste Agent des BND – doch jetzt ist er gezwungen, im Kellerarchiv der Hamburger Polizei ungelöste Fälle aufzuarbeiten … Arne Claasen und sein Team stehen vor einem Rätsel: Bei Baggerarbeiten am Elbufer werden die Überreste einer vor zehn Jahren spurlos verschollenen Motoryacht entdeckt. An Bord waren damals neben dem Bootsführer ein Diplomingenieur, eine Zollbeamtin und eine Greenpeace-Aktivistin. Die sterblichen Überreste der vier Personen konnten nie gefunden werden, bis jetzt. Rasch verdichten sich die Hinweise, dass an Bord ein tödliches Drama ablief. Arne Claasen muss bald feststellen, dass der letzte Akt in diesem Fall noch längst nicht zu Ende geschrieben ist … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der fesselnde Hamburg-Krimi »Arne Claasen und die tödliche Fracht« – nach den Erfolgsserien um die charismatischen Ermittler Jeremias Voss und Marten Hendriksen jetzt die neue Krimi-Reihe von Bestsellerautor Ole Hansen. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 326

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Über dieses Buch:

Er war der beste Agent des BND – doch jetzt ist er gezwungen, im Kellerarchiv der Hamburger Polizei ungelöste Fälle aufzuarbeiten … Arne Claasen und sein Team stehen vor einem Rätsel: Bei Baggerarbeiten am Elbufer werden die Überreste einer vor zehn Jahren spurlos verschollenen Motoryacht entdeckt. An Bord waren damals neben dem Bootsführer ein Diplomingenieur, eine Zollbeamtin und eine Greenpeace-Aktivistin. Die sterblichen Überreste der vier Personen konnten nie gefunden werden, bis jetzt. Rasch verdichten sich die Hinweise, dass an Bord ein tödliches Drama ablief. Arne Claasen muss bald feststellen, dass der letzte Akt in diesem Fall noch längst nicht zu Ende geschrieben ist …

Über den Autor:

Ole Hansen, geboren in Wedel, ist das Pseudonym des Autors Dr. Dr. (COU) Herbert W. Rhein. Er trat nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker in die Bundeswehr ein. Dort diente er 30 Jahre als Luftwaffenoffizier und arbeitete unter anderem als Lehrer und Vertreter des Verteidigungsministers in den USA. Neben seiner Tätigkeit als Soldat studierte er Chinesisch, Arabisch und das Schreiben. Nachdem er aus dem aktiven Dienst als Oberstleutnant ausschied, widmete er sich ganz seiner Tätigkeit als Autor. Dabei faszinierte ihn vor allem die Forensik – ein Themengebiet, in dem er durch intensive Studien zum ausgewiesenen Experten wurde. Heute wohnt der Autor in Oldenburg an der Ostsee.

Von Ole Hansen sind bei dotbooks bereits die folgenden eBooks erschienen:

Die Jeremias-Voss-Reihe:

»Jeremias Voss und die Tote vom Fischmarkt. Der erste Fall«

»Jeremias Voss und der tote Hengst. Der zweite Fall«

»Jeremias Voss und die Spur ins Nichts. Der dritte Fall«

»Jeremias Voss und die unschuldige Hure. Der vierte Fall«

»Jeremias Voss und der Wettlauf mit dem Tod. Der fünfte Fall«

»Jeremias Voss und der Tote in der Wand. Der sechste Fall«

»Jeremias Voss und der Mörder im Schatten. Der siebte Fall«

»Jeremias Voss und die schwarze Spur. Der achte Fall«

»Jeremias Voss und die Leichen im Eiskeller. Der neunte Fall«

»Jeremias Voss und der Tote im Fleet. Der zehnte Fall«

Die Marten-Hendriksen-Reihe:

»Hendriksen und der mörderische Zufall. Der erste Fall«

»Hendriksen und der Tote aus der Elbe. Der zweite Fall«

»Hendriksen und der falsche Mönch. Der dritte Fall«

»Hendriksen und der Tote auf hoher See. Der vierte Fall«

»Hendriksen und der falsche Erbe. Der fünfte Fall«

Aus der Arne-Claasen-Reihe sind bisher erschienen:

»Arne Claasen und die vergessenen Toten. Der erste Fall«

»Arne Claasen und die tödliche Fracht. Der zweite Fall«

Weitere Bände sind in Vorbereitung.

Unter seinem Klarnamen Herbert Rhein veröffentlichte der Autor bei dotbooks auch die folgenden eBooks:

»Todesart: Nicht natürlich. Gerichtsmediziner im Kampf gegen das Verbrechen.«

»Todesart: Nicht natürlich. Mit Mikroskop und Skalpell auf Verbrecherjagd.«

***

Originalausgabe Mai 2021

Copyright © der Originalausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Ralf Reiter

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von Shutterstock/Malivan_Iuliia und sweasy

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-96655-619-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

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Ole Hansen

Arne Claasen und die tödliche Fracht

Der zweite Fall

dotbooks.

Kapitel 1

Arne Claasen atmete ruhig und gleichmäßig. Niemand hätte vermutet, dass er auf seinem Lauf bereits zehn Kilometer hinter sich gebracht hatte. Schon gar nicht, wenn derjenige gewusst hätte, dass der Läufer vor nicht langer Zeit schwer verletzt gewesen war. Die Verletzungen hatte er sich bei einem Einsatz gegen islamistische Terroristen zugezogen, und sie hatten seine körperliche Fitness so eingeschränkt, dass er seinen Aufgaben als Agent des Bundesnachrichtendienstes im Nahen Osten nicht mehr nachkommen konnte. Vor die Wahl gestellt, Frühpensionierung oder Versetzung zur Polizei nach Hamburg, hatte er sich für die Hamburger Option entschieden. Hier, in Hamburg, hatte er sein Lauftraining wieder aufgenommen. Er hatte mit langsamem Laufen rund um die Außenalster begonnen, aber mit zunehmender Kondition reichten ihm die gut sieben Kilometer um den See nicht mehr aus, und er verlegte seine Trainingsstrecke auf den Elbwanderweg. Hier genoss er die morgendliche Stille und die frische Luft, die nicht vom Lärm der Autos gestört und von Abgasen verpestet wurde.

