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"Schneller, los! Denk an deine Zeit!" Die harte, befehlsgewohnte Stimme ihrer Mutter Maren hallt über die Tartanbahn. Mit zusammengebissenen Zähnen läuft die vierzehnjährige Ella wie um ihr Leben. Sie muss unbedingt die eigene Bestzeit überbieten, wenn sie es in den Olympia-Kader schaffen will! Das seltsame Reißen in der Brust, das ihr den Atem nimmt, blendet Ella tapfer aus. Ein Mal nur will sie ihre Mutter stolz machen!
Solange Ella denken kann, treibt Maren sie zu Spitzenzeiten an. Diäten, härteste Trainings und Drill sind ihr Leben. Maren träumt davon, aus ihr einen internationalen Sprintstar zu machen, der auf den Siegertreppchen dieser Welt ganz oben steht! Doch Ellas Träume sind das schon lange nicht mehr ...
Fast zu spät fällt auf, dass Ella an diesem Leistungsdruck zerbricht. Aber zum Glück ist da der fünfzehnjährige Timo, der Ella sehr mag und der wie ein Schutzengel über sie wacht ...
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Seitenzahl: 135
Cover
Zur Spitzensportlerin geboren?
Vorschau
Impressum
Zur Spitzensportlerin geboren?
Ella zerbricht am falschen Ehrgeiz ihrer Mutter
Von Marlene Menzel
»Schneller, los! Denk an deine Zeit!« Die harte, befehlsgewohnte Stimme ihrer Mutter Maren hallt über die Tartanbahn. Mit zusammengebissenen Zähnen läuft die vierzehnjährige Ella wie um ihr Leben. Sie muss unbedingt die eigene Bestzeit überbieten, wenn sie es in den Olympia-Kader schaffen will! Das seltsame Reißen in der Brust, das ihr den Atem nimmt, blendet Ella tapfer aus. Ein Mal nur will sie ihre Mutter stolz machen!
Solange Ella denken kann, treibt Maren sie zu Spitzenzeiten an. Diäten, härteste Trainings und Drill sind ihr Leben. Maren träumt davon, aus ihr einen internationalen Sprintstar zu machen, der auf den Siegertreppchen dieser Welt ganz oben steht! Doch Ellas Träume sind das schon lange nicht mehr ...
Fast zu spät fällt auf, dass Ella an diesem Leistungsdruck zerbricht. Aber zum Glück ist da der fünfzehnjährige Timo, der Ella sehr mag und der wie ein Schutzengel über sie wacht ...
»Los, Ella, nur noch eine Runde!«, rief Maren Hoffmann über den Platz. Sie versuchte, dabei zuversichtlich und anspornend statt angestrengt und fordernd zu klingen, was ihr selten gelang, da sie nun einmal fordernd war – auch sich selbst gegenüber.
Maren machte sich viele Gedanken um Ellas Fortschritte und ihren Erfolg. Immerhin rückte das Auswahlverfahren für die Olympischen Jugendspiele näher, an denen ihre Tochter teilnahm, wenn alles so lief, wie Maren es geplant hatte. Zuerst käme die Schulmeisterschaft nächste Woche, danach die Auswahl für den wichtigsten Kader in Ellas Laufbahn.
Heute hatten sie die Tartanbahn ganz für sich allein. Wenn sie nicht dort die tausendfünfhundert Meter trainierten, waren sie nebenan auf der Grasbahn und übten den Tiefstart mit und ohne Startblock sowie ein paar kürzere Distanzen, um Ellas Sprint zu verbessern.
Maren wartete mit der Stoppuhr in der Hand am Ziel und warf unruhige Blicke auf die fortschreitende Zeitanzeige. Wenn Ella nicht wieder zurückfallen wollte, musste sie jetzt einen Zahn zulegen.
Komm schon!, dachte sie und kaute unruhig auf ihrer Unterlippe. Nun mach schon! Du warst doch sonst besser!
Ella gab alles, doch am Ende lief sie mit drei Sekunden über der angestrebten Zeit über die Ziellinie. Für einen Laien hörte sich das nicht viel an, für Maren bedeutete es das totale Versagen ihrer Tochter, denn ihre Gegnerinnen würden sie in diesen drei Sekunden locker abhängen können.
