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Alina Prinzessin von Rittberg steht mit ihren vierunddreißig Jahren fest im Leben und ist kurz davor, den nächsten Schritt zu wagen, der von der Öffentlichkeit sehnsüchtig erwartet wird: Die adelige Influencerin wird ihren Verlobten Felix Prinz von Stratten heiraten. Auch Alinas Eltern, der Fürst und die Fürstin von Rittberg, freuen sich von Herzen für ihre Tochter und richten gerne den großen Tag für das Brautpaar auf ihrem Landgut aus. Die Planung steht, das Brautkleid ist ausgewählt und auch sonst ist alles bereit - als ein anonymer Brief nicht nur die Hochzeit, sondern Alinas ganzes bisheriges Leben infrage stellt. Die Prinzessin soll nicht die leibliche Tochter des Fürsten sein, ihre Mutter soll eine Affäre gehabt haben, aus der Alina entstand ...
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Seitenzahl: 141
Cover
Mein ganzes Leben – eine Lüge?
Vorschau
Impressum
Mein ganzes Leben – eine Lüge?
Alina ist in Wahrheit gar keine Prinzessin
Von Caroline Steffens
Alina Prinzessin von Rittberg steht mit ihren vierunddreißig Jahren fest im Leben und ist kurz davor, den nächsten Schritt zu wagen, der von der Öffentlichkeit sehnsüchtig erwartet wird: Die adelige Influencerin wird ihren Verlobten Felix Prinz von Stratten heiraten. Auch Alinas Eltern, der Fürst und die Fürstin von Rittberg, freuen sich von Herzen für ihre Tochter und richten gerne den großen Tag für das Brautpaar auf ihrem Landgut aus. Die Planung steht, das Brautkleid ist ausgewählt und auch sonst ist alles bereit – als ein anonymer Brief nicht nur die Hochzeit, sondern Alinas ganzes bisheriges Leben infrage stellt. Die Prinzessin soll nicht die leibliche Tochter des Fürsten sein, ihre Mutter soll eine Affäre gehabt haben, aus der Alina entstand ...
Alina Prinzessin von Rittberg warf einen letzten prüfenden Blick in den hohen, dreiteiligen Spiegel in ihrem Ankleidezimmer. Sie war zufrieden mit ihrem Aussehen. Ihre schulterlangen blonden Haare hatte sie mit aller Sorgfalt zu großen Locken geföhnt, die in weichen Wellen über ihre Schultern fielen. Dazu hatte sie ein dezentes Make-up aufgelegt, das ihre natürliche Schönheit unterstrich und ihrem Vorhaben angemessen war. Ein Hauch bronzefarbener Lidschattenpuder lag auf ihren Lidern, sie hatte die Augenbrauen nachgezogen und die Wimpern schwarz getuscht. Der dezente apricotfarbene Lippenstift, der ihrem Gesicht einen frischen Ausdruck verlieh, vervollständigte ihr Make-up.
Alina drehte sich um, sah über ihre Schulter und betrachtete ihre Garderobe von hinten. Sie trug eine schmal geschnittene hellbraune Hose und eine ärmellose weiße Bluse, deren Stoff an den Schultern gerafft war. Die Kleidung betonte ihre schlanke Figur, die wohlgeformten Beine und die Rundung ihres Pos – perfekt und überzeugend. Dass sie keinerlei Interesse am Reitsport hatte, sah man ihr nicht an.
Sie nahm ihr Handy vom Ladekabel und verließ ihre großzügig geschnittene Wohnung, die sich im linken Seitenflügel des Landgutes ihrer Eltern befand. Eilig lief sie durch den breiten Flur, der zum Haupthaus führte. Ein schmaler rot gemusterter Läufer bedeckte den glänzenden dunklen Parkettboden. An den weiß getünchten Wänden links und rechts des Flures hingen stattliche Ölgemälde, die die Vorfahren derer von Rittberg zeigten.
