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EINE AFFÄRE IST NICHT GENUG von DONALD, ROBYN Was für ein Zufall, dass Marc die bezaubernde Paige wieder trifft! Sie hatte ihm vor seiner Ehe mit ihrer mittlerweile verstorbenen Freundin Juliette sehr gefallen - jetzt endlich könnte der Millionär die Studentin in seine Arme schließen. Wenn sie es nur zuließe … ERFÜLLUNG ALLER WÜNSCHE von MCCARTHY, SUSANNE Aidan hat alles, wovon eine Frau träumt: Er ist attraktiv, charmant und ein Millionär, der weiß, was er will. Als er in einem seiner Hotels der bildhübschen Künstlerin Samantha begegnet, ist ihm schlagartig klar: die oder keine! Aber da kennt er ihr Geheimnis noch nicht … LIEBE KOMMT INS SPIEL von GREEN, CRYSTAL Derek kann ihr gefährlich werden! Mit aller Macht versucht Christina, sich seiner Anziehungskraft zu entziehen, denn sie hält Beruf und Privatleben strikt getrennt. Als sie jedoch zum ersten Mal in Dereks Armen liegt, muss sie sich entscheiden: Karriere oder Liebe?
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Seitenzahl: 595
Susanne McCarthy, Crystal Green, Robyn Donald
BIANCA EXKLUSIV, BAND 181
IMPRESSUM
BIANCA EXKLUSIV erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG, 20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
© by Susanne McCarthy Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
© by Harlequin Books S.A.Crystal Green Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2005 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
© by Robyn DonaldRobyn Donald Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Deutsche Erstausgabe 2004 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Fotos: Bokelberg.com
© by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg, in der Reihe BIANCA EXKLUSIV, Band 181 - 2009
Veröffentlicht im ePub Format im 02/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-942031-59-2
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Eine Schrecksekunde lang glaubt die junge Künstlerin Samantha ihrem kürzlich verstorbenen Freund Damien gegenüber zu stehen – doch es ist sein überaus attraktiver Bruder Aidan. Ihr malerisches Atelier steht auf dem Grundstück eines seiner Hotels. Und genau da taucht der atemberaubende Millionär plötzlich auf. Weiß er etwa, welches Band sie beide verbindet?
Christina und Derek sind fasziniert voneinander – dabei spielen Gefühle für beide eigentlich nur eine Nebenrolle. Für sie zählt allein der Erfolg von Dereks Firma, glauben sie, und tun sich doch immer schwerer damit, einander zu widerstehen. Und eines Tages überwältigt sie die Leidenschaft. Doch am nächsten Tag geht Christina wieder auf Distanz. Warum nur?
Insgeheim begehrt Paige den reichen Unternehmer Marc Corbett, seit sie ihn vor seiner Hochzeit mit ihrer besten Freundin kennen gelernt hat. Als sie ihn nun nach Jahren wiedersieht, ist er Witwer – und das erotische Knistern zwischen ihnen stark wir eh und je. Sofort würde sie ihrem Begehren nachgeben, wäre da nicht noch diese andere Frau in seinem Leben …
„Hallo …?“ Aidan Harper blieb zögernd an der Tür des alten Bootsschuppens stehen. Er war in seinem Leben schon mit vielen Situationen zurechtgekommen. Doch er war sich nicht sicher, worauf er sich diesmal einließ. Es würde besser sein, ein wenig Vorsicht walten zu lassen. Der vernachlässigte Zustand der Hütte und die einsame Lage in diesem windigen Landstrich, nur wenige Meilen von Land’s End entfernt, ließen vermuten, dass der unbekannte Sam Duggan ein exzentrischer Querkopf war, dem unangemeldete Besucher nicht willkommen waren. Aidan hatte keine Lust, sich unversehens dem bedrohlichen Lauf einer Schrotflinte gegenüberzusehen.
Nachdem sich seine Augen an das Halbdunkel im Bootsschuppen gewöhnt hatten, konnte er eine Gestalt ausmachen, die sich mit einem Schweißbrenner über einen verworrenen Haufen Metall beugte. Woran die Person arbeitete, war nicht zu erkennen. Es wirkte wie zufällig zusammengeworfene Rohre und Bleche.
„Mr. Duggan?“ Aidan musste die Stimme heben, um das Fauchen des Brenners zu übertönen. „Sam Duggan?“
Die Reaktion war erstaunlich. Der Brenner fiel scheppernd auf den Steinfußboden, und die gebeugte Gestalt richtete sich hastig auf. Aber noch bevor die dick behandschuhte Hand die Gesichtsmaske beiseiteschieben konnte, merkte Aidan, dass er einen Fehler gemacht hatte. Wenn dies Sam Duggan war, war er kein alter Querkopf … dann war er überhaupt kein „Er“.
Sie war groß und gertenschlank. Selbst in dem unförmigen Overall, der schon bessere Tage gesehen hatte, wirkte sie viel zu zerbrechlich, als dass sie mit so schwerem Material hantieren sollte. Doch während Aidan über seine Entdeckung nur erstaunt war, schien sie bei seinem Anblick geradezu wie vom Donner gerührt. Weit aufgerissene Augen blickten ihn unter der hochgeklappten Schweißermaske an. Sie sah aus, als hätte sie einen Geist vor sich.
„Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht erschrecken.“ Aidan ließ seine Stimme sanft klingen und setzte ein beruhigendes Lächeln auf. Er wollte nicht, dass sie vor ihm in Ohnmacht fiel. „Miss Duggan? Das sind Sie?“
„Wer sind Sie denn?“, fragte sie mit zittriger Stimme.
