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Für Clay geht ein Traum in Erfüllung, als er sich in Neuseeland eine Farm kauft. Ein echter Glückstag! Denn dadurch lernt er seine neue Nachbarin kennen, die hinreißend schöne Natalia! Mit ihrer Superfigur, ihrem prachtvollen Haar und sinnlichen Lachen ist sie die erotischste Frau, der Clay jemals begegnet ist …
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Seitenzahl: 199
IMPRESSUM
Ich weiß, du liebst mich erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 1999 by Robyn Donald Originaltitel: „A Reluctant Mistress“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANABand 1339 - 2000 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Sabine Reinemuth
Umschlagsmotive: GettyImages_nd3000
Veröffentlicht im ePub Format in 02/2018 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733755621
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Es war an einem klaren Herbsttag im äußersten Norden Neuseelands. Clay Beauchamp stand im Büro eines Grundstücksmaklers und blätterte in einem Exposé, als das melodische Lachen einer Frau ihn aufhorchen ließ.
Durchs offene Fenster sah er eine Frau, die sich mit einem Mann auf der Straße unterhielt. Ihre sinnliche, leicht rauchige Stimme weckte sofort sein Interesse.
Der helle Sonnenschein ließ die dichten schwarzen Locken der Fremden verführerisch schimmern. Die Haare waren im Nacken einfach gerade abgeschnitten, doch der schlechte Schnitt wirkte nicht ungepflegt, sondern betonte noch die Fülle und den Glanz ihrer Locken. Clay kniff die Augen zusammen. Da drehte sie sich um.
Das Gesicht, in das er blickte, beflügelte seine erotische Fantasie derart, dass er sich zwingen musste, weiterhin ruhig und unbeeindruckt zu wirken.
Man hätte die Frau nicht als schön bezeichnen können, auch nicht als hübsch. Ihr Aussehen entzog sich einer gängigen Beschreibung. Die weichen, vollen Lippen, der helle Teint und die schräg stehenden grünen Augen, gaben ihrem Gesicht eine unterschwellige, verheißungsvolle Sinnlichkeit, die Clay den Atem raubten.
Er hielt die Papiere, Pläne und Beschreibungen der Objekte so, dass sie seine Erregung verbargen, und trat etwas vor, um die Fremde besser beobachten zu können. Sie musste gut eins siebzig sein und hatte mit ihren wohlgeformten Schultern und ausgeprägten Hüften eine Figur, die wie zur Liebe geschaffen schien. Sie sprach mit neuseeländischem Akzent, doch Clay hätte schwören können, dass das Blut mehrerer Nationalitäten in ihren Adern floss.
Der Mann, zu dem sie sprach, lachte jetzt ebenfalls und redete dann selbst. Clay runzelte die Stirn. Wenn die Fremde schwieg, wurde ihr Gesichtsausdruck maskenhaft. Sie schien aufmerksam zuzuhören, verriet jedoch mit keinem Wimpernzucken etwas über ihre Gefühle und Gedanken.
Aber dieser Mund, was rief er für Wünsche wach! Wie mochte es wohl sein, die kühle Fassade dieser Frau zum Bröckeln zu bringen und die Leidenschaftlichkeit zum Leben zu erwecken, die sich dahinter verbarg? Clay spürte, wie er bei dieser Vorstellung die Selbstbeherrschung verlor, er atmete unregelmäßig, und kleine Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn.
Die schöne Helena, dachte er mit leiser Ironie, muss eine ähnliche Wirkung auf die Männer gehabt haben.
„Eine tolle Frau, wirklich“, bemerkte Sam Phillips, der Makler, leicht näselnd. Ärgerlich, dass er dabei ertappt worden war, eine fremde Frau mit den Blicken zu verschlingen, fragte Clay schroff: „Wer ist sie?“
„Natalia Gerner. Ihr Vater kaufte einen Teil der Pukekahu-Farm – das ist das zweite Angebot. Ja, genau das“, antwortete der Makler, als Clay in den Unterlagen blätterte.
