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Bonifaz Reile wurde bei Eichstätt geboren und tat in den Orden der Barmherzigen Brüder ein. Er wurde in Wörishofen Kneipps Sekretär und Leiter des Sebastianeums. Als Kneipp 1897 starb kam es zu Auseinandersetzungen zwischen ihm und Dr. Baumgarten über die richtige Weiterentwicklung der Kneippkur. Reile versuchte in der Tradition von Kneipp zu heilen, Sprechstunden und Vorträge zu halten und unternahm Reisen. Schließlich wurde er aus Wörishofen versetzt. Er trat aus dem Orden der Barmherzigen Brüder aus, kehrte nach Wörishofen zurück und hielt hier Sprechstunden. Seine letzten Jahre verbrachte er, fast erblindet, in Altötting, wo er 1952 starb und in Bad Wörishofen beerdigt wurde.
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Seitenzahl: 174
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Prior Bonifaz Reile
… er [Reile] ist ein kleiner, von Gesundheit strotzender Mann. Der Kopf etwas nach vorn gebeugt, sitzt auf einem mächtigen Nacken, der Gesichtsausdruck ist klug und versöhnlich… aus: Kneipp-Blätter vom 24. März 1898
… schmucke Gestalt mit einem glatten Kopf hinter dessen undurchdringlicher Stirn zwei schwarze Augen von Leidenschaft flammten, so beschreibt Eugen Ortner in seinem Roman: Ein Mann kuriert Europa, Prior Bonifaz Reile.
Einleitung
Kindheit und Jugend
Der Bau eines Kurhauses in Wörishofen
Die Barmherzigen Brüder kommen nach Wörishofen
Frater Bonifaz Reiles Ankunft in Wörishofen
Das Sebastianeum wird an die Barmherzigen Brüder übergeben
Kneipps Sekretär
Sprechstunden bei Kneipp
Sprechstundenorganisation
Bonifaz Reiles Sprechstunden
Vorträge von Bonifaz Reile
Vortragsreisen von Bonifaz Reile
Heilungserfolge von Bonifaz Reile
Kneipp-Museum
Kommunales und soziales Engagement
Zentral-Kneipp-Verein
Kasinofrage
Ordensleben
Kneipp-Nachfolge
Die Presse und die Kneipp-Nachfolge
Hausherr im Sebastianeum
Kinderasyl
Lupushaus / Kneippianum
Kneippdenkmale
50. Geburtstag
20 Jahre Übernahme des Sebastianeums durch die Barmherz. Brüder
25 Jahre Reile in Wörishofen
Ehrungen
Prior Reile und Österreich
Vorläufiger Abschied von Wörishofen
Max Reile in Frankfurt a.M.
Wieder Sprechstunden in Wörishofen
Alterssitz in Altötting
Tod und Beerdigung
Bonifaz Reile aus Herausgeber und Autor
Anhang
Abkürzungen
Abgekürzt zitierte Literatur
Im Zusammenhang mit Studien zu Sebastian Kneipp stieß ich immer wieder auf den Namen Bonifaz Reile. Er wurde vor 70 Jahren auf dem Friedhof in Bad Wörishofen beerdigt und nach ihm wurde in der Kurstadt ein Weg benannt. Also lohnt es sich wohl, sich mit ihm zu beschäftigen.
Herr Werner Büchele machte mich auf die Verdienste von Frater Reile um das Sebastianeum aufmerksam und wies mich darauf hin, dass es doch noch die Schenkungsverträge des Sebastianeums geben muss. Also entschloss ich mich, diese ausfindig zu machen – besten Dank für die Unterstützung von Herrn Günter Steiner vom Staatsarchiv in Augsburg – und transkripierte sie. Sie finden sich im Anhang dieser Arbeit.
Ich lernte Michael Scharpf kennen. Herr Scharpf erklärte sich sofort bereit, mir die von ihm digitalisierten und akribisch aufbereiteten Bilder-Schätze unterschiedlicher Leihgeber zu zeigen und nach Rücksprache mit den entsprechenden Archiven zur Verfügung zu stellen. Die Überraschung darob war bei mir so groß, dass ich mir erlaubte, ihn zu bitten, als Co-Autor an diesem Buch mitzuarbeiten. Selbst während seines Urlaubs bearbeitete er Bilder für dieses Buch. Zusätzlich brachte er sein großes Wissen über Bad Wörishofen und Sebastian Kneipp in dieses Buch ein und las Korrektur.