„Ich bin Aidan Harper. Mir gehört das Treloar.“ Er deutete mit dem Kopf in Richtung des Hotels, das eine halbe Meile entfernt auf der windgeschützten Seite der Klippen stand. „Das heißt, ich bin Ihr Vermieter, obwohl ich, um ehrlich zu sein, bis vor Kurzem nicht einmal von der Existenz dieses Hauses wusste. Ich bin zufällig darauf gestoßen, als ich die Bücher durchging. Daraufhin habe ich beschlossen, einen Spaziergang zu machen und es mir einmal anzusehen. Ich hätte mich gerne angemeldet“, fügte er hinzu und legte eine gehörige Dosis Charme in sein Lächeln, um die offensichtlich verschreckte junge Frau zu beruhigen, „doch anscheinend gibt es hier kein Telefon.“
„Nein … gibt es nicht. Es tut mir leid, ich …“ Sie stockte verlegen. „Sie haben mich nur ein bisschen erschreckt. Ich bekomme nicht oft unangemeldeten Besuch.“
Sie beugte sich vor, um die Gaszufuhr des Brenners abzudrehen. Aidan spürte einen scharfen Stich unterhalb der Magengrube, als er sah, wie sich der Overall über der äußerst ansehnlichen Kehrseite spannte. Die Heftigkeit seiner Reaktion erstaunte ihn selbst. Er war dem Jugendalter lange entwachsen und hatte geglaubt, seine Instinkte besser unter Kontrolle zu haben.
Sam Duggan hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet. Nun zog sie die schweren Handschuhe aus und nahm die Schweißermaske vom Kopf. Ein Schwall langer rabenschwarzer Haare fiel ihr über die Schultern. Aidan ertappte sich bei der anregenden Vorstellung, die Knöpfe des rauen Overalls zu öffnen und die darunter verborgenen Kurven zu enthüllen.
Die junge Frau hatte sich jetzt wieder völlig in der Gewalt und streckte ihm die Hand entgegen. „Ich bin Sam Duggan.“ Ihre Stimme klang höflich, doch der Blick aus ihren amethystfarbenen Augen war abweisend. „Was kann ich für Sie tun?“
Aidans Mundwinkel verzogen sich zu einem amüsierten kleinen Lächeln. Die junge Dame machte sich also nichts aus männlicher Anerkennung ihrer erfreulich wohlgeformten Gestalt. Dabei war sie kein Schulmädchen mehr. Sie musste erfahren genug sein, um zu wissen, dass ihre Verkleidung die männliche Fantasie nur umso mehr anregte.
Mit einer entsprechenden Bemerkung würde er vermutlich nur ihren Zorn auf sich ziehen. „Ich habe mich gefragt, wieso wir eine so geringe Miete berechnen“, erwiderte er stattdessen. „Sie scheint kaum die Buchungskosten wert zu sein. Da ich jetzt das Gebäude gesehen habe, kann ich es allerdings verstehen. Es sieht aus, als hätte es schon vor Jahren einstürzen müssen.“ Er warf einen Blick zu der alten Steinhütte hinauf, die sich gegen die Klippen lehnte, als wäre sie von den langen Jahren des Widerstands gegen die gewaltigen atlantischen Stürme erschöpft. „So wie das Dach aussieht, möchte man meinen, es könnte den nächsten heftigen Wind nicht überstehen“, stellte er fest.
„Für mich ist das gut genug“, erwiderte Miss Duggan und schritt, den Kopf mit der hübschen kleinen Nase hoch erhoben, an ihm vorbei. „Mir gefällt es.“ Sie ging zum Cottage hinauf, stieß die knarrende Holztür auf und verschwand im Inneren, ohne sich darum zu kümmern, ob der Besucher ihr folgte oder nicht.
Aidans Interesse war geweckt. Er konnte sich nicht erinnern, wann ihn eine Frau das letzte Mal so herablassend behandelt hatte. Selbst eine Schönheit wie Imogen, seine gegenwärtige „ständige Begleiterin“, die ihren Marktwert auf den Penny genau kannte, riskierte in seiner Gegenwart selten einen ihrer weltberühmten hysterischen Anfälle.
Er blieb an den Rahmen gelehnt auf der Türschwelle stehen und sah sich interessiert um. Der Raum war eine Art Wohnküche, nicht sehr groß, und die niedrigen Deckenbalken ließen ihn noch kleiner wirken. Der Fußboden bestand aus unregelmäßig behauenen Steinplatten. Er war mit einem abgewetzten Teppich bedeckt, auf dem ein großer, gescheuerter Holztisch und mehrere nicht zusammengehörende Stühle standen. Unter dem kleinen Fenster befand sich ein altmodisches steinernes Spülbecken, und in dem mächtigen Kamin hing ein schwarz verrußter eiserner Kessel, der aussah, als würde er aus der Zeit vor der industriellen Revolution stammen.
Die ganze Einrichtung wirkte bescheiden und vielfach benutzt, aber alles war makellos sauber. Die Vorhänge an den Fenstern waren bunt gemustert, die Kissen auf dem kleinen Sofa waren mit dem gleichen Stoff bezogen wie die Stühle, und auf dem Fensterbrett und dem Kaminsims standen hübsche Wildblumensträuße.
Aidans ungewöhnliche Mieterin warf ihm einen frostigen Blick über die Schulter zu. „Ich kann Ihnen leider nur Pulverkaffee anbieten. Etwas anderes habe ich nicht“, verkündete sie mürrisch.
