Atlantis-Legenden 3 - Ian Rolf Hill - E-Book

Atlantis-Legenden 3 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Myxin, der Magierdämon von Atlantis, hat Kara vor den Schwarzen Vampiren gerettet ... Und damit endet Karas Erinnerung, als sie im Hause ihres Vaters wieder zu sich kommt. Wer hat sie zurück in die Stadt Atlantis gebracht? Was es Myxin? Und wenn ja, was beabsichtigt er mit dieser großmütigen Tat? Diese Fragen werden in den Hintergrund gedrängt, als Kara wunderbare Neuigkeiten erfährt. Ihr Vater Delios ist wohlbehalten von seiner Mission zurückgekehrt - und seine totgeglaubte Frau, Karas Mutter, ist am Leben und nach vielen Jahren der Gefangenschaft wieder daheim! Freudestrahlend und mit Tränen des Glücks in den Augen schließt Kara ihre Mutter in die Arme - und ahnt nicht, dass dies alles Teil eines bösartigen Meisterplans ist, der sie in einen Albtraum führen wird ...


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Seitenzahl: 166

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Cover for EPUB

Inhalt

Cover

Titel

Myxins Meisterplan

So geht es weiter …

Impressum

Atlantis

LEGENDEN

Myxins Meisterplan

von Ian Rolf Hill

Das Dämonenauge war eine von zwei Himmelsscheiben, die in der Nacht über die Träume der Atlanter wachten. Die zweite war das Auge der Stummen Götter.

An jenem Tag, da sich das Auge der Dämonen über das der Stummen Götter schob, so besagte eine alte Prophezeiung, würde eine Träne aus Feuer auf die Erde fallen und Unheil und Tod über die Menschheit bringen.

Genau das war geschehen, und aus den Trümmern der Feuerträne erhob sich – der Schwarze Tod!

Sonnenlicht weckte mich aus tiefstem Schlummer.

Es floss durchs Fenster hinter dem Vorhang hervor und schuf auf dem Fußboden einen hellen Streifen, der sich wellenförmig bewegte, weil der Wind den Vorhang bauschte. Hin und wieder traf das grelle Licht auch mein Gesicht. Geblendet schloss ich die Augen, rollte mich herum und zog die Beine an.

Ich war noch viel zu müde zum Aufstehen, auch wenn es vermutlich schon längst über der Zeit war und Vater schon mit dem Frühstück auf mich wartete.

Wahrscheinlich würde Ada gleich ins Zimmer stürmen und mich aus dem Bett maulen, damit ich meinen Pflichten als Tochter des hohen Hauses Delios nachkam. Auch wenn ich gerade überhaupt nicht wusste, welche Pflichten das überhaupt sein sollten.

Im nächsten Moment geschah genau das, was ich befürchtet hatte. Die Tür flog auf und beförderte den Schemel, den ich in der Nacht vor die Tür gestellt hatte, damit niemand unbemerkt mein Schlafgemach betreten konnte, mit lautem Poltern durch das Zimmer.

»Aufstehen, junge Herrin!«, rief Ada mit schriller Stimme, um die sie jede Sirene beneidet hätte. »Der Herr Delios wartet bereits auf euch!«

Ich murmelte etwas in mein Leinenkissen, das Ada bestimmt nicht verstehen konnte, doch sie entgegnete streng und laut: »Keine Widerrede! Ihr habt lange genug geschlafen!«

Ach ja? Woher wollte die alte Furie das wissen?

Ich zog die Decke über den Kopf und hoffte, dass Ada die Botschaft begriff und unverrichteter Dinge wieder abzog.

Das geschah allerdings nicht. Im Gegenteil: Ada reagierte drastischer denn je zuvor.

Sie riss mir nicht nur die Decke weg, sondern zog auch noch das Kissen unter meinem Kopf hervor. Dann riss sie auch den Vorhang vor dem Fenster beiseite.

Ich wälzte mich herum, fuhr halb in die Höhe und wollte die Furie zurechtweisen. Immerhin war ich die Tochter des Propheten Delios, und sie gehörte nur zum Dienstpersonal seines Hauses.