Besonders freundlich begegnete mir das Personal des Kneipp-Museums in Bad Wörishofen, wo auch eine Spezial-Bibliothek zu Kneipp untergebracht ist. Gleiches gilt für die Staats- und Stadtbibliothek in Augsburg. Für die Korrektur bedanke ich mich ganz herzlich bei Herrn Alfred Sommer.
Natürlich hätte ich mir auch vorstellen können, dass dieses Buch in einem Kunstverlag erscheint. Die hervorragenden Bilder hätten es verdient! Allein, das hätte ich mir nicht leisten können und Zuschüsse zu erbetteln, das liegt mir nicht.
Unmittelbarer Anlass, dieses Büchlein zu schreiben und nun herauszubringen ist der 70. Todestag von Bonifaz Reile.
Alois Epple
Geboren wurde Josef Max Reile am 26. Oktober 1862 in Wasserzell und anscheinend noch am gleichen Tag im Eichstätter Dom getauft.1 Seine Eltern waren Johann Reile, Metzgermeister in Eichstätt, Wasserzell Haus.-Nr. 8 und Anna Reile, geb. Herler, Schmiedemeistertochter2. Patin machte die Tagelöhnerin Josefa Herler.3 Die Eltern hatten am 20. Februar 1860 in St. Walburg in Eichstätt geheiratet.4
Anna Reile, Mutter (links), Geschwister oder Schwager von Bonifaz Reile (stehend), Bonifaz Reile (rechts sitzend), um 1905 (Sammlung Carl Rauscher)
Nach dem Besuch der anscheinend sechsklassigen Volksschule in Eichstätt ging Josef Max zu einem Tapezierer und Sattler in die Lehre und besuchte die Fortbildungsschule in Eichstätt.
Nr. 45 / Reile Max / 13 Jahre 9 Monate / Eichstätt / TapeziererBericht über die königliche Gewerbeschule und die damit verbundene Fortbildungsschule zu Eichstätt, Schuljahr 1875/76 (StaBi in München)
Mit 21 Jahre trat Max Reile, aufgrund eines Gelübdes bei einer schweren Krankheit5, in Abensberg6 in den Orden der Barmherzigen Brüder ein und legte am 26. August 1883 seine einfache Profess ab. Er erhielt den Ordensnamen Bonifaz, nach dem hl. Bonifatius von Tarsus.7
Ab 1887 arbeitet Frater Bonifaz im Kloster St. Wolfgang in Neuburg an der Donau. Dort legte er am 29. August 1888 seine ewige Profeß ab.8 Er schreibt: Ich erinnere mich an den Neubau des Noviziats in Neuburg a.d.D. Sofort als der Maurer aus dem Hause war, zog man ins Noviziat ein.9 Im Schematismus der Diözese Augsburg wird er schon ab 1891 als Prior dieses Klosters, mit elf Fratres und einem Pater, aufgeführt.10
Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Neuburg a.d.D. vor der Aufstockung des Klosters (aus Chronik, S. 129)
Das Kloster St. Wolfgang in Neuburg a.d.D. nach dem Aufbau des 2. Stockwerkes 1886/87.
1 Pfarrmatrikeln Eichstätt-Dom 73, 70 im Diözesanarchiv Eichstätt
2 Betz, S. 54
3 Wohl der Onkel von Josef Max Reile war Josef Reile, Pächter der Wirtschaft am Graben in Eichstätt.
4 Pfarrmatrikel Eichstätt-St. Walburg im Diözesanarchiv Eichstätt
5 Der Kneipp-Bund 12, Nr. 10 vom 1. Oktober 1908, S. 313 – 314, zit. bei Betz, S. 54
6 Dieser Orden war in Abensberg erst seit 1879 ansässig.
7 Im entsprechenden Schematismus der Diözese Regensburg ist Frater Bonifaz Reile nicht verzeichnet. Frdl. Hinweis von Hans Paulus, Pfreimd.
8 Dolhofer, S. 37
9 Reile, S. 25
10 Betz, S. 54 meint, dass nach Neuburg Frater Reile auch die Leitung des Klosters der Barmherzigen Brüder in Straubing hatte.
