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Dass sie als Selbstständige mit eigenem Geschäft oft viel zu wenig Zeit für ihre kleine Tochter hat, belastet Buchhändlerin Britta Goll als Alleinerziehende sehr. So gut der Laden auch läuft und so dringend sie auf die durchaus ordentlichen Einkünfte angewiesen ist, da Jasminas Vater keinen Unterhalt zahlt, ist da doch immer das schlechte Gewissen, die Kleine ständig in der Obhut ihrer mittlerweile recht betagten Großmutter zu lassen. So richtig alarmiert ist Britta allerdings erst, als Henrik Rheine, Jasminas Klassenlehrer, sie darauf hinweist, dass die Erstklässlerin Schwierigkeiten mit den anderen Kindern in der Klasse zu haben scheint. Jasmina hat daheim zwar mal erwähnt, die anderen wären "doof" zu ihr seien, aber Britta hat ein längeres Nachdenken darüber immer beiseitegeschoben, weil wieder einmal andere Dinge wichtiger erschienen. Erst Henrik Rheine öffnet ihr die Augen, dass sich etwas ändern muss. Doch noch bevor Britta dazu eine Entscheidung treffen kann, macht sie eine erschütternde Entdeckung ...
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Seitenzahl: 136
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Die kleine Diebin
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Impressum
Die kleine Diebin
Ein einsames Mädchen kämpft um Aufmerksamkeit
Von Caroline Steffens
Dass sie als Selbstständige mit eigenem Geschäft oft viel zu wenig Zeit für ihre kleine Tochter hat, belastet Buchhändlerin Britta Goll als Alleinerziehende sehr. So gut der Laden auch läuft und so dringend sie auf die durchaus ordentlichen Einkünfte angewiesen ist, da Jasminas Vater keinen Unterhalt zahlt, ist da doch immer das schlechte Gewissen, die Kleine ständig in der Obhut ihrer mittlerweile recht betagten Großmutter zu lassen. So richtig alarmiert ist Britta allerdings erst, als Henrik Rheine, Jasminas Klassenlehrer, sie darauf hinweist, dass die Erstklässlerin Schwierigkeiten mit den anderen Kindern in der Klasse zu haben scheint. Jasmina hat daheim zwar mal erwähnt, die anderen wären »doof« zu ihr, aber Britta hat ein längeres Nachdenken darüber immer beiseitegeschoben, weil wieder einmal andere Dinge wichtiger erschienen. Erst Henrik Rheine öffnet ihr die Augen, dass sich etwas ändern muss. Doch noch bevor Britta dazu eine Entscheidung treffen kann, macht sie eine erschütternde Entdeckung ...
Martha Goll rührte in dem Topf mit dem Schokoladenpudding, der gerade begann, Blasen zu werfen. Sie schaltete den Herd aus und zog den Topf von der heißen Platte.
»So, Jasminchen, gleich ist der Pudding fertig«, ließ sie ihre Enkeltochter wissen, die am Küchentisch saß und ihre Hausaufgaben machte.
»Machst du mir Haferflocken rein?«, bat die Kleine und sah auf.
»Natürlich«, versprach Martha.
Sie nahm die Packung mit den Getreideflocken aus dem Küchenschrank und zählte drei Esslöffel ab, die sie in den noch heißen Pudding rührte.
Das Telefon läutete.
»Darf ich rangehen?«, fragte die Sechsjährige.
Sie sprang allerdings schon auf, ohne eine Antwort abzuwarten, und quetschte sich zwischen ihrem Platz und der Tischkante durch. Die Stuhlbeine schabten über den Küchenboden.
»Sicher.« Martha lächelte. Der Pudding war sowieso noch zu heiß.
Jasmina rannte in den Flur und von dort ins Wohnzimmer, wo der Apparat stand.
»Hallo?«, hörte Martha ihr Enkelkind sagen, völlig außer Atem. »Mama! Wann kommst du denn heim?«
Martha verließ die Küche und folgte der Kleinen ins Wohnzimmer. Sicher wollte ihre Tochter Britta auch mit ihr sprechen.
»So spät erst?« Jasmina klang enttäuscht. »Aber ich hab' eine Zwei in Rechnen! Und, Mama, weißt du was? Oma hat mir Schokoladenpudding gekocht. Mit Haferflocken!« Jasmina wickelte eine Haarsträhne um ihren Zeigefinger, während ihre Mutter antwortete. »Hm«, machte sie. »Das ist aber doch nur ausnahmsweise. Und außerdem hab' ich schon Suppe mit Gemüse gegessen. Und ich muss dir noch was sagen. Ich bin zu einem Geburtstag eingeladen! Bei Saskia. Darf ich hin, Mama? Bitte.«
Martha sah, dass die freudige Hoffnung in dem kleinen Gesicht ihrer Enkeltochter ebenso rasch erlosch, wie sie erschienen war.