Mein Vorhaben scheiterte an zweierlei. Das waren zum einen die Schmerzen, die mir bei meiner ruckartigen Bewegung durch den Körper fuhren. Es fühlte sich an, als würde ihn jemand in Stücke reißen. Der zweite Grund war Ada selbst, deren Kopf ein grauer Verband zierte. Das Gesicht darunter war bleich wie Kreide.

Der Anblick lähmte mich.

Erinnerungen prasselten auf mich ein. Erinnerungen, die ich bis eben noch für einen bösen Traum gehalten hatte.

Das Auge der Dämonen, jener bösartige Himmelskörper, der uns in der Nacht die schrecklichen Bilder schickte, hatte das Auge der Stummen Götter verdeckt und eine Träne aus Feuer geweint, die auf die Erde gefallen war und die Saat des Bösen gelegt hatte. Daraufhin war mein Vater Delios mit einem Trupp Soldaten ausgezogen, um sich die Aufschlagstelle anzusehen. Ich war ihnen gefolgt, ohne sie jedoch eingeholt zu haben. Stattdessen wäre ich fast ertrunken, als ich im Fluss Okeanos gebadet und von einem unbekannten Wesen in die Tiefe gezogen worden war.

Als ich erwachte, hatte ich mich auf einer üppig bewachsenen Insel wiedergefunden. Einer Insel im See der Sirenen, auf der die vier Flammenden Steine standen. Jene mächtigen Artefakte, die uns die Stummen Götter hinterlassen hatten, um uns vor den Großen Alten zu beschützen.

Doch ihre Magie konnte nur von den vier Weisen beschworen werden. Auf die war ich auf der Insel gestoßen, und sie hatten in mir eine Abgesandte der Götter gesehen, denn Normalsterblichen war es nicht möglich, auf die Insel zu gelangen.

Sarana, Korfu, Arsuf und Ilios hatten eine Beschwörung vorgenommen, und kurz darauf hatte ich mich in einem finsteren Stall wiedergefunden, in den Händen eine weißgrau schimmernde Kugel, den Lebensatem der Sirenen. Mit dessen Hilfe hatte ich eine Bauernfamilie gerettet, die unweit der Stelle, an der die Feuerträne auf die Erde gefallen war, in der Nähe eines kleinen Dorfes lebte. Nur dem Großvater Logar hatte ich nicht mehr helfen können. Er war zu einem Untoten geworden, dem das Fleisch von den Knochen gefallen war.

Danach verschwamm meine Erinnerung.

Was für ein merkwürdiger, absurder Traum …

Aber war es wirklich ein Traum gewesen?

Es hieß, dass die Götter durch die Träume zu uns sprachen. Während uns die Stummen Götter schöne Bilder schickten, trachteten die Großen Alten danach, unsere Seelen durch finstere, schreckliche Träume zu vergiften.

Natürlich waren böse Menschen sehr viel empfänglicher dafür.

Bedeutete das etwa, dass ich ebenfalls ein böser Mensch war?

Bei dem Gedanken bekam ich ein ganz schlechtes Gewissen.

»Ada, was … was ist mit dir passiert?«

»Könnt Ihr Euch nicht erinnern? Die Träne aus Feuer brachte die Erde zum Zittern.«

Ich nickte langsam. Obwohl ich noch immer im Bett lag, drehte sich alles um mich herum.

Ja, ich entsann mich. Das Beben hatte große Schäden in der Stadt angerichtet. Keines der Standbilder unserer Götter war heile geblieben, und viele Menschen waren seitdem ohne Obdach.

Unser Haus hatte nur leichte Schäden davongetragen, trotzdem war Ada verletzt worden.

So behutsam wie möglich setzte ich mich auf und warf einen Blick über die Schulter zum Fenster. Ich fröstelte, was nur bedingt an dem kühlen Wind lag, der von draußen hereinwehte.

Ein Baum war durchs Fenster in mein Gemach geschlagen, und die Spuren am Fensterrahmen waren noch immer deutlich zu sehen. Hätte ich zu dieser Zeit hier im Bett gelegen, wäre ich schwer verletzt, wahrscheinlich sogar getötet worden. Stattdessen aber war ich in dieser Nacht zusammen mit Haro am Berg Uranos gewesen, um die Sterndeuter vor drohender Gefahr zu warnen.

Haro …

Der Gedanke an den jungen Soldaten der Stadtwache ließ mein Herz schneller schlagen.

