Atlantis-Legenden 2 - Ian Rolf Hill - E-Book

Atlantis-Legenden 2 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Delios ist mit einer Delegation auf dem Weg zur Einschlagstelle der Träne aus Feuer - und Kara, seine Tochter, will ihm heimlich folgen. Doch dann gerät sie in eine magische Falle und findet sich auf der mysteriösen Insel der Sirenen wieder, wo auch die Flammenden Steine stehen. Und hier offenbart sich ihre Bestimmung: Sie ist die Auserwählte der Stummen Götter, die durch Kara in den Kampf um das Schicksal von Atlantis und der ganzen Welt eingreifen! Doch wie soll sie, eine Sechzehnjährige, gegen die übermächtigen Großen Alten bestehen - und gegen deren schlimmsten Vasallen, den Schwarzen Tod, der seine Saat der Vernichtung in Atlantis ausbringt?


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Seitenzahl: 176

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Cover for EPUB

Inhalt

Cover

Titel

Die Saat des Schwarzen Tods

Epilog

So geht es weiter …

Impressum

Atlantis

LEGENDEN

Die Saat des Schwarzen Tods

von Ian Rolf Hill

Was hatte ich mir bloß dabei gedacht, dass ich mitten in der Nacht aus der Stadt geschlichen war, um der Delegation meines Vaters zu folgen? Er war auf dem Weg zur Einschlagstelle der Feuerträne, die aus dem Auge der Dämonen zur Erde gestürzt war, so wie es die Prophezeiung vorhergesagt hatte.

Das Dämonenauge war eine von zwei Himmelsscheiben, die nachts über Atlantis leuchteten. Die zweite war das Auge der Stummen Götter. Es hieß, dass sie die Träume der Schlafenden nach sündigen Gedanken erforschten. An jenem Tag aber, da sich das Auge der Dämonen über das der Stummen Götter schob, würde eine Träne aus Feuer Unheil und Tod über die Menschheit bringen!

Genau dies hatte Vater in einer nächtlichen Vision gesehen. Leider ohne zu wissen, wann genau dies geschehen würde. Die Sterndeuter, allen voran Vaters Freund Trebos, sollten die Himmelsaugen beobachten, doch Wolken hatten tagelang die Sicht verhindert.

Im Fieber hatte Vater mich darum gebeten, Trebos und die Sterndeuter zu warnen, da sie angeblich in großer Gefahr schwebten. Wie hätte ich ahnen können, dass einer der Stummen Götter aus ihm sprach?

Und so hatte ich mich mit Haro, einem jungen Soldaten der Stadtwache, auf den Weg zum Berg Uranos gemacht, wo wir jedoch nur noch die Gebeine der Sterndeuter gefunden hatten.

Getötet von einem Dämon!

Bis dahin hatte ich sie für Figuren aus Märchen gehalten, mit denen man kleinen Kindern Angst einjagte. Doch sie existierten, und Vater und all die anderen Erwachsenen, die vor über sechzehn Jahren Krieg gegen sie geführt hatten, hatten dies gewusst, aber geschwiegen, angeblich um uns zu beschützen.

Und dann war tatsächlich die Träne aus Feuer zur Erde gestürzt, die daraufhin erzittert war.

Als Haro und ich am nächsten Tag in die Stadt zurückgekehrt waren, hatten zahlreiche Gebäude in Schutt und Asche gelegen. Nicht ein einziges Standbild der Stummen Götter war heil geblieben.

Der große Atlan war ebenso gefallen wie Uranos, Pontos, Chaos und Gaia.

Vater hatte in einer eilig einberufenen Ratsversammlung versucht, die vier Weisen von Atlantis davon zu überzeugen, die Aufschlagstelle der Feuerträne untersuchen zu dürfen, um einer möglichen Bedrohung begegnen zu können.

