Fürsten-Roman 2675 - Caroline Steffens - E-Book

Fürsten-Roman 2675 E-Book

Caroline Steffens

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Beschreibung

Clarissa Prinzessin von Lehenstorf, einziges Kind der Eheleute Elvira und Bernhard von Lehenstorf, hat sich mit ihrem eigenen Blumenladen einen Traum erfüllt. Privat ist sie mit dem Bankierssohn Sven Gerster liiert. Doch die Beziehung kriselt. Als der Erbe der Lehenstorfs, Cousin Johannes, bei einem Jagdunfall tödlich verunglückt, wendet sich das Blatt. Sven glaubt sich nun am Ziel seiner Träume, da Clarissa nun doch ihr Erbe antreten muss. Er sieht sich schon als Burgherr und Miteigentümer eines Weingutes.
Die junge Floristin ist mit der neuen Situation zunächst überfordert. Sie muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen und ihr Leben neu sortieren. Während sie für ein paar Tage auf die Burg zieht, um die Unterlagen zu prüfen, gibt sie die Geschicke ihres Ladens in die Hände ihrer Angestellten.
Vor Ort stellt sie anhand von Kontoauszügen, Schriftverkehr und vielen anderen Papieren rasch fest, dass Johannes in großem Stil Gelder veruntreut hat. Das Weingut steht kurz vor dem Ruin, um die Schulden zu begleichen, so fürchtet sie, muss die Burg verkauft werden. Clarissa ist schockiert. Das Erbe der Lehenstorf scheint verloren - bis eines Nachts das Schicksal an die Burgtür klopft ...


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Inhalt

Cover

Die Prinzessin aus dem Blumenladen

Vorschau

Impressum

Die Prinzessin aus dem Blumenladen

Sie lebt ihren Traum, bis das Schicksal den Plan ändert

Von Caroline Steffens

Clarissa Prinzessin von Lehenstorf, einziges Kind der Eheleute Elvira und Bernhard von Lehenstorf, hat sich mit ihrem eigenen Blumenladen einen Traum erfüllt. Privat ist sie mit dem Bankierssohn Sven Gerster liiert. Doch die Beziehung kriselt. Als der Erbe der Lehenstorfs, Cousin Johannes, bei einem Jagdunfall tödlich verunglückt, wendet sich das Blatt. Sven glaubt sich nun am Ziel seiner Träume, da Clarissa nun doch ihr Erbe antreten muss. Er sieht sich schon als Burgherr und Miteigentümer eines florierenden Weingutes.

Die junge Floristin ist mit der neuen Situation zunächst überfordert. Sie muss sich erst einmal einen Überblick verschaffen und ihr Leben neu sortieren. Während sie für ein paar Tage auf die Burg zieht, um die Unterlagen zu prüfen, gibt sie die Geschicke ihres Ladens in die Hände ihrer Angestellten.

Vor Ort stellt sie anhand von Kontoauszügen, Schriftverkehr und vielen anderen Papieren rasch fest, dass Johannes in großem Stil Gelder veruntreut hat. Das Weingut steht kurz vor dem Ruin, um die Schulden zu begleichen, so fürchtet sie, muss die Burg verkauft werden. Clarissa ist schockiert. Das Erbe der Lehenstorf scheint verloren – bis eines Nachts das Schicksal an die Burgtür klopft ...

Elvira Fürstin von Lehenstorf warf ihrem Mann Bernhard einen bekümmerten Blick zu.

»Du weißt, Bernhard, dass ich deine stets wohl durchdachten Entscheidungen nie infrage stelle. Doch in dem Fall – verzeih mir, wenn ich es so deutlich sage – fürchte ich, handelst du nicht so vorausschauend, wie du es all die Jahre getan hast, seit du das Weingut und die Burg von deinen Eltern übernommen hast. Du möchtest Clarissa glücklich sehen, und wie du weißt, möchte ich das auch. Sie ist schließlich unser einziges Kind. Aber glaubst du wirklich, ihre Zukunft liegt darin, einen Blumenladen in der Ortschaft zu betreiben und diesen Bankierssohn zu heiraten?« Der Vorwurf in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Bernhard von Lehenstorf lächelte zurückhaltend. Seit fast vierzig Jahren war er nun schon mit Elvira verheiratet. Viele seiner Entscheidungen hatte sie über die Jahre durchaus kritisiert, jedoch immer sehr dezent. So deutliche Worte wie heute hatte sie noch kaum je gesprochen.

»Ich sehe dies als Spielerei, als ein Experiment. Clarissa möchte eine Zeit lang bürgerlich leben und das hat sie ja nun getan«, sprach die Fürstin weiter und fuhr sich mit einer leichten Bewegung über die dunklen Haare, die mittlerweile von etlichen grauen Strähnen durchzogen waren. Sie trug sie zu einem perfekt geschlungenen Knoten im Nacken.