„Es ist vielleicht dreizehn Jahre her“, fuhr Sam Phillips unaufgefordert fort, „dass der alte Bert Freeman möglichst schnell möglichst viel Geld auftreiben musste, weil er die Steuerfahndung auf den Fersen hatte. Um an das erforderliche Bargeld zu kommen, trennte er einige Parzellen von Pukekahu ab und verkaufte sie. Natalias Vater – ein Träumer mitten aus Auckland und ohne Ahnung von Landwirtschaft! – kaufte eine davon, gab ihr einen überspannten Namen, versuchte sich als Farmer und marschierte schnurstracks in den Ruin.“
Der Makler schnaufte verächtlich, als ein weiteres Mal Natalia Gerners betörendes Lachen erklang. Clay blickte auf die Dokumente in seiner Hand, doch Buchstaben und Zahlen verschwammen vor seinen Augen. Er riss sich zusammen und lenkte seine Gedanken wieder auf das Geschäft, das er abschließen wollte. Er war mit einem bestimmten Ziel hierhergekommen, und nichts würde ihn davon abbringen.
„Das Schicksal hat es nicht gut mit der Familie gemeint“, nahm Sam Phillips das Thema wieder auf. „Als Natalia knapp achtzehn war, starb ihre Mutter, gut zwei Jahre später erlag ihr Vater einem Herzversagen. Wenn Sie sich für Pukekahu entscheiden – und Sie werden in dieser Gegend nicht günstiger an Farmland kommen – wird Natalia Ihre Nachbarin sein.“
Clay runzelte die Stirn und versuchte, Natalia Gerners exotisches Gesicht und ihr sinnliches Lachen zu vergessen. Er ließ sich von keiner Frau seine geschäftlichen Pläne durchkreuzen – selbst nicht von einer so verführerischen wie ihr.
Und in diesem Fall ging es sogar noch um mehr als das reine Geschäft. Dieser Kauf sollte der krönende Abschluss jahrelanger zäher und versteckter Bemühungen sein. Clay erstickte das unwillkürlich aufsteigende Triumphgefühl im Keim. Die Fremde mochte Helena und Kleopatra in einer Person sein – um den Verstand bringen würde sie ihn nicht.
Der Makler grinste vielsagend. „Natalia Gerner soll ein großes Herz haben. Dean Jamieson – das ist der Verkäufer – und sie hatten etwas laufen, doch plötzlich war Schluss.“
Das Leben hatte Clay gelehrt, dass ein Zuviel an Gefühl unweigerlich zu Leid und Niederlagen führte, und hatte sich deshalb angewöhnt, seine Emotionen zu unterdrücken. Dennoch fiel es ihm in diesem Moment schwer, sich von dem Hass und der Wut, die ihn plötzlich erfüllten, nichts anmerken zu lassen. Mit äußerster Konzentration gelang es ihm, scheinbar höchst interessiert auf die Zahlen und das Bild einer alten viktorianischen Villa zu blicken, die leider kaum mehr als eine Ruine war.
„Natalia hatte bestimmt schon gedacht, sie hätte ihre Schäfchen im Trockenen, aber dann war Dean Jamieson doch nicht bereit, sich ihretwegen scheiden zu lassen. Sie soll von ihm verlangt haben, dass er all ihre Schulden bezahlt. Ich kann es ihr nicht verdenken – warum sollte sie nicht das Beste aus sich und dem Leben machen?“
Clay musste an ihren verführerischen Mund denken, die grünen Augen, die zarte Haut und den geschmeidigen Körper. Wie elektrisiert stand er da, und nur noch ein Gedanke beherrschte ihn.
Als er glaubte, seiner Stimme wieder trauen zu können, fragte er: „Warum will Jamieson Pukekahu verkaufen?“
Clay war bereits mit dem Hubschrauber über die gesamte Farm geflogen und wusste, dass die Fotos geschönt waren. Das Weideland war nämlich nicht mehr grün, sondern braun, weil es wahrscheinlich schon seit Jahren nicht mehr gedüngt worden war.
Der Makler zuckte die Schultern. „Dean Jamieson stammt von der Südinsel und hat Pukekahu von seiner Stiefmutter, Bert Freemans Tochter, geerbt. Das Anwesen liegt wohl zu weit von seinem sonstigen Besitz entfernt.“
Das ist längst kein Grund, dachte Clay wütend, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus der Villa zu entfernen und dann das Gebäude verrotten und das Weideland versteppen zu lassen. Aber auf der anderen Seite war es bestimmt genau das gewesen, was Dean gefallen und seine Schadenfreude befriedigt hatte.