Zunächst waren der Rat und die Weisen, allen voran Sarana, skeptisch gewesen. Die unmittelbaren Schäden in der Stadt erschienen ihnen dringlicher. Erst nachdem ich von meinen Beobachtungen am Berg Uranos berichtete und die Weisen die Flammenden Steine befragten, willigten sie ein, die Aufschlagstelle untersuchen zu lassen.

Statt jedoch bis zum Morgengrauen zu warten, wie Vater mir erzählt hatte, hatte er sich in der Nacht davongestohlen, um sich heimlich, still und leise mit den Soldaten zu treffen, die Hauptmann Kandor und Sarana persönlich ausgewählt hatten.

Haro sollte ebenfalls den Trupp begleiten. Angeblich auf Geheiß von Kandor, doch ich war mir sicher, dass Vater dahintersteckte. Er machte Haro dafür verantwortlich, dass es mir gelungen war, die Stadt zu verlassen und zum Berg Uranos zu reiten, wo mich der Dämon fast getötet hätte. Vater selbst leugnete, mich jemals darum gebeten zu haben.

Jetzt war ich also hier. Vor dem Wald, der die Stadt vom Berg Uranos trennte, der nach dem Gott des Himmels benannt war. Allein mit meinem Pferd Nila. Ohne Wasser und Proviant, dafür mit klatschnasser Kleidung, denn um unbemerkt aus der Stadt zu kommen, hatte ich einen der Abwasserkanäle durchqueren müssen, in denen noch immer Hochwasser herrschte.

Meine Zähne klapperten aufeinander. Nicht nur der Kälte wegen, es war auch die Angst, die mich frösteln ließ. Das Laub war von den Bäumen gefallen. Binnen weniger Tage waren sämtliche Pflanzen unter dem Licht des Dämonenauges verdorrt, die Ernten waren durch die Überschwemmungen in Gefahr, und über dem Land lag eine dichte Wolke aus Asche, die das Licht der Sonne verdunkelte und sich nur langsam herabsenkte.

Die Flocken schwebten überall. Sie klebten an meinem nassen Mantel und in Nilas Fell. Eigentlich war sie es, die sich weigerte, den Wald zu betreten. Und warum sollten Faruk und seine Soldaten ausgerechnet hier entlanggeritten sein?

Vater hatte gesagt, die Träne sei irgendwo in den Bergen heruntergekommen. Wäre es also nicht viel sinnvoller, dem Fluss Okeanos zu folgen, der aus den Bergen durch den See der Sirenen in die Stadt floss, wo er sich am Hafen ins Meer ergoss?

Je länger ich darüber nachsann, desto besser gefiel mir die Idee.

Also zog ich mein Pferd an den Zügeln herum. Nila hatte nichts dagegen.

Myxin starrte auf das turmhohe schwarze Skelett, dessen Knochen glänzten, als wären sie mit Pech bestrichen. Der dampfende Schlick aus dem brodelnden Morast troff von den Gebeinen des Monstrums, das sich vor dem Eisernen Engel erhob.

In den knöchernen Händen hielt der Gigant einen Stab, an dessen Ende sich eine gebogene messerscharfe Klinge befand. Der waren schon mehrere Schwarze Vampire zum Opfer gefallen. Und jetzt sollte sie auch dem Eisernen Engel, dem Sohn der Stummen Götter, und seinen Vogelmenschen zum Verhängnis werden.

Ein röhrender Schrei drang aus dem Maul des knöchernen Monsters, als es ausholte und zuschlug. Die Klinge gleißte in einem fahlen Licht. Grünliche Flammen umzüngelten das Metall, als es auf den Eisernen herabfuhr.

Gedankenschnell spreizte dieser die Flügel und schwang sich in die Lüfte. Dicht vor seiner Gestalt fuhr die gebogene Klinge vorbei und hackte in die Erde, die unter der Wucht des Schlags erzitterte.

Die Klinge verschwand fast vollständig im Boden und steckte fest.

Der Eiserne Engel erkannte die einmalige Gelegenheit und ergriff sie. Mit einem Flügelschlag schoss er auf das leicht vornübergebeugt dastehende Skelett zu, das nicht zu begreifen schien, in welcher Gefahr es schwebte.