»Es wird Zeit, dass sie ihre Pflichten wahrnimmt«, ergänzte sie und hielt sich noch aufrechter als sonst in ihrem Stuhl aus der Biedermeierzeit.

Die Nachmittagssonne schien in den großzügigen Salon von Burg Lehenstorf, streichelte über die mahagonifarbenen Möbel und ließ die Farben des riesigen Perserteppichs leuchten, der auf dem glänzenden Jahrhunderte alten Parkett lag.

»Du hast recht, meine Liebe«, erwiderte Bernhard von Lehenstorf. »Ich möchte Clarissa glücklich sehen. Und genau deswegen erbt unser Neffe Johannes das Weingut und die Burg. Ich weiß, du wünschst dir, dass die Tradition fortgeführt wird und unsere Tochter hier alles übernimmt und jemanden von Adel als Partner wählt. Doch ich bin sicher, Clarissa geht ihren Weg – und das ist nun einmal nicht der unsrige. Ob sie Sven Gerstner heiratet, nun, da ist das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen.«

Elvira betrachtete niedergeschlagen ihre sorgfältig manikürten Fingernägel mit dem dezenten hellrosa Nagellack.

»Immerhin sind sie verlobt«, gab sie zu Bedenken.

»Was nicht unumstößlich ist«, hielt Bernhard ruhig dagegen.

Elvira rümpfte die Nase und glättete sie sofort wieder.

»Ich hatte gehofft, dass du von diesem unvertretbaren Gedankengang wieder Abstand nimmst«, konnte sie sich nicht verkneifen zu sagen.

»Nein«, erwiderte Bernhard entschlossen. Er stand auf und ging zu dem Servierwagen mit den gläsernen Ablageflächen und den messingfarbenen Umläufen. Er füllte zwei kleine Gläser mit Sherry und brachte eines davon seiner Frau.

»Danke.« Sie nahm ihm das kleine geschliffene Glas mit der honigfarben schimmernden Flüssigkeit ab.

»Zum Wohl, meine Liebe.« Bernhard hob sein Glas und nickte seiner Frau zu.

»Zum Wohl«, murmelte Elvira und nippte an dem aromatischen Getränk.

»Jedenfalls dachte ich, dass wir anlässlich unseres vierzigsten Hochzeitstages nächsten Monat ein paar Herren einladen, die besser zu unserer Tochter passen als dieser Herr Gerstner.«

»Ich möchte mich da ungern einmischen«, erklärte Bernhard, der sich wieder auf seinen Stuhl, schräg gegenüber seiner Frau, gesetzt hatte. Im Gegensatz zu ihr, die ihren Rücken in etlichen Zentimetern Abstand zur Lehne hielt, machte er es sich bequem. Die Rückenlehne knarrte leise, als er sein Gewicht dagegen drückte.

Elvira seufzte und drehte den Stil ihres Glases bedächtig zwischen den Fingern.

»Ich werde Johannes bitten, uns nächste Woche für ein paar Tage zu besuchen. In der Zwischenzeit sehe ich noch einmal die Verträge durch, die unser Anwalt, Gustav Brückner, vorbereitet hat. Clarissa erhält eine sehr großzügige Abfindung und ein lebenslanges Wohnrecht auf der Burg, wie besprochen.«

»Ich merke, ich kann dich nicht umstimmen«, gestand Elvira resigniert.

»In dem herrlichen Ostflügel mit dem Rosengarten«, ergänzte Bernhard lächelnd, ganz so als hätte seine Frau nichts gesagt.

Er hielt ihr versöhnlich die Hand hin. Mit einem weiteren Seufzen legte Elvira ihre hinein.

»Nun, ich sehe schon, ich muss mich damit abfinden, dass das Weingut und unser schönes Heim in die Hände unseres Neffen übergeben werden«, meinte sie und seufzte.

»Und unser Töchterchen kann sein Leben frei und unbeschwert so leben, wie sie es möchte«, erinnerte Bernhard seine Frau.

»Das hätte Clarissa hier auch...«, setzte Elvira erneut an, gegen Bernhards Entscheidungen zu argumentieren.

»Nein, Liebes. Das weißt du, so gut wie ich. Die Burg ist herrlich, aber es ist auch eine Last, sie instand zu halten. Von dem Arbeitseinsatz, den das Weingut erfordert, will ich gar nicht reden. Clarissas Leben würde nur noch aus Arbeit bestehen.«

Clarissa von Lehenstorf fuhr sich mit dem Unterarm über die Stirn, um eine Haarsträhne, die ihr immer wieder über die Augen fiel, beiseitezuschieben. Sie wollte eben aus dem Lieferwagen der Firma Floristik Hummel eine Trage mit Geranien herausheben, als sie auf der Straßenseite gegenüber ihren Freund Sven Gerstner stehen sah. Mit lässiger Eleganz lehnte er an seinem silbergrauen Sportwagen. Da er Anzug und Krawatte trug, war er wohl direkt von der Arbeit hierhergefahren. Sie hob die Hand, um ihm zu winken. Sven sah nach links und rechts und überquerte die Straße, ohne ihren Gruß zu erwidern.

