Atlantis-Legenden 5 - Ian Rolf Hill - E-Book

Atlantis-Legenden 5 E-Book

Ian Rolf Hill

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Beschreibung

Die dämonische Seuche, die der Schwarze Tod auf dem Kontinent Atlantis verbreitet, hat auch die Hauptstadt des Landes zu einem Ort des Schreckens gemacht. Und nicht nur die Menschen von Atlantis sind bedroht, sondern ebenso die Vogelmenschen, deren Beschützer, der Eiserne Engel, offenbar vom Bösen infiziert wurde und den Höllenwurm Izzi erweckte! Nur Kara scheint das Blatt noch wenden zu können. Mit dem mysteriösen Goldenen Schwert ist sie auf dem Weg zum See der Sirenen, um dort ein uraltes Artefakt zu bergen. Doch dann wird sie von grauenhaften Gestalten angegriffen - von den höllischen Horror-Reitern!


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Seitenzahl: 168

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Inhalt

Cover

Titel

Die Dämonenseuche

So geht es weiter …

Impressum

Atlantis

LEGENDEN

Die Dämonenseuche

von Ian Rolf Hill

Der Zwilling des Eisernen Engels schwang das Schwert, um seinem Bruder die Hand abzuschlagen. In der hielt der Eiserne das magische Pendel, mit dem er den Riesenwurm Izzi beschworen hatte. Der war drauf und dran, den Hain der Vogelmenschen zu zerstören.

Es kostete den Zwilling viel Überwindung, und noch während des Hiebs drehte er das Schwert, sodass nicht die Schneide gegen den Arm seines Bruders hämmerte, sondern die Breitseite der Klinge.

Der Aufprall reichte nicht aus, um dem Eisernen Engel das Pendel aus der Hand zu schlagen. Immerhin wurden die Pendelbewegungen unterbrochen, doch es war schon zu spät. Izzi warf sich erneut gegen die Felsnadel, auf der die Zitadelle von Aither thronte. Die Krone der Götter, der Tempel des Himmels und des Lichts.

Der mit Schleim überzogene Riesenleib bäumte sich auf. Izzi wollte an der Felsnadel emporkriechen. Und aus dem Loch, wo er aus der Erde gekrochen war, strömten schwarz glänzende, gesichtslose Kreaturen, deren menschenähnliche Körper aus Erde und Schlamm geformt waren.

Die Erdgeister!

Diener der Großen Alten!

Der Eiserne Engel hatte sie mit dem magischen Pendel, das er angeblich von der Insel der Sirenen mitgebracht hatte, gerufen.

Er musste wahnsinnig geworden sein!

Der Zwilling starrte seinem Bruder in das hassverzerrte Gesicht. Langsam richtete sich der Eiserne Engel, Sohn der Stummen Götter, auf. Obwohl sie sich bis aufs Haar glichen, war er immer der Liebling ihrer Schöpfer gewesen, doch der Zwilling hatte sich damit abgefunden.

Und ebenso damit, dass Sedonia nicht ihn liebte.

»Das hast du nicht umsonst getan, Bruder!«

Allein, wie der Eiserne das letzte Wort aussprach, ließ den Zwilling erschauern. Nein, der Eiserne Engel war nicht wahnsinnig geworden. Viel schlimmer.

Er war vom Bösen infiziert!

Zu viert standen sie vor dem Tor der Hauptstadt Atlantis und blickten Kara hinterher, die auf ihrer Stute Nila in die Nacht hinausritt. Zurück zum See der Sirenen, um den dringend benötigten Lebensatem zu holen, das einzige Mittel gegen die todbringende Seuche, die in der Stadt grassierte.

Sie, das waren Karas Vater Delios, der Prophet, Haro, jüngster Soldat der Stadtwache und Karas Freund, Yanara, die letzte Überlebende ihres vernichteten Dorfes, und – Myxin, der Magierdämon, der mit seiner Vampirbrut in einem erloschenen Vulkan hauste.

Dorthin hatten ihn Delios und die Soldaten vor über sechzehn Umläufen vertrieben, kurz nach dem großen Krieg.

Jetzt war er zurückgekehrt, um Delios und den Weisen von Atlantis ein Angebot zu unterbreiten. Er wollte mit ihnen einen Pakt schließen.

Einen Pakt gegen den Schwarzen Tod, einen grausamen Dämon, der mit der Träne des Feuers auf das Land herabgefahren war, um Tod und Zerstörung über Atlantis zu bringen.