Alina ging die breite geschwungene Treppe hinunter ins Erdgeschoss. Eben kam ihre Mutter, Konstanze Fürstin von Rittberg, aus dem Kaminzimmer, in dem sie mit ihrem Mann Theodor, Alinas Vater, jeden Morgen nach dem Frühstück noch für eine Viertelstunde beisammensaß. Es war ein für sie beide lieb gewonnenes Ritual, ehe sie in den Tag starteten.
»Guten Morgen, Mama«, grüßte Alina ihre Mutter und lächelte ihr zu.
»Guten Morgen, mein Kind.« Konstanze erwiderte das Lächeln. »Dein Vater lässt dich grüßen, er musste heute schon ein wenig früher in die Bank, wegen der Vorstandssitzung.«
»Danke«, antwortete Alina knapp.
Sie hielt dem Blick der Mutter stand, die sie von oben bis unten betrachtete, nicht lobend, eher kritisch, und an ihrem Handy hängen blieb, das sie in der Hand hielt.
»Du hast doch wohl hoffentlich nicht vor, den Tag wieder mit dieser völlig sinnfreien ... Beschäftigung zu starten?«, fragte Konstanze missbilligend.
»Mama, bitte.« Alina bemühte sich, ruhig zu bleiben.
Dass ihre Mutter ihre Tätigkeit als Influencerin nicht akzeptieren konnte, war ein stets wiederkehrender Streitpunkt.
»Das, was du machst, ist doch keine ernsthafte Tätigkeit. Im Gegenteil, es erscheint mir wie eine Freizeitbeschäftigung«, äußerte Konstanze verstimmt.
»Ich verdiene gutes Geld, mit meiner ›Freizeitbeschäftigung‹«, erwiderte Alina so sachlich, wie es ihr möglich war. »Ich habe über eine Million Follower.«
»Die du am Leben einer Fürstentochter teilhaben lässt. Du gibst sozusagen einen Einblick in deine, respektive unsere Privatsphäre. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das indiskutabel ist«, bemerkte Konstanze, nun deutlich verärgert.
»Du hast es schon sehr oft erwähnt, Mama. Ich kann dir versichern, dass ich eure und meine Privatsphäre wahre. Es dringt kaum etwas an die Öffentlichkeit, was nicht ohnehin durch die Boulevard-Presse geht.«
»Das meinst du.« Konstanze strich mit den Fingernägeln der rechten Hand über die Handfläche ihrer linken. »Du zeigst Videos deiner privaten Räume, unseres schönen Gartens, von Urlauben und so weiter. Ich verstehe überhaupt nicht, wie Felix damit einverstanden sein kann.«
»Ich zeige nur ausgewählte Räume meiner Wohnung und achte immer darauf, dass keine persönlichen Details wie Familienfotos zu sehen sind«, erinnerte Alina ihre Mutter wieder einmal. »Unser Garten ist schon etliche Male durch die Presse gegangen, beispielsweise vergangenes Jahr anlässlich der Wohltätigkeitsveranstaltung zugunsten der Förderung des Behinderten-Sports. Und Felix hat, im Gegensatz zu dir und Papa, überhaupt kein Problem mit meiner Arbeit.«
»Mit deiner ›Arbeit‹!« Konstanze stieß ein empörtes Schnaufen aus.
»Es ist Arbeit, Mama. Auch, wenn du es so nicht sehen kannst. Und nun muss ich wirklich los, ich bin spät dran.«
»Wohin möchtest du, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich ihre Mutter, mit pikiertem Unterton in der Stimme.
»Zu den Pferden. Lady hat letzte Nacht ihr Fohlen bekommen.«
Die Prinzessin wollte die Stute und ihren Nachwuchs filmen. Die Follower würden begeistert sein.
Konstanze zuckte resigniert mit den Schultern.
»Lass dich nicht aufhalten. Wir sehen uns beim Abendessen«, verabschiedete sie ihre Tochter.