»Mist«, murmelte Maren und presste die Lippen enttäuscht aufeinander.
Ella keuchte und hielt sich die Seiten. Sie hatte sich verausgabt, und dennoch reichte es immer noch nicht an Marens Zeiten von damals heran.
»Und?«, fragte das Mädchen außer Atem. Ihre Mutter hielt ihr die Wasserflasche hin, die sie durstig öffnete. »Wie war ich?«
»Leider langsamer als beim letzten Mal. Was ist nur los mit dir? Du bist viel zu spät in den Spurt übergewechselt, dabei haben wir das doch tagein, tagaus geübt. Ella, du bist nicht bei der Sache!«
»Bin ich wohl! Ich dachte wirklich, ich wäre schnell, aber es gab Gegenwind«, redete sie sich heraus und trocknete Nacken und Stirn mit einem Handtuch.
Maren verschränkte die Arme und musterte ihre Tochter skeptisch. »Immer diese Ausreden! Du warst gestern bestimmt wieder bis nachts unterwegs, nicht wahr? Dein Vater achtet eben nicht genug auf deine Bedürfnisse. Eine Schande, dass du die Wochenenden bei ihm verbringst und nicht bei mir, wie es sich gehört. Dann hätte ich das wenigstens im Griff.«
Ella strich das Zopfgummi ab, sodass ihr das lange blonde Haar über den Rücken fiel. »Was hat denn Papa damit zu tun, wenn ich mal bei einer Freundin bin? Ich bin vierzehn und keine neun.« Sie rollte mit den Augen.
So vorlaut kannte Maren ihre Tochter gar nicht. Man merkte, dass sie mitten in der Pubertät steckte, aber diese Flausen würde sie ihr schon noch austreiben. Sie wusste selbst gut genug, wie sehr einem die Hormone und Emotionen im Weg standen, wenn man an die Spitze wollte.
»Eben! Du hast nun eine Verantwortung dir selbst und deinem Traum gegenüber. Du möchtest doch zu den Olympischen Spielen, wenn du achtzehn bist, oder? Vorher kommen die Jugendspiele, die mindestens so wichtig für deine Karriere sind. Dort wird dir die ganze Welt zusehen, Ella. Bitte nimm das ernst.«
»Mache ich doch!«
»Nein, das machst du nicht, Fräulein, und die Zeiten, die du läufst, beweisen es!« Maren hielt mahnend die Stoppuhr hoch. »Willst du eines Tages die Beste sein? Eine wahre Spitzensportlerin in den Fußstapfen deiner Mutter?«
»Natürlich!«, rief Ella. Zwischen ihren Brauen entstand eine wütende Falte.
»Dann benimm dich endlich wie eine. Dazu gehört nun einmal, früh schlafen zu gehen, sich gesund zu ernähren und seine Freunde zugunsten des Sports hintanzustellen. Was denkst du, wie es bei mir gewesen ist?« Maren seufzte und kniff sich in den Nasenrücken. »Es ist jetzt wichtig dranzubleiben. Diese Jugendspiele sind die perfekte Vorbereitung auf die Olympischen Sommerspiele, bei denen du gegen die Besten der Welt antrittst. Dementsprechend solltest du zumindest schon einmal die Schnellste im deutschen Jugendkader sein. Das wird aber nichts, wenn du feiern gehst und womöglich Alkohol trinkst. Weißt du, wie viele Kalorien dieses Gift hat?«
Maren lachte spitz auf, als sie den empörten Gesichtsausdruck ihrer Tochter sah. »Natürlich weiß ich, dass du feiern warst. Dein Vater kann mir nichts verheimlichen, sosehr er sich auch bemüht. Simon war immer schon ein grauenvoller Lügner.«
»Du sagst das, was wäre es was Schlechtes«, murrte Ella und ging auf und ab, um ihre Muskulatur zu lockern. »Es war nur eine harmlose Geburtstagsfeier, und Papa hat mich um Punkt Mitternacht von dort abgeholt.«