Und er hatte bereits erste Erfolge errungen.

Das Dorf, in dem Yanara gelebt hatte, war zerstört, Ernten waren verdorrt, und eine grässliche Seuche breitete sich über das gesamte Land aus. Eine Seuche, die längst die Hauptstadt erreicht hatte.

Niemand durfte sie mehr betreten, weshalb die Flüchtlinge aus den umliegenden Dörfern vor den Mauern der Stadt kampierten, wo sie dem unheilvollen Licht des Dämonenauges, der grünlich leuchtenden Himmelsscheibe, schutzlos ausgeliefert waren.

Einige Flüchtlinge hatten Delios, Haro, Yanara und Kara angegriffen und waren von Myxin in die Flucht geschlagen worden.

Das Tor zur Stadt war weiterhin verschlossen. Ein Totenschädel war mit einer schwarzen Paste darauf geschmiert worden. Als Symbol dafür, wer jetzt in Atlantis herrschte: der Schwarze Tod!

Delios wagte sich gar nicht auszumalen, was geschehen würde, wenn seine Tochter keinen Erfolg hatte. Yanara, die Tochter des Ortsvorstehers Patros, nach dem auch das Dorf benannt gewesen war, aus dem sie stammte, war selbst infiziert gewesen und hatte nur deshalb überlebt, weil Delios ihre Geschwüre mit dem Goldenen Schwert geöffnet hatte. Eine langwierige und schmerzvolle Prozedur. Ausgeschlossen, sie an allen Infizierten vorzunehmen.

Daher wollte Kara nun zurück zum See der Sirenen reiten. Auf einer Insel in diesem See standen nicht nur die Flammenden Steine, magische Säulen, in der sich die Kraft der Stummen Götter manifestierte, dort befanden sich auch andere Artefakte von außergewöhnlicher Kraft, darunter der Lebensatem der Sirenen. Mit seiner Hilfe hatte Kara bereits mehreren Menschen das Leben gerettet, bevor er ihr wieder entrissen worden war.

Wenn etwas die Seuche aufhalten konnte, dann er.

»Sei vorsichtig, Kara«, murmelte Delios. »Und komm gesund wieder.«

Eine Hand legte sich auf die Schulter des Propheten. »Sie wird es schaffen«, sagte Haro. »Da bin ich ganz sicher.«

Delios wandte den Kopf, um den Krieger anzuschauen. Haro schien gerade erst dem Knabenalter entwachsen zu sein, dennoch lag in seinen Augen eine Gewissheit, um die Delios den jungen Mann beneidete. Haro war praktisch über Nacht zum Mann gereift.

»Ich danke dir für dein Vertrauen, Haro.« Delios legte seine Hand auf die des Soldaten.

Die Männer schwiegen für einen Moment, stumm vereint in ihrer Liebe zu Kara, die bereit war, ihr Leben zu riskieren, um das Volk von Atlantis zu retten.

»Wie rührend«, kommentierte Myxin. »Da kommen einem fast die Tränen!«

Die Worte des Magierdämons fachten das Feuer des Zorns in Delios an. Hätte der Prophet noch das Schwert mit der goldenen Klinge besessen, er hätte es gezückt, um dem kleinwüchsigen Mann mit der grünlich schillernden Haut Manieren beizubringen.

»He, Leute!«, meldete sich Yanara zu Wort. »Ich glaube, hinter dem Tor rührt sich etwas!«

Die junge Frau war ungefähr in Haros Alter und damit gerade einmal zwei Umläufe älter als Kara. Sie stand vor dem Stadttor und hatte das Ohr an das Holz gelegt, wobei sie darauf achtete, nicht den fettig glänzenden Totenschädel zu berühren.

»Es … es hört sich an wie das Stampfen von Hufen«, murmelte sie. »Aber viel lauter und … und … Spürt ihr nicht, wie die Erde zittert?«

Delios sträubten sich die Nackenhaare. Yanara hatte recht. Die Erde unter seinen Füßen erbebte, und auch Haro spürte es.

Dann vernahmen auch sie das gedämpfte Klappern der Hufe auf den gepflasterten Straßen der Stadt. Wer auch immer sich dem Tor näherte, er ritt in vollem Galopp und traf keine Anstalten, langsamer zu werden.

Yanara richtete sich auf und wich langsam von dem Tor zurück.

Zu langsam.