Claasen liebte Hamburg. Wo immer er als Agent auf der Welt eingesetzt gewesen war, nirgendwo hatte er diese Luft nach Hafen, Werften, Schiffen und Elbe so genossen wie in seiner Heimatstadt. Der Geruch der Elbe, diese Vermischung von Nordsee und dem Süßwasser von Elbe, Bille und Alster, dem Brackwasser der Kanäle und dem bei Ebbe freiliegenden Schlick, löste in ihm ein Hochgefühl, ein Gefühl von Heimat aus.

Leider war es seit ein paar Tagen mit der friedlichen Stimmung hier vorbei. Ein Quietschen, Scheppern und Knarren hatte die Stille vertrieben. Der Störenfried war ein holländischer Bagger, der mit seinen Eisenschaufeln Schlick und Sand vom Grund der Elbe schabte und ihn in Schuten ablud. Der Fluss sollte vertieft werden, damit auch große Containerfrachter den Hamburger Hafen mit voller Ladung anlaufen konnten. Das Projekt »Elbvertiefung« war ein politisch höchst umstrittenes Unternehmen. Umweltverbände liefen Sturm dagegen.

Er hatte sich inzwischen so an die Geräusche gewöhnt, dass er sie nur wahrnahm, wenn er bewusst darauf achtete. Es dauerte daher eine Weile, ehe er registrierte, dass die Geräusche heute fehlten. Verwundert sah er zum Schwimmbagger hinüber. Die Eisenschaufeln standen still. Drei Männer waren auf dem Brückennock zu sehen. Ihren Gesten nach schienen sie erregt miteinander zu diskutieren. Auf dem Bagger selbst rührte sich nichts. In einem ersten Impuls wollte er stehen bleiben und das Geschehen beobachten, doch dann entschied er sich, seinen morgendlichen Lauf zu beenden.

Am Altonaer Fischmarkt stieg er in sein Auto und fuhr zum Mittelweg 85, wo seine Wohnung lag. Sie nahm das gesamte Stockwerk im Obergeschoss einer Jugendstilvilla ein. Im Erdgeschoss hatte sein Vermieter, Jeremias Voss, eine Agentur für vertrauliche Ermittlungen eingerichtet, die er inzwischen aber an Dr. Marten Hendriksen übergeben hatte.

Claasen stellte das Auto im Hinterhof der Villa ab und ging durch den Keller zu seinem Apartment. Da Firmengründer Voss selbst hier gewohnt hatte, war die Wohnung entsprechend geräumig und luxuriös ausgestattet. Voss hatte bei seinem Auszug alles außer seinen persönlichen Sachen dagelassen, so dass Claasen wie seine beiden Vorgängerinnen eine komplett ausgestattete Wohnung übernommen hatte.

Claasen ging als erstes in den Hauswirtschaftsraum und belud die Waschmaschine mit seiner verschwitzten Joggingkleidung, suchte nackt, wie er war, die Küche auf, trank einen halben Liter Wasser und verschwand anschließend im Bad. Seine Arme und Beine waren von Narben übersät – eine Erinnerung an das Ausheben der islamistischen Terrorgruppe, die einen Anschlag auf die Innenministerkonferenz in Hamburg geplant hatte.

Nach einer halben Stunde Duschen hatten sich die vom Laufen verkrampften Muskeln wieder gelockert. Er ließ für einige Augenblicke kaltes Wasser über seinen Körper laufen, trocknete sich ab und erledigte anschließend seine morgendliche Toilette. Wenig später verließ er in einer blauen Jeans, einem roten Poloshirt und einer zur Jeans passenden Jacke das Apartment.

Der Wetterbericht hatte schönes Wetter für den ganzen Tag angesagt, so dass er beschloss, für die fünf Kilometer zum Polizeipräsidium seine neueste Errungenschaft zu benutzen. Es war eine gebrauchte Kawasaki Ninja 300, die er vor ein paar Tagen gekauft hatte – eine Reminiszenz an seine Zeit im Nahen Osten, wo ihm Motorräder das liebste Fortbewegungsmittel gewesen waren. Mit ihnen war er beweglicher gewesen als mit einem Auto, was bei den katastrophalen Verkehrsverhältnissen in den zerstörten Städten der Kriegsgebiete lebenswichtig sein konnte.

Auf halber Strecke hielt er vor dem Café Wörmann. Die Verkaufsstelle der Stadtbäckerei unterhielt einen Gastraum, der hell und freundlich eingerichtet war.

Als er den durch eine Glaswand vom Verkaufsraum abgetrennten Gastraum betrat, wurde er von der Bedienung mit einem freundlichen Lächeln begrüßt.

»Guten Morgen, Herr Claasen, wie immer?«

»Moin, Marlies, Sie sehen heute viel besser aus als am Dienstag. Ihr Zahn scheint sich wieder beruhigt zu haben.«

»O ja, ich war beim Zahnarzt. Dass Sie das noch wissen …«

Claasen sah, dass Marlies sich über seine Anteilnahme freute.

»Wie könnte ich Ihr leidendes Gesicht vergessen?«, sagte er betont ernst.

Marlies lachte. »Ich bringe Ihnen sofort Ihr Frühstück.«

»Nur keine Hetze. Ich habe Zeit.«

»Ich wünschte, das würden alle unsere Gäste sagen.« Mit diesen Worten verschwand sie im Verkaufsraum.

Claasen ging zu dem Tisch, auf dem Tageszeitungen für die Gäste auslagen. Er wählte das Hamburger Tageblatt aus und suchte sich einen Tisch an der Wand. Es war ihm zur zweiten Natur geworden, in öffentlichen Räumen mit dem Rücken zur Wand zu sitzen.

Er hatte gerade die Titelseite aufgeschlagen, als Marlies mit seinem Frühstück erschien. Es bestand neben einem Pott Kaffee aus einer Schale Obstsalat, einem weich gekochten Ei und zwei Brötchen, deren Hälften mit Schnittkäse und Camembert belegt waren.

Nachdem Claasen die Zeitung durchgeblättert und noch einen Pott Kaffee getrunken hatte, brach er zum Präsidium auf. Das Motorrad stellte er neben den beiden Dienstwagen seiner Gruppe ab. Pünktlich um acht Uhr betrat er das sternförmige Gebäude der Hamburger Polizeizentrale, und sechs Minuten später erreichte er das im Keller befindliche Archiv, in dem ein Platz für die Sonderermittlungsgruppe für nicht gelöste Kriminalfälle, die Cold Cases, hergerichtet worden war. Dank der internen Verbindungen und des Organisationstalents von Hauptwachtmeister Kaspar Millbrandt war aus dem kargen Loch ein mit modernen Möbeln eingerichtetes Büro geworden. Millbrandt war das älteste Mitglied von Claasens kleiner Crew – er stand kurz vor der Pensionierung – und mit seinen Insiderkenntnissen für Claasen Gold wert. Die beiden anderen Angehörigen der Gruppe waren Oberkommissarin Merle Johannson und Kommissar Oliver Förster.