Er unterdrückte ein amüsiertes Lächeln. Die junge Frau vor ihm wirkte, als könnte sie ihm jederzeit die Kaffeedose in ihrer Hand an den Kopf werfen. „Vielen Dank“, antwortete er in vollendeter Höflichkeit, obwohl ihm eine ganz andere Erwiderung auf der Zunge lag. „Pulverkaffee ist mir recht.“
Er zog sich einen der Stühle unter dem Tisch hervor, ließ sich darauf nieder und sah zu, wie Sam Duggan das Kaffeewasser aufsetzte. Der Kocher war immerhin elektrisch, wenigstens ein Zugeständnis an die Zivilisation. Sie nahm zwei Becher aus dickem Porzellan aus dem Schrank und schloss die Tür mit unnötiger Wucht.
Was für eine interessante Show, dachte Aidan amüsiert. Es war ein Jammer, dass er nicht viel Zeit hatte. Oben im Hotel wartete ein Berg Arbeit auf ihn. Miss Duggan zuzusehen war viel unterhaltsamer.
Sie musste etwa so alt sein wie Imogen … drei- oder höchstens vierundzwanzig. Sie hatte nicht die perfekten Gesichtszüge eines Supermodels wie Imogen, aber ihre Figur hatte die Kurven an den richtigen Stellen, ihr Gesicht war ebenmäßig und ihr Haar eine dunkle Mähne, durch die ein Mann gern die Finger gleiten ließ. Und dann diese amethystblauen Augen!
Er war – jedenfalls genoss er diesen Ruf in der Regenbogenpresse – ein Frauenkenner. Nach dieser hier würde sich jeder gesunde Mann den Hals verdrehen. Warum nur vergrub sie sich in dieser halb verfallenen Hütte in der Wildnis von Cornwall?
Ein weiterer Rundblick durch den Raum gab ihm einen Hinweis. Auf dem Tisch lagen Zeichenblock und Stifte, über dem Kamin hingen ein paar eindrucksvolle Kohleskizzen, und im Regal in der Ecke stand ein fantasievolles Ensemble aus Pappe und Draht.
„Sie sind Künstlerin?“, fragte er neugierig.
„Bildhauerin.“
„Wirklich?“ Er sah sie erstaunt an und ließ den Blick über die schlanke Gestalt gleiten. „Ich dachte, als Bildhauer brauche man mächtige Muskelpakete, um den schweren Marmor umherzuwuchten.“
Aus den blauen Augen schoss ein warnender Blitz. „Ich bin nicht Michelangelo“, erwiderte sie steif. „Außerdem ist Marmor viel zu teuer. Den kann ich mir nicht leisten.“
„Mit welchem Material arbeiten Sie dann?“, fragte er weiter. Er war entschlossen, die feindselige Barriere zu überwinden, hinter der sie sich verschanzte.
Sie zuckte abfällig die schmalen Schultern. „Abfall meistens“, gestand sie. „Schrott, Plastikteile … und Ähnliches.“
„Ich verstehe.“ Er setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Ich habe mich schon gefragt, woran Sie draußen im Bootsschuppen gearbeitet haben. Es sah nicht aus wie ein Bücherregal.“
Er wurde mit einem zögernden Lächeln belohnt, das zugleich ihre Verletzlichkeit verriet. „Es ist Teil einer Serie, die ich ‚Freiheit des Fliegens‘ nenne. Es sollen einmal fünf Stücke werden. Dieses ist das dritte. Ich verkaufe sie in einer Galerie drüben in St. Ives.“
„Kann man damit viel verdienen?“
„Genug, um zurechtzukommen.“ Sie kam mit den beiden Kaffeebechern an den Tisch und schob ihm einen Becher zu, während sie sich auf der anderen Seite niederließ. „Milch steht unter dem Spülbecken.“ Sie deutete auf eine halb mit Wasser gefüllte Blechschüssel, in der zwei Milchtüten, ein Stück Butter in einer Plastiktüte und ein Paket Wurst schwammen.
„Ah! Eine Hightechküche“, bemerkte Aidan mit einem Anflug von trockenem Humor.
„Das Zeug bleibt darin genauso frisch wie im Kühlschrank. Besser sogar. Die Stromversorgung ist hier nicht sehr zuverlässig.“
„Das hört sich nicht an, als könnte man hier gemütlich leben“, stellte er fest. Er wählte seine Worte sorgfältig, damit sie sich nicht wieder hinter ihrem Schutzwall verkroch. „Warum leben Sie hier draußen? Warum nicht im Ort?“
„Ich brauche Platz für meine Arbeit“, erwiderte sie beiläufig. „Das Bootshaus eignet sich dafür wunderbar. Außerdem werden alle leer stehenden Räume im Ort während der Saison teuer an Touristen vermietet. Ich könnte mir die Miete gar nicht leisten.“
Aidan nickte. Er berechnete ihr höchstens ein Viertel von dem, was sie im Ort für ein möbliertes Zimmer hätte zahlen müssen. Allerdings musste er zugeben, dass die Hütte, nach allem, was er bisher gesehen hatte, auch nicht mehr wert war. „Dürfte ich mich einmal umsehen?“
„Wie Sie wünschen. Sie werden nicht lange brauchen. Es sind nur zwei Zimmer und eine Toilette vor dem Haus.“ Sie hob das Kinn. Ein hübsches Kinn, dachte Aidan, das aber auch wilde Entschlossenheit verriet. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich ein gewöhnlicher Urlauber dafür interessieren würde.“
„Das glaube ich auch nicht“, stimmte er zu. „Man müsste erst viel Geld in die Renovierung stecken, und ich bin nicht sicher, ob sich das überhaupt lohnen würde. Das Beste wäre wahrscheinlich, das Ding abzureißen.“
„Abreißen?“ Sie funkelte ihn wütend an. „Aber … das können Sie nicht tun! Das wäre der reinste Vandalismus! Das Haus steht hier schon … bestimmt seit vielen hundert Jahren. Viel länger jedenfalls als das Hotel.“
Er runzelte die Stirn. Ihre heftige Verteidigung dieser Behausung, die kaum mehr war als eine Wohnküche, überraschte ihn. „Nun, ich kann es mir ja erst einmal ansehen“, erwiderte er besänftigend. „Die Wände scheinen immerhin sehr solide gebaut zu sein.“
Die Frau hatte schon eine scharfe Erwiderung auf den Lippen, schwieg dann jedoch. Ihr schien plötzlich klar zu werden, dass sie keine besonders starke Verhandlungsposition hatte. Stattdessen atmete sie tief durch, wie um ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. Für Aidan hatte das den erfreulichen Nebeneffekt, dass sich dabei ihre festen Brüste unter dem derben Stoff des Overalls deutlich abzeichneten.