Noch im Flug holte der Eiserne Engel mit seinem Schwert aus, und als er dicht über dem Schädel schwebte, schlug er zu. Begleitet von einem lauten Schrei raste die schwere Schwertklinge auf das schwarze Gebein herab.

Selbst Myxin konnte sich der Faszination des Geschehens nicht entziehen. Gebannt beobachtete er den Kampf der Giganten, der anscheinend schneller als erwartet zu Ende war.

Der Magier kannte niemanden, der dem Schwert des Eisernen Engels widerstehen konnte.

Er rechnete damit, dass die Klinge den Schädel zertrümmerte. Tatsächlich gab es einen lauten Knall. Funken sprühten. Doch nicht der knöcherne Schädel brach entzwei, stattdessen prallte das Schwert mit solcher Wucht ab, dass es dem Engel fast aus den Händen gerissen wurde. Er trudelte zurück.

Das schwarze Gerippe aber hob den Kopf. Das Feuer in seinen Augenhöhlen loderte auf, und einen Moment später schossen grelle Blitze daraus hervor, die den Eisernen Engel im Flug trafen und ihn zurückschleuderten.

Zum ersten Mal überhaupt hörte Myxin den Eisernen Engel vor Schmerzen brüllen.

Dann fiel er wie ein Stein zur Erde, und krachend schlug er auf. Staub und Asche wirbelten empor und vermengten sich mit den Rauchschwaden, die von der Gestalt des Eisernen aufstiegen.

Das Skelett richtete sich auf. Mit spielerischer Leichtigkeit zerrte es die Klinge aus dem Boden. Myxin begriff, dass dieses Monster seinen Gegner getäuscht und in Sicherheit gewiegt hatte. Langsam, fast bedächtig, entstieg das Gerippe dem Sumpf, um seinem Feind den Todesstoß zu versetzen.

Das sahen auch die Vogelmenschen, die sich bisher zurückgehalten und den Kampf aus sicherer Distanz beobachtet hatten. Auch sie waren von der Niederlage ihres Anführers überrascht und wollten ihm helfen.

Die Hälfte der zwölf Vogelmenschen in ihren silbrig glänzenden Rüstungen griff das Skelett an. Sie fächerten auseinander, umschwirrten das Skelett, das sich allerdings nicht beirren ließ.

Als es noch zwei Schritte von seinem Opfer entfernt war, holte es mit seiner Waffe erneut aus. Einer der angreifenden Vogelmenschen wurde dabei von der Rückseite der Klinge getroffen und zurückgeschleudert. Einen Speerwurf weit hinter dem Skelett klatschte der besinnungslose Vogelmensch in den Sumpf und versank.

Die sichelförmige Klinge aber fegte auf die anderen sechs Soldaten zu, die dabei waren, ihren Anführer aufzurichten.

Myxin vernahm das pfeifende Geräusch, sah den feurigen Schweif, den die Klinge hinter sich herzog. Die Vogelmenschen ahnten die Gefahr. Im letzten Augenblick ließen sie den Eisernen Engel los, der zurückkippte.

Haarscharf fuhr die Klinge über ihn hinweg. Die Vogelmenschen zuckten zusammen. Zwei von ihnen waren dabei gewesen, sich in die Lüfte zu erheben. Ihre Unterleiber fielen zur Erde, während die geflügelten Oberkörper in die Höhe schnellten.

Wenig später fielen auch sie in die Tiefe. Gleichzeitig lösten sich die Köpfe der übrigen vier von den Rümpfen. Neben ihrem Anführer sanken die Vogelmenschen tot zu Boden.

All dies hatte nicht mehr als zwei, drei Herzschläge gedauert.

Die übrigen Vogelmenschen, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, schossen auf das Skelett. Die Pfeile verglühten noch in der Luft.

Der Knöcherne wandte den Schädel. Blitze schossen aus seinen Augen. Zwei Vogelmenschen verbrannten zu Asche, die vom Wind davongetragen wurde.