Im Jahre 1890 weilten ungefähr 700 Geistliche zur Kur in Wörishofen. Zeitweise waren bis zu vierzig Priester im Dominikanerinnenkloster einquartiert.11 Dieses ständige Kommen und Gehen und Reden und Kuren störte das kontemplative Leben der dortigen Klosterfrauen empfindlich. Wohl auf „Anregung“ des Augsburger Bischofs ließ deshalb Kneipp ein eigenes Haus für die priesterlichen Kurgäste, ein Kurhaus, auch Sebastianeum genannt12, bauen und finanzierte es überwiegend mit seinen Schriftstellerhonoraren.13
Frater Bonifaz Reile (sitzend, zweiter von links) mit priesterlichen Kurgästen vor dem Sebastianeum, um 1910 (Kneipp-Museum)
Am 6. September 189014 kaufte Kneipp für 4.080 Mark von Josef Schropp in Wörishofen das Anwesens Hs.Nr. 54.15 Dieser Kauf wurde am 4. April 1891 ins Grundbuch eingetragen.16 Das alte Bauernhaus wurde sofort abgebrochen.17 Allerdings blieb ein Teil des „Anwesens des Hafners18 Schropp, nämlich Hs.Nr. 54 ½“, noch stehen und später „wie ein Schwalbennest noch am Kurhaus kleben“.19 Am 27. August 1890, bevor der Kauf notariell beurkundet war, wurde auf dem nun leeren Platz der Grundstein für ein Kurhaus gelegt, am 21. März 189120 oder zehn Tage später21 konnte das „Priesterkurhaus“ schon eingeweiht werden. Mit der Leitung dieses Kurhauses beauftragte Kneipp die Franziskanerinnen aus Mallersdorf.22 Darob war man allerdings nicht glücklich, da die Kurgäste fast ausschließlich männlich waren. 1893 gaben die Franziskanerinnen deshalb ihren Dienst hier auf.23
Haus Nr. 54 in Wörishofen: Am 4. April 1891 wurde der Kauf des Anwesens von Joseph Schropp an Sebastian Kneipp ins Grundbuch eingetragen. Dieses ging dann durch „Kauf“ am 5. März 1892 an die Barmherzigen Brüder über.
Namensänderungen
Bezeichnungen
Datum Tag
Monat
Jahr
Joseph Schropp
Uebergabe
4.
März
1864
Landauer Josef
Zwangsversteigerung
26.
Juli
1876
Schropp Helena
Kauf
14.
August
1876
Schropp Josef
Kauf
14
Juli
1890
Kneipp Sebastian
Kauf
4.
April
1891
nun
Orden der barm=
Kauf
5.
März
1892
herzigen Brüder in
d
o
21.
April
1893
Bayern
Messung
4.
April
1895
d
o
20.
Mai
1895
Abgang
7.
Januar
1896
Messung
12.
Januar
1896
Abgang
12.
Januar
1896
Messung
5.
III.
1902
Neubau des Kurhauses (Sebastianeum), Winter 1890/9124 (Sammlung Carl Rauscher)
„Bachstraße“ (heute Kneippstraße) mit anliegenden Höfen und Grundstücken in Wörishofen, um 1825. Hs-Nr. 54 kaufte später Sebastian Kneipp und „schenkte“ es den Barmherzigen Brüdern. (Bayerische Vermessungsverwaltung)
Sebastian Kneipp mit priesterlichen Kurgästen vor dem Kurhaus (Sebastianeum) 1891. Rechts erkennt man noch einen Teil des Anwesens Schropp wie ein „Schwalbennest am Kurhaus kleben.“ (Sammlung Carl Rauscher)
11 Waibel, S. 99
12 In den Kneipp-Blättern vom 29. Juni 1901 beschwert sich der Redakteur, dass sich das Sebastianeum nur noch Kurhaus nennt. Bald ändert sich die Bezeichnung wieder und aus dem Kurhaus wurde erneut das Sebastianeum.
13 Dolnhofer, S. 54
14 Laut Schenkungsvertrag GRNr 1385 (vgl. Anhang). In mancher Literatur findet sich als Datum der Grundsteinlegung 27. August 1890!
15 Anhang (GRNr 1385); Seitz, S. 100; Dolnhofer nennt als Kaufpreis „um 5000 Mark“. Nach Filser, S. 26 betrug der Kaufpreis 5.000 Mark.
