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Ramona und Kai Hoffmann wollten immer Kinder haben, doch es funktionierte nicht. Nun sind sie beide über vierzig und haben sich mit der Situation arrangiert. Sie widmen sich ihrem beruflichen Vorankommen - er als Rechtsanwalt, sie als Steuerberaterin.
Plötzlich wird Ramona aber doch schwanger - mit Drillingen! Blitzschnell krempelt sie ihr Leben um und freut sich auf den unerwarteten Nachwuchs. Bei Kai hingegen ist der Kinderwunsch völlig erloschen. Er will diese Kinder nicht und stellt sogar einen Schwangerschaftsabbruch in den Raum. Weil Ramona davon nichts wissen will, entfremdet sich das Paar.
Wieder einmal steht eine Ultraschalluntersuchung an. Als der Arzt auf den Monitor blickt, runzelt er die Stirn. Dann teilt er Ramona eine Neuigkeit mit, die Kai keinesfalls erfahren darf ...
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Seitenzahl: 146
Cover
Baby-Wunder in der Berling-Klinik
Vorschau
Impressum
Baby-Wunder in der Berling-Klinik
In der Neujahrsnacht kommen Vierlinge zur Welt
Von Caroline Steffens
Ramona und Kai Hoffmann wollten immer Kinder haben, doch es funktionierte nicht. Nun sind sie beide über vierzig und haben sich mit der Situation arrangiert. Sie widmen sich ihrem beruflichen Vorankommen – er als Rechtsanwalt, sie als Steuerberaterin.
Plötzlich wird Ramona aber doch schwanger – mit Drillingen! Blitzschnell krempelt sie ihr Leben um und freut sich auf den unerwarteten Nachwuchs. Bei Kai hingegen ist der Kinderwunsch völlig erloschen. Er will diese Kinder nicht und stellt sogar einen Schwangerschaftsabbruch in den Raum. Weil Ramona davon nichts wissen will, entfremdet sich das Paar.
Wieder einmal steht eine Ultraschalluntersuchung an. Als der Arzt auf den Monitor blickt, runzelt er die Stirn. Dann teilt er Ramona eine Neuigkeit mit, die Kai keinesfalls erfahren darf ...
Die Patientin lag auf dem OP-Tisch. Ihr Körper war, bis auf den unteren Bauchbereich, mit einem grünen Tuch abgedeckt. Die OP-Lampe tauchte die Stelle, an der Dr. Stefan Holl gleich den erforderlichen Schnitt setzen würde, in helles Licht.
Der Chefarzt tauschte einen Blick mit der Oberärztin der Anästhesie, Dr. Andrea Kellberg. Beide konnten voneinander nur die Augen sehen. Sie trugen OP-Hauben, Mundschutz, Kittel und Handschuhe.
Dr. Kellberg, die die Narkose bei der Patientin eingeleitet hatte, nickte ihm zu. Silvia Kämmerlein lag im Tiefschlaf. Stefan konnte mit der Operation beginnen.
Er hielt der OP-Schwester Nina die Hand hin, und sie reichte ihm das Skalpell.
Konzentriert setzte Stefan den schrägen, etwa sechs Zentimeter langen Schnitt an der Bauchdecke seiner Patientin an. Die junge Frau war nur etwa eine Stunde zuvor mit akuten und sehr heftigen Bauchschmerzen in der Notaufnahme eingetroffen, begleitet von ihrem Freund Sebastian.
Die Diagnose Blinddarmentzündung war rasch gestellt worden. Nicht nur der schlechte Allgemeinzustand von Silvia Kämmerlein, mit Übelkeit, Fieber und Erbrechen, hatte darauf hingewiesen. Auch das Abtasten des Bauchraums sowie ein Ultraschall und die Höhe der Entzündungswerte im Blut hatten keinen Zweifel gelassen.