Die restlichen drei zogen sich zurück, ergriffen jedoch nicht die Flucht. Anscheinend wollten sie ihren Anführer nicht im Stich lassen.

Myxin war neugierig, wie sie das Skelett davon abhalten wollten, den Eisernen Engel zu töten. Gleichzeitig haderte der kleine Magier mit sich.

Er dachte an die Träne aus Feuer, die genau hier aufgeschlagen war und einen Krater hinterlassen hatte. Der hatte sich mit kochendem Morast gefüllt, dem zuerst ein todbringender Nebel entstiegen war, gefolgt von einem gigantischen Drachen, dem mehrere Schwarze Vampire zum Opfer gefallen waren.

Zuletzt war dieses riesige Skelett daraus aufgetaucht.

Für Myxin bestand kein Zweifel daran, dass der Drache zu diesem Dämon gehörte, der vom Planeten der Magier stammen musste. Jene Himmelsscheibe, die von den Menschen das Auge der Dämonen genannt wurde. Dort herrschten Arkonada und die Großen Alten, die Todfeinde der Stummen Götter.

Bislang hatte sich Myxin aus ihren Kämpfen herausgehalten. Zumindest seit dem letzten großen Krieg gegen die Menschen, nachdem er sich mit Beela und den Schwarzen Vampiren in die Berge zurückgezogen hatte, in das Reich der Dämonen.

Der Magier wusste jedoch, dass ihn die Großen Alten nur so lange in Ruhe ließen, bis sie die Stummen Göttern besiegt hatten. Sobald dies geschehen war, würden sie versuchen, auch ihn zu unterwerfen.

Und wenn er das gestrige Inferno richtig deutete, war genau dies nun passiert. Die Stummen Götter waren gefallen, und die Großen Alten hatten ihren Henker geschickt. Einen Henker in Gestalt eines riesigen Skeletts, das für sie die letzten Hindernisse beseitigen sollte.

Darunter den Eisernen Engel, den Sohn der Stummen Götter.

Die Schwarzen Vampire waren wie aufgescheuchte Vögel auseinandergestoben und hatten ihr Heil in der Flucht gesucht. Myxin sah sie zwischen den verbrannten Bäumen am Ufer des Sumpfes untertauchen. Die dichten Rauchschwaden verschluckten die Riesenfledermäuse.

Myxin hielt nach Beela Ausschau, seiner Geliebten, die zugleich die Anführerin der Schwarzen Vampire war. Da er sie nicht entdeckte, rief er auf geistigem Wege nach ihr, ohne dabei den Eisernen Engel und den Schwarzen Tod aus den Augen zu lassen.

Wir sind in der Nähe, Gebieter, fing der Magier Beelas Gedanken auf. Wir warten auf deine Befehle.

Genau das hatte er wissen wollen.

Natürlich hätte sich Myxin auch mit einem Gedankensprung ans Ufer versetzen können, doch er wollte dem Dämon noch nicht all seine Kräfte offenbaren. Daher trat er auf herkömmliche Weise zwischen den Bäumen hervor. Er hob sogar die Hände, als Zeichen, dass er unbewaffnet war.

»Halte ein!«, rief er mit erhobener Stimme. »Ich bin Myxin der Magier. Und ich möchte dir ein Angebot unterbreiten!«

Der Fluss Okeanos lag auf der anderen Seite der Stadt, der Ritt dorthin dauerte die halbe Nacht. Jetzt war ich froh, den größten Teil des vergangenen Tages verschlafen zu haben, so musste ich wenigstens nicht mit der Müdigkeit kämpfen.

Auf dem Weg sah ich die Verheerungen, die der Sturm und das Beben auf den Feldern angerichtete hatten. Keine der Bewässerungsanlagen, mit denen das Wasser aus dem Fluss auf die Äcker gebracht wurde, war noch intakt, die Felder waren teilweise so stark überschwemmt, dass sie sich in Seen verwandelt hatten.

