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Nach einem Schicksalsschlag kämpft sich Marie ins Leben zurück. Ihr Freund Daniel starb bei einem Autounfall und ließ sie mit ihrem erst achtzehn Monate alten Sohn Tom zurück.
Nun - ein halbes Jahr später - will Marie ihr Studium wieder aufnehmen. Denn sie will eines Tages einen gut bezahlten Job haben, um ihrem Sohn etwas bieten zu können.
Doch sie ist weit davon entfernt, die Power-Mama zu sein, die sie gerne sein würde. Im Gegenteil. Sie ist oft gereizt, dann fängt sie plötzlich zu zittern und schwitzen an. Unerträgliche Kopfschmerzen plagen sie. Schließlich bringt sie auch ihren kleinen Sohn in Gefahr.
Der Grund dafür ist ihr dunkles Geheimnis. Niemand darf es erfahren! Man würde ihr Tom sofort wegnehmen ...
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Seitenzahl: 133
Cover
Die Rabenmutter
Vorschau
Impressum
Die Rabenmutter
Maries erbitterter Kampf gegen die Sucht
Von Marlene Menzel
Nach einem Schicksalsschlag kämpft sich Marie ins Leben zurück. Ihr Freund Daniel starb bei einem Autounfall und ließ sie mit ihrem erst achtzehn Monate alten Sohn Tom zurück.
Nun – ein halbes Jahr später – will Marie ihr Studium wieder aufnehmen. Denn sie will eines Tages einen gut bezahlten Job haben, um ihrem Sohn etwas bieten zu können.
Doch sie ist weit davon entfernt, die Power-Mama zu sein, die sie gerne sein würde. Im Gegenteil. Sie ist oft gereizt, dann fängt sie plötzlich zu zittern und schwitzen an. Unerträgliche Kopfschmerzen plagen sie. Schließlich bringt sie auch ihren Sohn in Gefahr.
Der Grund dafür ist ihr dunkles Geheimnis. Niemand darf es erfahren! Man würde ihr Tom sofort wegnehmen ...
»Beeil dich! Wir müssen los!«, rief Marie Kaminski ihrem Sohn Tom hinterher, der erst beim Rausgehen bemerkt hatte, dass ihm die Lieblingspuppe fehlte.
Der Zweijährige hätte die gesamte Autofahrt über genörgelt und gejammert, wenn Marie nicht nachgegeben hätte. Nun suchte er seine Puppe in seinem unaufgeräumten Kinderzimmer, das das Wort Zimmer gar nicht verdiente. Sie brauchten unbedingt eine größere Wohnung, aber einer Alleinerziehenden wurden viele Steine in den Weg gelegt.
Marie war froh, durch den Kitaplatz für Tom endlich ihr Biologiestudium weiterführen zu können. Die erste Vorlesung begann bereits in einer Stunde.
Endlich tauchte Tom auf und wäre beinahe über seine kurzen Beine gestolpert. Marie konnte ihren größten Schatz gerade noch auffangen. »Nicht so stürmisch, kleiner Mann«, sagte sie lachend und drückte ihn fest an sich. »Ich hab dich lieb, weißt du das?«
Er nickte eifrig. »Auto!«, schrie er aufgeregt und holte sich noch ein Küsschen ab, bevor Marie ihn zum Auto brachte, in den Kindersitz setzte und die Gurte mehrmals überprüfte. Zu dumm, dass Tom herausgefunden hatte, wie man sich daraus befreite. Seitdem musste Marie doppelt und dreifach auf ihn achtgeben.
Auf einmal atmete sie deutlich schneller, so als hätte sie Sport getrieben, und schwitzte stark. Genauso war es ihr letzte Nacht ergangen. Ihr Laken hatte sich klamm angefühlt, als sie aufgewacht war. Nicht, dass sie krank wurde. Das war das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
Als Tom zu weinen begann, machte Marie ein paar Schritte rückwärts, schloss die Augen und atmete mehrmals tief durch. Das Pochen hinter ihrer Schläfe nahm nur langsam ab. Außerdem bebten ihre Finger.
»Alles wird gut. Wir wollen doch nur schnell zur Kita«, sprach sie auf Tom ein. »Alles wird gut«, wiederholte sie etwas leiser und wusste nicht, ob sie mit ihrem Sohn oder sich selbst redete.