„Ja, das stimmt“, sagte sie schließlich. „Also, hier sehen Sie die Küche“, verkündete sie dann und imitierte dabei den Tonfall eines Immobilienmaklers. „Spülbecken mit fließendem Wasser, jedenfalls meistens. Kocher, elektrisch …“ Sie deutete auf ein emailliertes Gerät mit zwei Kochplatten, wie Aidan es seit der Zeit seiner studentischen Wohngemeinschaft nicht mehr gesehen hatte. Vermutlich war es entsprechend alt. „… wenn die Stromversorgung klappt. Kühlschrank, defekt. Das ist so ziemlich alles.“
Nickend verfolgte Aidan ihre spöttische Inventur. Wahrscheinlich verlangte er sogar noch zu viel Miete von ihr. „Funktioniert der Kamin?“, fragte er mit einem Seitenblick auf die offene Feuerstelle.
„Ja. Aber im Sommer nehme ich ihn nicht in Betrieb, außer wenn wir tagelang schlechtes Wetter haben.“
„Und wenn Sie ein Bad nehmen wollen?“
„Dann … nun … gehe ich zum Hotel hinauf.“ Sie senkte bei diesem Geständnis verlegen den Blick.
Aidan musste lachen. Als Mieterin des Cottage war sie sicher nicht berechtigt, die Einrichtung des Hotels zu nutzen. Andererseits konnte er sich kaum vorstellen, dass das Personal sie davon abhalten würde. Ihm selbst war es gleichgültig.
„Was ist dort drin?“, fragte er, um seine Gedanken abzulenken, und deutete auf die Tür zum angrenzenden Raum. Eigentlich war es gar keine Tür, sondern nur ein Vorhang aus verblichenem roten Samt. „Das Schlafzimmer, nehme ich an?“
„Ja.“ Sie zögerte unmerklich. Es wäre ihm kaum aufgefallen, hätte ihn nicht ihre unerklärliche Widerspenstigkeit so fasziniert.
„Nun …?“ Er musste sich eingestehen, dass es wirklich nicht nötig war, ihr Schlafzimmer zu besichtigen, konnte jedoch der Versuchung nicht widerstehen, sie noch ein wenig weiter zu reizen und ihre Reaktion zu beobachten.
Sie wich seinem Blick aus und erhob sich zögernd. Dann durchschritt sie mit hoch erhobenem Kopf und gestrafften Schultern würdevoll den Raum und schlug den Vorhang auf.
Das Schlafzimmer war kleiner als die Küche, und die Decke, wie es schien, noch niedriger. Der meiste Platz wurde von einem hohen, altmodischen Bett eingenommen, auf dem eine leuchtend bunte Patchworkdecke lag. Neben dem Bett stand ein kleiner runder Tisch mit einem Seidenschal als Tischdecke. Darauf befanden sich eine Nachttischlampe und ein Stapel Bücher. Ein weiteres Seidentuch hing über dem Bett an der Wand. Vermutlich sollte es nur einen feuchten Fleck verbergen, doch es verlieh dem Raum ein gewisses exotisches Flair. Es war ganz offensichtlich das Schlafzimmer einer Künstlerin.
Auf dem Bett lagen Berge von Decken und Kissen, unter denen man sich in den sicherlich kalten Nächten verkriechen konnte. Mit unerwartetem Herzklopfen sah Aidan plötzlich lebhaft vor sich, wie er gemeinsam mit ihr unter die Decken schlüpfte und wie die Wärme ihrer Körper …
Sam schien auf denselben Gedanken gekommen zu sein. Abrupt wandte sie sich von ihm ab. Angelegentlich machte sie sich an der Kommode zu schaffen, dem einzigen weiteren Möbelstück im Raum. Mit fahrigen Bewegungen begann sie, ein paar Kleinigkeiten in die Schubladen zu räumen.
„Ich … habe Ihnen ja gesagt, dass es hier nicht viel zu sehen gibt“, erinnerte sie ihn verlegen. Mit einer unbeholfenen Bewegung stieß sie ein Paket Papiertaschentücher von der Kommode und bückte sich rasch, um es aufzuheben. Doch Aidan war schneller. Er gab es ihr zurück und bedachte sie dabei mit einem herausfordernden Funkeln in den Augen.
„Vielen Dank …“ Sie senkte die langen, seidigen Wimpern, die sanfte Schatten auf die verlegen geröteten Wangen warfen. Also ist Miss Samantha Duggan doch nicht die Eisprinzessin, als die sie gern erscheinen möchte, stellte er zufrieden fest. Sie schien sich der prickelnden Spannung zwischen ihnen ebenso bewusst wie er selbst … doch sie würde das auf keinen Fall zugeben. Das gefiel ihm. Allzu oft hatte er in der letzten Zeit das Spiel als zu leicht empfunden.