»Moin, Chef«, begrüßten ihn Merle und die Kollegen.

»Guten Morgen zusammen.«

Er ging zu seinem Schreibtisch, entledigte sich seiner Motorradmontur, hängte sie am Garderobenständer auf und nahm hinter seinem Schreibtisch Platz.

Merle war aufgestanden und schenkte in den Pott mit der Aufschrift Chef Kaffee ein, gab einen Schuss Kondensmilch hinzu und reichte ihn Claasen.

Während er an dem heißen Getränk nippte, fuhr er den Laptop hoch. Ein Blick ins Postfach zeigte ihm, dass über Nacht keine eMails eingegangen waren. Er wandte sich an Millbrandt, der für die Administration der Gruppe zuständig war.

»Gibt es etwas Neues, Herr Millbrandt?«

»Nichts, Chef. Man hat wahrscheinlich vergessen, dass es uns gibt.«

»Dann sollten wir uns den hohen Herren wieder in Erinnerung bringen und den Fall des Journalisten Zubring, der angeblich Selbstmord begangen hat, lösen. Mal sehen, was wir dabei alles ans Licht bringen.«

Claasen trat an eines der beiden Whiteboards.

»Rekapitulieren wir, was wir aus den Akten wissen und was wir selbst ermittelt haben.«

Fakten aus den Akten, stand oben auf dem Whiteboard, und darunter die Dinge, die sie bereits ermittelt hatten.

Der Tod von Peter Zubring, Enthüllungsjournalist bei der Hamburger Tageszeitung, liegt 40 Jahre zurück

.

Seine Leiche wurde von der Elbe in Wittenberge angespült

.

Tatort und Fundort stimmen nicht überein

.

Zubring soll an Pokerrunden teilgenommen und sich dabei hoch verschuldet haben

.

Sein Tod wurde auf Druck von höherer Stelle als Selbstmord eingestuft

.

Weitere Ermittlungen wurden danach nicht durchgeführt

.

Der damalige Leiter der Ermittlungen hielt einen Selbstmord für unwahrscheinlich

.

Zubring soll einem Fall auf der Spur gewesen sein

.

Niemand hat darüber genauere Kenntnisse

.

Es soll ein Tagebuch existieren, in das Zubring alle wichtigen Fakten notiert haben soll. Das Tagebuch wurde bis jetzt nicht gefunden. Es könnte im Besitz seines Bruders sein, der zusammen mit dem Archivar der Tageszeitung Zubrings Sachen gesichtet hatte. Die Adresse des Bruders wurde ermittelt

.

Claasen blickte sein Team an. »Hat jemand etwas zu ergänzen?«

Alle drei schüttelten den Kopf.

»Gut, dann legen wir fest, wie wir weiter vorgehen. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, Zubrings Tagebuch zu finden. Dazu werde ich zunächst seinen Bruder aufsuchen. Wenn ich Glück habe, hat er es noch nicht vernichtet. Des Weiteren sollten wir herausfinden, wer Zubrings Pokerfreunde waren. Dazu sollten wir uns Fotomaterial von der Beerdigung beschaffen. Ich werde versuchen, Bilder von seinem Bruder zu bekommen. Frau Johannson, Sie ermitteln, wo Zubring beerdigt wurde, und finden heraus, ob ein Berufsfotograf Aufnahmen von der Beerdigung gemacht hat, und wenn ja, ob der Fotograf noch lebt und Negative von den Aufnahmen besitzt.«

Millbrandt hob die Hand.

»Wollten Sie dazu etwas sagen, Herr Millbrandt?«

»Ja, aber zunächst hätte ich eine Bitte. Ich möchte, dass Sie mich mit Vornamen anreden, Chef. Herr Millbrandt klingt so förmlich, und wir sind doch nur eine kleine Gruppe, die eng zusammenarbeitet.«

Claasen nickte. »Sehr gerne, Kaspar, danke für das Angebot.«

»Das Gleiche gilt auch für mich«, sagte Merle.

»Für mich auch«, schloss sich Oliver Förster an.

»Für uns bleiben Sie selbstverständlich der Chef.« Merle sah, während sie sprach, ihre Kollegen an. Die nickten zustimmend.

»Dann danke ich auch Ihnen.«

»Und das Sie lassen Sie bitte auch weg. Meinen Vornamen in Verbindung mit Siezen, daran werde ich mich nie gewöhnen«, sagte Merle.

»Das mache ich gerne, Merle.«

»Gilt auch für mich«, fügte Oliver hinzu.

»Ich schließe mich den jungen Spunden an«, ergänzte Millbrandt.

»Darauf werden wir bei nächster Gelegenheit einen Schluck trinken«, erwiderte Claasen. »Aber nun an die Arbeit. Oliver, du schnappst dir Zubrings Schuldscheine, besorgst dir ein Unterschriftsmuster von ihm und fährst damit zum Institut für Rechtsmedizin und Forensik von Professor Dr. Moorbach. Grüße sie von mir und bitte sie zu überprüfen, ob die Unterschriften echt oder gefälscht sind.«

»Okay, Chef.«

»Noch Fragen?«

»Ja, ich habe noch eine«, sagte Merle.

»Schieß los.«

»Ich verstehe nicht, warum Sie so großen Wert auf Fotos von Zubrings Beerdigung legen. Wozu sollen die nützlich sein?«

»Denk nach, Merle, dann kommst du von selbst darauf. Wenn du die Antwort bis morgen früh nicht gefunden hast, erkläre ich es dir. Sonst alles klar?«

Oliver nickte.

»Dann an die Arbeit.«

»Und was soll ich machen? Haben Sie mich vergessen?«

»Keineswegs, Kaspar, du hältst wie gewöhnlich hier die Stellung und versuchst, im Internet so viel wie möglich über Zubring und seine Pokerleidenschaft herauszubringen.«

Claasen schrieb die Adresse von Zubrings Bruder in sein Notizbuch und rief Google Earth auf. Ins Suchfeld gab er die Adresse ein, und gleich darauf erschien der Stadtplan von Hamburg mit der markierten Straße und Hausnummer. Zubring wohnte in den Apartmenthäusern am Julia-Cohn-Weg, nicht weit vom Präsidium entfernt. Claasen beschloss, zu Fuß zu der angegeben Adresse zu gehen, denn bei dem Wetter war ein Spaziergang ein Genuss. Einen Augenblick überlegte er, ob er Kaspar beauftragen sollte, seinen Besuch anzukündigen, doch dann entschied er sich dagegen. Bei einem Anruf könnte Zubrings Bruder den Besucher abweisen oder einfach die Wohnung verlassen. Wenn Claasen dagegen unverhofft vor der Tür stand, war es schwierig, ihn zu ignorieren.