Ihr Hals war trocken, ihre Lippen fühlten sich rissig und wund an. Hinter dem Lenkrad sitzend, langte sie zu der Flasche in der Mittelkonsole und genoss das kühle Wasser in ihrer Kehle.
Die Flüssigkeit weckte ihre müden Lebensgeister und beendete das Zittern ihrer Hände abrupt. Erst danach warf sie noch einen prüfenden Blick in den Rückspiegel, startete den Motor und spielte Toms liebste Kinderlieder ab, die sie mittlerweile mitsingen konnte. Ihr Sohn war sofort wieder ruhig und lächelte ausgelassen.
Tom war seit der Geburt ein eher unkompliziertes Kind gewesen. Perfekt für Marie, die nach dem Tod ihres Freundes in ein tiefes Loch gefallen war. Fast hätte sie Tom auch noch verloren, weil man ihr eine lange stationäre Therapie nahegelegt hatte, um den plötzlichen Verlust zu verarbeiten.
Zum Glück hatte sich alles zum Guten gewendet. Nichts und niemand würde sich je zwischen sie und ihr Kind drängen. Wer brauchte schon eine Therapie, wenn er einen Menschen um sich hatte, um den er sich tagtäglich von morgens bis abends kümmerte? Mittlerweile nahm ihr die Kindertagesstätte einen Teil der Arbeit ab, und Marie war auf dem besten Weg, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Sie sah zuversichtlich in die Zukunft.
Ihr Blick wanderte zum Handschuhfach. Erinnerungen wurden wach. Sie riss sich mit aller Kraft los und konzentrierte sich wieder auf die Straße.
Marie sah an der nächsten roten Ampel in den Spiegel und beobachtete ihren friedlichen Sohn. Tom starrte fasziniert aus dem Fenster, wackelte mit den Beinen und summte leise seine Lieblingslieder mit. Sie hätte sich kein tolleres Kind wünschen können. Sie liebte Tom über alles. Er war der Grund, wieso sie immer weitergemacht und nie aufgegeben hatte. Ohne Tom wäre Marie wohl heute nicht mehr auf dieser Welt.
Der Zweijährige war das Einzige, was ihr von Daniel geblieben war. Er war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten. Die braunen, strubbeligen Haare im Gegensatz zu Maries glatter Mähne zeigten deutlich, dass er nicht nach seiner Mutter kam. Außerdem hatte er Daniels besondere grüne Augen, die Marie einst fasziniert hatten. Wenn Tom lachte, ging für sie die Sonne auf, und der Schmerz fühlte sich auf einmal weniger betäubend an.
Sie schwelgte in Erinnerungen und hätte beinahe die nächste rote Ampel überfahren. Eilig trat sie auf die Bremse. Marie wurde nach vorn in den Gurt geschleudert. Kaum standen die Räder, sah sie nach Tom.
»Geht es dir gut, mein Schatz?«, fragte sie besorgt.
Ihr Sohn starrte sie mit großen Augen an, ehe er in die Hände klatschte und begeistert quiekte. Marie atmete erleichtert aus. Sofort brach ihr wieder der Schweiß aus. Sie fühlte sich unwohl in ihrer Kleidung und hätte sich am liebsten zu Hause im Bett verkrochen. Plötzlich presste sich ihr Brustkorb zusammen. Sie unterdrückte den Heulkrampf, weil Tom seine Mama nicht noch einmal weinen sehen sollte. Das letzte Mal hatte ihn irritiert und verängstigt.
Eine neue Panikattacke bahnte sich ihren Weg, doch Marie schaffte es mit gezielten Atemübungen, die lähmende Angst zurückzudrängen. Reiß dich zusammen!, schalt sie sich. Tom braucht dich jetzt! Daniel ist weg und kommt nicht zurück, egal wie viel du um ihn weinst!
Marie fragte sich, wann ihr Sohn anfangen würde, nach seinem Vater zu fragen, den er kaum kennengelernt hatte. Natürlich hatte er keine Erinnerungen an Daniel. Marie hatte gerahmte Bilder aufgestellt, für die sich Tom jetzt noch nicht interessierte. Und zu Daniels Grab nahm sie ihren Sohn auch noch nicht mit. Er sollte frei und kindgerecht aufwachsen und sich nicht mit den Sorgen seiner Mutter herumschlagen müssen.