»Oh, das habe ich ganz vergessen. Ich bin heute Abend mit Felix verabredet«, entschuldigte sich Alina. »Wir müssen noch einige Details für die Hochzeit abklären.«
»Immer noch?« Erschrocken sah Konstanze Fürstin von Rittberg ihre Tochter an. »Liebe Güte. In gut vier Wochen ist der Termin. Es sollte längst alles besprochen und in die Wege geleitet sein.«
»Natürlich, Mama.« Alina beschloss, nun nicht länger mit ihrer Mutter zu diskutieren. »Bis später.«
Sie lächelte ihr verhalten zu, durchquerte die Eingangshalle des Landsitzes und trat durch die große, zweiflügelige Haustür aus schwerem Eichenholz nach draußen.
Die Maisonne schien, die Vögel zwitscherten, und der Gärtner zog gemächlich mit dem Rasentraktor seine Bahnen über das weitläufige Gelände. Die Fontäne des Springbrunnens, der in einiger Entfernung mittig in dem parkähnlichen Garten stand, glitzerte in der Sonne.
Alina ging zu den Garagen, die sich seitlich des Hauses befanden. Sie öffnete ihre mit der winzigen Fernbedienung an ihrem Schlüsselbund und stieg in ihr weißes Cabrio. In wenigen Minuten würde sie bei den Ställen sein und für ihre Follower Aufnahmen von der kleinen Stute machen, die heute Nacht das Licht der Welt erblickt hatte.
Ludwig Bernheim ließ sich von Schwester Marlene in den Rollstuhl helfen. Draußen lockte ein wundervoller Sommermorgen, und es drängte ihn, diesen mit allen Sinnen zu spüren. Leider wollten seine Beine schon lange nicht mehr, sodass er auf Hilfe angewiesen war.
»Danke, Marlene«, sagte er und tätschelte der Pflegerin, die eben eine leichte Decke über seine Beine legte, die Hand. »Wenn Sie mich jetzt noch hinaus in den Garten bringen, bin ich zunächst einmal wunschlos glücklich.«
»Gerne, Herr Bernheim«, versicherte Marlene sanft und trat hinter ihn.
Er wusste, nun legte sie die Hände um die Griffe, und schon kam Bewegung in den Stuhl. Marlene schob ihn aus seinem Zimmer im Pflegeheim Residenz Rosengarten. Er hörte ihre leichten Schritte auf dem mit dunklem Laminat belegten Flurboden und meinte, den feinen Duft nach Aprikosen zu schnuppern, der die nette junge Pflegerin tagtäglich umgab.
»Waren wir gestern auch im Garten?«, fragte er.
Er konnte sich einfach nicht erinnern. Manches vergaß er. Oder es fiel ihm erst nach langem Überlegen wieder ein.
»Ja, Herr Bernheim«, erwiderte Marlene.
Er nickte zufrieden, während sich links von ihnen eine Tür öffnete und Edelburga Schmiedeke, auf ihren Rollator gestützt, aus ihrem Zimmer kam.
»Guten Morgen, Ludwig«, grüßte sie ihn freundlich. »Hallo, Schwester Marlene.«
»Guten Morgen, Edelburga«, erwiderte Ludwig und lächelte ihr zu.
Schick war sie wieder. Das rote Kostüm mochte neu sein. Die blau-silbern gemusterte Bluse kannte er auch noch nicht.
»Hast du dir eine neue Garderobe gegönnt?«, erkundigte er sich und betrachtete sie bewundernd.
Edelburga kicherte. »Hübsch, nicht?« Sie zupfte am Revers des Blazers. »Hat mir Luise aus dem Urlaub mitgebracht. Sie war doch in der Schweiz, in Basel.«
»Es steht dir wirklich hervorragend«, versicherte er.
»Danke. Unsereins kommt ja kaum mehr irgendwohin. Wie ist denn mit Ihnen, Marlene? Fahren Sie heuer in Urlaub?«, wandte Edelburga sich an die Pflegerin.