Gleichzeitig verspürte ich aber auch ein dumpfes Gefühl von Furcht, denn wenn ich mit Haro in jener Nacht wirklich am Berg Uranos gewesen war, dann hatte sich auch der Angriff des schaurigen Dämons dort wirklich ereignet. Haros Pferd war allein durch die Berührung seiner Hände zu Staub zerfallen.

»Bei allen Göttern«, hauchte ich. »Dann … dann ist es also wahr!«

Ada sank neben mir auf die Bettkante. In ihren sonst so streng blickenden Augen las ich Sorge um mein Wohlergehen. »Ihr habt Glück, dass Ihr noch am Leben seid!«

Sie sprach die Worte in einem leicht vorwurfsvollen Ton, der mich erröten ließ. Ich schämte mich, denn ich war losgeritten, ohne Ada oder irgendeinem anderen der Bediensteten Bescheid zu geben. Was hatten sie meinetwegen nur durchmachen müssen?

»Es … es tut mir leid«, schluchzte ich.

Trotz der Schmerzen warf ich mich nach vorn und nahm Ada in den Arm, die mir beruhigend über den Rücken strich.

»Ist schon gut.« Ihre Stimme war weich und sanft. »Es ist in Ordnung. Wir … Ich bin nur froh, dass Ihr heil und gesund zu uns zurückgekehrt seid.«

Ihre Worte endeten in einem erstickten Schluchzer. Das erschütterte mich noch weit mehr als alles andere, denn ich hatte noch nie erlebt, dass Ada weinte.

Hastig wandte sie sich ab und wischte sich über die Augen. »Jetzt ist aber Schluss! Steht auf und kommt in die Küche. Ihr müsst etwas essen.«

Sie erhob sich und trat zurück.

Ich schwang die Beine aus dem Bett und erschrak beim Anblick der Kratzer und blauen Flecken auf meiner Haut. »Wie … wie bin ich überhaupt hierhergekommen?«

»Das kann Euch Euer Vater sicher besser erklären. Er war es schließlich, der Euch gefunden hat.«

»Der mich …«

Ich stockte, denn mir war etwas eingefallen. Ruckartig hob ich den Kopf. »Was ist mit Nila?«

Ein Lächeln huschte über Adas Gesicht. »Macht Euch keine Sorgen. Eurem Pferd geht es gut. Schon am nächsten Tag, nachdem Ihr verschwunden wart, stand es vor den Toren der Stadt.« In den Augen der alten Dienerin glitzerte es verräterisch. »Ihr könnt Euch denken, dass wir kaum noch Hoffnung hatten, Euch lebend wiederzusehen, nachdem Nila ohne Euch zurückgekehrt war.«

Erneut senkte ich beschämt das Haupt. »Wie kann ich das bloß wiedergutmachen?«

»Ein kräftiges Frühstück wäre schon mal ein Anfang«, sagte Ada und verließ das Zimmer.

Bevor ich der Aufforderung Folge leistete, ging ich zunächst in den Stall, um nach meinem geliebten Pferd zu sehen.

Es ging ihm tatsächlich prächtig, genau so wie Ada behauptet hatte. Freudig warf die grau gescheckte Stute den Kopf zurück, als sie mich sah.

Selbst Callos, unser alter Stallmeister, verdrückte bei meinem Anblick ein Tränchen.

»Ich war mir sicher, dass Nila sterben würde«, sagte er frei heraus. »Sie wollte einfach nichts fressen. Erst als Euer Vater mit Euch eintraf, kehrte das Leben in das alte Mädchen zurück.«

Tränen der Freude, aber auch des Kummers und der Scham rannen mir über die Wangen. Ich schlang meine Arme um Nilas Kopf, presste meine Stirn gegen ihre Blesse und dankte den Göttern für unsere Rettung.

Mit dem Versprechen, so schnell wie möglich zu ihr zurückzukehren, verabschiedete ich mich von Nila. Nicht ohne ihr zuvor noch einen Apfel zum Fressen zu geben, den mir Callos reichte. Auch bei ihm entschuldigte ich mich für mein Verschwinden, doch der wollte davon ebenso wenig hören wie Ada.

»Ich hoffe nur, Ihr habt daraus eine Lehre gezogen«, meinte er und klang schon genau wie die alte Leibdienerin.

Ich nickte stumm und machte mich auf den Weg in die Küche.