Sam Phillips deutete Clays Schweigen wohl falsch, denn er betonte noch einmal: „Dean Jamieson möchte Pukekahu wirklich schnellstens loswerden.“
Natalia lachte erneut, und wie auf Kommando hoben beide Männer den Kopf. Clay verfluchte seine Schwäche und sah sofort wieder auf die Papiere in seiner Hand. Der schon etwas ältere Makler dagegen lächelte nur.
„Der Mann, mit dem sie spricht, ist Phil, der Verwalter von Pukekahu“, erklärte er Clay. „Ich glaube nicht, dass er Natalia auf Dauer halten kann. Phil hat einfach nicht das Zeug, es zu einer eigenen Farm zu bringen, obwohl er ein erfahrener Züchter ist. Wenn Sie die Farm weiterführen wollen, kann ich Ihnen nur empfehlen, Phil zu behalten, denn wenn er keine eigenverantwortlichen Entscheidungen zu treffen braucht, ist er ein hervorragender Mann. Für Natalia ist ein Typ wie er leichte Beute, deshalb wird er sie bald langweilen, und sie wird sich einen Neuen suchen. Männer, die sich für sie interessieren, gibt es schließlich genug.“
Clay war über sich selbst entsetzt. Er wollte nicht nur alles über diese Frau wissen, sondern – viel schlimmer noch – er wollte, dass dieses zauberhafte Lächeln, das sie Phil schenkte, ihm allein galt. Er wollte, dass diese Frau mit dem faszinierenden Gesicht und der verführerischen Figur nur ihm gehörte. Clay war rasend eifersüchtig auf Phil.
„Wenn ich Pukekahu kaufe“, sagte er betont ruhig, „dann nur, weil es in meinen Investitionsplan passt und nicht, weil die Nachbarin mannstoll ist.“
Der Makler bekam einen roten Kopf. „Natürlich, das hätte ich von Ihnen auch nicht anders gedacht“, sagte er hastig. „Ich habe übrigens auch nicht behauptet, Natalia sei mannstoll! Das Mädchen hat es wirklich nicht leicht gehabt …“ Er blickte Clay kurz an und erzählte dann weiter.
„Ihr Vater hat ihr nichts hinterlassen außer einigen Gewächshäuser und so viel Schulden, dass sie mit fünfzig noch nicht alles abbezahlt haben wird. Natalias einziges Kapital ist ihr Aussehen. Ich kann es ihr nicht verdenken, dass sie alles daransetzt, aus der Misere zu kommen. Und wenn es eine schafft, dann Natalia. Sie weiß, was sie will, und lässt sich nicht davon abbringen – und sie arbeitet verdammt hart.“
Sie hatte also mehr zu bieten als ein ungewöhnliches Aussehen. Schade, dass sie so aufs Geld aus war …
Clay legte ein Blatt auf den Tisch und tat so, als würde er das nächste durchlesen. „Warum bezahlt sie die Schulden ihres Vaters?“, fragte er wie nebenbei. „Sie ist doch gesetzlich nicht dazu verpflichtet. Oder war sie die Geschäftspartnerin ihres Vaters?“
Der Makler schüttelte den Kopf. „Ihr Vater lieh sich Geld, um die Gewächshäuser zu bauen. Er wollte Orchideen züchten, kam aber, Träumer, der er war, zu spät mit dieser Idee und verpasste den großen Boom. Als er starb, verkaufte Natalia buchstäblich alles, was man zu Geld machen konnte. Sie konnte tatsächlich einen Teil der Schulden bezahlen, nicht aber die Hauptgeldgeber entschädigen, ein älteres Ehepaar. Wenn Natalia die Erbschaft abgelehnt hätte, wären diese ohne Altersversorgung geblieben.“
So hatte die grünäugige Sirene ein Gewissen – ein sehr ausgeprägtes sogar, wenn sie ihr Leben ruinierte, nur um Verpflichtungen nachzukommen, die ihr leichtsinniger Vater und nicht sie eingegangen war. Clay stellte verblüfft fest, dass sich sein Beschützerinstinkt regte. „Gut“, sagte er kurz. „Und jetzt erklären Sie mir bitte, aus welchen Gründen Pukekahu für mich eine gute Investition sein soll.“
Wegen Pukekahu war er schließlich hier und wegen der besonderen Umstände hatte er sich für Sam Phillips entschieden, diesen kleinen Makler vom Lande. Für ihn, der bestimmt noch nie etwas von der Beauchamp Holding gehört hatte, war er ein ganz normaler Farmer. Denn nichts würde Dean Jamieson ein größeres Vergnügen bereiten, als den Preis in die Höhe zu treiben, wenn er erfuhr, dass Clay an der Farm interessiert war.