Und je weniger Marie über ihren toten Freund sprechen musste, desto weniger lief sie Gefahr, in dieses unsagbar tiefe Loch zu fallen, aus dem es kaum ein Entrinnen gab. Sie wollte sich nie wieder tagelang in ihrem Zimmer einschließen und dahinvegetieren. Tom hatte das nicht verdient. Marie war eine gute Mutter und würde es allen beweisen, vor allem sich selbst.
***
»Samu!«, schrie Tom nach fünfzehn Minuten Fahrt und tatschte aufgeregt gegen die Fensterscheibe.
»Ja, da ist Samuel mit seiner Mama«, bestätigte Marie gutgelaunt und parkte vor der Kita.
Ihre Panik war fürs Erste verflogen. Den Rest der Fahrt hatte sie entspannt und ohne weitere Zwischenfälle hinter sich gebracht.
Toms neuer bester Freund wurde genauso hibbelig wie er. Die beiden waren im selben Alter und verstanden sich prächtig, seit sie vor zwei Wochen schon einmal zum Eingewöhnen in der Kita gewesen waren.
»Hallo, Marie! Geht es heute endlich mit dem Studium los?«, begrüßte Franziska, Samus Mutter, sie freundlich.
Marie versuchte, sich an ihren Nachnamen zu erinnern, kam aber nicht mehr darauf. Die letzten Wochen und Monate hatten sie einfach zu sehr gefordert. Alles waberte wie eine Wolke durch ihren Kopf, und je mehr sie sich anstrengte, desto stärker wurden die Kopfschmerzen bis hin zur Migräne. Deshalb probierte sie es gar nicht erst.
Sie lächelte warmherzig, während sie ihrem Sohn aus der Jacke half und sie an einen Haken hängte. »Ich bin schon ganz aufgeregt. Heute führe ich das Studium endlich fort. Ich hatte unterbrochen, wie du sicher noch weißt.«
Franziska war zudem eine Nachbarin, weshalb sie bereits per Du waren. Marie und sie hatten allerdings erst seit der Kita engeren Kontakt aufgebaut.
»Was war es doch gleich? Physik?«
»Biologie.«
»Und du meinst, dass es jetzt schon an der Zeit ist? Ich meine, dein Sohn ist erst zwei Jahre alt, du bist alleinerziehend ...«
Marie runzelte die Stirn. »Was willst du mir damit sagen? Dass ich mein Leben so laufen lassen soll, wie es jetzt ist? Dann würde ich auf ewig vom Amt leben. Nein, das kommt für mich nicht infrage.« Sie schüttelte entschieden den Kopf. »Ich brauche diesen Schritt, um wieder ins Leben zurückzufinden.«
Marie hatte absichtlich kein Geheimnis aus ihrer Situation gemacht. Sie wollte damit Gerüchten vorbeugen, die ohnehin irgendwann entstanden wären. Außerdem lief sie auf diese Weise nicht Gefahr, ihre Geschichte immer und immer wieder erzählen zu müssen.
»Und wenn du einen netten Mann findest, der genug Geld für drei nach Hause bringt? Dann könntest du dich voll und ganz um Tom kümmern.«
»Das wäre nicht der passende Partner für mich. Ich möchte mein Leben gern selbst in der Hand haben und wieder etwas schaffen.« Die wahren Gründe verschwieg sie ihrer Bekannten. Es ging Marie nicht nur um das Geld, sondern vielmehr darum, ihren Alltag zu ordnen und abgelenkt zu sein von ihren inneren Dämonen. »Außerdem denke ich gar nicht daran, mich noch einmal zu binden. Das Kapitel ist für mich abgeschlossen.«
Franzi fasste Marie bei den Schultern und sah ihr tief in die Augen. »Daniel ist nicht mehr hier und kommt auch nicht zurück. Das Leben geht weiter, sogar ohne unsere Liebsten. Denkst du, er hätte gewollt, dass du dich verkriechst?«
Marie wurde kalt. Sie kannten sich kaum, und dennoch nahm sich Franziska das Recht heraus, über Daniels Tod zu sprechen und ihr einen neuen Mann an die Seite zu wünschen.