Ich dachte, Vater dort anzutreffen, doch die Einzige, die mir begegnete, war Shuna, unser Dienstmädchen, das nur zwei Umläufe älter war als ich.

Ich sagte erst gar nichts, sondern nahm sie einfach nur in den Arm. Erst als meine Lippen fast ihr Ohr berührten, flüsterte ich, wie leid mir alles tat.

Shuna antwortete nicht. Jedenfalls nicht mit Worten. Ihr Körper zuckte nur unablässig unter den stummen Tränen, die sie meinetwegen vergoss.

»Kara!«

Als Shuna meinen Namen aus dem Mund meines Vaters vernahm, stieß sie einen leisen Schrei aus und ließ mich los. Verlegen strich sie über ihr Gewand und senkte das Haupt. »Verzeiht, Herr. Ich …«

Doch Vater beachtete Shuna kaum. Er wusste, dass sie für mich wie eine Schwester war, doch er hatte in diesem Moment nur Augen für mich.

Er stand in der offenen Tür, die hinaus in den Garten führte, und sah aus wie das blühende Leben. Die weißen Strähnen in Haar und Bart waren verschwunden. Es war so dicht und voll und schwarz wie früher.

Er lachte, als ich in seine Arme flog. Dabei drehte er sich um die eigene Achse, ohne mich loszulassen. Ich verlor den Boden unter den Füßen, und fast wurde mir schwindlig.

»Bei allen Göttern, Herr!«, rief Ada hinter uns. »Das Mädchen kann sich doch kaum auf den Beinen halten!«

Augenblicklich verharrte mein Vater, ließ mich los, doch als ich dann leicht torkelte, hielt er mich an den Schultern fest. »O je, sie hat ja recht. Wie konnte ich mich bloß so gehen lassen? Es ist die Freude, dich wieder bei mir zu haben!«

»Ich … äh, freue mich auch, dich zu sehen«, flüsterte ich. Mir war ein wenig unbehaglich zumute, denn ich hatte Vater selten … nein, eigentlich noch nie so ausgelassen erlebt. Tausend Fragen lagen mir auf der Zunge, doch ich stellte nur eine. »Was ist geschehen, Vater?«

Er lächelte. »Später, mein Kind. Später. Jetzt komm erst einmal in den Garten. Das Wetter ist so schön, daher haben wir beschlossen, draußen zu frühstücken.«

»Wir?«, fragte ich und schaute mich zu Ada und Shuna um, doch die hatten sich bereits wieder ab- und ihren täglichen Verrichtungen zugewendet. Irgendeine innere Stimme verriet mir, dass Vater nicht sie gemeint hatte. »Wer ist wir?«

»Komm mit. Ich habe eine Überraschung für dich.«

Er ergriff meine Hand und zog mich hinter sich her. Hinaus in den Garten, der in solch üppiger Pracht erblühte wie schon lange nicht mehr. All die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage schienen nie passiert zu sein.

Doch die Schmerzen in meinen Gliedern, der Verband um Adas Kopf und das Verhalten der Dienerschaft zeugten vom Gegenteil.

Vater führte mich über den schmalen Pfad zur Terrasse. Eine Frau saß dort an der Stirnseite des gedeckten Frühstückstischs und im Schatten einer Palme. Bei meinem Anblick erhob sie sich und kam hinter dem Tisch hervor.

Sie war schlank und ihr Haar so schwarz wie meins und seidig glänzend. Die Haut war ein wenig blass, und unter den Augen lagen dunkle Ringe. Dennoch war sie von einer anmutigen Schönheit, die mir den Atem verschlug.

Ihre Lippen zuckten, ihre Augen schwammen in Tränen.

Ich hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen, trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, sie zu kennen. Vielleicht lag es daran, dass es mir so vorkam, als würde ich meinem älteren Ich gegenüberstehen.

»Kara?«, hauchte sie. »Bist du es wirklich?«

Ich nickte, zu mehr war ich nicht fähig. Ich brachte weder einen Ton über die Lippen noch gelang es mir, mich zu Vater umzudrehen, der dicht hinter mir stand. Seine Hände lagen wieder auf meinen Schultern.