Das Donnern und Stampfen der Hufe ging im Krachen und Bersten von Holz unter, und das aufspringende Tor hätte Yanara mit Sicherheit getroffen, hätte sie nicht eine unsichtbare Macht rechtzeitig nach hinten gezerrt.

Myxin!

Der Magier hatte den rechten Arm ausgestreckt, in die Luft gegriffen und die Hand im nächsten Augenblick zurückgerissen, während er die linke Hand nach vorn stieß. Die geöffnete Handfläche wies dabei auf Delios und Haro, die den Boden unter den Füßen verloren und nach hinten geschleudert wurden.

Der Aufprall war so hart, dass Delios die Luft wegblieb.

Trotzdem konnte er froh sein, denn so entging er, wenn auch nur um Haaresbreite, den spitzen Hufen der feuerspeienden Rappen, die nacheinander aus dem offenen Tor preschten.

Es waren riesige schwarze Pferde, deren Augen in einem düsteren Rot glühten, als würde ein dämonisches Feuer in ihnen lodern. Auf ihnen saßen vier Gestalten in ledernen Rüstungen mit schwarzen Umhängen. Auf ihren Brustpanzern leuchteten flammende Symbole, die Delios nicht zu deuten vermochte.

A – E – B – A!

Schnell wie der Wind preschten sie an den fassungslosen Menschen vorbei. Für einen kurzen Moment erhaschte Delios einen Blick in das Gesicht des letzten Reiters, und dem Propheten gefror das Blut in den Adern.

Was er im Licht des Dämonenauges erblickte, war kein menschliches Antlitz, sondern die grünlichschwarz schimmernde Fratze eines Totenschädels.

Mit angewinkelten Knien, die Schenkel fest gegen Nilas Flanken gepresst, kauerte ich auf dem Rücken meiner geliebten Stute, die wie von Erinyen gehetzt durch die Nacht flog.

Ja, flog, denn die Hufe schienen kaum den Boden zu berühren.

Nie zuvor war ich so schnell geritten, und das Herz trommelte mir dabei in der Brust. Verbissen klammerte ich mich am Sattelhorn fest, denn mit Sicherheit würde ich mir den Hals brechen, wenn ich bei dieser Geschwindigkeit vom Pferd fiel.

Jedes Mal, wenn die Hufe auf den festgestampften Waldboden hämmerten, pflanzten sich die Stöße bis in meinen Körper fort. Meine Zähne schlugen aufeinander, mein Haar flatterte wie eine Fahne im Wind. Ich wünschte, ich hätte es zusammengebunden, bevor ich losgeritten war.

Es glich einem Wunder, dass Nila nicht längst gestürzt war. Meine treue Stute schien genau zu wissen, worauf es ankam und wohin sie zu reiten hatte. Als würde sie von unsichtbarer Hand gelenkt, denn ich war es gewiss nicht, die ihr die Richtung wies, während Nila den Pfad, der am Ufer des Flusses Okeanos vorbeiführte, entlangpreschte.

Das Licht des Dämonenauges glitzerte auf den Fluten des Stroms, der sich träge durch das Bett in Richtung Stadt wälzte.

Über uns hingen die größtenteils kahlen Äste der Bäume, die unseren Weg säumten. Wie die Gerippe von Dämonen, die ihre verwachsenen Klauen nach uns ausstreckten. Manchmal wurde der Pfad so schmal, dass Zweige unsere Körper peitschten.

Ich ignorierte jedes Mal den Schmerz, voll und ganz auf die vor mir liegende Aufgabe konzentriert. Der Lebensatem der Sirenen. Um ihn allein ging es. Er war unsere letzte Hoffnung.

Auf dem Rücken spürte ich das Gewicht des Goldenen Schwerts. Es verlieh mir Zuversicht und Hoffnung. Angeblich hatte ich es sogar schon geführt, als ich Haro und Yanara vor den Schwarzen Vampire beschützt hatte. Dummerweise wusste ich nichts mehr davon. Aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund waren sämtliche Erinnerungen daran verschwunden.

Nila schnaubte und keuchte, und Schaum flockte vor ihrem Maul. Ich fürchtete, sie könnte sich überanstrengen und zusammenbrechen, ehe wir überhaupt in Sichtweite des Sees der Sirenen kamen, den wir erst vor einem Tag überquert hatten.