Claasen steckte das Notizbuch ein und verließ das Büro.

Merle saß schweigend an ihrem Schreibtisch. Sie hatte im Internet die Seite mit den Hamburger Friedhöfen aufgerufen.

»O Mann«, stöhnte sie.

»Was ist?«, fragte Kaspar.

»Wenn ich mich nicht verzählt habe, dann gibt es 50 Friedhöfe in Hamburg. Bis ich die alle abtelefoniert habe, ist es Feierabend, und ich habe mich fusselig geredet.«

»Mach dir keinen Stress. Fang mit den Friedhöfen an, die in der Nähe von Zubrings Wohnung liegen.«

»Keine schlechte Idee.«

»Sag ich doch – nicht verzagen, Kaspar fragen.«

»Wenn ich nur wüsste, warum der Chef die Fotos haben will. Da sind doch nur Personen abgebildet, die vor 40 Jahren gelebt haben, und von denen dürften die meisten schon gestorben sein. Hast du vielleicht eine Ahnung?«

»Nee, nicht die Bohne.«

Oliver hatte interessiert zugehört. »Gehen wir die Sache ganz pragmatisch an. Wen erwarten wir auf den Fotos zu sehen?«

»Die Familie«, sagte Merle. »Verwandte und Freunde.«

»Arbeitskollegen«, sagte Kaspar.

»Wen noch?«, fragte Oliver.

»Das dürften schon alle sein«, meinte Merle.

»Nicht so schnell, Merle. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die den Fall bearbeitenden Ermittlungsbeamten dort waren. Möglicherweise hofften sie, zwielichtige Personen unter den Trauergästen zu finden«, gab Oliver zu bedenken.

»Und wenn die Pokerfreunde unter den Trauergästen waren, dann hätten sich ihre Hoffnungen erfüllt«, bemerkte Kaspar mit einem Grinsen.

Oliver wollte antworten, doch Merle hinderte ihn mit einer Handbewegung daran.

»Das ist es!«, rief sie. »Der Chef hofft, die Pokergesellschaft auf den Fotos sehen zu können. Ich möchte wetten, dass dem so ist.«

»Schon möglich«, gab Oliver zu, »Aber wie will er die Kerle erkennen? Er kennt doch keinen von denen.«

»Doch, einen kennt er. Von dem Mann, der Zubrings Schuldscheine besaß, ist ein Foto in den Akten. Sollten die Pokerfreunde auf der Beerdigung gewesen sein, dann werden sie sicher zusammenstehen. Ich mache mich sofort an die Arbeit.«

Mit neuem Elan griff sie zum Telefon.

Oliver konzentrierte sich wieder auf seine Aufgabe. Er nahm Zubrings Schuldscheine und kopierte sie zur Sicherheit. Sollten sie im Institut verloren gehen oder beschädigt werden, dann waren wenigstens die Kopien in den Akten.

Claasen war die Hindenburgstraße entlanggewandert, hatte die schmaler gewordene Alster überquert und war kurz danach in den Julia-Cohn-Weg eingebogen. Er wollte gerade die Stufen zu dem Apartmenthaus hochgehen, als sein Handy klingelte. Er zog es aus der Hosentasche.

»Kaspar, was gibt’s?«

»Chef, Sie müssen umkehren. Sie sollen sich sofort beim Leiter des LKA melden.«

»Worum geht es?«

»Weiß ich nicht. Wurde mir nicht gesagt.«

»Okay, ich komme zurück. Ich bin in 20 Minuten im Präsidium.«

Claasen steckte das Handy zurück in die Hosentasche, drehte um und ging gelassenen Schrittes den Weg, den er gekommen war, zurück.

Jeder andere wäre erschrocken gewesen, wenn er zum höchsten Beamten des Landeskriminalamts befohlen worden wäre. Er wäre im Geiste seine Arbeit der letzten Wochen durchgegangen und hätte sich sicher gefragt, was er falsch gemacht haben könnte. Claasen hatte diese Gefühle nicht. Während seiner Zeit als Agent des BND hatte er immer wieder mit hochgestellten Persönlichkeiten zu tun gehabt, so dass ihn der Leiter eines LKA nicht schrecken konnte. Zwar fragte auch er sich, was der Mann so plötzlich von ihm wollte, aber er blieb gelassen.

Im Präsidium fuhr er mit dem Fahrstuhl in den fünften Stock. Hier lagen die Büros des Polizeipräsidenten und des Leiters des LKA.

Die Tür zum Büro von Dr. Schreiners Chefsekretärin stand einen Spalt offen. Claasen hörte sie am Telefon sprechen. Aus Höflichkeit wartete er, bis sie das Gespräch beendet hatte, dann klopfte er und trat ein. Frau Schuster sah auf.

»Guten Tag, Herr Claasen. Gut, dass Sie gekommen sind. Der Chef wartet schon ungeduldig auf Sie.«

»Ebenfalls einen schönen guten Morgen, Frau Schuster.« Claasen musterte die Chefsekretärin betont auffällig.

»Ist etwas?«, fragte sie nervös.

»Haben Sie eine neue Frisur? Sie steht Ihnen ausgezeichnet.«

»Vielen Dank. Dass Sie das bemerkt haben. Mein Chef hat es nicht.«

»Gibt es etwas, was ich wissen sollte, bevor ich zu ihm hineingehe?«

»Nein, nichts, was Sie beunruhigen müsste. Es geht um einen Auftrag für Sie. Gehen Sie einfach hinein.«

»Danke für die Info. Dann werde ich mal.«

Claasen klopfte kurz an die Tür, öffnete sie und trat unaufgefordert ein.

»Guten Morgen, Herr Doktor Schreiner. Sie wünschen mich zu sprechen?«

Claasen hatte den akademischen Titel absichtlich betont, weil er wusste, dass der Leiter es liebte, damit angesprochen zu werden.