Die ältere Frau blieb eine Armlänge vor mir stehen. »Du erkennst mich nicht«, sagte sie. »Aber du weißt, wer ich bin, ist es nicht so?«

Meine Augen brannten. Die Tränen liefen jetzt in Bächen über meine Wangen.

Das konnte nicht die Wirklichkeit sein, ich musste träumen.

Und doch spürte ich den Wind auf meiner Haut, Vaters Hände auf meinen Schultern, die ziehenden Schmerzen in den Gliedern.

Ich wagte es nicht, den entscheidenden Schritt zu tun. Aus Angst, die Frau könnte sich, wenn ich ihr zu nahe kam, einfach vor mir auflösen.

Mein Vater spürte anscheinend, was in mir vorging. Sanft schob er mich nach vorn.

Die Frau streckte die Arme nach mir aus. »Komm zu mir, Kara!«

Und dann gab es für mich kein Halten mehr. Ich schlang die Arme um sie und presste das Gesicht an ihre Brust. Endlich löste sich der Kloß, der in meinem Hals gesteckt hatte. Begleitet von einem erlösenden Schluchzer stieß ich nur ein einziges Wort hervor.

»Mama!«

Wenige Tage zuvor

Delios, der Prophet, war in Begleitung von sechs Soldaten der Stadtgarde auf dem Weg zu jener Stelle, an der die Träne aus Feuer auf die Erde geschlagen war. Das Auge der Dämonen, einer von zwei Himmelskörpern, die in den Nächten über Atlantis schwebten und die Träume der Sterblichen beobachteten, hatte sie geweint, um das Böse über die Menschen zu bringen.

Das zumindest hatten ihm die Stummen Götter durch eine ihrer Visionen im Schlaf mitgeteilt.

Delios hatte daraufhin versucht, den Rat und die Weisen davon zu überzeugen, eine Delegation zu der Einschlagstelle zu entsenden, doch man hatte ihn nur verlacht. Vor allem Sarana, einer der vier Weisen von Atlantis, die angeblich das Sprachrohr der Stummen Götter waren, hatte ihn verspottet.

In diesem Fall schienen die Weisen nicht nur taub, sondern auch blind zu sein, denn für jeden Menschen deutlich sichtbar hatte sich das Auge der Dämonen über das der Stummen Götter geschoben.

Die Stummen Götter hatten versucht, mit Delios Kontakt aufzunehmen, doch ihre Todfeinde, die Großen Alten, hatten das verhindert, woraufhin der Prophet schwer erkrankt war. Immerhin war es einem der Stummen Götter gelungen, durch ihn zu sprechen, und er hatte Delios’ Tochter Kara den Auftrag erteilt, zum Berg Uranos zu reiten und die Sterndeuter dort zu warnen, die das Auge der Dämonen beobachten sollten.

Haro, ein junger Soldat aus der Stadtgarde, hatte ihr geholfen, die Wachen zu umgehen und die Mauern der Stadt Atlantis zu überwinden. Delios hatte davon erst erfahren, nachdem er von seinem magisch verursachten Fieber geheilt worden war, und zwar durch das Schwert mit der goldenen Klinge, das ihm die treue Ada gebracht hatte. Ebenfalls im Auftrag eines Stummen Gottes, was sie zu diesem Zeitpunkt nicht gewusst hatte.

Kurz darauf waren Kara und Haro zurückgekehrt. Beide hatten den Angriff eines Dämons nur mit knapper Not überlebt. Als Delios von dem Ausflug seiner Tochter erfahren hatte, war er außer sich gewesen. Dabei traf sie weniger Schuld als Haro. Allein wäre es ihr schließlich nie gelungen, die schützenden Stadtmauern zu verlassen.

Dass Delios es ausgerechnet Kara zu verdanken hatte, dass die Weisen ihre Meinung bezüglich der Expedition zur Einschlagstelle der Feuerträne noch einmal überdachten, änderte nichts an seinem Zorn gegen Haro. Auch darum hatte er darauf bestanden, dass der junge Soldat sie begleitete, aber auch um sicherzustellen, dass er Kara nicht bei weiteren Torheiten unterstützte.

Sie waren mitten in der Nacht aufgebrochen. Der Grund dafür war, dass die Weisen zwar ihren Segen für diese Expedition erteilt hatten, nicht aber der Rat. Abgesehen davon hatten sie schon viel zu viel Zeit vergeudet, immerhin lag die Einschlagstelle sieben Tagesritte entfernt.