»Dein Vater hat aber kein Verständnis für deinen Traum, weil er nie so tief in unsere Sportwelt eingetaucht ist. Simon kann nicht nachvollziehen, was es bedeutet, auf einem Treppchen zu stehen und eine Medaille um den Hals zu haben, während die Menge dir zujubelt. Eines Tages wirst du genauso zielorientiert und fokussiert sein wie ich, Ella. Dieser steile Weg ist uns Hoffmann-Frauen vorbestimmt.« Maren fasste ihr Kind bei den Oberarmen und sah ihm tief in die blauen Augen, um ihren Worten mehr Ausdruck zu verleihen. »Nimm das bitte ernst. Für was haben wir sonst so lange und hart gearbeitet?«
Der Teenager senkte den Kopf und nickte reumütig. »Ja, Mama, ich weiß. Tut mir leid, es kommt nicht wieder vor. Ich wollte doch nur Anschluss finden. Wegen des vielen Trainings verpasse ich immer alle Treffen und Feiern.«
Maren strich ihr liebevoll über den Schopf. »Das verstehe ich besser als jeder andere. Ich weiß, mit welchen Gefühlen du zu kämpfen hast. Aber diese Freunde und Schulkameraden werden dir später sowieso nicht bleiben. Dein Weg ist ein anderer. Du wirst viel reisen, Erfolge feiern, Interviews geben, und dann wirst du neue Freunde finden, vielleicht in deinem Kader.«
Maren fühlte einen Kloß im Hals, der sich jedoch schnell wieder verflüchtigte, als sie an das berauschende Gefühl oben auf dem Treppchen dachte.
Sport war nun einmal eine ernsthafte Angelegenheit, erst recht, wenn man damit eine glänzende Karriere beginnen wollte. Für emotionale Ausbrüche und Unsicherheiten blieb keine Zeit. Wer weichlich und angreifbar war, konnte auch keine Medaillen gewinnen. Damals wie heute.
Sie legte den Arm um ihre Tochter, deren Haut glänzte. »Komm, mach dich frisch und zieh dich um. Wir fahren zu diesem neuen Laden, in dem sie gesunde Wraps verkaufen. Du hast gesagt, dass du dorthin möchtest.«
»Au ja!« Sofort strahlte Ella wieder. Es war so einfach, sie mit Kleinigkeiten glücklich zu machen! Da musste man nicht gleich alles hinschmeißen und sie zu irgendwelchen Partys lassen.
Maren würde sich Simon später zur Brust nehmen. Sie hatte das Gefühl, dass er absichtlich gegen sie arbeitete. Dieser Mann wollte ihre Autorität untergraben, aber da konnte er lange warten!
♥♥♥
Simon Hoffmann stellte am folgenden Freitag seine vollen Einkaufstüten auf den Küchentresen und räumte alles weg. Außerdem hatte er nicht an der Schokoladentorte vorbeigehen können, die ihn beim Bäcker angelacht hatte. Er wusste doch, wie sehr Ella Schokolade liebte, wenn ihre Mutter einmal nicht hinsah.
Kaum hatte er sich auf die Couch gesetzt und die Beine hochgelegt, als es auch schon klingelte. Nanu? Er warf einen Blick auf die Uhr. Sie ist viel zu früh. Ella hatte erst in einer Viertelstunde Schulschluss. Er hörte schnelle Schritte, die sich über die Treppe näherten, nachdem er die Haustür aufgedrückt hatte.
»Ich dachte, du schreibst mir, wenn du fertig bist. Dann hätte ich dich doch abgeholt«, sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen, das sofort erstarb, als er Maren statt Ella auf sich zustürmen sah.
Simon überlegte im Bruchteil einer Sekunde, ob er die Tür einfach wieder schließen sollte, blieb aber vernünftig, auch wenn ihr zorniger Gesichtsausdruck nichts Gutes verhieß.
Er kannte Maren seit der Schule, also seit zwanzig Jahren. Wenn ihr Mundwinkel zuckte wie jetzt und sie ihre Handtasche gepackt hielt, als wollte man sie ihr wegreißen, war sie geladen wie ein Vulkan, der jeden Moment ausbrach.
»Was ist es dieses Mal?«, fragte Simon möglichst entspannt.