16 aus: Grundsteuer-Kataster (StAA), vgl. Abbildung nächste Seite
17 Seitz, S. 131
18 Dolnhofer, S. 54 meint zu Schropps Beruf: „des Gütlers Schropp“.
19 Reile, S. 74
20 Sebastianeum 2, o.P.
21 Dolnhofer, S. 54
22 Dolnhofer, S. 54
23 Dolnhofer, S. 56
24 Seitz, S. 100
Sebastian Kneipp musste sich überlegen, wer an Stelle der Franziskanerinnen aus Mallersdorf das Kurhaus führen könnte, da es nicht gut war, wenn ein Haus, in welchem fast ausschließlich Männer kurten, von Frauen betreut wurde. Kneipp musste sich jedoch auch Gedanken über seine Nachfolge generell machen. Wer sollte seine Wassertherapie nach seinem Tode weiterführen? Sollte sie von Laien oder von studierten Medizinern fortgesetzt werden?
Kneipp wurden von Freunden und Gönnern die Barmherzigen Brüder in Wien empfohlen.25 Deshalb nahm er zu Pater Sobel, Provinzial der dortigen Barmherzigen Brüder, Kontakt auf. 1891 weilte Pater Seraphion de Man vom Karmelitenkloster in Straubing zur Kur in Wörishofen. Dieser gab Kneipp den Rat, die Barmherzigen Brüder in Straubing zu fragen, ob sie in Wörishofen eine Ordensniederlassung gründen könnten und das neu erbaute Kurhaus übernehmen würden.26 Kneipp wandte sich deshalb an den Provinzial der Barmherzigen Brüder, an Frater Cajetan Pflügl27 in Neuburg an der Donau. Dieser begab sich im September 1892 sogleich nach Wörishofen, um mit Kneipp zu sprechen. Bald darauf wurde Frater28 Bonifaz Reile29 vom General der Barmherzigen Brüder Cassian Gasser und vom Provinzial Cajetan Pflügl ausgewählt30, mit zwei weiteren Brüdern nach Wörishofen zu gehen und die Hausleitung des neu erbauten Kurhauses von den Mallersdorfer Schwestern zu übernehmen. Die Mallersdorfer Schwestern verließen das Sebastianeum im Frühjahr 1893 wieder.
Bald darauf hat Pfarrer Kneipp die Leitung des Hauses den barmherzigen Brüdern anvertraut und Prior Reile zu seinem Sekretär gemacht.31
Prior Bonifaz Reile in Wörishofen, 1895 (Sammlung Carl Rauscher)
25 Chronik, S. 480
26 Dolhofer, S. 20
27 Cajetan Josef Pflügl, geb. am 24. 11.1846 in Parsdorf, 1873 Eintritt in den Orden der Barmherzigen Brüder, 1881 – 1887 Prior der Pflegeanstalt Schweinspoint, 1887 – 1890 Prior in der Pflegeanstalt in Attl, 1890 – 1896 Provinzial der Barmherzigen Brüder der bay. Provinz, 1899 – 1905 Prior der Pflegeanstalt Straubing II, 1905 – 1908 Priorvikar in Gremsdorf, + 1925.
28 Betz, S. 53 meint, dass Frater Reile als Prior die Bezeichnung „Pater“ zustand, was nicht nachvollziehbar ist. Ein Pater war ein (geweihter) Priester.
29 Formal blieb Reile jedoch einstweilig noch Prior im Neuburger Kloster - siehe Schematismus der Diözese Augsburg 1893 – bis die Wörishofer Niederlassung am 1. April 1893 als Ordensniederlassung vom Kultusministerium anerkannt wurde. Nun wurde Reile Prior der Wörishofer Niederlassung der Barmherzigen Brüder.