»Ich mag aber jetzt mit dir über den Geburtstag reden, nicht später. Du musst doch nur ›Ja‹ sagen«, bettelte die Kleine. »Na gut.«
Jasmina senkte den Kopf, und Martha bekam ein flaues Gefühl im Magen. Schon vorhin, als ihr Enkelkind mit der freudigen Nachricht aus der Schule nach Hause gekommen war, hatte sie geahnt, es würde Tränen und Diskussionen wegen der Einladung zu dem Geburtstag geben.
Sie sah sich außerstande, die Kleine zu ihrer Klassenkameradin zu bringen, die zwei Ortschaften weiter wohnte. Ein Auto hatte sie nicht, und in ihrem Alter mochte sie sich auch nicht mehr hinter das Steuer setzen. Die Bushaltestelle war ein paar Hundert Meter entfernt. Zudem fuhren die Busse selten, und ein Taxi kam schließlich auch teuer. Abgesehen davon, dass sie schon lange nicht mehr gut zu Fuß war und froh um jeden Schritt, den sie nicht machen musste. Und Britta hatte ja kaum Zeit für ihre Tochter.
»Ja. Ich geb' sie dir. Tschüss«, sagte Jasmina nun niedergeschlagen, wandte sich zu Martha um und reckte ihr den Hörer entgegen. »Die Mama mag dich auch mal haben.«
»Danke, Jasminchen. Hallo, Britta«, begrüßte Martha ihre Tochter.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Kleine aus dem Zimmer trottete.
♥♥♥
»Hallo, Mama.« Britta Goll nahm den Hörer des Telefons von einem Ohr zum anderen, klemmte ihn sich zwischen Kopf und Schulter und rief die Textnachricht auf, die eben auf ihrem Mobiltelefon eingegangen war.
Die Nachricht war von Robert Küster, einem bundesweit sehr bekannten Krimi-Autoren, der nächsten Monat bei ihr wieder eine Lesung geben wollte. Küster veröffentlichte jedes Jahr ein neues Buch und bewarb sich dann auch stets bei ihr, um sein Projekt seinen Fans vorzustellen. Sie beschloss, die Nachricht nach dem Telefonat zu lesen.
»Ich komme heute später. Ich muss die Monatsabrechnung fertig machen und noch einige Mails schreiben«, informierte Britta ihre Mutter.
»Wie spät ist denn ›später‹?«, erkundigte Martha sich.
Britta seufzte. Nur allzu deutlich hatte sie den unterdrückten Vorwurf gehört, den die Mutter nicht aussprach.
»Du weißt doch, dass ich das nicht so genau sagen kann. Ich komme nach Hause, so rasch es geht«, erwiderte sie.
»Jasmina ist am Freitagnachmittag auf den Geburtstag einer Klassenkameradin eingeladen. Saskia heißt das Mädchen. Das Kind wohnt in Grünfeld. Das sind mit dem Auto mehr als zwanzig Minuten von hier aus. Wir müssten den Bus nehmen, wobei die Nachmittagslinie nur um zehn Minuten nach fünfzehn Uhr fährt. Die Feier fängt aber um fünfzehn Uhr an. Ich kann sie jedenfalls unmöglich dorthin bringen und auch wieder abholen«, hörte sie ihre Mutter sagen. »Schon, bis ich beim Bus bin ... du weißt doch, mir machen die Beine Ärger.«
»Ja. Jasmina hat es eben schon angesprochen. Ich kümmere mich darum«, versprach Britta.
Sie war von der Information überrascht gewesen und freute sich für ihre Kleine. Gleichwohl brauchte sie für den Nachmittag in der Buchhandlung eine Vertretung, damit sie ihr Kind hin- und zurückfahren konnte.
»Hast du ihr gesagt, dass ich das nicht machen kann?«, wollte ihre Mutter wissen.