Es konnte sogar sein, dass Dean dann überhaupt nicht mehr verkaufte, obwohl ihm das Wasser bis zum Hals stand.
Clay wollte Pukekahu mit einer Ausschließlichkeit, die sich aus dem gefährlichsten aller Gefühle speiste: Rache. Aber er wollte für die Farm auch nur so viel zahlen, wie sie wert war.
Und keinesfalls hatte er die Absicht, es sich etwas kosten zu lassen, dass Natalia Gerner nur einige hundert Meter von ihm entfernt wohnte.
„Liz, ich kann wirklich nicht kommen.“ Mit der einen Hand hielt Natalia den Hörer, mit der anderen massierte sie sich die Schläfe.
„Und warum nicht?“, wollte ihre beste Freundin wissen.
„Ganz einfach, weil ich keinen Partner habe.“ Und erst recht kein Kleid für einen Maskenball, setzte sie im Stillen hinzu. Natalia konnte sich beim besten Willen nicht erklären, was den Rotary und den Lions Club dazu gebracht haben konnte, ausgerechnet einen Maskenball zu veranstalten. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie gern sie die Einladung angenommen hätte, und suchte nach weiteren Gründen für eine Ablehnung.
„Außerdem leben wir im Neuseeland der Gegenwart und nicht im England der Regency-Zeit. Bei uns gibt man Grillpartys und keine Bälle!“
Liz lachte. „Tu nicht so spießig, Natalia. Man könnte meinen, du wärst eine alte Schachtel und nicht gerade erst dreiundzwanzig. Es ist das Ereignis! Wir gehen mit meinen Eltern in einer Gruppe zu mehreren, deshalb brauchst du keinen Partner. Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass Greg gerade zu Hause ist und natürlich auch mitkommt. Er wird hingerissen sein, mit dir tanzen zu dürfen – wie alle anderen Männer auch. Du tanzt einfach traumhaft, Natalia.“
„Ich konnte es einmal ganz gut“, gab Natalia zu. Sie blickte durchs Fenster auf die tunnelförmigen Gewächshäuser mit den Chilipflanzen und die Weide, auf der einige Rinder zufrieden in der Wintersonne grasten.
Liz gab nicht so schnell auf. „Tanzen verlernt man nicht, genauso wenig wie Schwimmen oder Radfahren. Also hör auf zu jammern. Dein Vater würde überhaupt nicht verstehen können, dass du eine solche Einladung ablehnst. Deine Mutter übrigens auch nicht.“
Natalia schloss die Augen. Zielsicher, wie das eine lange Freundschaft eben so mit sich brachte, hatte Liz den Finger auf den wunden Punkt gelegt.
Gnadenlos nahm Liz ihr jeglichen Wind aus den Segeln. „Und jetzt erzähl mir nur nicht, du hättest nichts zum Anziehen. Kannst du dich noch an das grüne Seidenkleid erinnern, das ich mir letztes Jahr in Auckland gekauft habe, weil ich dachte, die Farbe würde meine Augen so aussehen lassen wie deine? Du kannst es anziehen.“
„Du hast doch so schöne Augen, Liz“, versuchte Natalia ihre Freundin vom Thema abzulenken, hatte jedoch keinen Erfolg damit.
„Mag sein, aber wir beide wissen, dass ich in dieser Beziehung nicht mit dir mithalten kann. Ich wollte dir das Kleid vor meiner Abreise nach England sowieso schenken.“ Sie wurde ernst. „Natalia, bitte komm. Wir werden uns bestimmt amüsieren. Die Barkers haben ihren Ballsaal zur Verfügung gestellt und …“
„Ich kann es mir nicht leisten“, unterbrach Natalia sie.