Stefan hatte die Bauchmuskeln, die unterschiedlich schräg verliefen, Stück für Stück durchtrennt. Der Appendix lag frei. Vorsichtig entfernte er den entzündeten Wurmfortsatz und verschloss den Blinddarm mit der Tabaksbeutelnaht. Anschließend vernähte er die Schnitte in der Bauchdecke Schicht für Schicht.
Dreißig Minuten später war die Operation abgeschlossen.
Wieder verständigte sich Stefan mit Augenkontakt und einem Nicken mit Andrea Kellberg.
»Fertig«, ergänzte er noch und sah auch zu Nina.
»Routiniert, Herr Doktor«, sagte die OP-Schwester, und er hörte am Klang ihrer Stimme, dass sie hinter ihrer Maske lächelte.
»Danke, Nina«, erwiderte er freundlich, zog die Handschuhe aus und entsorgte sie in dem dafür bereitgestellten Abfallsack, ebenso wie den OP-Mantel, den er in den Wäschesack gab.
Eine weitere halbe Stunde darauf verließ Stefan die Berling-Klinik, die am Englischen Garten in München lag, und lief quer über den großen Klinik-Parkplatz. Seitlich, im Schatten einiger großer Ulmen, stand sein Wagen. Stefan öffnete ihn mit der Fernbedienung, setzte sich hinter das Steuer und ließ den Motor an. Er war spät dran.
***
Julia Holl bewunderte die edlen mahagonifarbenen Möbel in der neu bezogenen Steuerkanzlei von Ramona Hoffmann.
»Der Schreibtisch ist wunderschön, Ramona«, sagte sie und strich mit den Fingern über das glänzende Holz.
»Er ist aus Italien.« Ramona lächelte Julia zu. »Ebenso wie der Wandschrank. Es sind alles Einzelstücke.«
»Auch der Schrank ist ein Traum«, bestätigte Julia. »Und die Tapete gefällt mir auch sehr gut«, fuhr sie fort.
»Ja, mir auch.« Ramona lachte leise. »Kai findet sie ja ganz schrecklich. Er meint, ich wäre total altmodisch mit meinem Geschmack.«
»Das bist du auch, meine Liebe.« Rechtsanwalt Kai Hoffmann trat zu ihnen, lächelte und strich seiner Frau über den Arm.
Nun musste auch Julia lachen.
»Lass dir nur von deinem Mann nichts einreden. Deine Kanzlei und die Einrichtung haben Qualität und sind sehr geschmackvoll. Stefan sieht das bestimmt auch so.«
»Das kann gut sein«, stimmte Kai zu und schmunzelte. »Ich weiß noch, wie ich meine Kanzlei vor drei Jahren neu eingerichtet habe. Besonders meinen gläsernen Schreibtisch mit den Chromfüßen fand Stefan ganz fürchterlich. Aber so war es schon während unserer Schulzeit. Ich mag schnörkellose, klare Linien, Stefan steht auf das Gediegene.«
»Wo bleibt er nur?«, fragte Ramona und sah sich um, obgleich sie wusste, dass Stefan ebenso wie die übrigen Gäste, die bereits zur Einweihungsfeier ihrer neuen Kanzleiräume gekommen waren, läuten würde. Es kam niemand in ihr Büro, dem sie nicht persönlich öffnete. Es war ihr ein großes Anliegen, jeden Gast beim Eintreffen zu begrüßen und durch die Räume zu führen.
»Ich bin sicher, er ist bald hier«, sagte Julia und warf einen Blick auf die goldene Pendeluhr, die gegenüber von Ramonas Schreibtisch hing.
»Ihr entschuldigt mich?«, ließ sich Kai vernehmen. »Ich möchte unbedingt noch ein paar von den Häppchen mit Kaviar, ehe sie alle weg sind.« Er nickte den Frauen zu und ging in den großzügigen Eingangsbereich der Steuerkanzlei, wo ein Büffet aufgebaut war.
Franziska Dallinger, eine gute Freundin von Ramona, gesellte sich zu ihnen, mit einem Glas Sekt in der Hand.