Aber diese Frau hatte Charakter. Wie lange würde er brauchen, bis sie ihren Widerstand aufgab? Würde er sie dazu bringen, wie Wachs in seinen Händen zu werden?
Reiß dich zusammen, warnte Sam sich im Stillen. Schon vom ersten Augenblick an hatte er sie aus der Fassung gebracht. Als wäre er ein Geist.
Natürlich hatte der Verstand ihr gesagt, dass sie unmöglich Damien Harper vor sich haben konnte. Damien war tot. Er war vor drei Wochen bei einem Unfall mit einem Jetski auf Barbados ums Leben gekommen. Nachdem sie die Schweißermaske abgelegt hatte und sein Gesicht richtig sehen konnte, hatte sie sofort erraten, wer da vor ihr stand. Die Ähnlichkeit war beeindruckend. Noch bevor er sich hatte vorstellen können, war ihr klar, dass er der ältere Bruder sein musste, von dem Damien so oft gesprochen hatte.
Bei genauerem Hinsehen konnte sie jedoch die Unterschiede erkennen. Sie waren nur gering und doch deutlich genug. Man konnte die beiden wirklich nicht verwechseln. Aidan war ein paar Zentimeter größer und etwas schlanker, wenngleich seine Schultern ebenso breit und kräftig waren. Sein Haar war genauso dunkel, aber ein wenig kürzer geschnitten. Außerdem hatte er etwas an sich, das ihn härter erscheinen ließ als Damien. Dennoch war er auf dieselbe arrogante Art ein gut aussehender Mann.
Sam ärgerte sich, dass sie rot geworden war. Hatte sie etwa Angst davor, dass der Anblick ihres Bettes Begierde in ihm aufflammen ließ, sodass er auf der Stelle über sie herfiel? Wahrscheinlich bemerkte er als Erstes die Regenflecken an der Decke, die Stelle, unter der ein Eimer stand und wo das Dach undicht war. Oder er entdeckte, dass die Ritzen im Fensterrahmen mit Zeitungspapier zugestopft waren, was aber auch nicht viel gegen die kalten atlantischen Stürme half.
Er kratzte vorsichtig mit dem Fingernagel am Holz und betrachtete die zerbröckelten Reste, die sich dabei ablösten. „Das ist vollständig verrottet“, stellte er fest. „Das Fenster sieht aus, als würde es jeden Moment aus dem Rahmen fallen.“
Sie machte eine abwehrende Geste zur Verteidigung der Hütte, die ihr Heim geworden war. „So war es schon, als ich eingezogen bin“, entgegnete sie. „Ich habe mich daran gewöhnt.“
Er schüttelte den Kopf. „Dies ist nur noch eine Ruine. Nicht einmal einen Hund sollte man darin wohnen lassen.“
Sie wandte sich zu ihm um, eisern bemüht, ihre Fassung zu bewahren. „Ich habe mich nie über den Zustand des Hauses beschwert“, widersprach sie. „Ich zahle pünktlich alle zwei Wochen meine Miete und bin Ihnen keinen Penny schuldig. Ich bin sehr zufrieden hier. Warum können Sie nicht einfach verschwinden und mich in Ruhe lassen?“
Sie versuchte, sich an ihm vorbei durch den Türrahmen zu zwängen. Mit dem Küchentisch zwischen ihm und sich fühlte sie sich ein wenig sicherer. „So, das war’s. Ende der Führung“, verkündete sie mit einem Anflug von Galgenhumor. „Auf dem Weg nach draußen schauen Sie bitte auch in unseren Andenkenladen.“
Bedauerlicherweise ging er nicht auf ihren angedeuteten Rauswurf ein, sondern ließ sich wieder am Tisch nieder. „Ich werde mir das in Ruhe überlegen. Ich möchte Sie wirklich nicht auf die Straße setzen, solange Sie keine andere Unterkunft haben. Aber andererseits kann ich es nicht riskieren, Ihnen ein Haus zu vermieten, das jeden Moment über Ihnen zusammenbrechen kann.“
„Es fehlen doch nur ein paar Dachziegel“, widersprach Sam verzweifelt. Wahrscheinlich hatte es keinen Zweck, mit ihm zu streiten. Sein Entschluss schien bereits gefasst zu sein. Es war sein Haus, und er konnte damit machen, was er wollte.
Aidan lachte trocken. „Und der Fensterrahmen“, sagte er betont und sah sich um. „Und der nasse Putz im Schlafzimmer … und die elektrischen Kabel. Und ich würde lieber nicht dagegen wetten, dass die Wasserleitung im Winter einfriert.“
„Nicht solange ich den Ofen in Betrieb halte.“
Er verzog spöttisch das Gesicht. „Und womit heizen Sie?“
„Meistens mit Treibholz. Nach der Flut liegt eine Menge davon am Strand. Ich lasse es im Bootsschuppen trocknen. Und manchmal, wenn ich es mir leisten kann, hole ich mir Briketts aus dem Ort. Danny im Eisenwarenladen verkauft sie päckchenweise.“ Sie merkte, dass sie nur plapperte, aber dieser Mann machte sie nervös. Er saß da und betrachtete sie mit kühler, unbewegter Miene.