Sanft zog ich an Nilas Zügeln, doch mein Pferd dachte gar nicht daran, langsamer zu laufen. Beinahe trotzig warf es den Kopf nach vorn und strengte sich nur noch mehr an, so als befände sich die Stute auf der Flucht vor etwas, das ihr entsetzliche Angst einjagte.

Der Gedanke trieb mir trotz des kühlen Windes, der mir ins Gesicht wehte, den Schweiß auf die Stirn.

Und dann vernahm auch ich das Donnern und Stampfen, das sich auf beunruhigende Art und Weise mit dem Hämmern von Nilas Hufen vermischte.

Trotz des wilden Ritts riskierte ich einen Blick über die Schulter. Und erschrak.

Keinen Speerwurf weit von uns entfernt preschten mehrere Reiter durch das Dickicht. Schwarze Pferde mit rot glühenden Augen. Rauch und Feuer stoben aus den Nüstern der mächtigen Tiere. Und auf der Brust des vordersten Reiters leuchtete ein Symbol, ein Zeichen, das ich nicht kannte. Eine Art Dreieck, dessen untere Linie nach oben verschoben war. Es mochte ein Haus mit zulaufendem Giebel darstellen oder auch eine abgerundete Pfeil- beziehungsweise Speerspitze.

Was auch immer es sein mochte, wichtiger war der Reiter selbst, denn ich war ihm schon begegnet. Mehrere Tagesritte von hier entfernt, in einem winzigen Dorf, das nicht weit von der Stelle entfernt lag, an der die Feuerträne auf die Erde gestürzt war.

Daher wusste ich auch, dass auf den feuerspeienden Pferden keine Menschen saßen, sondern Dämonen. Widerwärtige Geschöpfe mit beinernen Schädeln. Boten des Grauens, die unser einst so schönes Land heimsuchten.

Der Anblick der Dämonen jagte mir solche Angst ein, dass ich fast vom Sattel gerutscht wäre. Hastig drehte ich mich wieder um. Meine Gedanken überschlugen sich.

Warum verfolgten mich die Dämonen?

Damit du nicht auf die Insel gelangst, um den Lebensatem der Sirenen zu holen, antwortete mir eine innere Stimme.

Mit einem Mal wurde mir klar, wovor Nila so entsetzliche Angst hatte. Gleichzeitig begriff ich jedoch auch, dass wir keine Chance hatten, den schrecklichen Horror-Reitern zu entkommen.

Obwohl sich alles in mir dagegen sträubte, wagte ich einen erneuten Blick über die Schulter.

Die Reiter waren verschwunden!

Ich blinzelte verwirrt. War ich auf ein Trugbild hereingefallen?

Ja, so musste es sein. Bestimmt war es bloß eine Täuschung gewesen, hervorgerufen durch meine Angst und das verwirrende Spiel aus Licht und Schatten. Hinzu kamen die Tränen, die mir der Wind in die Augen trieb.

Es war nicht mehr als ein böser Streich, den mir meine Fantasie gespielt hatte.

Ein verhängnisvoller Irrtum!

Ich wollte schon aufatmen, da erklang das Krachen und Bersten von Ästen schräg hinter mir, kaum eine Armlänge entfernt. Mein Kopf flirrte herum.

Neben mir brach der Reiter mit der stilisierten Speerspitze auf der Brust aus dem Dickicht. Ich spürte die Hitze des Feuers, das aus den Nüstern des Rappens stob und über meinen Umhang leckte. Mein Herz übersprang vor Schreck einen Schlag.

Ich zerrte an Nilas Zügeln. Das Pferd wieherte panisch.

Mein Kopf flog herum. Auch auf der anderen Seite sprang ein Reiter aus dem Unterholz. Auf seiner Brust prangte ein verschnörkeltes Symbol, das mir ebenfalls unbekannt war.

Und hinter ihm tauchte bereits ein weiterer Reiter auf.

Die Dämonen hatten uns eingeholt.

Schützend legte Jola die Arme um die Schultern der beiden Kinder.

»Nun mach nicht so ein Gesicht«, sagte Asmodis spöttisch. »Ich verspreche auch, dass ich gut auf sie aufpassen werde.«

Er trat näher. Schwefliger Dampf quoll aus seinem Maul, und eine schwarze Zunge fuhr über die aufgeworfenen Lippen, die sich zu einem faunischen Grinsen verzogen.

Jola wich mit Iosh und Ira zurück.