»Auf dich, meine Liebe«, sagte sie, hob ihr Glas und lächelte. »Du hast ja gar nichts zu trinken. Ich hole dir etwas. Was möchtest du?«
»Gerne auch einen Sekt«, erwiderte Ramona und merkte, noch während sie sprach, dass ein leichter Widerwillen gegen das prickelnde Getränk in ihr aufstieg. Vermutlich hatte sie sich den Magen verdorben. Schon seit Tagen war ihr immer wieder ein wenig unwohl. Oder es war die Aufregung wegen der Einweihung ihrer neuen Räume.
Franziska verschwand bereits in Richtung Büffet. Ramona zog in Erwägung, ihr hinterher zu gehen und sich doch für ein anderes Getränk zu entscheiden. Doch Franziska nahm schon ein Glas vom Büffet und kam zurück. Nun, ein paar Schlucke würde sie trinken.
»Zum Wohl und auf dich«, sagte Franziska und reichte ihr das Glas. Auch Julia, die eine Weinschorle trank, stieß mit ihnen an.
»Was macht dein Job?«, erkundigte sich Ramona und sah zu Franziska.
Die Freundin schmunzelte. »Ich habe jede Menge Aufträge. Ich bin ehrlich froh, dass ich jetzt zwei Wochen Urlaub habe. Danach geht es auf die Malediven, für Werbefotos für eine neue Sommerpflege. Du weißt schon, Sonnencremes und so.«
»Beeindruckend. Ich glaube, Model zu sein, könnte mir auch gefallen. Leider habe ich nicht deine Traumfigur«, meinte Ramona und lächelte. Sie gönnte der Freundin ihren Erfolg in der Branche von Herzen.
»Deine Figur ist perfekt. Und ich muss ständig Kalorien zählen. Aber heute nicht. Heute lasse ich es mir schmecken. Und nach den Malediven geht es nach Österreich, auf den Hintertuxer Gletscher«, fuhr Franziska fort.
»Es geht um PR für Ski?«
»Es wird ein Werbefilm gedreht, in dem Skianzüge präsentiert werden. Danach habe ich wieder eine Woche frei. In den darauffolgenden Wochen mache ich Kleinkram.«
»Was heißt Kleinkram?«, fragte Julia, die den beiden bisher nur zugehört hatte.
Franziska lächelte ihr zu. »Werbefotos für Lippenstift, Haarpflege, Schuhe und so weiter. Viele Aufnahmen werden im Studio gemacht. Die reinste Erholung, kann ich euch sagen. Und im September geht es dann zur Fashion Week nach New York.«
»Sie haben einen absolut anstrengenden und fordernden Beruf«, wandte sich Julia an Franziska. »Ich stelle es mir ziemlich strapaziös vor, ständig zu reisen und dabei immer perfekt auszusehen.«
»Das ist es auch«, bestätigte Franziska. »Trotzdem ist es nach wie vor mein absoluter Traumjob.«
Es läutete. Julia und Franziska sahen gleichzeitig zu Ramona.
»Das wird Stefan sein«, sagte Julia.
»Zeit wird es«, erwiderte Ramona. »Er ist der Einzige, der noch fehlt.« Sie stellte ihr Getränk auf den Schreibtisch und ging zur Tür. Der Sekt tat ihr nicht gut. Schon auf diesen ersten Schluck wurde ihr übel.
Sie öffnete. Im Treppenhaus mit dem marmornen Fußboden und dem messingfarbenen, kunstvoll geschwungenen Treppengeländer stand Stefan und hielt einen Strauß bunter Sommerblumen in der Hand.