„Fühlen Sie sich denn nie einsam, ganz allein hier draußen?“, fragte er jetzt. Sein Mund war faszinierend. Manchmal wirkte der Zug um seine Lippen streng und abweisend, dann wieder sehr sinnlich. Die nach unten verlaufenden Linien an seinen Mundwinkeln ließen ihn zuweilen zynisch erscheinen … bis er lächelte. Dieses Lächeln, nahm sie an, würde die meisten Frauen dahinschmelzen lassen. Hätte sie nicht seinen Bruder kennengelernt, würde es vielleicht sogar bei ihr funktionieren.
„Ich bin gern allein“, erwiderte sie. In dem Bemühen, überzeugend zu wirken, gab sie ihrer Stimme einen ungewöhnlich spröden Klang.
Er lachte, und das spöttische Funkeln in seinen Augen verriet, wie wenig er ihren Widerstand ernst nahm. „Und was ist mit den Männern in Ihrem Leben?“, forschte er weiter. „Dürfen die denn Ihre Einsamkeit stören?“
„Es … gibt keinen Mann“, erwiderte sie und verfluchte insgeheim die erneut aufsteigende flammende Röte in ihrem Gesicht. „Das heißt … ach, das geht Sie nichts an.“ Sie atmete tief durch, um ihre Beherrschung wiederzufinden. „Also, wenn Sie jetzt im Haus alles gesehen haben …“
Diesmal verstand er den Hinweis und erhob sich. „Natürlich. Ich hoffe, ich habe Ihnen nicht allzu viel von Ihrer Zeit geraubt.“ Er klang formvollendet höflich. „Ich werde meinen Verwalter bitten, sich das Haus gelegentlich anzusehen, wenn es Ihnen recht ist.“
„Oh … ja, natürlich.“ Er schien endlich gehen zu wollen! „Ich … nun … gewöhnlich ist mir jede Zeit recht. Ich bin fast immer hier, wenn ich nicht gerade mal kurz nach St. Ives gefahren bin …“
Wie war er ihr so nahe gekommen? Plötzlich fand Sam sich mit dem Rücken an den nicht funktionierenden Kühlschrank gepresst. Sie musste den Kopf heben, um den Blick aus seinen dunklen Augen zu erwidern. Sie senkte den Kopf, und nun blieb ihr Blick an seinen Lippen hängen.
Diese Lippen würden wissen, was es hieß zu küssen. Dieser Mund hatte sicherlich viel Erfahrung. Er würde sich warm anfühlen, und sie würde sich ihm wehrlos ergeben. Sie schloss die Augen, als Aidans Fingerspitzen behutsam die Linien ihres Kinns nachzeichneten. Als er sich über sie beugte, schien ihr Herzschlag auszusetzen. Die Berührung seiner Lippen war so sanft, so flüchtig, dass sie fast glaubte, sie habe sie sich nur eingebildet. Als sie spürte, dass er sich von ihr entfernte, schlug sie die Augen auf und sah ihn fragend an.
Er nickte kurz. „Dann also auf Wiedersehen.“ Das war alles. Er war fort, und die Tür schloss sich mit dem vertrauten Knarren der Scharniere hinter ihm.
Verdammt, verdammt, verdammt! Wie hatte sie zulassen können, dass er sie küsste? Sie musste doch wissen, dass er nur mit ihr spielte. Er war genau wie sein Bruder. Zu viel Geld, zu gutes Aussehen und die feste Überzeugung, dass er alles haben konnte, wenn er nur wollte … auch jede Frau.
Sam ließ sich am Küchentisch nieder und schloss die Augen. Ihr Herzschlag wollte sich lange nicht beruhigen. Nicht einmal ins Haus hätte sie diesen Mann lassen dürfen. Sie hätte unten im Bootsschuppen mit ihm reden und ihn auf Distanz halten sollen. Ihre Bekanntschaft mit Damien hätte sie warnen müssen. Die Harpers brachten ihr nichts als Ärger.
Dabei war Damien eigentlich nicht schlimm gewesen, wie sie sich rückblickend eingestehen musste. Trotz seiner neunundzwanzig Jahre war er nur ein großer Junge gewesen, voller Charme und mit nichts als seinem Vergnügen im Sinn. Ein halbes Jahr lang hatte er ihr nachgestellt, wenn er geschäftlich im Hotel zu tun gehabt hatte oder mit seiner Yacht im Hafen gewesen war. Sie kannte seinen Ruf und hatte sich davor gehütet, den Flirt ernst zu nehmen.
Er war es zwar nicht gewohnt, von einer Frau abgewiesen zu werden, doch in seiner gutmütigen Art hatte er die Abfuhr jedes Mal gut weggesteckt. Meist lachten sie gemeinsam darüber, wenn er schwor, dass er es bei seinem nächsten Besuch in Cornwall erneut versuchen würde.
Dann war dieser schicksalsschwere Abend vor etwas mehr als einem Monat gekommen … der Abend ihres Geburtstages. Sie hatte nicht vorgehabt, viel Aufhebens davon zu machen. Ihre Geburtstage waren nie etwas Besonderes gewesen. Außerdem hatte sie es eilig gehabt, das erste Stück aus ihrer Freiheitsserie fertig zu stellen und es in die Galerie nach St. Ives zu bringen. Antonia, die Besitzerin der Galerie, hatte ihr von einem Amerikaner erzählt, der sich für eines ihrer kleineren Stücke interessierte. Deshalb hatte sie gehofft, dass er auch an diesem Gefallen finden könnte.
Damit fing der Ärger an. Sie war ein wenig sorglos mit dem Schweißbrenner umgegangen und hatte sich die Hand verbrannt. Es war keine schlimme Verletzung, aber es brannte wie die Hölle. Deshalb hatte sie, nachdem sie die Hand so lange wie möglich unter den kalten Wasserstrahl gehalten hatte, eine Schmerztablette genommen.