»Gut, dass Sie endlich kommen«, sagte Schreiner ungnädig. Wie sein direkter Vorgesetzter, der Polizeipräsident, war auch er nicht glücklich darüber, dass man ihm Claasen aufgezwungen hatte und der Neue innerhalb des LKA zudem einen Sonderstatus genoss, der ihn ihm direkt unterstellte. Aufgrund der herausragenden Aufklärungsarbeit, die Claasen und sein Mini-Team während der kurzen Zeit ihres Bestehens bereits geleistet hatten, war er jedoch gezwungen, diese anzuerkennen und Claasen entsprechend zuvorkommend zu behandeln.

»Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Ich war im Außeneinsatz. Was gibt es so Wichtiges?«

Ob sich Schreiner über Claasens legere Art ärgerte, war nicht zu erkennen.

»Sie müssen eine neue Aufgabe übernehmen, Herr Claasen. Sie fällt zwar nicht direkt in Ihr Ressort, aber die dafür zuständige Abteilung ist durch den immer noch aktiven Serienmörder ausgelastet.«

»Worum handelt es sich?«

»Heute Morgen wurde bei Baggerarbeiten ein Teil eines privaten Motorbootes gefunden. Auf diesem Teil standen der Name und die Registrierung des Bootes. Eine Überprüfung ergab, dass das Boot vor zehn Jahren bei einem aufkommenden Sturm ausgelaufen ist. An Bord waren drei Personen, der Bootsführer, ein weiterer Mann und eine Frau. Ihr Ziel soll Schottland gewesen sein. Dort sind sie jedoch nie angekommen. Boot und Besatzung sind spurlos verschwunden. Alle Suchmaßnahmen blieben erfolglos. Weder vom Boot noch von der Mannschaft wurde je etwas gefunden. Die Suchaktionen wurden nach mehreren Tagen eingestellt. Man ging davon aus, dass das Boot im Sturm in der Nordsee gesunken war. Bei einer anschließenden Überprüfung des Inhalts des Baggerkorbs wurde der Teil eines menschlichen Schädels gefunden. Ihre Aufgabe ist es herauszufinden, ob wir es mit einem Verbrechen zu tun haben. Haben Sie dazu Fragen?«

»Nein, keine, die Sie jetzt schon beantworten könnten. Aber wie es aussieht, dürften die Ermittlungsaufgaben sehr zeit- und personalintensiv sein. Wie Sie wissen, habe ich nur drei Ermittlungsbeamte. Davon ist einer als Bürokraft eingesetzt, so dass mir für Außenermittlungen nur zwei zur Verfügung stehen, und dies, obwohl wir noch den Fall des toten Journalisten bearbeiten. Ich bitte Sie deshalb, mein Team durch einen weiteren Ermittlungsbeamten, zumindest aber durch eine Bürokraft zu ergänzen.«

»Mit dem Journalisten meinen Sie den Fall, der 40 Jahre zurückliegt und offiziell als Selbstmord deklariert wurde?«

»Ja.«

»Stellen Sie die Ermittlungen an diesem Fall ein, und belassen Sie es bei der einmal getroffenen Bewertung.«

»Ist das eine Anweisung?«

Dr. Schreiner betrachtete Claasen argwöhnisch. »Wie soll ich Ihre Frage verstehen?«

»Was soll daran unverständlich sein? Wenn es eine Anweisung ist, dann bestehe ich darauf, dass ich sie schriftlich bekomme.«

Schreiners Miene wurde starr. »Was bezwecken Sie?«

»Nichts. Allerdings weiß die Presse, dass wir den Fall des Journalisten neu aufrollen und dass wir begründete Annahmen haben, dass das Ermittlungsergebnis von damals nicht den Tatsachen entspricht. Wenn wir jetzt die Nachforschungen plötzlich einstellen, dann könnten unliebsame Fragen gestellt werden. In diesem Fall will ich nicht derjenige sein, der entgegen besseren Wissens für die Einstellungen der Ermittlungen verantwortlich ist.«

»Natürlich übernehme ich in einem solchen Fall die Verantwortung.«

»Das ehrt Sie, Herr Doktor Schreiner, nur was passiert, wenn Sie plötzlich versetzt werden oder von einem Auto überfahren werden oder Sie der Schlag trifft? Wer übernimmt dann die Verantwortung? Ihr Nachfolger bestimmt nicht.«

Claasen sah mit einem inneren Grinsen, dass Schreiners Gesichtsfarbe immer roter wurde. Er hatte erkannt, dass Claasen ihm durchaus zutraute, im Krisenfall nicht zu seinem Wort zu stehen.

Eine Weile schwieg Schreiner, dann sagte er: »Machen Sie weiter damit. Und Sie bekommen die Bürokraft. Das wäre dann alles.«

Claasen erhob sich und verließ mit einem Nicken das Büro.

Kapitel 2

Als Claasen eintrat, sahen Merle und Kaspar von den Bildschirmen ihrer Computer auf. Claasen tat, als bemerke er es nicht. Er ging zu seinem Schreibtisch, setzte sich und öffnete die Mappe mit der Morgenpost. Als er auch nach fünf Minuten noch schwieg, konnte Kaspar seine Neugier nicht mehr zurückhalten.

»Chef, nun foltern Sie uns nicht. Was wollte der Alte von Ihnen? Gefällt ihm unsere Arbeit nicht?«

Claasen sah lächelnd auf. »Du hast recht, Kaspar, es ging um unsere Arbeit, aber nicht um die vergangene, sondern um die zukünftige. Damit ich nicht alles zweimal sagen muss, möchte ich warten, bis Oliver vom Institut zurück ist. So lange musst du dich noch gedulden. Eins kann ich jedoch vorwegsagen. Wir bekommen einen neuen Mitarbeiter oder Mitarbeiterin. Er oder sie wird für die allgemeinen Büroarbeiten zuständig sein. Damit wirst du wie Merle und Oliver für Ermittlungen eingesetzt. Dein ruhiges Leben am Schreibtisch ist zu Ende. Bevor du deine neue Aufgabe übernimmst, musst du noch eine andere lösen: für die neue Bürokraft einen Arbeitsplatz schaffen und mit den notwendigen Geräten ausstatten.«

»Chef, das meinen Sie doch nicht im Ernst. Ich habe noch nie als Ermittler gearbeitet.«

»Das weiß ich, Kaspar, aber du besitzt etwas, was für die Ermittlungsarbeit von großer Bedeutung ist. Du kennst als alter Hamburger Hinz und Kunz, sowohl hier im Präsidium als auch im kriminellen Umfeld.«

»Das stimmt schon, Chef, aber reicht das? Von Befragungen und Vernehmungen habe ich nicht viel Ahnung, und wenn’s um körperlichen oder Waffeneinsatz geht, habe ich Zweifel, ob ich meinen Mann stehen kann. Ich habe seit zehn Jahren keine Pistole mehr in der Hand gehabt.«

»Mach dir darüber keine Gedanken. Wir wollen uns ja nicht mit den Verdächtigen prügeln, und was das Schießen angeht, das polieren wir schnell wieder auf. Schließlich verlernt man das genauso wenig wie Radfahren.«

»Ich weiß nicht, Chef«, antwortete Kaspar wenig überzeugt.