»Hallo, Ramona«, begrüßte er sie herzlich, umarmte sie und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Herzlichen Glückwunsch zur Einweihung deiner neuen Räume. Du wirst noch erfolgreicher sein als ohnehin schon.«
»Hallo, Stefan«, antwortete Ramona und lachte. »Wir werden sehen. Schön, dass du da bist. Nun komm doch herein.«
»Gerne. Die Blumen sind natürlich für dich.«
»Vielen Dank.«
Er übergab ihr den Strauß. »Entschuldige bitte die Verspätung. Ich musste überraschend noch eine Blinddarm-Operation durchführen, und Blumen wollte ich dir ja auch noch kaufen. Ich nehme an, sämtliche anderen Gäste sind schon da?«
»Das sind sie. Komm, ich zeige dir alles. Julia ist in meinem Büro. Wir haben eben angestoßen. Möchtest du auch etwas trinken? Hier ist das Büffet.«
»Ich nehme sehr gerne etwas. Es ist unglaublich warm heute.«
Julia trat in den Eingangsbereich. »Hallo, Stefan«, begrüßte sie ihren Mann und lächelte ihm zu.
»Julia, hallo! Ich sagte eben schon zu Ramona, dass mir eine Blinddarm-Operation den Zeitplan durcheinandergebracht hat.«
»So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht«, erwiderte Julia. »Hat denn nicht Michael Wolfram Dienst?«
»Hat er. Aber er steht seit zwei Stunden im Stau im Dreieck München – Feldmoching. Deswegen habe ich das übernommen.«
Ramona hörte ihren Gästen zu und wünschte sich, sich irgendwo in eine stille Ecke zurückziehen zu können. Ihr war wirklich übel, und der Kreislauf machte ihr auch Probleme. Sie hatte sich so auf ihre Einweihungsfeier gefreut, und nun fühlte sie sich richtig elend und konnte den Abend gar nicht genießen.
***
Kurz vor Mitternacht verabschiedeten sich die ersten Gäste. Ramona begleitete jeden, der gehen wollte, zur Tür.
»Mona? Ist alles in Ordnung, Schatz?«, sprach Kai seine Frau an, nachdem sie Berthold Kratzer, einen Kollegen, und dessen Frau verabschiedet hatte.
»Nicht wirklich«, gab Ramona zu und setzte sich zu ihrem Mann auf die kleine zweisitzige Couch im Chippendale-Stil, die im Eingangsbereich stand.
»Was ist denn los?« Besorgt musterte Kai sie. »Du siehst blass aus. Hat dich der Abend etwa angestrengt?«
»Mir ist übel, und der Kreislauf macht mir auch zu schaffen«, erwiderte Ramona. Ehe Kai etwas sagen konnte, kam Ludmilla Olbrich, ihre Sekretärin, zu ihnen.
»Ich möchte mich verabschieden«, sagte sie. »Es war ein wundervoller Abend, Frau Hoffmann. Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte.«
»Aber ich bitte Sie, Ludmilla. Sie gehören doch dazu«, erwiderte Ramona. »Ich bringe Sie zur Tür.« Sie stand auf, und ihr wurde schwindelig. Rasch hielt sie sich an der Rückenlehne des Sofas fest.
»Was ist denn, Frau Hoffmann?« Erschrocken sah Ludmilla sie an.
»Nichts. Ich bin nur zu schnell aufgestanden.« Ramona bemühte sich um ein Lächeln.
»Das ist der ganze Stress«, meinte Ludmilla. »Setzen Sie sich doch wieder. Ich finde schon alleine raus.«
»Ich bringe Sie zur Tür«, meldete sich Kai zu Wort und erhob sich. »Und du wartest bitte hier, Liebes. Ich hole dir gleich ein Glas Wasser.«
Niedergeschlagen setzte Ramona sich wieder. Was war nur los mit ihr? Hoffentlich war sie nicht ernsthaft krank. Das hätte ihr gerade noch gefehlt. Sie hatte jede Menge Aufträge, und gerade jetzt, nach dem Umzug in die neuen Räume, hatte sie sich vorgenommen, so viel wie möglich zu arbeiten, um ein paar Rückstände auszugleichen.
Franziska, die am Büffet von den letzten Häppchen naschte, kam zu ihr.
»Dir geht es nach wie vor nicht gut«, bemerkte sie, setzte sich neben sie und musterte sie.