»Von Verkriechen kann keine Rede sein. Ich tue das Gegenteil und studiere wieder.«
»Du weißt, dass ich dein Privatleben meine.«
»Und du weißt, dass ich ein zweijähriges Kind habe, um das ich mich kümmere«, konterte Marie mit verengten Augenbrauen.
Das Zittern begann von Neuem. Die Sehnsucht bahnte sich ihren Weg und drängte sich in den Vordergrund ihres Bewusstseins.
Nein! Bleib stark!, schrie sie sich in Gedanken an.
Marie schob ihr plötzliches Verlangen zum zweiten Mal an diesem Tag zurück und funkelte Franziska an. Sie befreite sich aus ihrem Griff und verschränkte die Arme fest vor der Brust.
»Ich meine ja nur, dass du dich nicht selbst bestrafen musst. Du kannst nichts für Daniels Unfall. Auch eine Witwe darf sich vergnügen und andere Männer wenigstens ansehen. Das ist kein Betrug.«
»Ein halbes Jahr ist nichts, wenn man die Liebe seines Lebens verloren hat. Wir befinden uns nicht in irgendeinem kitschigen Hollywood-Streifen, bei dem ich zufällig über meinen Traumtypen stolpere. Das war Daniel für mich und wird es auch immer bleiben. Tom hat gerade ohnehin die größte Priorität für mich. Neben Studium und Kind habe ich keine Zeit für Dates.«
Franziska schürzte die Lippen. »Tut mir leid, ich bin zu weit gegangen. Das geht mich natürlich alles nichts an.«
»Ja, bist du«, erwiderte Marie hart und winkte ihrem Jungen, der sich bereits in der Spielgruppe eingefunden hatte. Sofort lächelte sie wieder. Sie wollte sich bei Franziska entschuldigen, doch die Worte kamen einfach nicht über ihre Lippen. »Ich muss dann los«, sagte sie stattdessen, um sich der Situation zu entziehen. »Meine Vorlesung startet gleich. Ich möchte Geld verdienen und vorankommen. Jetzt, da der Kitaplatz sicher ist und ich Tom regelmäßig herbringen kann, sehe ich kein Problem darin, wieder zu studieren.«
Franziska folgte ihr nach draußen. Wie eine Klette hing sie an Marie, die immer genervter reagierte. Ihre Zündschnur war seit Monaten sehr kurz, ihr Nervenkostüm zum Zerreißen gespannt. Und das, obwohl ihre Nachbarin kaum etwas tat. Sie brauchte nur den Mund zu öffnen, und schon reagierte Marie über, was ihr im Nachhinein leidtat. Doch das konnte sie nicht zeigen.
Das Beben nahm noch ein Stück zu, als Franziska erneut zu plappern begann.
»Also ich hätte mir diesen Schritt ja nicht zugetraut, so ganz allein.« Sie machte ein vielsagendes Gesicht, das Marie gar nicht schmeckte. »Nicht, dass du dich am Ende übernimmst. Susanne hat erzählt, dass Tabea einen Zusammenbruch erlitten hat, weil ihre Zwillinge jetzt die Schule wechseln und Jonas angeblich fremdgeht, obwohl sie noch ein Baby geplant haben. Die zwei hatten keine Zeit mehr füreinander. Außerdem wollte Susanne wieder arbeiten gehen. Familie und Job unter einen Hut zu bekommen, ist nicht leicht, sage ich dir. Erst recht, wenn es finanziell nicht gut um einen steht.« Der nächste Seitenhieb.
Marie konnte mit all den Namen nichts anfangen. Sie schien vieles vergessen zu haben, was noch vor wenigen Tagen stattgefunden hatte. Es war, als klaffte ein riesiges Loch in ihren Erinnerungen. Sie konzentrierte sich lieber auf das Nötigste und ging ihren Weg auf ihre Weise.
»Ich mache das schon«, presste sie durch die Lippen und lächelte grimassenhaft. »Das Studium ist mir sehr wichtig. Ich möchte Tom etwas bieten können, aber ohne richtigen Job wird das nichts. Da ist mein Biologiestudium die beste Wahl. Und nein, ich bin nicht allein, sondern habe meinen Sohn.« Den letzten Satz spie sie ihr entgegen.