30 Reile, S. 7
31 Reile, S. 5
Bonifaz Reile erzählte später von seiner Reise nach Wörishofen:32Der 1. Oktober 1892 war ein herrlicher, sonniger Herbsttag, der als Reisetag für die Brüder bestimmt war, die zur Erlernung der Pfarrer Kneipp’schen Kur in Wörishofen Quartier nehmen sollten. […] Die Reise ging über Donauwörth, Augsburg, Buchloe mit der Endstation Türkheim. Am Bahnhof Türkheim standen Fuhrwerke, um die angekommenen Kurgäste nach Wörishofen zu befördern. Manchen Tag waren sie zu wenig, um den Massenandrang bewältigen zu können. Wir beide (Frater Bonifaz Reile und Frater Benno Perschlmeier) aber wählten die Fußwanderung durch die Wiesengründe, denn es war der Tag zu schön, um auf der staubigen Landstraße zu kutschieren. Wir tauschten unsere Gedanken gegenseitig aus, die nicht ohne Bange und Sorge um das Kommende waren, denn die Zukunft stand wie ein Rätsel vor uns. Wir hatten etwa den dritten Teil des Weges zurückgelegt, da hielt eine Kutsche vor uns an. Ein livrierter Diener stieg aus und lud uns im Auftrage Ihrer Königl. Hoheit der Frau Großherzogin Paula von Mecklenburg höflich ein, im Gefährt Platz zu nehmen. Wir dankten und nahmen an. Die hohe Frau wußte bereits von unserer Ankunft und vermutete richtig, daß wir die von Kneipp Erwarteten waren. Bald waren wir am Ziel, dem Kurhaus. In der großherzoglichen Kutsche bildeten die armen Barmherzigen Brüder eine wirkliche Sensation. Kurgäste sind immer neugierig, und weil es gerade Mittag war verbreitete sich die Kunde bald im ganzen Dorf. Unser Mittagsmahl nahmen wir im Speisesaal des damaligen Sebastianeums ein. Auch unsere Wohnung erhielten wir im Kurhaus, das für Priester, Ordensleute und Studenten bestimmt war. Anfangs wohnten wir zu zweit, später jeder einzeln in einem Mansardenzimmer.
Nach Tisch, etwas vor 1 Uhr, stellten wir [die Fratres Bonifaz Reile und Benno Perschlmeier33] uns vor der Türe des Sprechzimmers auf und erwarteten Hochwürden Herrn Pfarrer Kneipp. Wir kannten ihn persönlich nicht, nur nach Fotografien und Bildern. Punkt 1 Uhr erschien Kneipp. Wir begrüßten ihn mit Handkuß und stellten uns einzeln vor. Die Begrüßung fand ohne jedes Zeremoniell statt, einfacher könnte sie wirklich nicht gewesen sein: ‚So, seid Ihr da, no so geht gleich mit in die Sprechstunde und lernt fleißig.34
Bruder Max Schips, Apotheker im Sebastianeum in Wörishofen. Reile beschreibt seinen Mitbruder: Frater Max war der Liebling der Kurgäste durch seinen Witz und Humor und durch Magentrost und Damenlikör.35 (Kneipp-Museum)
zum Bildausschnitt auf folgender Seite: Frater Benno Perschlmeier (stehend) und Prior Bonifaz Reile am 17. Oktober 1893 anlässlich der Ernennung von Sebastian Kneipp zum Monsignore. (Kneipp-Museum)36
Ich [Bonifaz Reile] erinnere mich noch an meinen Mitbruder Benno Perschlmeier. Er kam mit Kneipp am besten aus, er hatte nichts Wichtiges mit ihm zu verhandeln und konnte schmeicheln, was ich nie gekonnt. Er war mein Subprior und war umsichtig, daß der Betrieb glatt lief. Auch er wurde als Sprechstundenschreiber durch einen anderen Mitbruder ersetzt. Er erkrankte im Frühjahr 1896 an Tuberkulose. Ein Kurgebrauch in Brixen, Südtirol, hat ihm keine Linderung gebracht. Er starb am 26. Dezember 1896 in Straubing I.37
32 Oberneder, S. 521; Reile, S 7
33 Am 20. Oktober 1892 kam noch Frater Max Schips nach Wörishofen, vgl. Oberneder, S. 481
34 Reile, S. 8
35 Reile, S. 25, in der Erstausgabe S. 10
36 Das ganze Bild findet sich z.B. bei Baumgarten, S. 127
37 Reile S 81, in der Erstausgabe bei S. 40.
Zur Arrondierung des Platzes für das neue Kurhaus, welches Kneipp 1890 von Joseph Schropp gekauft hatte (Hs.Nr. 54), erwarb Kneipp noch weitere Grundstücke: 1891 von Alex Kreuzer, 1892 von Franz Hatzelmann, am 27. Januar 1893 von Franz Mayer (Wasseranstalt), am 1. April 1893 von Karl Blum und am 15. April 1893 von der Gemeinde Wörishofen (vgl. Anhang).