Maren erhob den Zeigefinger und bohrte ihm den spitzen Nagel beinahe ins Kinn. »Ich habe dir tausend Mal gesagt, dass du Ella nicht zu diesen Partys lassen darfst, Einladung hin oder her.«
Simon hob die Hände beschwichtigend und bat sie herein, aber Maren blieb wie festgewachsen auf seiner Fußmatte stehen.
»Ich weiß wirklich nicht, worüber du dich so aufregst. Wir beide waren früher doch auch auf der einen oder anderen Fete. So ist das nun mal, wenn man langsam erwachsen wird.«
Maren funkelte ihn böse an. Wenigstens verschwand der bedrohliche Finger wieder. Sie kniff die Augen argwöhnisch zusammen. »Ich weiß, was du vorhast, aber damit kommst du nicht durch.«
»Ach ja? Was denn? Sag es mir, denn ich weiß es nicht.«
Simon hatte etliche von Marens Anfällen miterlebt. Er blieb ruhig und hörte sich an, was sie zu sagen hatte, auch wenn es noch so aberwitzig klang. Sich gegen ihre Meinung aufzulehnen, würde ihn nur noch mehr in Teufels Küche bringen.
Sie hatte es immer schon geliebt, ihm Vorschriften zu machen. Das war einer der Gründe, wieso ihre Ehe unter keinem guten Stern gestanden hatte und irgendwann zerbrochen war. Seit sie ihre Profikarriere aufgrund eines Unfalls hatte aufgeben müssen und Ella wenig später unterwegs gewesen war, haderte Maren mit ihrem Dasein und ließ ihre Umwelt spüren, wie frustriert sie deshalb war.
»Ella hat eine steile Karriere vor sich, die du ihr nicht nehmen wirst. Ich dachte, als Vater würdest du das Beste für dein Kind wollen.«
Endlich machte es Klick. »Ach, daher weht der Wind!« Er lehnte sich gegen den Türrahmen. »Du bist sauer, weil ich sie zu dieser Geburtstagsfeier von ihrer Freundin gelassen habe, oder?«
»Hast du denn eine Ahnung, wen sie bei solchen Partys trifft? Hat sie einen festen Freund? Mensch, Simon, du weißt doch, dass bei diesen Feiern mit Drogen gedealt und Alkohol getrunken wird!«, keifte sie. »Auch schon in Ellas Alter. Wieso setzt du sie dieser Gefahr aus? Ellas Zeiten waren heute miserabel, weil sie müde und schlecht gelaunt war, und daran warst nur du schuld! Am Sonntag muss niemand auf eine Fete gehen und bis nachts bleiben. Sie hatte am nächsten Tag Schule, Simon!«
Als seine Nachbarin die Tür öffnete, konnte er Maren glücklicherweise beruhigen. Simon senkte die Stimme und zischte seiner Ex-Frau zu: »Entweder führen wir dieses Gespräch drinnen weiter, oder du gehst jetzt. Ich habe keine Lust, deinetwegen in Verruf zu geraten.«
Sie reckte beleidigt das Kinn. »So ist das also! Kaum will ich mit dir über die Zukunft deiner Tochter reden, wird es dir zu viel. Du erlaubst Ella doch nur alles, weil du dich bei ihr einschmeicheln willst. Aber Kinder brauchen Regeln und Ordnung in ihrem Leben, nicht nur Spaß. So war es immer und wird es immer bleiben. Ella könnte eine Weltkarriere starten, wenn du mehr auf ihre Ernährung, ihren Schlafrhythmus und den Sport achten würdest. Du bist wirklich ein lausiger Vater!«
Simon spannte die Schultern an. Er war selten aus der Fassung zu bringen, aber heute übertrieb es Maren gehörig. »Na, hör mal! Ich liebe unsere Tochter genauso sehr wie du und würde ihr nie ein Haar krümmen oder ihr im Weg stehen. Ich mache mir nur etwas Sorgen um euer striktes Sportprogramm. Ella ist gerade einmal vierzehn und hat ihre eigenen Gedanken und Wünsche. Wünsche, die sich womöglich nicht mit deinen decken.«
»Weißt du mehr als ich? Redet ihr hinter meinem Rücken?« Sie kniff die Augen zusammen. »Was verheimlichst du mir?«
Simon seufzte. »Gar nichts weiß ich. Sie ist ein Teenager, Herrgott! Ella sollte nicht den ganzen Tag nur an ihr Training und die Schule denken, sondern auch mal entspannen. Dieser Hochleistungssport bringt sie an ihre Grenzen, dabei sollte sie ein ganz normales Kind sein dürfen, am Computer sitzen, sich mit Freunden im Park oder im Kino treffen und Geburtstagsfeiern besuchen. So wie andere auch.«
Maren schnaufte. »Sie ist aber nicht wie andere! Ella hat ein Talent, das ihr in die Wiege gelegt wurde, aber du machst alles kaputt mit deinem lockeren Erziehungsstil. Wenn Ella es nicht in den Kader schafft, bist du schuld, und das wird sie dir ein Leben lang vorwerfen«, zischte sie gehässig. Sie machte auf dem Absatz kehrt und warf ihr langes helles Haar über die Schulter.