Claasen nahm sein Zögern mit einem Lächeln zur Kenntnis. Er ging davon aus, dass Kaspar nur seinen warmen Stuhl zu retten versuchte.

»Wie stellen Sie sich die künftige Arbeit vor?«, wollte Merle wissen.

»Berechtigte Frage. Wir bilden zwei Ermittlungsteams. Das eine leite ich, und das andere leitest du. Du bist nach mir die Dienstgradälteste und damit auch meine Stellvertreterin. Da du noch nicht lange im Geschäft bist, überlasse ich dir die Wahl. Mit wem willst du zusammenarbeiten – Kaspar oder Oliver?«

Merle machte ein nachdenkliches Gesicht. »Muss ich mich sofort entscheiden?«

»Nein, musst du nicht. Es reicht mir, wenn du es mir morgen früh mitteilst. Und jetzt Schluss mit dem Thema. Alles Weitere besprechen wir, wenn Oliver zurück ist.«

Merle und Kaspar mussten zwei Stunden warten, bevor ihre Neugier endlich gestillt wurde.

»Gut, dass du zurück bist«, begrüßte Claasen Oliver. »Hast du etwas erreichen können?«

»Ja, der Schriftsachverständige wird sich darum kümmern. Er sendet uns einen Bericht, wird uns aber vorab telefonisch über die Ergebnisse informieren. Ein paar Tage wird es jedoch dauern. Genauer wollte er sich nicht festlegen.«

»Ist okay, nach 40 Jahren Ruhezeit kommt es auf ein paar Tage nicht an. Was hast du ihnen als Unterschriftenvergleich gegeben? Soweit ich weiß, befindet sich in der Akte keine Originalunterschrift von Zubring.«

»Das stimmt. Darüber habe ich mir auch den Kopf zerbrochen. Da ich nicht wusste, wo ich auf die Schnelle eine Unterschrift von ihm auftreiben konnte, habe ich mir gedacht, der Schriftsachverständige soll die Unterschriften miteinander vergleichen. Ich kann mir vorstellen – vorausgesetzt, es wurden überhaupt Unterschriften gefälscht –, dass die ersten Schuldscheine noch von Zubring unterschrieben und die restlichen gefälscht wurden. Ich habe das Problem mit dem Sachverständigen besprochen, und er bestätigt, dass meine Annahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffen könnte.«

»Gut gemacht, Oliver. Jetzt zu etwas anderem.«

Claasen informierte sie über Schreiners Auftrag und welche Aufgabe das Team zusätzlich zu übernehmen hatte. Er fügte hinzu: »Diesen Fall des vermissten Sportboots übernehme ich. Den Fall Zubring bearbeiten wir ebenfalls weiter, Merle ist die leitende Ermittlerin. Wer von euch welchem Fall zugeteilt wird, lege ich morgen fest. Für heute lassen wir die neuen Informationen ruhen. Ich muss mir erst alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen. Also jetzt keine Fragen. Die könnt ihr morgen stellen. So lange könnt ihr Kaspar bei der Beschaffung und Einrichtung eines Arbeitsplatzes für unsere neue Bürokraft helfen. Ich fahre jetzt nach Hause, um mich in aller Ruhe auf den Fall des verschwundenen Bootes vorzubereiten.«

Zurück in seinem Apartment, ging er ins Gästezimmer, das er sich als Büro eingerichtet hatte, schaltete den Laptop ein und holte aus der Küche eine Flasche Paulaner Bier, eine Tüte mit Tortilla-Chips und eine Packung Sour Cream. So ausgerüstet setzte er sich vor den Computer, gab seinen Zugangscode für das Polizeiarchiv ein und suchte nach der Akte der verschwundenen Motoryacht. Da er die Namen der verschollenen Personen nicht kannte, musste er mehrere Stichwörter eingeben, bevor er das richtige Dokument fand.

Er sah sich das Inhaltsverzeichnis an und öffnete die Datei, die ihm am vielversprechendsten erschien. Er las sie zunächst flüchtig durch und begann sie dann gründlich zu studieren und sich die wichtigsten Punkte auf einem karierten College-Block zu notieren. Als er damit fertig war, blätterte er die anderen Dateien durch. Anschließend suchte er nach Zeitungsartikeln, die über das Verschwinden der Motoryacht und die anschließende Suche berichteten. Ihn interessierte all das, was nicht im Polizeibericht erwähnt wurde.

Nach fünf Stunden am Computer und zwei geleerten Flaschen Bier beendete er die Arbeit. Er stand auf, reckte und streckte sich, um seine verspannten Nackenmuskeln zu lockern. Dann räumte er die Bierflaschen und die Reste seines Snacks weg und kehrte mit Handfeger und Schaufel die Krümel vom Schreibtisch. Danach zog er seinen Jogginganzug an, um einmal um die Außenalster zu laufen.

Der Lauf und das Wechselduschen erfrischten ihn, und, was ihm besonders wichtig war, das Laufen fuhr die Gedanken, die ihm wie in einer Endlosschleife durchs Gehirn liefen, wieder auf den Normalzustand zurück.

Sein Abendessen bestand aus Bratkartoffeln mit Rührei und Schinkenwürfeln. Für die Beilage nahm er frischen Rucola-Salat, den er mit einer Vinaigrette aus Kräutern der Provence, Olivenöl und Weinessig würzte. Dazu trank er Mineralwasser.

Nach dem Essen stellte er das Geschirr in die Geschirrspülmaschine und räumte die Küche auf. Dann holte er eine Flasche Rotwein aus dem Vorratsschrank in der Küche und ging damit ins Arbeitszimmer. Ein Rotweinglas stand schon auf seinem Schreibtisch bereit und glitzerte im Schein der Schreibtischlampe.