Ihre Oberflächen ähnelten trüben Spiegeln, wohingegen das Wasser des Okeanos funkelte und glitzerte, als würde sich das Licht der Sterne darin spiegeln.

Bloß dass eben keine Sterne am Himmel standen, nur das Auge der Dämonen, das die Aschewolke in türkisfarbenes Licht tauchte. Je länger ich ihm ausgesetzt war, desto schwächer fühlte ich mich. Auch Nilas Schritte waren nicht mehr so sicher wie vorher, daher stieg ich ab und suchte eine freie Stelle am Ufer, an der ich das Pferd bedenkenlos saufen lassen konnte.

Soweit stromabwärts gab es keine Riesenschlangen und Panzerechsen, die uns gefährlich werden konnten. So hoffte ich jedenfalls …

Dennoch zuckte ich zusammen, als ich wenige Armlängen vor mir ein Plätschern vernahm. Ich hob den Kopf, konnte auf dem Wasser jedoch nur kleine Wellen ausmachen, die sich ringförmig ausbreiteten. Genau dort, wo sich das Auge der Stummen Götter im Wasser spiegelte.

Ich stutzte. Wie war das möglich?

Abgesehen davon, dass beide Himmelsscheiben von der Aschewolke verdeckt wurden, war das Auge der Stummen Götter hinter dem Dämonenauge verschwunden, als wäre es davon verschluckt worden. Das war vor dem Beben deutlich zu sehen gewesen. Und doch sah ich nun beide Himmelsscheiben im Wasser vor mir.

Nila neben mir schien nicht sonderlich beunruhigt. Das Pferd soff das klare Wasser, als hätte es seit Tagen nichts mehr getrunken. Und auch ich spürte ein Kratzen im Hals, das mich das seltsame Geschehen für einen Augenblick ignorieren ließ.

Ich beugte mich vor – und erschrak vor dem eigenen Spiegelbild. Meine Haare sahen aschgrau aus, das Gesicht verhärmt, unter den Augen lagen dunkle Ringe.

Unwillkürlich hob ich die Hand und strich durch meine Strähnen. Eine dunkelgraue seifige Masse blieb an den Fingern kleben. Feuchte Asche …

Obwohl ich es eilig hatte, nahm ich mir die Zeit, mir den Schmutz vom Körper und aus den Haaren zu waschen. Ich streifte Mantel und Stiefel ab, stieg aus den Hosen und löste die Verschnürung meines Hemdes. Nackt stieg ich in das kalte Wasser.

Es fühlte sich herrlich an.

Langsam watete ich tiefer in das klare Nass. Es erreichte gerade meine Brust, als Nila schnaubte und wieherte. Ich blieb stehen und drehte mich um. Das Pferd warf den Kopf in den Nacken und tänzelte auf der Stelle. Es sah aus, als wollte mich das Tier warnen.

Und dann spürte ich die Berührung an meinen nackten Beinen. Etwas Kaltes, Feuchtes, Glitschiges glitt über meine Haut.

Mein Herz stolperte, in meinem Bauch zog sich etwas zusammen. Einen Atemzug später schlang sich etwas um meinen rechten Knöchel, riss mich von den Beinen und zerrte mich unter Wasser.

Der Schrei blieb mir im Halse stecken, dann schlug das Wasser über mir zusammen.

Verzweifelt streckte ich die Arme aus, suchte nach etwas, an das ich mich festhalten konnte, doch um mich herum war nur Wasser.

Und der kalte, glitschige Griff um mein Bein.

Was auch immer mich da gepackt hatte, zog mich gnadenlos in die Tiefe und zugleich in die Flussmitte. Die Strömung riss und zerrte an mir, doch das Ding, das mich festhielt, war stärker. Mit dem freien Bein trat ich nach dem Angreifer, und mein Fuß traf einen weichen, schwammigen Widerstand, der von kalter glitschiger Haut überzogen war.

Eine Schlange!, durchfuhr es mich.