»Wohl kaum«, erwiderte Marlene freundlich. »Ich bin ja alleine, und so macht mir eine Reise keine Freude.«
Edelburga nickte verständnisvoll, während Ludwig sich von dem Gespräch unter Frauen ein wenig ausgeschlossen fühlte.
»Kommst du mit uns in den Garten?«, schlug er Edelburga vor, um ihre Aufmerksamkeit wiederzubekommen.
Er genoss ihre Gesellschaft immer. Es plauderte sich sehr gut mit ihr, sie hatte einen wachen Geist und Witz, und ihre achtundachtzig Jahre merkte man ihr nicht an.
»Dahin bin ich auf dem Weg, lieber Ludwig«, versicherte sie und schenkte ihm ein intensives Lächeln.
Die zweiflügelige gläserne Tür, die in den Garten der Seniorenresidenz führte, glitt geräuschlos auseinander, als sie in den Einzugsbereich des Bewegungsmelders traten. Warme Sommerluft drang ihnen entgegen und die Vögel zwitscherten, als wollte einer den anderen übertönen.
»Setzen wir uns dort drüben in den Schatten?«, schlug Edelburga vor und zeigte nach links.
»Wie du möchtest, mein Liebe«, stimmte er charmant in Erwartung eines anregenden Gesprächs zu. Er war zweiundneunzig Jahre alt. Die Zeit, die ihm noch beschieden war, wollte er mit Erfreulichem füllen. »Marlenchen«, äußerte er dann bittend, legte seine rechte Hand über seine linke Schulter und tastete nach der Hand der Pflegerin, die noch immer seinen Stuhl schob. »Würden Sie Frau Schmiedeke und mir noch ein kleines Getränk bringen? Einen leichten Espresso für mich vielleicht? Und für dich, Edelburga?«
Edelburga setzte sich mit ungelenken Bewegungen an den runden Bistrotisch.
»Mir macht der Kreislauf ein wenig zu schaffen«, behauptete sie. »Ich würde ein Glas Sekt nehmen. Der soll ja helfen.«
»Sehr gerne«, stimmte Marlene zu und stellte die Bremse an Ludwigs Stuhl fest.
»Aber mit Alkohol«, mahnte Edelburga an. »Sonst hilft er ja nichts.«
»Selbstverständlich«, versicherte Marlene.
Ludwig wartete, bis die Pflegerin sich entfernt hatte.
»Ein nettes Mädchen«, befand er, an Edelburga gewandt.
»Da bin ich ganz deiner Meinung«, antwortete sie. »Ich verstehe gar nicht, warum sie noch immer nicht in festen Händen ist. Aber heutzutage ist alles so unverbindlich und kurzlebig. Darauf kann man doch nicht aufbauen.«
»Es sind nicht alle jungen Leute so«, hielt Ludwig dagegen. »Und bei Marlene meine ich, es sind auch die Arbeitszeiten. Sie ist ja so viel hier, übernimmt jede Extraschicht, wenn Not am Personal ist. Sie hat ja gar keine Zeit, jemanden kennenzulernen. – Aber nun erzähle mir doch noch vom Urlaub deiner Tochter. Hat sie Schönes erlebt in der Schweiz?«
Ludwig betrachtete seine Begleiterin aufmerksam, während Edelburga sich nicht zweimal bitten ließ und die eine oder andere Begebenheit der Reise zum Besten gab. Ludwig genoss ihr Lachen dabei, das wie ein warmer leichter Sommerregen an ihm herunterperlte, wohltuend und erfrischend. Mit Edelburga beisammenzusitzen, war wieder ein Vergnügen.
Marlene kam aus dem Haus und brachte auf einem Tablett die Getränke. Sie stellte das Gewünschte ab, vor Edelburga den Sekt und vor Ludwig seinen Espresso.
»Bitte sehr, Herr Professor«, sagte sie und lächelte.
»Professor?« Verwirrt sah er zu ihr auf.
»Aber Sie sind doch Professor, Herr Bernheim«, erinnerte Marlene ihn sanft.