Die beiden Kinder drängten sich zitternd an sie. Das Mädchen fing sogar an zu weinen. Es konnte nicht begreifen, wie aus dem blonden jungen Mann, der so nett mit ihnen gespielt hatte, plötzlich solch ein Scheusal hatte werden können.

Auch Jola war wie vor den Kopf gestoßen. Für sie war der Herr Asmodis, wie sie ihn genannt hatte, ein Bote der Götter gewesen, der sie und die Geschwister gerettet hatte.

»K-keinen Schritt weiter«, stammelte Jola.

»Oder was?«, fragte Asmodis immer noch grinsend und streckte die Klaue nach den Kindern aus.

Jola wurde eiskalt. Ihre Knie zitterten, während sie weiter in den Stall zurückwich. Mit dem Rücken stieß sie gegen die Wand des Pferdestalls. Ein Schlag ließ die Box neben ihr erzittern. Das Tier darin warf den Kopf in den Nacken und scheute. Schaumiger Geifer flockte vor dem Maul.

Asmodis’ Gestalt verschmolz mit den Schatten, schien sich aufzulösen. Für einen Moment waren nur noch seine feurigen roten Augen zu sehen, die einen Lidschlag später ebenfalls verschwunden waren. An ihrer Stelle tauchten wieder die strahlend blauen Augen des Jünglings auf, der Jola gerettet hatte.

Lächelnd trat er aus den Schatten und ging vor Ira und Iosh in die Hocke. »Ihr braucht keine Angst vor mir zu haben.«

Die Kinder starrten den jungen, gut aussehenden Mann wortlos an.

Asmodis hob den Kopf. »Ich finde, die beiden sind ein angemessener Preis, Jola. Denk an all die Leben, die du damit rettest. Und mal ehrlich, was könntest du diesen Kindern schon bieten? Ich hingegen«, er richtete sich auf, »ich biete ihnen etwas, das sonst niemand in dieser Stadt hat.«

»Und das wäre?«, würgte Jola hervor.

»Eine Zukunft!«

Jola verschlug es die Sprache. Fassungslos starrte sie den jungen blonden Mann an, der nun dicht vor ihr stand. Sie hatte ihm vertraut. Selbst jetzt fühlte sie sich noch auf eine gewisse Weise zu ihm hingezogen.

Dennoch durfte sie ihm die Kinder auf keinen Fall überlassen.

Oder?

Sie dachte an Ada, Shuna und Callos, an all die Menschen in der Stadt, die mit der Seuche infiziert waren. An ihre Tochter Kara, die sie seit sechzehn Umläufen nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. An ihren Gatten Delios.

Asmodis hatte recht. Was waren schon zwei Kinder gegen all diese Menschen? Gegen alle Bewohner dieser Stadt? Außerdem würde er sich doch gut um die Geschwister kümmern, oder nicht?

Sie hatte das Gefühl, in seinen strahlendblauen Augen zu versinken. Sie erinnerten Jola an das Wasser des Ozeans an einem sonnigen Tag. So klar und rein. Solche Augen konnten einfach nicht lügen.

»Du weißt, dass ich recht habe.«

»Ja«, hauchte Jola, »das weiß ich.«

Ira weinte immer noch, und auch Iosh schluchzte leise. Seine Schultern zuckten krampfhaft.

Asmodis breitete die Arme aus. »Gib mir die …«

Er verstummte, und mit einem Mal verzerrte sich sein Gesicht in tiefer Abscheu.

»Ausgerechnet jetzt!«, zischte er.

Jola erwachte wie aus einem tiefen Traum. Aus weit aufgerissenen Augen beobachtete sie, wie Asmodis sich in die Schatten zurückzog. Sie sah, wie seine Gestalt blitzschnell um die eigene Achse wirbelte, dann versank er im Boden, als hätte sich dort ein Loch aufgetan.

Das aufgeregt wiehernde Pferd beruhigte sich auf der Stelle.

Iosh zog die Nase hoch. »Wo … wo ist er hin?«

Das war eine gute Frage, auf die Jola jedoch keine Antwort wusste.

»Ich … weiß es nicht«, gestand sie. Verwirrt schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß es nicht«, wiederholte sie. »Ich weiß nur, dass … dass ihr beide jetzt ins Bett müsst.«

Ohne ein weiteres Wort ergriff sie die Kinder bei den Händen und zerrte sie hinter sich her aus dem Stall und über den Hof hinweg auf das Haus zu, in dessen Tür soeben eine völlig in Tränen aufgelöste Imelda erschien.