»Nein. Ich habe ihr gesagt, dass wir später darüber reden. Ich frage Dorothea, ob sie ein paar Stunden für mich einspringen kann. Dann fahre ich Jasmina und hole sie natürlich auch wieder ab«, erklärte Britta. »Ich möchte Jasminchen aber erst dann sagen, dass ich einverstanden bin, wenn ich die Zusage von Doro habe.«
»Schön. Es ist ja auch wichtig, dass sie ab und zu Spielkameraden hat«, bemerkte ihre Mutter. »Für die Kleine ist es wirklich ungünstig, dass wir so abgeschieden wohnen und sie keine Möglichkeiten hat, andere Kinder zu treffen.«
Britta beschloss, das nicht zu kommentieren. Sie wusste, dass ihre betagte Mutter seit geraumer Zeit mit der lebhaften Sechsjährigen überfordert war. Mit mehr oder weniger deutlichen Bemerkungen wies sie sie immer wieder daraufhin, und Britta fühlte sich zunehmen schuldig.
Eine Lösung für ihr Problem wusste sie dennoch nicht. Seit sie sich vor fünf Jahren mit ihrer Buchhandlung selbstständig gemacht hatte, arbeitete sie häufig zwölf Stunden am Tag. Die Arbeit machte ihr Freude, ihr Einkommen war einträglich, jedoch nicht so, dass sie sich guten Gewissens eine Angestellte hätte leisten können. Ab und zu half Dorothea bei ihr aus, die sie noch aus ihrer eigenen Schulzeit kannte. Was Britta allzeit bedrückte, war das Wissen, dass sie kaum Zeit für ihr Kind hatte.
Seit einem Elternabend vor ein paar Monaten wusste sie auch, dass ihr Töchterchen Probleme hatte, in der Klasse Anschluss zu finden. Dies hatte sie der Klassenlehrer, Henrik Rheine, in einem Gespräch unter vier Augen nach dem offiziellen Teil des Elternabends wissen lassen.
In der Pause stand Jasmina oft allein herum, während die anderen spielten und tobten. Wurden im Sportunterricht Mannschaften gebildet, die gegeneinander antreten sollten, war keiner begeistert, sie in seiner Riege zu haben. Jasmina selbst sprach nie darüber. Britta, die gemeint hatte, Jasmina würde sich in der Schule wohlfühlen, war sehr bestürzt gewesen. Zu Hause hatte die Kleine von Ausgrenzungen kein Wort verlauten lassen.
Rheine hatte sanft nachgefragt, ob Jasmina sich gelegentlich nachmittags oder an den Wochenenden mit Klassenkameraden oder auch anderen Kindern zum Spielen traf. Damit hatte er einen empfindlichen Punkt getroffen.
In der Ortschaft Griebenstein, in der Britta mit ihrer kleinen Tochter und ihrer Mutter wohnte, gab es in der Nachbarschaft keine Kinder im Alter von Jasmina und auch sämtliche Klassenkameraden wohnten in umliegenden Orten.
Die wenigen Male, als Jasmina Besuch von Freunden bekommen hatte, damals noch zur Kindergartenzeit, war ihre Großmutter von dem Trubel völlig überfordert gewesen. So blieb für Treffen mit Spielkameraden nur der Sonntag, an denen sie selbst zu Hause war und sich kümmern konnte.
Doch in fast allen Familien war Sonntag ein Familientag, sodass die Kinder, mit denen Jasmina gerne gespielt hätte, meist keine Zeit hatten.
Es bedrückte Britta sehr. Von Rheines Informationen hatte sie ihrer Mutter nichts erzählt. Sie ahnte, sie würde es als Vorwurf auffassen. Stattdessen hatte sie versucht, mit Jasmina über das zu sprechen, was der Klassenlehrer ihr mitgeteilt hatte. Dass Jasmina sich bei dem Gespräch nicht wohlgefühlt hatte, hatte Britta durchaus bemerkt. Dennoch hatte die Kleine behauptet, in der Pause selbst nicht mitspielen zu wollen, weil die anderen Kinder zu wild waren. Sie schubsten beim Fangenspielen oder foulten beim Wettrennen. Deswegen sah sie lieber zu.
Britta war alles andere als sicher gewesen, ob Jasmina die Wahrheit sagte. Doch in ihrer Ratlosigkeit hatte sie das Thema auf sich beruhen lassen und gehofft, dass Rheine übertrieb und ihre Kleine mit der Zeit schon noch Freundschaften schloss.
»Außerdem braucht sie ein neues Schreibheft und fürs Turnen neue Schuhe. Die alten sind zu klein geworden. Ich kann das nicht alles machen«, unterbrach Martha Goll die Gedanken ihrer Tochter. »Schon wegen der Sache mit dem Bus. Bis wir an der Haltestelle sind, machen meine Füße nicht mehr mit, und in der Stadt kann ich dann nicht mehr laufen.«
»Ja, Mama. Ich weiß. Ich weiß, dass du tust, was du kannst, und dafür danke ich dir sehr. Ich gehe am Samstag mit Jasmina einkaufen, und am Freitag bringe ich sie zu Saskia und hole sie auch wieder ab«, versicherte Britta.