Oder ein Krake, der mich mit seinen glitschigen Tentakeln in die Tiefe zerrte, genau auf sein grässliches Maul zu. Gleich würde er zubeißen.

Vor lauter Angst konnte ich keinen klaren Gedanken fassen. Ich riss den Mund auf und schrie. Blasen sprudelten aus meinem Mund, Wasser strömte hinein. Ich verschluckte mich, hustete und – holte Luft.

Ein unbeschreiblicher Schmerz zuckte durch meine Brust.

Grelle Lichter zerplatzten vor meinen Augen und wichen einer tiefschwarzen Finsternis.

Nichts geschah.

Eine bedrückende Stille legte sich über den Sumpf, nicht der geringste Laut war zu hören. Keine Vögel, keine Insekten, nichts. Nicht mal ein Blubbern.

Das Skelett war vor dem Eisernen Engel stehen geblieben, die schwere Klinge zum Schlag erhoben, doch der Blick, sofern man das Glühen in den Augenhöhlen als solchen bezeichnen mochte, heftete sich auf Myxin.

»Wer bist du?«

Der Magier fuhr zusammen, als er die Stimme vernahm, die aus dem knöchernen Maul drang. Dumpf und grollend, wie Donner, der nahendes Unwetter ankündigte.

»Mein Name ist Myxin, und ich bin der Herrscher dieses Landes!«

Das Skelett richtete sich auf und ließ die Klinge sinken. Im nächsten Augenblick hallte dem Magier das höhnische Gelächter des Gerippes entgegen.

»Einen Herrscher nennst du dich?«, dröhnte das Skelett. »Sieh dich doch an, du bist ein Wicht! Ein jämmerlicher Zwerg. Welches Land willst du beherrschen?«

Myxin schluckte die Beleidigung kommentarlos hinunter. Er streckte den Arm aus und deutete zu den Bergen. »Dort liegt mein Domizil. Die Berge stehen unter meiner Herrschaft. Dahinter liegt die Wüste der Gesichtslosen. Nur ich allein bestimme, wer dort hineingelangt. Oder hinaus.«

Das Skelett neigte den Schädel. »Du hast vorhin von einem Angebot gesprochen. Was glaubst du, könntest du mir bieten?«

»Verrate mir zuerst deinen Namen!«

»Ich habe keinen Namen. Ich bin das Chaos, der Tod, die Zerstörung. Ich bin der Tyrann, der diese Welt erobern wird.«

»Nun, auch ich habe das bereits versucht. Doch wisse, diese Welt hat mächtige Beschützer. Du hast vielleicht schon von ihnen gehört. Es sind die Stummen Götter!«

»Wer sind die Stummen Götter?«, rief das Skelett.

»Wie ich bereits sagte, es …«

»WERSINDDIESTUMMENGÖTTER«, brüllte der Knöcherne, »GEGENMICH, DENSCHWARZENTOD?«

Heißer Wind fegte über das Ufer und den Hang. Myxin glaubte, in Flammen zu stehen.

»Auch ich habe einst den Fehler gemacht, sie zu unterschätzen. Die Menschen dieser Welt stehen unter ihrem Schutz. Gemeinsam aber können wir sie besiegen und dieses Land unter uns aufteilen. Wir werden …«

»NEIN!«, donnerte der Schwarze Tod und beugte sich vor.

Myxin musste an sich halten, um nicht zurückzuweichen. Jetzt bloß keine Schwäche zeigen, dachte er.

»Was … soll das heißen?«, fragte er.

Die Augen des Schwarzen Tods glühten noch intensiver. »Unterwirf dich mir. Knie nieder, und ich verschone dein jämmerliches Leben, du Wicht!«

Stumm starrte Myxin das Skelett an. Niemand von ihnen sprach zunächst ein Wort. Schließlich schüttelte der Magier langsam das Haupt.

»Das kannst du vergessen«, zischte er.