Natürlich hätte sie den Beipackzettel sorgfältig lesen müssen. Die Warnung vor der gleichzeitigen Einnahme von Alkohol war deutlich genug, doch in dem Moment hatte sie noch nicht vorgehabt, etwas zu trinken. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass Damiens Yacht für einen kurzen Zwischenstopp auf dem Weg in die Karibik im Hafen lag. Sie entdeckte Damien erst, als sie ihn auf dem Rückweg von St. Ives auf der Hafenmauer winken sah. Er begrüßte sie mit der üblichen überschwänglichen Freude und bestand gegen ihren halbherzigen Protest darauf, dass sie mit ihm und einer Gruppe anderer Segler auf einen Drink mit in die Smugglers Rest kam. Schließlich gab sie nach. Es war wirklich eine schönere Art, ihren Geburtstag zu verbringen, als allein zu Hause vor dem Radio zu sitzen.
Sie trank nicht viel, ein Glas Champagner oder vielleicht auch zwei. An das, was danach geschah, hatte sie kaum eine Erinnerung. Sie hatte den vagen Eindruck, dass sie mit Damien vergnügt lachend den Kai entlanggetanzt war. Dann waren sie zusammen die Gangway hinab bis in den luxuriösen Salon der Yacht gestolpert. Sie hatte sich plötzlich ein wenig unwohl gefühlt und sich hinlegen wollen. Damien hatte sie in seine Kajüte gebracht, aber erst, als er sich neben sie in die enge Koje legte, war ihr klar geworden, dass er die Tür von innen verschlossen hatte. Sam war sich sicher, dass sie protestiert haben musste, doch er hatte nicht darauf geachtet. Er war selbst ziemlich betrunken gewesen. Seine Küsse waren feucht und hatten nach Brandy geschmeckt. Wie ein totes Gewicht hatte sein Körper in der Dunkelheit auf ihr gelegen. Irgendwann mitten in der Nacht war sie aufgewacht und hatte ihn schnarchend neben sich gefunden. Mit bohrenden Kopfschmerzen und brennender Scham im Herzen hatte sie sich davongeschlichen.
Am nächsten Morgen hatte sie äußerst erleichtert festgestellt, dass seine Yacht den Hafen verlassen hatte. Die Vorstellung, Damien wiederzusehen, war alles andere als erfreulich gewesen. Sie wusste nicht einmal, ob er sich überhaupt an das Vorgefallene würde erinnern können. Sie wusste ja nicht einmal selbst genau, was alles geschehen war. Doch das grausame Schicksal hatte die Sache in die Hand genommen. Zwei Wochen später, als sie gerade auf dem Markt nach Gemüse anstand, hörte sie die Nachricht zufällig im Gespräch zweier Frauen. Damien Harper war bei einem Unfall in Barbados ums Leben gekommen. Beim Schwimmen im Meer war er vom Jetski eines Anfängers, der die Kontrolle über sein neues Spielzeug verloren hatte, am Kopf getroffen worden.
Zu Hause war sie in Tränen ausgebrochen. Der Gedanke, wie plötzlich ein so lebensfroher Mensch dahingerafft worden war, machte sie traurig, auch wenn sie allen Grund hatte, ihm böse zu sein. Es war kaum zu glauben, dass sie nie wieder sein vergnügtes Lachen hören und sein fröhliches Lächeln sehen sollte. Dass ihre einzige gemeinsame Nacht Konsequenzen haben könnte, hatte sie nicht im Entferntesten in Betracht gezogen.
Aidan schlenderte gemütlich den Pfad an den Klippen hinauf. Tief atmete er den würzigen Duft von Salzwasser und Seetang ein, den der kräftige Wind zu ihm herauftrug. Warum war er nicht schon öfter hierhergekommen? Als er die Hotelkette gekauft hatte, zu der das Treloar Hotel gehörte, hatte er sich das Gebäude kaum angesehen, geschweige denn das umgebende Gelände. Das Treloar schrieb rote Zahlen, und er hatte gleich vorgehabt, es sich so schnell wie möglich vom Hals zu schaffen. Irgendwie hatte er es jedoch aus dem Blick verloren. Als dann Konferenzhotels in Mode kamen und das Treloar von den Überbuchungen der günstiger gelegenen Hotels profitierte, hatte es sich als Überraschungserfolg erwiesen. Sicher hatte dazu auch die wachsende Popularität von Sportarten wie Windsurfing, Jetskiing und in jüngster Zeit auch Offroadfahren beigetragen.
Das Offroading war auch der Grund für seinen jetzigen Besuch. Vor sechs Monaten hatte man ihn gefragt, ob auf dem Gelände rund um das Treloar ein Prominentenrennen durchgeführt werden könne. Das Ereignis sollte im Fernsehen übertragen werden und der Erlös einer Kinderhilfsorganisation zugutekommen. Natürlich hatte er sofort zugestimmt. Es war eine riesige Veranstaltung geplant. Im nahe gelegenen Bodmin Moor sollten die Gäste sogar in Panzern fahren dürfen, und auf dem Parkplatz des Hotels wollte man eigens eine Kartbahn aufbauen. Das Hauptereignis aber sollte das Prominentenrennen mit allradgetriebenen Geländewagen auf dem zerklüfteten Gelände der Offroadschule sein, die man kürzlich hier gegründet hatte.