Dieses Gesamtpaket im geschätzten Wert von 180.000 Mark schenkte Kneipp am 25. November 1893 den Barmherzigen Brüdern (vgl. Anhang).
Der Platz, wo das neu erbaute Kurhaus entstand war immer noch beengt. Man benötigte aber eine Möglichkeit zur Erweiterung. So war es recht günstig, dass der Nachbarhof von Franz Hatzelmann am 18. Juli 1893 abbrannte. Hierüber steht in den Kneipp-Blättern vom 24. August 1893: Unser Hochwürdiger Meister hat das Anwesen des am 9. Juli durch Brandstiftung von seinem Heim vertriebenen Herrn Franz Hatzelmann, bestehend aus 35 Tagwerk Feld und Wiesen, einem Joch Wald nebst dem Brandplatze und Garten, im Ausmaße von 96 Dezimalen, um den Preis von 21.400 Mark gekauft. Der Kaufpreis betrug wohl 25.000 Mark, davon kommen aber 3.600 Mark für Brandversicherung, welche dem Herrn Pfarrer als dem Wiedererbauer des Hauses ausbezahlt werden, in Abzug. Der Preis ist also nicht so hoch, als hier allgemein angenommen wird. Auf der Brandstätte neben dem Kurhause wird schon fleißig mit den Grundaushebungen für das schon lange geplante große Spital, zu dem es bis jetzt nur an einem geeigneten Platz gefehlt, gearbeitet. Am 7. August abends fand die feierliche Grundsteinlegung im Beisein des Herrn Pfarrers, der Barmherzigen Brüder und vieler Kurgäste statt. Den Bau leitet Herr Grewing, 38 der Erbauer des Kinderasyls. Das Spital wird, wie das Kurhaus, unter der Leitung der Barmherzigen Brüder stehen.
aus: Kneipp-Blätter vom 27.Juli.1893
Dass das Anwesen des Franz Hatzelmann so termingerecht brannte, ließ das Gerücht aufkommen, dass Prior Bonifaz Reile das Feuer gelegt habe. Pfarrer Kneipp nahm Frater Reile in Schutz: „Kneipp soll kurz vor seinem Tode in einem Gespräch mit seinem Bischof in Augsburg vertraulich geäußert haben, diese Gerüchte seien bewusst von einem Arzt, der von Anfang an Reile als lästigen Konkurrenten betrachtete, gestreut worden sein.“39 Bei diesem Arzt aber dürfte es sich um Dr. Baumgarten gehandelt haben.
Sebastian Kneipp kaufte also am 18. Juli 1893 von Franz Hatzelmann40 das abgebrannte Anwesen Hs.Nr. 55 samt den Flächen, welche zu diesem Anwesen gehörten für 25.000 Mark.41 12.5000 Mark bezahlt Kneipp sofort, 12.500 Mark sollten ein Vierteljahr später beglichen werden. Deshalb verkaufte Kneipp am 25. November 1893 das Anwesen Hs.Nr. 55, samt dem dazugehörigen Grundbesitz, für 15.000 Mark an die Barmherzigen Brüder. Kneipp erließ jedoch von diesem Kaufpreis 2.500 Mark, so dass die Barmherzigen Brüder Kneipp nur 12.500 M geben mussten. Kneipp nahm dieses Geld, um seine Restschulden bei Hatzelmann abzuzahlen. Mit diesem Kauf unterstand die Führung und Verwaltung des Sebastianeums Prior Bonifaz Reile. An diesem Tag schenkte Kneipp den Barmherzigen Brüdern auch noch eine 16,3 ar große Wiese bei Hs.Nr.56, im Wert von 4.800 Mark, welche er zuvor von Benedikt Tröber erworben hatte.