Nach einer kleinen Pause sagte Liz: „Wir bezahlen. Natalia, bitte zeig keinen falschen Stolz. Du würdest für mich das Gleiche tun.“
Natalia biss sich auf die Lippe. „Die Argumentation ist unfair!“
„Am ersten Schultag haben wir uns geschworen, für immer und ewig Freundinnen zu bleiben. Das gibt mir das Recht, unfair zu sein. Seit dem Tod deines Vaters hast du dich auf deinem Hügel verbarrikadiert wie Rumpelstilzchen.“
„Du bist im falschen Märchen, Liz. Ich gebe keine Rätsel auf und will keine Babys entführen. Und auf keinen Fall bin ich in der Lage, aus Stroh Gold zu spinnen.“ Was in den letzten drei Jahren wirklich sehr hilfreich gewesen wäre.
Liz gab sich jedoch noch nicht zufrieden. „Du hast mir auch immer geholfen, mich getröstet, wenn ich in der Schule Dummheiten angestellt hatte, und Händchen gehalten, wenn ich glaubte, an gebrochenem Herzen sterben zu müssen. Darf ich mich denn nicht einmal revanchieren?“
Natalia schwieg.
„Gibst du dich endlich geschlagen?“
Natalia hielt den Telefonhörer nicht mehr ganz so krampfhaft umklammert. „Was kosten die Karten?“
„Das sage ich dir nicht.“ Liz ließ sich nicht beirren. „Wenn du auf deiner Erbsenzählerei unbedingt bestehen willst, betrachte die Karte als mein Geburtstagsgeschenk an dich.“ Sie lachte. „Tu mir den Gefallen, Natalia, und übernachte bei mir. Wir können uns dann zusammen fertig machen, herumalbern, kichern und tun, als wären wir siebzehn und nicht dreiundzwanzig. Lass uns vergessen, dass ich nach Oxford gehe, um mich in mittelalterlichen englischen Texten zu vergraben, und dass du dich in Bowden zu Tode schuftest, nur weil du dir einbildest, für die Schulden deines Vaters verantwortlich zu sein. Lass uns für eine Nacht so tun, als wäre unser Leben so, wie wir es uns auf der High School erträumten. Weißt du noch? Ich wollte Jason Wilson heiraten und jede Menge Kinder haben. Du wolltest Biologin werden und einheimische Pflanzen zeichnen. Das war natürlich, bevor du dich in der letzten Klasse in Simon Forsythe verliebt hattest.“
Natalia rang sich ein Lachen ab. „Schon gut, schon gut, ich komme“, antwortete sie. „Aber nur, weil ich Mr. Stephens von der Tankstelle mit Maske erleben möchte. Ich komme auch zu dir, um mich zurechtzumachen, aber schlafen kann ich nicht bei dir, denn ich muss am nächsten Morgen in aller Frühe zum Markt.“
„Ich wusste, dass du kommen würdest“, sagte Liz aufrichtig. „Du brauchst zur Abwechslung auch einmal Spaß, und den werden wir haben, das verspreche ich dir. Und zerbrich dir nicht den Kopf über eine Maske, denn ich hab’ schon eine für dich.“
Die Maske war ein ausgefallenes Stück: smaragdgrün, mit Pailletten besetzt und mit langen, exotischen Federn verziert, die sich zwischen Natalias schwarze Locken mischten. Sie harmonierte ideal mit Liz’ ausrangiertem Seidenkleid, dem elegantesten Stück, das Natalia je getragen hatte. Es wirkte von vorn züchtig und hochgeschlossen, der Rückenausschnitt reichte jedoch fast bis zur Taille, und der weite Rock war kurz genug, um Natalias schöne Beine voll zur Geltung zu bringen.