Falls Dorothea einspringen würde. Das war ja noch nicht gesagt.
»Gut.« Wirklich zufrieden klang ihre Mutter nicht.
»Liegt dir noch was auf der Seele?«, fragte Britta und sah auf die Uhr, die unten rechts auf dem Bildschirm des Computers zu sehen war.
Achtzehn Uhr zehn. Die Ladenglocke bimmelte. Über die Überwachungskamera sah sie, dass eine ältere Dame hereingekommen war. Sie musste in den Verkaufsraum.
»Ich schaffe das alles nicht mehr«, klagte ihre Mutter.
Britta fürchtete einen Tränenausbruch und rang um tröstende und aufbauende Worte, ohne welche zu finden. Zum x-ten Mal schlug ihr Gewissen, weil sie Jasmina nahezu ständig der Obhut ihrer Großmutter überließ. Doch was sollte sie machen? Sie musste nun einmal arbeiten. Durch die Leitung vernahm sie ein schepperndes Geräusch.
»Ich muss Schluss machen«, sagte ihre Mutter und legte Anklage und Erschöpfung in ihre Stimme. »In der Küche ist was schiefgegangen.«
»Ja, bis später, Mama.«
Britta legte den Hörer beiseite, warf einen Blick auf den Bildschirm der Kameraüberwachung und sah, dass die ältere Dame eben den Laden wieder verließ. Sie stützte den Kopf in die Hände. So konnte es nicht weitergehen. Für ihre Mutter wurde es immer beschwerlicher, die quirlige Kleine zu beaufsichtigen. Mittlerweile war sie sechsundsiebzig Jahre alt und manches Zipperlein plagte sie. Und auch Jasmina kam zu kurz.
Sie griff nach ihrem Handy, um die Nachricht von Robert Küster zu lesen.
Liebe Frau Goll, nachdem ich bereits zweimal vergeblich versucht habe, Sie telefonisch zu erreichen, versuche ich mein Glück nun auf diesem Weg. Würden Sie mir die Freude machen, nach der Lesung mit mir ein Glas Wein zu trinken? Oder, sollte Ihnen dies zu spät sein, vorher eine Kleinigkeit zu essen? Beste Grüße, Ihr Robert K.
Britta legte das Handy beiseite. Küster war geschätzte fünfundzwanzig Jahre älter als sie, ein Kavalier alter Schule und bemühte sich seit einiger Zeit mit einer Art Wiener Schmäh um sie, was Britta eher kopfschüttelnd wahrnahm, als dass es ihr gefiel. Von »Küss die Hand« zur Begrüßung bis zur »Gnä Frau«, was »Gnädige Frau« heißen sollte, benutzte er viele althergebrachte Redewendungen, vermutlich in der Hoffnung, sie zu beeindrucken. Auch ein angedeuteter Diener vor ihr gehörte stets zu seinem Auftritt, wenn sie sich begrüßten oder verabschiedeten.
Bereits nach der Lesung im vergangenen Jahr hatte er versucht, sie einzuladen. Abgesehen davon, dass der Schriftsteller und seine Bemühungen, sich charmant zu zeigen, auf sie keinerlei Anziehungskraft ausübten, fehlte Britta auch die Zeit für einen Mann. Dies hatten schon zwei weitere Bewerber erfahren müssen, die sie durch ihre Arbeit kennengelernt und zurückgewiesen hatte. Ihr Leben war randvoll mit ihrer Arbeit und Jasmina.
Darüber, dass die Verletzungen, die Torben, Jasminas Vater, ihr mit der Trennung zugefügt hatte, auch eine Rolle dabei spielten, dass sie mit keinem Mann ausging, mochte sie nicht nachdenken.
Sie würde Küster absagen, so einfühlsam wie möglich. Sollte er ihr dies derart übel nehmen, dass er seine Lesungen künftig bei der Konkurrenz gab, so musste sie das akzeptieren.
Wieder bimmelte die Ladenglocke. Britta stand auf, ohne erneut auf den Bildschirm zu sehen und betrat den Laden. Carmen Wegner, eine Bekannte von ihr, stand vor den neu erschienenen Kriminalromanen.
»Hallo, Carmen«, begrüßte Britta sie freundlich.