Der Schwarze Tod stieß ein leises, kaum hörbares Knurren aus. Dann bäumte er sich auf, riss die Waffe hoch und brüllte: »DANNSTIRB!«

Myxin ahnte den Angriff, bevor er erfolgte. Die Gefahr ging nicht von der gebogenen Klinge aus, sondern von den lodernden Augenhöhlen.

Blitze schossen daraus hervor, sollten Myxin jedoch nie erreichen. Kurz vorher löste er sich auf, nur um im selben Augenblick hinter dem Schwarzen Tod wieder aufzutauchen.

JETZT!, rief er in Gedanken seiner Dienerin Beela zu. GREIFTAN!

Und während sich die Schwarzen Vampire aus dem Rauch zwischen den verkohlten Bäumen erhoben, schleuderte Myxin Blitze aus seinen Händen auf das riesige Skelett.

Ich erwachte durch stechende Schmerzen in der Brust.

Es fühlte sich an, als würden Wackersteine darauf liegen. Beim Versuch, Luft zu holen, erlitt ich einen Hustenanfall, durch den ich einen Schwall Wasser ausspie. 

Es gelang mir, mich auf die Seite zu wälzen, ehe ich mich übergab. Kurz darauf ging es mir besser, auch wenn sich jeder Atemzug anfühlte, als würde mir jemand ein Messer zwischen die Rippen treiben.

Dabei fiel mir die Helligkeit auf, die mich umgab. Langsam wandte ich mich wieder um und richtete mich auf.

Die Sonne schien von einem wolkenlosen Himmel und wärmte mich. Es gab keine Aschewolken, die sie verdeckten.

Ich blinzelte und schloss schließlich geblendet die Augen. Irgendwo plätscherte Wasser. Eiskalte Tropfen spritzten mir ins Gesicht.

Das Geräusch und die Wassertropfen lösten in mir eine Kaskade von Erinnerungen aus.

Ich schreckte hoch, riss die Augen erneut auf, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Meine Lippen zitterten, die Zähne schlugen aufeinander.

Ängstlich und verwirrt schaute ich mich um. Ich saß an einem Ufer und blickte auf eine spiegelglatte Wasserfläche. Aber das war nicht der Fluss Okeanos!

Wo war ich? Warum gab es hier keine Aschewolken am Himmel? Wo war Nila? Und wieso war ich überhaupt noch am Leben?

Etwas hatte mich unter Wasser gezerrt, eine Schlange oder ein Krake. Was genau es gewesen war, wusste ich nicht. Doch das war auch nicht wichtig, viel interessanter war die Frage, wieso mich der Angreifer wieder freigegeben hatte und wer mich ans Ufer gebracht hatte.

An ein Ufer, das so ganz anders aussah als jenes, an dem ich ins Wasser gestiegen war. Hohe Bäume und üppige Sträucher umgaben mich. Dicht belaubte Kronen spendeten Schatten. Die Zweige der Büsche bogen sich unter der Last saftiger Früchte, bei deren Anblick mir das Wasser im Munde zusammenlief und mein Magen anfing zu knurren.

Ohne lange darüber nachzudenken, griff ich nach den Beeren und stopfte sie mir mit beiden Händen in den Mund, dass mir der Saft nur so übers Kinn lief.

Ein Kichern erklang, begleitet von einem Plätschern.

Ich ließ die restlichen Beeren fallen, rutschte auf dem Hintern ein Stück zurück und fuhr noch im Sitzen herum.

Die kreisrunden Wellen, die ich sah, erinnerten mich an mein Erlebnis am Fluss Okeanos, kurz bevor ich angegriffen worden war.

Unwillkürlich glitt ich weiter zurück.

Dabei stieß ich mit dem Rücken gegen ein Stück Stoff. Zögernd wandte ich den Kopf und glaubte zu träumen, als ich meine Sachen sauber und getrocknet über einem niedrigen Ast hängend entdeckte.

Wieder erklang ein Kichern.

Ich wurde mir meiner Blöße bewusst. Hastig zerrte ich die Sachen vom Ast und hielt sie mir vor die Brust.

»Wer ist da?«, rief ich mit zitternder Stimme.