»Du hast recht«, gestand Ramona. »Gerade war mir auch noch schwindelig. Ich habe wirklich Angst, krank zu sein.«
Franziska betrachtete sie nach wie vor gründlich. »Vielleicht bist du schwanger?«
»Schwanger? Nein, auf keinen Fall«, wehrte Ramona ab.
»Warum bist du dir da so sicher? Liegt euer Eheleben brach vor lauter Arbeit?« Die Freundin schob sich ein letztes Häppchen mit Ei und Lachs in den Mund.
»Natürlich nicht, aber ...«
»Na also«, unterbrach Franziska sie. »Mach einen Test.«
»Ich glaube wirklich nicht, dass das notwendig ist. Ich bin fünfzehn Jahre nicht schwanger geworden. Warum also jetzt?« Ramona schien es, als würde sie sich verteidigen. Dabei sagte sie schlichtweg die Wahrheit. Kai und sie hatten sich so sehr Kinder gewünscht. Doch es hatte einfach nicht geklappt, obwohl sie beide gesund waren.
»Du musst ja nicht. Ich dachte nur«, unterbrach Franziska ihre Gedanken, betrachtete sie und legte ihr die Hand auf den Arm. »Dann geh wenigstens zu deinem Hausarzt. Du siehst echt nicht gesund aus.«
***
Ramona sperrte die Tür zu ihren neuen Kanzleiräumen hinter sich zu. Gemeinsam mit Kai ging sie die mit Marmor belegten Stufen ins Erdgeschoß hinunter. Sie verließen das Haus, um zum Auto zu gehen, das wenige Meter entfernt am Straßenrand parkte.
Am nächtlichen Himmel funkelten die Sterne. Die Luft des späten Sommerabends war lau.
Kai legte den Arm um ihre Schultern. »Das war ein gelungener Abend, mein Schatz«, sagte er und küsste sie auf die Schläfe.
Ramona schmiegte sich an ihn. Die Übelkeit war endlich besser. Nur müde war sie, sehr müde.
»Ich hoffe, du hattest trotz deines Unwohlseins ein bisschen was von der Feier.«
»Doch, auf jeden Fall«, behauptete Ramona. Die Wahrheit war, es war nicht so. Immer schwächer und elender hatte sie sich gefühlt, je weiter der Abend vorangeschritten war. Erst vor etwa einer halben Stunde war es ein wenig besser geworden. Warum, das wusste sie nicht. Und immer wieder ging ihr Franziskas Vermutung durch den Kopf, sie könnte vielleicht schwanger sein. Doch das war unmöglich, oder?
»Ich finde, du solltest dich von Doktor Hauser einmal gründlich durchchecken lassen«, meinte nun auch Kai.
»Aber wozu denn das? Ich bin sicher, mir macht nur die Wärme zu schaffen. Und das Gulasch neulich habe ich einfach nicht vertragen. Mein Fehler. Ich weiß doch, dass ich bei der Hitze nur leichte Sachen essen kann«, protestierte Ramona.
»Das mit dem Gulasch ist fünf Tage her. Das kann nicht mehr schuld sein. Und in unserem Alter sollte man ohnehin regelmäßig zum Arzt gehen«, beharrte Kai.
Ramona verdrehte die Augen, was ihr Mann, der geradeaus blickte, nicht sehen konnte. »Ich denke über einen Termin bei Doktor Hauser nach«, wich sie aus.
»Mona, bitte.« Kai blieb stehen und wandte sich ihr zu. »Ich muss morgen Vormittag zu der Fortbildung im Strafrecht nach Bamberg und komme erst am Wochenende zurück. Ich weiß gar nicht, ob ich unbesorgt fahren kann. Bitte, ruf Hauser gleich morgen früh an.«
»Natürlich kannst du unbesorgt fahren, und wenn es dich beruhigt, mache ich auch einen Termin beim Arzt«, gab sie nach.
Kai nickte.
»Gut. Und schreib mir bitte gleich eine Nachricht, wenn du dort warst, ja?«
»Versprochen«, erwiderte Ramona. Kai legte erneut den Arm um sie und drückte sie an sich. Gemeinsam gingen sie zum Auto.