Er hatte die ganze Angelegenheit an Damien delegiert. Es war genau die Art von Veranstaltung, für die sein Bruder schwärmte. Fairerweise musste er zugeben, dass sein sonst so leichtlebiger Bruder ausnahmsweise ernsthafte Arbeit in diese Sache investiert hatte. Es war ein Jammer, dass er nicht mehr hier war, um das Ergebnis seiner Mühen zu sehen. Aidan spürte einen plötzlichen Stich im Herzen. Damien war sechs Jahre jünger gewesen als er und von Geburt an der verwöhnte Liebling seiner in ihn vernarrten Mutter. Dennoch hatte er den Burschen immer gern gemocht.
Die Veranstaltung bot ihm auch die Gelegenheit, sich von der Entwicklung des Hotels zu überzeugen und die Bücher durchzusehen. Dabei war er auch auf diesen unbedeutenden, in der Gesamtaufstellung fast verlorenen Posten gestoßen. Weil er ohnehin eine kleine Pause einlegen wollte, hatte er beschlossen, einen Spaziergang entlang der Klippen zu machen und den Mieter in Augenschein zu nehmen, der eine solch lächerliche Miete für ein Cottage zahlte. Er hatte nicht einmal gewusst, dass es überhaupt zu seinem Besitz gehörte.
Es war die reine Neugier gewesen … nur eine Ausrede, um die langweiligen Zahlenkolonnen für eine Weile beiseitezuschieben und sich für einen Moment Bewegung zu verschaffen. Wenn er schon hier sein musste, wollte er wenigstens das Beste aus den wenigen Tagen in Cornwall machen. In der Sommersonne hatte der Panoramablick über grüne Hügel, schwarze Klippen, gelben Sand und endlos blauen Ozean einen besonderen Reiz.
Und dann hatte ihn statt des mürrischen alten Einsiedlers, den er erwartet hatte, eine beeindruckend attraktive junge Frau begrüßt …
Als er jetzt die Höhe der Steilküste erreichte, blieb er stehen und wandte sich um. Das Dach der alten Hütte war gerade noch zu sehen. Selbst von hier aus konnte er erkennen, dass die grauen Schindeln an verschiedenen Stellen gebrochen waren und an einer Ecke des Daches ein Busch zu wachsen begonnen hatte.
Zu seiner Rechten senkte sich die Wiese hinunter zur Hotelanlage und zum Ort mit seinem malerischen Hafen im Windschatten der Klippen. Hier war das Wasser vergleichsweise ruhig und bot perfekte Möglichkeiten zum Jetskifahren, Paragleiten und Motorbootfahren. Der Strand war auch für Familien geeignet und der Sand ideal für den Bau von Sandburgen.
Der Blick zur Linken bot den direkten Gegensatz. Ungeschützt vor den lang anrollenden Wogen des Atlantiks, war die Küste wild und zerklüftet. Die dunklen Granitfelsen stiegen senkrecht aus dem Meer auf. Wreckers Point nannte man diesen Ort. In vergangenen Jahrhunderten hatten skrupellose Plünderer Lampen auf die Klippen gestellt, um Schiffe auf die scharfen Felsen vor der Küste zu locken und sie dann ihrer wertvollen Fracht zu berauben. Das Schicksal der Mannschaften war den Seeräubern gleichgültig gewesen.
Noch einmal warf er einen Blick auf das Cottage hinab. Ein Lächeln vertiefte die Falten um seine Mundwinkel. Dort, so hieß es, hätten die Seeräuber gehaust und auf ihre Beute gewartet. Ein gefährlicher Ort. Sollte er das als Warnung nehmen? Doch gefährliche Spiele hatten ihn schon immer gereizt!
„Zitronen! Ich brauche mehr Zitronen, sofort! Dios! Noch nie ist mir eine so nutzlose Bande von Küchenhilfen untergekommen! Muss ich denn alles selbst machen?“
Sam war froh, dass sie hier, am anderen Ende der riesigen Hotelküche, außer Reichweite des wütenden Küchenchefs war. Allerdings musste sie zugeben, dass er es nicht leicht hatte. Ein Fünfgängemenü für einhundertfünfzig anspruchsvolle Gäste rechtzeitig und perfekt auf den Tisch zu bringen rechtfertigte einen kleinen Ausbruch von künstlerischem Temperament.
„Hier, Sam, noch ein Stapel für dich.“ Barry, die Aushilfskraft, stellte einen Stoß verkrusteter Auflaufformen auf das Ablaufbrett neben ihrer Spüle. Er drängte sich nah an sie und rieb seine Hüfte an ihrer. „Was hast du denn vor, wenn das erledigt ist?“, fragte er mit anzüglichem Grinsen. „Wie wäre es mit einem Strandspaziergang im Mondschein … nur du und ich und die Sterne?“
Sam erwiderte sein Lächeln, schüttelte jedoch gleichzeitig entschieden den Kopf. Dabei wischte sie sich den Schweiß mit dem Handrücken von der Stirn. „Wenn das hier erledigt ist, werde ich nur noch geradewegs nach Hause in mein Bett gehen. Allein“, fügte sie entschlossen hinzu.
„Ah …“ Barry verzog enttäuscht das Gesicht. „Grausames Weib! Weißt du nicht, dass du mir das Herz damit brichst?“
„Dir das Herz brechen?“, entgegnete Sam lachend. „Dein Herz ist aus Gummi. Es springt wie ein Tennisball … geradewegs auf das nächste hübsche Mädchen zu, das dir unter die Augen kommt.“
„Das ist nicht wahr! Ich bin sehr …“ Ein Schrei vom Herrscher am anderen Ende der Küche unterbrach seinen Protest. Er zuckte resigniert die Schultern und schlich sich augenzwinkernd davon.
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