»Bin ich das?«
Ihn überfiel eine eigenartige Unruhe. Dass er aber auch immer wieder Wesentliches vergaß. Das machte ihm Sorge, und es machte ihn traurig.
»Ja, Herr Professor«, bestätigte Marlene.
Die Betitelung hörte sich vertraut an. Besser ging es ihm damit nicht.
Edelburga legte leicht ihre Hand auf seinen Arm.
»Du warst ein ganz hervorragender Professor«, versicherte sie ihm. »Du hast so vielen Menschen zu ihrem Glück verholfen.«
Er war noch immer unsicher. Verschüchtert lächelte er Edelburga zu, die ihn freundlich und begütigend ansah.
»Dann wird es wohl so sein«, stimmte er ohne jegliche Überzeugung zu, doch ein wenig hatte der herrliche Morgen von seinem Schmelz eingebüßt.
»Lass uns anstoßen, Ludwig«, ermunterte Edelburga ihn ablenkend und lächelte ihm zu.
Mit zittriger Hand hob er seine Tasse und prostete ihr zu. Das Alter konnte einem schon zu schaffen machen.
Felix Prinz von Stratten saß in der kleinen, ebenso rustikal sowie behaglich eingerichteten Trattoria von Alfredo. Raumtrenner aus hölzernen Lamellen zwischen den Tischen sorgten für ein wenig Diskretion. Begrünte Holzgefäße, eingelassen in die Trennwände, vermittelten eine behagliche Atmosphäre.
Er hörte die gedämpften Stimmen weiterer Gäste und das sachte Klirren von Gläsern, die aneinandergestoßen wurden. Aus der Küche des Lokals zog ein verführerischer Duft nach Pizza und Nudelgerichten.
Felix hatte Hunger, er sehnte sich nach einer großen Portion Lasagne mit extra viel Käse darauf und nach einem köstlichen Glas Rotwein. Noch hatte er aber nichts bestellt.
Er sah auf seine Armbanduhr. Alina war mal wieder zu spät. Er wartete schon seit zehn Minuten. Sein Mobiltelefon meldete mit Vibration den Eingang einer WhatsApp-Nachricht. Sicher war es seine Verlobte, die ihm, völlig überflüssigerweise, mitteilen wollte, dass sie zu spät kam. Er zog sein Handy aus der hinteren Hosentasche und rief die Nachricht auf.
Sie war nicht von Alina. Er überflog den kurzen Text, und seine Stimmung sank unter die Kellerdecke.
Eine Hand legte sich leicht auf seine Schulter und er hörte Alinas Stimme: »Hallo, Felix. Entschuldige bitte meine Verspätung.«
Rasch schloss der Prinz die Nachricht und stand auf.
»Alina, wie schön.«
Er lächelte trotz des Ärgers, den ihm die eben erhaltene Information beschert hatte, und küsste seine Verlobte rasch und zärtlich auf den Mund.
»Du siehst toll aus«, machte er ihr ein Kompliment und fühlte ein wenig Stolz.
Diese wunderschöne Frau würde in gut vier Wochen seine Frau sein.
»Danke.« Alina lächelte ebenfalls.
Sie trug ein rotes Kleid mit schmal geschnittenem Oberteil, das in einen schwingenden Rock überging. Um ihre schlanke Taille lag ein geraffter Gürtel.
Felix ging um den Tisch und rückte ihr den Stuhl zurecht. Alina setzte sich, und auch er nahm wieder Platz.
»Du wirkst verärgert«, bemerkte sie. »Doch wohl nicht wegen meiner Verspätung? Ich gelobe Besserung, wie schon so oft. Nur kommt mir leider immer wieder etwas dazwischen.«
Ihr Verlobter rang sich ein Lächeln ab.
»Glaub mir, deine kleine Unzulänglichkeit, nebenbei bemerkt, die einzige, die mir bisher aufgefallen ist, stört mich – kaum«, versicherte er.
Sie lachte leise.
»Kaum«, wiederholte sie und schmunzelte.