»Ihr … Ihr müsst sofort kommen.«

Jola rieselte es kalt über den Rücken. »Was ist geschehen?«

»Es ist Ada. Sie … ist gestorben!«

Der Boden unter Jolas Füßen schien sich aufzutun und sie verschlingen zu wollen wie zuvor Asmodis.

Ada war tot!

Und du hättest es verhindern können, raunte eine boshafte Stimme in ihrem Kopf.

Im selben Atemzug erklang im Haus ein gellender Schrei.

Ein Schatten fiel über die Plattform, auf der sich die Brüder gegenüberstanden.

Beide ahnten die Gefahr, bevor sie sie sahen. Zugleich spreizten sie die Schwingen und jagten in verschiedene Richtung davon, schräg in die Höhe.

Ein Luftwirbel erfasste den Zwilling des Eisernen Engels und drohte, ihn mit sich zu reißen. Es war die Statue des Phanes, die krachend und berstend das Geäst des Baumriesen durchbrach und nur einen Flügelschlag entfernt an ihm vorbei in die Tiefe rauschte. Dort zerschmetterte sie die Plattform, über deren Rand soeben die schlammigen Gestalten der Erdgeister krochen.

Einige von ihnen wurden von dem schweren Standbild mitgerissen, andere zur Seite geschleudert. Eine der Gestalten wirbelte auf den Zwillingsbruder des Eisernen zu. Mit einem Schwertstreich fegte der das Monster zur Seite und warf sich nach vorn.

Genau im richtigen Augenblick, denn dort, wo er eben noch in der Luft geschwebt hatte, fuhr jetzt das Standbild des Physis hinab. Es bohrte sich mit donnerndem Getöse in das Loch, aus dem Izzi, der Riesenwurm, gekrochen war. 

Das Ungeheuer war schon zu einem Viertel an der Felsnadel emporgekrochen, auf deren Spitze die Zitadelle von Aither stand.

Staub und Geröll wallten in die Höhe und verwehrten dem Zwilling die Sicht auf seinen Bruder. Die Schwaden wallten dem Zwilling entgegen, brachen auf – und entließen den Eisernen Engel, der mit vor Hass verzerrter Fratze auf seinen Bruder zu jagte, das Schwert schlagbereit erhoben.

»Verräter!«, brüllte er.

Der Zwilling war von dieser Anschuldigung so überrascht, dass er fast zu spät reagierte. Im allerletzten Moment parierte er den Schwerthieb mit der eigenen Klinge und wich gleichzeitig zur Seite aus. Sein Bruder flog an ihm vorbei, wirbelte herum und griff erneut an.

Blutrot leuchtete das Pendel in seiner linken Faust.

Der Zwilling wusste, dass er das Grauen nur stoppen konnte, wenn er das Artefakt in seine Hände bekam. Aus diesem Grund floh er auch nicht, sondern erwartete den nächsten Angriff seines Bruders. Vielleicht konnte er ihn zur Vernunft bringen, wenn es ihm gelang, Izzi und die Erdgeister zurückzuschlagen.

Funken sprühten, als die Klingen aufeinanderprallten.

Der Eiserne Engel mochte der bessere Kämpfer sein, doch seine Attacke war viel zu wild und ungestüm. Fast spielerisch wich ihm sein Zwilling erneut aus, versuchte sogar noch, ihm das magische Pendel zu entreißen, doch seine Linke verfehlte es, wenn auch nur knapp.

Dann ging er zum Gegenangriff über.

Damit hatte der Eiserne Engel jedoch gerechnet. Lachend empfing er seinen Bruder, dessen Hiebe er mit Leichtigkeit abwehrte.

»Du bist ein Narr!«, rief er. »Und deshalb wirst du genauso sterben wie alle anderen!«

Er schlug mit dem Pendel nach seinem Zwilling, und obwohl es viel zu kurz war, um den anderen Engel zu treffen, bekam der seine Magie zu spüren.

Die Luft flimmerte um den blutrot leuchtenden Stein, und der Zwilling des Eisernen hatte das Gefühl, von der Faust eines Titanen getroffen worden zu sein.

Er wurde zurückgeschleudert, überschlug sich mehrere Male in der Luft und hätte fast noch sein Schwert verloren. Er breitete die Schwingen aus und schaffte es, den unkontrollierten Flug abzufangen.