***
Ramona öffnete das Küchenfenster. Der Geruch von Kaffee, den sie sonst so gerne mochte, war heute unerträglich. Ihr war schon wieder übel. Wenige Minuten zuvor hatte ihr Mann mit seiner Reisetasche das Haus verlassen. Noch einmal hatte er sie gebeten, zum Arzt zu gehen. Und noch einmal hatte sie es ihm versprochen. Der Termin war ihr gar nicht recht, schließlich hatte sie genug in der Kanzlei zu tun. Der Umzug in die neuen Räume hatte sie eine ganze Woche Arbeitszeit gekostet.
Ramona brühte sich einen schwarzen Tee auf, gab einen Löffel Traubenzucker hinein und setzte sich an den Küchentisch. Es war acht Uhr. Vor halb zehn musste sie nicht in der Kanzlei sein. Ihr erster Klient kam um elf Uhr.
Auch ihr Hausarzt war vor neun Uhr nicht erreichbar. Sie hatte also Zeit. Sie nippte an ihrem Tee. Immer wieder musste sie an Franziskas Worte denken.
›Vielleicht bist du schwanger.‹
In den letzten Tagen hatte sie öfters einen Schmerz im Unterleib gespürt. Feine Stiche, um genau zu sein. Und ihre Brüste spannten. Das konnten durchaus Anzeichen einer Schwangerschaft sein, das war ihr bewusst.
Trotzdem. Fünfzehn lange Jahre hatte es nicht geklappt. Monat für Monat waren sie beide furchtbar enttäuscht gewesen. Kai hatte sich schließlich früher mit der Kinderlosigkeit abgefunden als sie.
›Wir haben uns, Liebes, und unsere Berufe‹, hatte er sich bemüht, sie zu trösten. Wirklich gelungen war es ihm nicht, doch sie hatte sich tatsächlich in die Arbeit gestürzt. Mittlerweile war sie eine gefragte Steuerberaterin und musste immer wieder Klienten abweisen, weil sie keine Kapazitäten mehr frei hatte.
Ramona trank einen weiteren Schluck Tee. Er tat ihr gut, das flaue Gefühl im Magen wurde ein wenig besser. Essen mochte sie nichts. Die Küchenuhr über dem Kühlschrank tickte, und ein Sonnenstrahl drang durch das Fenster. In seinem milchigen Licht bewegte sich feiner Staub.
Ramona schob die Tasse von sich und stand auf. Sie wollte jetzt Gewissheit haben. Die Bären-Apotheke zwei Straßen weiter machte um acht Uhr auf. Jetzt war es viertel nach acht. Sie würde sich einen Test holen. Der würde negativ sein wie all die vielen Tests, die sie schon gemacht hatte. Danach wollte sie Kai den Gefallen tun und einen Termin bei ihrem Hausarzt machen.
***
Das Teststäbchen lag auf dem Rand der Badewanne. Ramona saß daneben. Sie hatte den Timer ihres Handys auf die erforderliche Wartezeit von fünf Minuten eingestellt. Die Zeit verging quälend langsam. Sie glaubte, die Sekunden ticken zu hören, obgleich es im Bad ganz still war. Ihr Herz pochte gegen die Rippen. Immer wieder versicherte sie sich, dass der Test negativ ausfallen würde – wie üblich. Es war der Magen, der ihr zu schaffen machte. Es war die Wärme des Sommers. Vielleicht waren es sogar die ersten Anzeichen der Wechseljahre.
Piep-piep-piep. Piep-piep-piep, machte das Handy.
Sie fuhr mit dem Zeigefinger über das Stopp-Symbol. Sekundenlang schloss sie die Augen.
Jetzt, dachte sie, öffnete sie wieder und wandte den Kopf.
Ihre Augen begannen zu brennen, und ihr Herzschlag stockte.
Das Ergebnis war eindeutig. Zwei dicke Striche waren im Testfenster zu sehen. Sie war schwanger.