„Hör auf zu jammern!“, befahl Liz. „Nein, du kannst unter diesem Kleid wirklich keinen BH tragen, das hast du doch auch gar nicht nötig! Und natürlich ist der Rock nicht gerade lang, aber bei deinen Beinen wäre alles andere ein Verbrechen.“ Neidlos betrachtete Liz ihre Freundin und strich ihr schwarzes Kleid glatt, bevor sie die schwarz-weiße Maske aufsetzte. „Ich wusste, dass dir dieses Kleid steht, aber was steht dir nicht? Das liegt an deinem ebenmäßigen Gesicht. Jeder Mann hält dich für ein hübsches und wohlerzogenes Mädchen – bis du ihn mit einem einzigen Blick deiner lockenden grünen Hexenaugen verzauberst.“
„Lockende Hexenaugen! Liz, du hast wieder Liebesromane aus der guten alten Regency-Zeit gelesen.“ Natalia lachte. „Ich wette, deine Professorin wusste nichts von deiner geheimen Leidenschaft, sonst hätte sie deine Magisterarbeit bestimmt nicht so hoch bewertet.“
„Ich liebe Regency-Romane!“, gab Liz unumwunden zu. „Ich bin einfach verrückt nach diesen aristokratischen Helden, groß, dunkelhaarig, gut aussehend und wahnsinnig reich.“
„Vielleicht läuft dir ja in England einer über den Weg.“
Liz seufzte. „Ich befürchte nur, mittlerweile ist auch das letzte Exemplar ausgestorben. Schade.“
Als sie den Ballsaal betraten, sagte Natalia: „Wie geheimnisvoll und interessant wir alle wirken! Vielleicht sollten wir uns immer maskieren.“
„Mm. Jeder sieht geheimnisvoll und sexy aus, sogar Greg.“ Liz betrachtete ihren Bruder, der eben durch die Tür kam.
„Er ist ja auch ein gut aussehender Mann“, bemerkte Natalia.
„Aber für dich leider völlig uninteressant.“ Liz hatte nie einen Hehl aus ihrem Wunsch gemacht, dass ihr Lieblingsbruder und ihre beste Freundin eines Tages ein Paar werden sollten.
Natalia nickte bedauernd.
„Na ja, vielleicht triffst du ja heute deinen Traummann.“ Liz blickte sich ungeniert um, winkte Freunden zu und lächelte. „Ich sehe nur keinen. Leider sehe ich nur Mr. Stephens mit den Barkers. Die Maske steht ihm wirklich, Natalia.“
Natalia bedauerte keine Sekunde, dass sie mitgekommen war. Sie tanzte, amüsierte sich und sprach mit Bekannten, die sie schon seit Monaten nicht mehr gesehen hatte.
Als sich Natalias letzter Partner verabschiedet hatte, um wieder zu seiner Frau zu gehen, wurde Liz ganz aufgeregt. „Er ist da!“, flüsterte sie ihrer Freundin zu.
„Wer?“ Natalia hob ihr Glas an den Mund.
„Der lang erwartete Märchenprinz. Wirf einen Blick über deine Schulter Richtung Tür. Er ist nicht zu übersehen.“
Natalia setzte ihr Glas ab und tat ihrer Freundin den Gefallen.
Der Fremde fiel wirklich aus dem Rahmen, denn er überragte die meisten der anwesenden Männer um Haupteslänge. Natalia schätzte ihn auf mindestens eins neunzig. Aber nicht nur seine Größe, auch seine breiten Schultern und seine aufrechte, selbstbewusste Haltung hoben ihn aus der Menge hervor.
Er trug einen schwarzen Abendanzug und ein weißes Hemd, das einen scharfen Kontrast zu seiner sonnengebräunten Haut bildete. Sein Gesicht war eher markant als schön, er hatte eine Hakennase, ein prägnantes Kinn mit einem Grübchen in der Mitte und einen ausdrucksvollen Mund. Sein welliges dunkles Haar glänzte im Licht, und seine schlichte schwarze Maske machte ihn zu einer Erscheinung, die direkt einem von Liz’ geliebten Regency-Romanen hätte entsprungen sein können.
Er unterhielt sich mit einer üppigen Frau in Rot, die Natalia unbekannt war. Trotz der Maske sah Natalia der Frau an, dass sie den Mann mit den Blicken förmlich verschlang. Natalia konnte das verstehen.
Dieser Mann zog nicht nur durch sein Aussehen die Blicke der Frauen auf sich, sondern vor allem durch seine männliche Ausstrahlung. Seine Haltung bewies, dass er sehr gut wusste, wie anziehend er auf Frauen wirkte. Und diese Selbstsicherheit weckte Natalias Unmut.