»Nein, im Ernst. Ich bin tatsächlich verärgert, aber nicht wegen dir. Ich habe eben eine unerfreuliche Nachricht von Kohlhaas, meinem Anwalt, bekommen. Das Ferienhaus in Südfrankreich, von dem ich dachte, es sei die einzige Immobilie, die Holger nicht für seine Spielsucht beliehen hat, existiert gar nicht mehr«, teilte er ihr mit.
»Wie das?« Alina sah ihn verblüfft an.
»Er hatte es bei einem seiner dubiosen Glücksspiele verpfändet, und als er nicht zahlen konnte, hat der neue Eigentümer ...«, Felix betonte das Wort, »... das Haus einreißen lassen und das Grundstück veräußert. Mir bleibt also nicht einmal das.«
Eine Spur Bitternis in seiner Stimme war zu hören.
»Das tut mir furchtbar leid«, versicherte Alina und legte ihre rechte Hand auf die von Felix.
Dieser fühlte sich elend und niedergeschlagen. Gleichzeitig war es ihm wichtig, Haltung zu bewahren. Er konnte nichts dafür, dass sein mittlerweile verstorbener Cousin Holger Prinz von Kanzweil mit seiner Sucht nahezu das gesamte Hab und Gut derer von Stratten verspielt hatte.
»Dir ist schon klar, dass du einen armen Schlucker heiratest, der dir nichts bieten kann, nicht wahr?«, fragte Felix.
Er ärgerte sich über sich selbst wegen der durchaus zutreffenden Aussage. Alina wusste um seine finanzielle Situation, es war nicht notwendig, sie erneut darauf hinzuweisen.
»Darüber haben wir doch schon mehrfach gesprochen. Nein, es macht mir nichts aus«, versicherte sie. »Und sowie wie wir verheiratet sind, helfe ich dir, die Hypothek, die Holger auf das Schloss deiner Eltern aufgenommen hat, zu tilgen. Damit ist es dann wieder in deinem Besitz.«
»In unserem«, korrigierte er. »Ich lasse es im Grundbuch auf uns beide eintragen, jeweils zur Hälfte.«
»Wie du möchtest«, stimmte Alina zu.
Er hoffte sehr darauf, dass sie ihn auch dabei unterstützen würde, einige der Ländereien zu retten. Dann konnte er in seinen ursprünglichen Beruf als Landwirt zurückkehren. Doch darüber wollte er zu gegebener Zeit mit ihr sprechen. Keinesfalls wollte er, dass sie den Eindruck bekam, er wollte sie um des Geldes willen heiraten. Abgesehen davon war es für ihn beschlossene Sache, ihr jeden Euro und jeden Cent zu erstatten, mit dem sie ihm half, das Erbe seiner Eltern zu retten.
Er lächelte Alina zu. Er fühlte sich sehr zu ihr hingezogen, und er war beeindruckt von ihrer Sicherheit und Entschlossenheit, trotz ihres Standes als Influencerin zu arbeiten. Und nicht nur das – sie war auch sehr erfolgreich darin, was ihre Eltern wiederum nicht im Geringsten beeindruckte. Mit ihr an seiner Seite sah er eine gute Chance, zumindest einen Teil des Familienbesitzes zurückerwerben zu können.
Alina erwiderte sein Lächeln. Er hatte den Eindruck, sie wollte noch etwas sagen, überlegte es sich dann aber anders.
Er zog seine Hand zurück.
»Lass uns bestellen«, bat er.
Alina, die sich rasch für eine Portion Cannelloni entschieden hatte, musterte Felix unauffällig, der sorgsam die Speisekarte studierte. Seine Hände waren sehr gepflegt, unter seinem hellgrünen Hemd erahnte sie seine Muskeln. Felix Prinz von Stratten hatte eine sehr sportliche Figur. Seine dichten dunklen Haare fielen ihm in die Stirn. Er sah ernst drein. Wieder einmal musste sie feststellen, wie attraktiv er war.