Dafür wirst du schon sorgen, dachte er wütend.
Maren verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Ein Wirbelsturm, der einmal durch Simons Leben gejagt und bis heute kaum zu begreifen war.
Er schloss die Tür und atmete durch. Sein Herz raste, aber auch dieses Mal war er erstaunlich ruhig geblieben. Seine hysterische Ex-Frau machte ihm das Leben zur Hölle, doch für Ella hielt er es mit ihr aus. Sein Kind war sein ganzes Leben, und das würde er sich nicht von einer verrückten Furie kaputtmachen lassen.
♥♥♥
Es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis es wieder klingelte. Dieses Mal war es Ella – zum Glück.
»Da ist ja mein Wunderkind!« Er zog sie überschwänglich in die Arme und küsste ihren Scheitel, weil er wusste, dass sie das nicht mochte. Die beiden neckten und ärgerten sich gern. »Wolltest du nicht abgeholt werden?« Er schloss die Tür.
»Mich hat eine Freundin begleitet, die nur eine Straße entfernt wohnt«, sagte sie. »Außerdem bin ich alt genug, um den Bus zu nehmen.«
»Entschuldige, aber du bist so schnell erwachsen geworden. Da kann man das schon mal vergessen.« Er schenkte ihr ein Lächeln und war froh, dass sie es erwiderte. »Hast du Hunger?«
»Jede Menge sogar. Was gibt es denn?«
»Lasagne. Und ich habe den Film ausgeliehen, den du sehen wolltest. Nach dem Mittagessen wartet außerdem noch eine kleine köstliche Überraschung im Kühlschrank.«
Sie schlüpfte aus den Schuhen und musste sich ein Küsschen auf die Wange gefallen lassen. Damit würde Simon wohl niemals aufhören. Ella hatte genug unter der Trennung ihrer Eltern gelitten. Sie sollte wissen, dass sie immer willkommen war und geliebt wurde.
»Willst du mich nicht erst einmal zu Hausaufgaben verdonnern?«, fragte sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »So würde es Mama machen.«
Er meinte, in sein eigenes Gesicht zu blicken, wenn er Ella ansah. Ihr blondes Haar war länger und deutlich heller als seines, mehr wie das von Maren, aber sie hatte den gleichen Ausdruck in ihren blauen Augen. Die Jungen würden sich bald um sie reißen, ob es ihrer Mutter gefiel oder nicht.
»Die können warten. Du hast ja noch das ganze Wochenende vor dir. Erhol dich doch erst einmal.« Besorgt musterte er sie. »Du siehst erschöpft aus und hast Ringe unter den Augen.«
»Ich habe nur zu lange gesessen und Frau Grau bei ihren langweiligen Vorträgen zugehört. Das macht automatisch müde.« Verschmitzt lächelte sie. »Darf ich eine Cola zum Wachwerden haben? Die würde mir Mama nie erlauben.«
»Na klar. Das bleibt aber unter uns.« Er grinste mit Ella um die Wette.
Zucht und Ordnung brachte ihr Maren bei. »Papazeit« hieß dagegen »Entspannungszeit«. Basta! Es waren ja nur zwei Tage in der Woche.
Ihre Freude fiel sichtlich in sich zusammen. Ella strich gedankenversunken über die Raufasertapete. »Heute habe ich total versagt. Mama war richtig sauer.«