Marie setzte sich wieder in Bewegung. Sie hatte genug von gutgemeinten Ratschlägen, fiesen Attacken, Besserwissern und gelangweilten, reichen Müttern. Jedes Mal aufs Neue sah sie sich ihnen ausgesetzt. Als würde das Universum sie doppelt bestrafen wollen. Erst hatte es ihr Daniel genommen, und nun musste sie ihr Dasein und die Beziehung zu ihrem Sohn andauernd vor anderen rechtfertigen.
»Ich kann dich ja so gut verstehen, meine Liebe«, säuselte Franziska hinter ihr. »So ohne Mann ist es wirklich nicht leicht. Lass dir doch bitte helfen. Ich könnte ...«
Marie platzte der Kragen. Sie hielt Samuels Mutter den Zeigefinger knapp unter die Nase. »Nein, du verstehst rein gar nichts!«, zischte sie. »Oder hast du die Liebe deines Lebens bei einem Autounfall verloren? Ich kämpfe mich erfolgreich durchs Leben und lege meinem Sohn die Welt zu Füßen, wenn nötig. Dafür brauche ich keinen Mann an meiner Seite. Wir kommen bestens zu zweit zurecht. Bitte misch dich nicht ständig in unsere Angelegenheiten ein! Ich weiß selbst, was das Beste für Tom und mich ist.«
Franziska riss die Augen auf und hob beschwichtigend ihre Hände. »Ist schon gut. Ich wollte dich nicht verletzen.«
»Hast du nicht, aber solche Ratschläge nerven. Du weißt nicht, wie ich mich fühle und was in mir vorgeht. Keiner weiß das.«
»Da hat wohl jemand schlecht gefrühstückt. Du bist ganz schön kratzbürstig heute. Ich meinte es nur gut mit dir.«
»Wieso beglückwünscht mich niemand zu meinem Studienplatz und dafür, dass ich trotz meiner Rückschläge nicht aufgebe? Stattdessen sehen alle immer nur meine Probleme und meinen es gut mit mir.« Sie malte wütend Gänsefüßchen in die Luft.
»Yoga und gesunde Ernährung sollen gegen Verspannungen und Stimmungsschwankungen helfen. Ich kenne da einen wundervollen Personal Trainer, mit dem du ...«
Marie hatte genug und blendete Franziskas Stimme lieber aus, ehe sie ihr an den Hals sprang. Nicht einmal nach der Standpauke verstand sie den Ernst der Lage. Sie redete einfach weiter auf Marie ein. Sie wollte sich wohl bei ihr einschmeicheln und so tun, als wäre sie ihre Freundin, um sich mit den Sorgen anderer von ihrem eigenen eintönigen Leben als reiche Gattin eines Geschäftsmannes abzulenken. Marie kannte solche Leute zur Genüge. Sie wussten nicht, was tief in ihr vorging.
Wie gut, dass ich noch eine echte Freundin in der Uni habe, dachte sie angespannt und fuhr etwas zu schnell auf die Straße hinaus. Falls sie noch meine Freundin ist nach unserem letzten Aufeinandertreffen.
Ein anderer Fahrer hupte sie an und bedachte sie mit wüsten Gesten. Sie hatte ihn übersehen. Peinlicher hätte ihr Abgang nicht sein können. Nun glaubte Franziska wahrscheinlich wirklich, dass sie sie brauchte. Der innere Druck musste sich unbedingt Platz machen, doch erst zwei Straßen weiter hielt sie am Straßenrand und heulte wie ein verletztes Tier.
Ihre tränenverschleierten Augen blieben am Handschuhfach hängen. Alles in ihr stemmte sich dagegen, aber ihr Geist war schwächer als ihr Körper. Der innere Teufel siegte von Neuem. Als sie das Fach gleich darauf hektisch durchsuchte, wurde sie enttäuscht. Ein leeres Plastiktütchen war das Einzige, was sie fand.
»Verfluchter Mist!«, schrie Marie und schlug wie von Sinnen auf das alte Lenkrad ein, bevor sie wieder in Tränen ausbrach, dieses Mal aus purer Verzweiflung.
***