Claasen nahm das Collegeheft mit seinen Notizen zur Hand und erstellte auf einer neuen Seite einen chronologischen Ablauf der Ereignisse von vor zehn Jahren. Als er damit fertig war, schaltete er den Fernseher ein und sah sich zur Entspannung einen amerikanischen Thriller an. Er handelte von einer Geiselbefreiung im Iran. Für ihn, der im Nahen Osten jahrelang verdeckt operiert hatte, war es nichts als eine Märchenstunde. Der Film hatte jedoch seine Wirkung erzielt. Die verschollene Motoryacht beschäftigte ihn nicht mehr. Um elf Uhr legte er sich schlafen.

Seine innere Uhr weckte ihn um halb sechs in der Früh. Noch halb verschlafen fuhr er an die Elbe, um seinen morgendlichen 15-Kilometer-Lauf entlang des Elbwanderwegs zu starten.

Kaum zurück in seinem Apartment, klingelte das Telefon. Merle war am Apparat.

»Guten Morgen, Chef. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt. Ich wollte Ihnen mitteilen, wen ich als Partner haben möchte. Ich habe Sie angerufen, damit ich es nicht vor den Kollegen tun muss.«

»Moin, Merle, natürlich hast du mich nicht geweckt. Ich bin schon seit halb sechs auf den Beinen. Für wen hast du dich entschieden?«

»Ich möchte Kaspar Millbrandt als Partner haben. Er hat all die Orts- und Insiderkenntnisse, die mir noch fehlen. Ich denke, wir könnten uns gut ergänzen.«

»Eine gute Entscheidung. Ich hätte ihn dir aus den gleichen Gründen zugeteilt. Und du bist sicher, dass du trotz des Altersunterschieds mit ihm klarkommst?«

»Ich denke schon. Da er keinen Ehrgeiz mehr hat, auf der Karriereleiter höher zu klettern, dürfte es zwischen uns keine Eifersüchteleien geben.«

»Gut, Merle, dann werde ich ihn dir zuteilen. Und noch etwas. Ich finde es ausgesprochen feinfühlig, dass du mir deine Entscheidung telefonisch mitteilst.«

»Danke, Chef.« Merle hatte aufgelegt.

Claasen machte sich fertig fürs Büro und fuhr mit dem Motorrad zum Präsidium. Hier erwartete ihn eine Überraschung. Wie jeden Morgen betrat er das Archiv durch die Gittertür, an der die Archivarin, eine ältere Angestellte, die Zugangsberechtigung der Besucher überprüfte. Obwohl Claasen und sein Team einen Schlüssel für die Gittertür besaßen, wartete er aus Höflichkeit, bis sie ihm per Knopfdruck öffnete. Sie wechselten wie jeden Morgen ein paar Worte, bevor er zu seinem Büro weiterging. Da die Sonderermittlungsgruppe am Ende des Archivs untergebracht war, musste er einen langen Gang entlang gehen. Die linke Wand des Gangs bestand aus Trennwänden, die verhinderten, dass Besucher von Claasens Abteilung in das Archiv gelangen konnten. Das eigentliche Büro war mit den gleichen Wänden vom Archiv abgetrennt. An diesem Tag sah Claasen zu seiner Verblüffung, dass der Gang sich nun auf einer Länge von etwa vier Metern erweiterte und die Öffnung sich ebenso tief in den Bereich des Archivs ausdehnte. In dem 16 Quadratmeter großen Raum standen ein Schreibtisch, zwei Aktenschränke, ein Kleiderständer und Teile, mit denen ein Büro-Arbeitsplatz ausgestattet war. Die eigentliche Überraschung aber war die Frau, die hinter dem Schreibtisch saß. Claasen schätzte sie auf Anfang 50. Sie hatte einen Bürstenhaarschnitt ähnlich wie Männer. Das Auffälligste an ihrem Gesicht waren die tiefblauen Augen, die Claasen das Gefühl vermittelten, dass die Frau hellwach war und jede Kleinigkeit in ihrer Umgebung wahrnahm. Zu Claasens Verblüffung saß sie in einem Rollstuhl. Zwei Krückstöcke steckten in einer Halterung an der Lehne des Rollstuhls.

Als sie Claasen kommen sah, stemmte sie sich aus dem Stuhl hoch, griff nach den Krückstöcken und drehte sich in seine Richtung. Die Bewegungsabläufe waren so flüssig, dass die Frau stand, bevor Claasen ihr sagen konnte, sie möge sitzen bleiben.

»Guten Morgen«, sagte die Frau. »Ich nehme an, Sie sind Kriminaldirektor Claasen. Ich bin Margarete Mahler, als Bürokraft zu Ihrer Abteilung versetzt. Und bevor Sie fragen: Meine Leiden sind die Folgen einer Kinderlähmung. Ich kann Ihnen versichern, sie beinträchtigen meine Arbeit nicht.«

Claasen lächelte über Frau Mahlers Vorstellung und deutete auf den Rollstuhl.

»Bitte setzen Sie sich wieder. Es gibt keinen Grund, hier zu stehen.«

Frau Mahler bedankte sich und setzte sich, wobei ihre Bewegungen ebenso fließend waren wie beim Aufstehen.

Claasen lehnte sich an den Schreibtisch. »Ich wünsche Ihnen ebenfalls einen guten Morgen und freue mich auf eine gute Zusammenarbeit, nicht nur mit mir, sondern auch mit dem Team. Sie werden sicher das eine oder andere über uns gehört haben. Das meiste ist übertrieben. Eines ist allerdings richtig: Ich habe ein ausgesprochen gutes Team. Ich denke, Sie werden sich einfügen.«

»An mir wird es bestimmt nicht liegen, Herr Kriminaldirektor.«

»Bitte lassen Sie meine Amtsbezeichnung fort. Herr Claasen reicht völlig, oder wenn Sie sich den anderen anschließen wollen, dann nennen Sie mich Chef. Das Team duzt sich untereinander und hat mich gebeten, das ebenfalls zu tun. Überlegen Sie sich, wie Sie es mit der Anrede halten wollen.«

»Ich halte mich liebend gerne an die hiesigen Gepflogenheiten.«

»Damit haben wir diesen Punkt abgehakt. Nun erzähl mir bitte, was du bis jetzt gemacht hast und wie es kommt, dass du in meiner Abteilung gelandet bist.«