Liz lächelte. „Er sieht nach dir.“
„Hoffentlich gefällt ihm mein Profil.“ Natalia wandte sich wieder ihrer Freundin zu. „Ja, er ist ein echter Traumtyp. Aber Männer wie er haben Ehefrauen oder extravagante Freundinnen, die beim Film oder im Fernsehen arbeiten. Vielleicht gehört er zu der Frau in Rot?“
„Wie kannst du nur so nüchtern sein!“ Liz seufzte. „Wahrscheinlich hast du ja recht, trotzdem würde ich nicht Nein sagen, wenn er mich zum Tanzen auffordern würde. Verheiratet sieht er nicht aus, und die Freundin wäre mir egal.“
„Der letzte Typ, den ich auf einer Party getroffen habe, sah auch nicht verheiratet aus“, antwortete Natalia leise und lächelte traurig.
Liz legte ihr die Hand auf den Arm. „Es tut mir leid, dass ich diesen Dean Jamieson vergessen habe. Aber vielleicht solltest du meinem Beispiel folgen.“
„Ich bemühe mich ja auch. Aber wer vergisst schon so schnell einen Mann, der meint, das Privileg, mit ihm schlafen zu dürfen, würde eine Frau die Nebensächlichkeit vergessen lassen, dass er verheiratet ist?“ Wie immer, wenn sie an den Mann dachte, dem die Farm neben ihrer gehörte, wurde Natalia wütend. „Mein einziger Trost ist das Gesicht, das er gemacht hat, als ich sagte: Nein, danke, aber ich bin altmodisch, mir bedeutet eine Ehe noch etwas, und obwohl ich dich ausgesprochen sexy finde, gehe ich trotzdem nicht ins Bett mit dir.“
„Er ist eine miese kleine Ratte“, tröstete Liz sie. „Ich glaube, er war sich völlig sicher, dass du nicht herausfinden würdest, dass er verheiratet ist. Was für ein Glück, dass meine Mutter so viele Freunde und Bekannte in ganz Neuseeland hat, auch auf der Südinsel. Sonst wärst du vielleicht wirklich völlig arglos in dein Unglück gerannt.“
Natalia senkte den Blick. „Ich war naiv“, sagte sie ruhig. „Ich habe ihn für einen Märchenprinzen gehalten, der mich aus meinem Aschenputteldasein befreit. Er war intelligent, geistreich und attraktiv – und ich hielt ihn für aufrichtig.“
„Aber er war doch aufrichtig!“, entgegnete Liz ironisch. „Er sah dich und wollte dich, an deine Gefühle hat er dabei nicht gedacht.“
„Jedenfalls hat er mir nicht das Herz gebrochen“, stellte Natalia fest und zuckte gleichmütig die Schultern.
„Das weiß ich. Du bist viel zu klug, um eine Schwäche für einen Blender zu haben.“
„Dein Vertrauen ehrt mich.“ Liz wusste zum Glück nicht, wie nah sie, Natalia, daran gewesen war, Dean Jamiesons routiniertem Charme zu erliegen. „Das Einzige, worüber ich nicht hinwegkomme, ist seine Gemeinheit, in ganz Bowden die Lüge zu verbreiten, ich hätte von seiner Ehe gewusst.“
„Diese Niedertracht beweist doch nur, was für ein Schuft er ist.“
„Du hast recht. Dean Jamieson ist ein Blender, aber einer, auf den ich beinahe hereingefallen wäre. Mit meiner Intelligenz und Menschenkenntnis scheint es wirklich nicht weit her zu sein.“
Liz lachte. „Jetzt bist du eben um eine Erfahrung reicher. Dumm wäre nur, den gleichen Fehler zweimal zu machen. Deshalb werde ich mein Bestes tun, möglichst schnell und genau alles über diesen geheimnisvollen Fremden in Erfahrung zu bringen.“
Als Natalia nach einer kleinen Pause an der frischen Luft wieder in den Ballsaal zurückkam, wurde sie von einem ehemaligen Mitschüler angesprochen. Lachend tauschten sie Erinnerungen aus, als seine Ehefrau zielstrebig und mit drohender Miene auf ihn zukam.
Sie rang sich zwar ein Lächeln ab, ihre Augen aber blickten kalt. „Hallo, Natalia, schön dich zu sehen.“ Sie legte ihrem Mann besitzergreifend die Hand auf den Arm. „Max, komm lass uns tanzen.“
Max wirkte plötzlich wie ein ertappter Schuljunge. „Oh ja, gern. Wir sehen uns später, Natalia.“