Carmen sah auf und lächelte ihr zu.
»Hallo, Britta. Ist alles in Ordnung? Du wirkst bedrückt«, erkundigte sie sich besorgt.
»Soweit schon«, erwiderte Britta.
Carmen, die keine Kinder hatte, konnte ihre Probleme eher nicht nachvollziehen.
»Das klingt aber nicht so.« Aufmerksam sah Carmen sie an.
Britta seufzte und gab zu: »Also schön. Du hast recht, ich habe ein Problem. Es geht um Jasmina. Du weißt ja, meine Mutter passt auf sie auf, während ich arbeite. Aber ich fürchte, es geht nicht mehr lange gut. Jasmina ist recht lebhaft und meine Mutter fühlt sich der Aufgabe nicht mehr gewachsen.«
»Das heißt, du bekommst ein Betreuungsproblem?«, forschte Carmen.
»Ja«, erwiderte Britta schlicht.
»Kannst du die Kleine nicht nach der Schule mit hierher nehmen? Sie kann doch in deinem Büro ihre Hausaufgaben machen«, schlug Carmen vor.
»Ich habe das ein paar Tage gemacht, als meine Mutter am Knie operiert wurde. Es war keine gute Lösung«, berichtete Britta. »Jasmina war nach einer knappen Stunde mit ihren Hausaufgaben fertig und hat sich danach schrecklich gelangweilt. Gerade an dem Tag hatte ich jede Menge Kunden. So ein Nachmittag kann für ein kleines Kind in ihrem Alter sehr lange werden, wenn es weitgehend ruhig sein muss.«
Es war darauf hinausgelaufen, dass sie der Kleinen erlaubt hatte, über den Computer zwei Filme anzusehen. Eine Beschäftigung, die sie gar nicht guthieß. Wobei – bei ihrer Großmutter durfte Jasmina auch viel fernsehen. Einige Male hatte Britta sich dagegen ausgesprochen, doch letzten Endes hatte sie es akzeptiert. Wenn sie ihr Kind schon an knapp sechs Tagen in der Woche ihrer Mutter in Obhut gab, konnte sie ihr nicht auch noch detailliert vorschreiben, wie der Alltag zu gestalten war. Wobei ihr wieder der Schokoladenpudding einfiel, den Jasmina offenbar als Mittagessen bekommen hatte. Von der Gemüsesuppe zuvor hatte sie sicher nicht viel gegessen.
»Du steckt echt in der Klemme«, bemerkte Carmen voller Anteilnahme. »Du machst dir Sorgen um deine Mutter, der die Arbeit zu viel wird und um Jasmina, die in ihren Bedürfnissen zu kurz kommt«, fasste sie zusammen.
»Genau so ist es«, seufzte Britta.
»Das tut mir wirklich leid. Vielleicht wäre eine Tagesmutter eine Lösung für euch. Im besten Fall eine, die mehrere Kinder in Jasminas Alter betreut. Dann hat deine Kleine Spielgefährten«, schlug Carmen vor.
»Die Idee ist nicht verkehrt. Vielleicht sollte ich darüber nachdenken«, erwiderte Britta. »Aber nun sag mir doch: Suchst du etwas Bestimmtes?«
»Ja.« Carmen schmunzelte. »Ich möchte eine Karte für die Lesung von Küster kaufen, und seinen neuen Krimi nehme ich auch gleich mit.«
»Sehr gerne«, antwortete Britta.
Bei der Erwähnung des Autors musste sie wieder an seine Einladung denken. Sie würde ihm gleich nachher so einfühlsam wie möglich absagen. Vielleicht sollte sie private Verpflichtungen ansprechen, die sie am Tag der Lesung auch noch hatte, damit er nicht allzu gekränkt war. Die Karten für die Veranstaltung waren auch schon fast ausverkauft. Es würde sicher ein guter und einträglicher Abend werden.
♥♥♥
Ihre Mutter saß in ihrem Lieblingssessel und blätterte in einer Illustrierten, als Britta leise das Haus betrat. Vom Flur aus konnte sie direkt ins Wohnzimmer sehen. Martha blickte hoch und legte den Finger an die Lippen. Britta nickte. Sie streifte die Schuhe ab, hängte ihre Tasche an einen Garderobenhaken und kam zu ihr ins Wohnzimmer.
»Hallo, Mama«, grüßte sie leise und drückte die Tür hinter sich ins Schloss. »Tut mir leid, dass es so spät geworden ist«, entschuldigte sie sich, ehe die Mutter ihr antworten konnte.