»Ich habe in allen Hauptabteilungen des LKA gearbeitet, vorwiegend jedoch in der Abteilung von Kriminaldirektor Friedel. Ich glaube, ich kann mit Recht behaupten, dass es keine verwaltungstechnische Aufgabe gibt, die ich nicht beherrsche. Außerdem bin ich eine Computerspezialistin. Ich könnte, wenn ich wollte, so manchem Hacker noch etwas beibringen. Und ich habe meine Verbindungen spielen lassen, um in Ihre Sonderkommission versetzt zu werden.«

»Du wolltest zu uns kommen? Warum denn das?«

Margarete lächelte. »Sie stehen in dem Ruf, nicht nach Vorschriften zu arbeiten, wenn die Sie bei der Lösung von Fällen behindern. Das entsprach so sehr meinen eigenen Vorstellungen, dass ich unbedingt daran teilhaben wollte. Auch wenn ich nur die Tippse bin, ärgerte es mich jedes Mal, wenn ein Verbrecher davonkam, nur weil er wegen irgendwelcher Vorschriften nicht festgenagelt werden konnte.«

»Eine nicht unproblematische Haltung. Meine Art zu arbeiten sollte sich niemand zum Vorbild nehmen. Sie wurde von meiner Tätigkeit als Agent geprägt. Die Polizei steht für Recht und Ordnung. Darauf muss jeder Bürger vertrauen können, ansonsten wären wir nicht besser als irgendeine Bananenrepublik. Betrachte mich als die exotische Ausnahme bei der Polizei, die ich bin. Am besten tust du so, als würdest du es nicht bemerken, und vor allem schweige darüber.«

»Chef, darauf können Sie sich verlassen. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, nie mit Außenstehenden über Interna zu reden.«

»Sehr lobenswert. Haben sich die Kollegen schon bekannt gemacht?«

»Ja, ich habe alle schon gestern beim Herrichten dieses Büros getroffen.«

»Dann stelle ich dich nicht noch einmal vor. Aber komm mit. Wir haben jeden Morgen eine Lagebesprechung, an der du auch teilnimmst. Du wirst für das Schreiben des Protokolls verantwortlich sein. Merle wird dich einweisen, wie wir es damit handhaben.«

Claasen verließ den »Empfangsraum«, wie er die Einbuchtung soeben im Geiste getauft hatte, und ging ins Büro. Seine drei Mitarbeiter saßen an ihren Schreibtischen und sahen ihn erwartungsvoll an.

»Guten Morgen zusammen«, begrüßte er sie. »Wie ich gesehen habe, hat sich über Nacht einiges verändert. Kaspar, mein Kompliment, du hast wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet. Wenn du so weitermachst, sehe ich für deine Pensionierung in zwei Jahren schwarz.«

Merle und Oliver lachten.

»Hab ich’s nicht gesagt?«, rief Oliver.

»Moment, ganz langsam«, rief Kaspar. »Erstens werde ich in eineinhalb Jahren pensioniert, und zweitens ist das nicht alles auf meinem Mist gewachsen. Merle und Oliver und auch Margarete haben tatkräftig mitgeholfen.«

»Ich danke euch«, sagte Claasen. »Ich wusste, ich kann mich auf euch verlassen – super.« Dann drehte er sich zu Margarete um. »Habe ich richtig gehört? Du hast auch mitgeholfen?«

»Ohne sie hätte es nicht geklappt«, warf Kaspar ein.

»Nun übertreib nicht, Kaspar, ich habe nur dafür gesorgt, dass wir das Büro weiter ins Archiv ausdehnen konnten.«

»Nur ist gut. Chef, Sie hätten Margarete mal hören sollen, wie sie jedem klarmachte, dass ihr aufgrund ihrer Behinderung soundsoviel Quadratmeter Büroraum zustünden und sie sich an den Betriebsrat und den Chef des LKA wenden würde, wenn man ihre Rechte beschneiden würde. Wie Sie sehen, Chef, hat ihre Drohung Wunder gewirkt. Das hat selbst meine Beziehungen übertroffen.«

Claasen wandte sich mit einem Grinsen im Gesicht an Margarete. »Ich sehe, du hast dich bereits bestens in die Gruppe eingeführt. Bislang war Kaspar das Schlitzohr. Jetzt scheint er Konkurrenz bekommen zu haben. Doch nun Schluss mit dem Beweihräuchern, wir müssen arbeiten. Beginnen wir mit unserer üblichen Lagebesprechung. Ab sofort wird Margarete die Protokolle schreiben. Merle, du zeigst ihr, worauf es uns ankommt.«

»Geht klar, Chef.«

»Ich hatte schon angekündigt, dass wir zwei Teams bilden. Ein Team wird von Merle geführt. Mit ihr wird Kaspar zusammenarbeiten. Irgendwelche Einwände, Kaspar?«

»Nicht im Geringsten, Chef.«

»Gut. Das andere Team leite ich. Oliver ist der zweite Mann.«

»Auch keine Einwände«, rief Oliver, bevor ihn Claasen fragen konnte.

»Damit sind die Personalia erledigt. Beginnen wir mit der Lagebesprechung. Merle, hast du schon etwas zu berichten?«

»Nichts, Chef, ich habe nicht weiter an dem Fall des Journalisten gearbeitet, der Umbau des Büros war wichtiger.«

»Ich nehme an, Oliver und Kaspar erging es ähnlich, deswegen werde ich mit dem Fall der verschollenen Motoryacht beginnen.« Er wandte sich an Margarete. »Die Akte bekommt den gerade genannten Namen.«

»Ist bereits notiert.«

»Ich habe noch eine Aufgabe für dich. Sobald die Lagebesprechung zu Ende ist, findest du heraus, ob die Angehörigen der Opfer bereits informiert worden sind.«

»Wird erledigt, Chef.«

»Vor zehn Jahren lief die Motoryacht Annemarie mit der Kennung des Hamburger Yachtclubs gegen elf Uhr vormittags von ihrem Liegeplatz im Yachthafen in Wedel-Schulau aus. Ihr Ziel war Edinburgh in Schottland. An Bord befanden sich drei Personen. Knut Ottenfeld, 43, Schiffsführer und Eigner der Annemarie, Diplomingenieur, Max Karrenbauer, 39, Freund von Ottenfeld, Zolloberinspektorin Pauline Franzmann, 38, Verlobte von Karrenbauer, Aktivistin bei Greenpeace. Alle drei …«

»Halt, Chef, nicht so schnell«, rief Oliver, der versuchte, die Angaben auf dem Whiteboard einzutragen.