Drei lagen bereits hinter ihnen. Immer am Fluss Okeanos entlang, dessen Quelle in den Bergen lag. Von dort schlängelte er sich durch die Wälder und Ebenen, bis er die Stadt Atlantis erreichte, wo er unweit des Hafens in den Ozean mündete.

Auf halber Strecke den Flusslauf entlang lag der See der Sirenen, aus dem sich eine Insel erhob. Auf der hatte der Legende nach die Besiedelung von Atlantis ihren Anfang genommen.

Dort standen auch die vier magischen Steinsäulen, die Flammenden Steine. Die Stummen Götter selbst sollten sie erschaffen haben, als Schutz gegen die Großen Alten, die in der Leichenstadt hausten, irgendwo auf dem Auge der Dämonen.

Wo die Insel der Sirenen indes genau lag, wusste niemand, selbst Delios nicht.

Einige Wagemutige hatten versucht, sie mit Booten zu erreichen, sich aber hoffnungslos verirrt. Sobald man die Mitte des Sees erreichte, stiegen Dunstschwaden aus dem Gewässer, die so dicht waren, dass selbst der Bug eines Ruderboots, in dem man saß, im Nebel verschwand. Jene, die dieses Wagnis dennoch auf sich genommen hatten, behaupteten, den Gesang einer Frau gehört zu haben, der sie in die Irre geführt hätte.

Obwohl Delios dies wusste, hatte er Faruk darum gebeten, dass sie den See auf einem Floß überquerten. Solange sie in Sichtweite des Ufers blieben, bestand keinerlei Gefahr, hatte er behauptet und recht behalten.

Zumindest so lange, bis sie die Flussmündung erreichten, wo sie unweigerlich an Land gehen mussten. Die Strömung war einfach zu stark.

Das Floß, das sie aus Baumstämmen fertigten, war groß und stabil genug, dass sie darauf auch die Pferde mitnehmen konnten. 

Faruk war ein schweigsamer Veteran. Sehr groß und muskulös. Kandor, der Hauptmann der Stadtwache, hatte ihn persönlich für diese Mission ausgewählt. Faruk war nicht nur sein Stellvertreter, sondern auch sein Freund.

Das blonde Haar des Kriegers war so kurz, dass es auf die Entfernung aussah, als wäre er kahlköpfig. An seiner Seite ritten Dolnar und Tirgu, zwei Veteranen, die mehr Schlachten geschlagen hatten, als Delios an Jahren zählte.

Dolnar, auch Graubart genannt, hatte ein von Alter und Krieg zerfurchtes Gesicht, in dem sich Falten und Narben kaum noch auseinanderhalten ließen.

Im Gegensatz zu Dolnar war sein Kamerad Tirgu eher von schmächtigem Wuchs. Sein schwarzes Haar umrahmte in dichten Locken ein bärtiges Antlitz. Er trug stets zwei gekreuzte Schwerter auf dem Rücken, mit denen er meisterhaft umzugehen verstand. Er war ein sehr schweigsamer Geselle. Bislang hatte Delios ihn noch kein Wort sagen gehört. Möglicherweise war er stumm, dessen war sich der Prophet nicht sicher. Vielleicht kam er auch einfach nicht zu Wort, da Dolnar praktisch nie zu reden aufhörte.

Hinter Delios ritten Rogar und Kolpus, zwei unzertrennliche muskelbepackte Brüder. Rogars Haar stand wirr und struppig von seinem runden Schädel ab, Kolpus dagegen hatte sich den Kopf geschoren. Seine Waffe war eine gewaltige Streitaxt mit Doppelklinge, während sich sein Bruder lieber auf Pfeil und Bogen verließ. Die beiden Soldaten wirkten so schwer und bullig, dass es an ein Wunder grenzte, dass ihre Pferde nicht längst unter der Last zusammengebrochen waren.

Den Schluss der kleinen Gruppe bildete Haro, der Jüngste im Bunde, gerade einmal zwei Umläufe älter als Kara. Er hatte sich noch nie in einer Schlacht bewähren müssen, was Rogar und Kolpus zum Anlass nahmen, ihn bei jeder Gelegenheit zu triezen.

Nein, verbesserte sich Delios in Gedanken. Eine