Dass es zu diesem Kauf bzw. der Schenkung kam, war ein Verdienst von Prior Bonifaz Reile. Er erinnerte Kneipp immer wieder daran, das Kurhaus den Barmherzigen Brüdern zu überlassen. Einerseits wollte Reile Klarheit, wer den Kurhausbau samt seiner Erweiterung bezahlen musste42 und andererseits war dies die Voraussetzung, damit sich die Barmherzigen Brüder als Orden in Wörishofen endgültig etablieren konnten.43 Zwar war staatlicherseits am 30. März 1892 die Niederlassung von 15 Religiosen des Ordens der Barmherzigen Brüder in Wörishofen vorläufig genehmigt worden, die endgültige Genehmigung erfolgte aber erst am 11. Oktober 1893 (vgl. Anhang).
Am 7. August 1893 wurde der Grundstein zum Erweiterungs- und Verbindungsbau des Sebastianeums gelegt. Bereits am 20. Januar 1894 konnten hier die ersten Zimmer bezogen werden. Am 8. März 1894, dem Fest des Ordensgründers der Barmherzigen Brüder, Johannes von Gott, weihte Pfarrer Kneipp die neubarocke Hauskapelle im Neubau. Am 10. Juni 1894 war der Neubau fertig.44
1896 wurde der Zwischenbau, welcher Alt- und Neubau verband, aufgestockt. Bezüglich der Baukostenfinanzierung soll Kneipp zu Prior Reile gesagt haben: „Ihr [die Barmherzigen Brüder] werdet den Neubau wohl selber bezahlen“45 Trotzdem gab Kneipp zum Erweiterungsbau ein Grundstück und 75.000 Mark.
Da die Barmherzigen Brüder durch die Baukosten finanziell stark gefordert waren, übergab ihnen Kneipp am 25. November 1893 die Rechte bzw. den Ertrag aus seinen Büchern, welche bei Kösel in Kempten und Auer in Donauwörth erschienen, von Kathreiner Malzkaffe und den Kneipp-Produkten, hergestellt und vermarktet bei Oberhäuser und Landauer in Würzburg. Es waren geschätzte Einnahmen von jährlich 6.000 Mark.
Schon damals zeigte Bonifaz Reile eine Begabung bei der Finanzierung von Bauten. Auch bei Umbauten des Sebastianeums in den Jahren 1902 und 1919 verstand er es, die Kosten dafür aufzubringen.46
Frater Bonifaz Reile und das Sebastianeum an der Bachstraße, datiert 28.9.[19]01 Kartentext: Liebe Mutter und Bruder, teile Euch hierdurch mit, das[s] ich in dieser Woche noch nicht komme, der Herr Doktor erlaubt es noch nicht. Gegen den 13. Oktober werde ich aber schon kommen, es geht mir jetzt ziemlich gut. Es grüßt Euch herzlich Eure Euch l[iebende] Bernadina(Sammlung Michael Scharpf)
Frater Bonifaz Reile (sitzend, 3. von links) mit Priestern, Studenten und anderen Kurgästen vor dem Sebastianeum, um 191047(Kneipp-Museum)
Annonce aus den Kneipp-Blättern 1912. Bonifaz Reile ist Direktor und Vostand des Instituts, z.Z. Prior und er ordiniert zweimal [täglich] im Haus.
1911 wurde westlich des Sebastianeums, an der Fidel-Kreuzer-Straße (damals Neue Straße), eine Dependance errichtet. Sie wurde, nach dem Prior Reile, St. Bonifaz benannt.48(Sammlung Michael Scharpf)
Ab 8. Juni 1913 wurde das alte Badehaus im Garten des Sebastianeums abgebrochen und dort ein neues Badehaus errichtet. Es konnte schon im April 1914 bezogen werden.
Im neu angelegten Garten des Sebastianeums 1894. Ganz links sieht man das alte Badhaus, welches 1913 einem Neubau weichen musste. (Kneipp-Museum)
Das neue Bad im Sebastianeum, erbaut 1913/14 (Sammlung Michael Scharpf)
Das Bad im 1913/14 errichteten Neubau am Sebastianeum (Slg. Michael Scharpf)
Prior Bonifaz Reile (in 2. Reihe sitzend, 3. von links) mit Kurgästen vor dem Sebastianeum, um 1912 (Sammlung Michael Scharpf)
Lazarett im Sebastianeum 1916. Bonifaz Reile (4. v. li., sitzend), Theaterschauspieler Georg Ströhl-Chalons (3.v. li stehend), mit Armbinde. Er hatte das Glück, ins Lazarett in seinem Heimatort Wörishofen zu kommen.