»Hallo, Clarissa«, begrüßte er sie und hielt zwei Armlängen Abstand.

Prüfend musterte er seine Freundin. Clarissa musste nicht an sich heruntersehen, um zu wissen, was ihm missfiel. Sie trug eine dunkelgrüne Arbeitsbundhose und ein graues T-Shirt, auf dem einige Erd- und Wasserflecke zu sehen waren. Der Zopf, den sie heute Morgen geflochten hatte, war dabei sich aufzulösen, und auch ihre Hände waren alles andere als sauber, da sie selten Handschuhe bei der Arbeit trug.

»Hallo, mein Schatz«, erwiderte sie freundlich und tat, als würde sie die Distanz, die er hielt, nicht bemerken.

»Du hast es vergessen, oder?« Verärgert ließ Sven seinen Schlüsselbund um den Zeigefinger kreisen.

»Vergessen? Was denn?« Clarissa bekam eine Ahnung. »Mist! Die Einladung von deinem Kollegen zum Abendessen, anlässlich seines Geburtstages, hab ich recht?«

»Die Einladung von meinem Vorgesetzten zu seinem sechzigsten Geburtstag, richtig, mein Herz. Wir sind spät dran. Ich wäre gerne pünktlich.« Missbilligend taxierte er sie erneut.

»Es tut mir wirklich leid, Sven. Die Lieferung mit den Geranien ist eben erst gekommen und ich muss sie unbedingt noch ausladen. Geh doch schon mal vor, ich komme nach.«

Sven schnalzte verärgert mit der Zunge.

»Kommt nicht infrage. Lass das Grünzeug deine Angestellte ausladen. Außerdem waren wir bei deiner Wohnung verabredet und wer ist nicht da? Du.«

»Es tut mir leid, Sven«, wiederholte Clarissa, die nun tatsächlich das schlechte Gewissen packte. Sie hatte die Einladung völlig vergessen. »Warum hast du mich nicht angerufen, als du mich nicht zu Hause angetroffen hast?«

»Das habe ich. Wahrscheinlich ist bei deinem Handy wieder der Akku leer und in deinem Büro ist niemand ans Telefon gegangen. So, wie du aussiehst, kannst du jedenfalls nicht mit.«

Clarissa seufzte. »Das ist schon klar. Kannst du nicht alleine hingehen und mich entschuldigen?«

Sven schnappte nach Luft.

»Auf keinen Fall. Konrad Wendt möchte dich sehr gerne kennenlernen. Nun übergib deiner Mitarbeiterin die Verantwortung für die Ware und fahre voraus. Ich komme nach und sowie du geduscht und dich umgezogen hast, fahren wir in das Restaurant. Zieh das hübsche rote Kleid an, es steht dir fantastisch. Ich rufe Wendt an und behaupte, wir wären aufgehalten worden durch ... ach, was weiß ich. Mir wird schon was einfallen.«

»Also gut«, gab Clarissa sich geschlagen. »Wir treffen uns bei mir.«

Sven Gerstner stand, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, in Clarissas Wohnzimmer und blickte aus dem Fenster. Aus dem Bad hörte er das Wasser rauschen. Er sah auf eine Terrasse, vor der sich ein kleines Stück Garten befand, eingefasst von einer blickdichten Thujahecke. Auf der Terrasse standen ein rundes Tischchen und zwei schlichte Stühle. Der Rasen war ordentlich gemäht. Das hatte Clarissa natürlich auch selbst gemacht, obgleich sie sich dafür durchaus Personal hätte leisten können. Wobei sich Personal für die paar Quadratmeter Garten eigentlich nicht lohnte, das sah er schon ein. Als Blickfang diente ein amphorenartiger Blumenkübel, bepflanzt mit Petunien in rot, gelb und lila.

Wie hatte sie sich nur entscheiden können, so zu leben? Wie hatte sie ihr Zuhause, die prachtvolle Burg Lehenstorf, die sich auf dem gleichnamigen Hügel über der Ortschaft erhob, gegen eine solch schlichte Wohnung zur Miete austauschen können? Und anstatt engagiert ihr Erbe, das Weingut, zu verwalten und neue Kunden zu akquirieren, um das Geschäft zu vergrößern, wollte sie lieber in Blumenerde wühlen und Grünzeug verkaufen.

Gerstner wandte sich ab und setzte sich auf einen der beiden cremefarbenen Clubsessel. Durch eine Ehe mit Clarissa hatte er zum Prinzgemahl werden wollen. Die Möglichkeit bestand ja nach wie vor. Doch welches Leben würden sie leben? Ein schlichtes, bürgerliches wahrscheinlich, genau das, was er nicht wollte. Vermutlich würden sie nie zusammen auf der herrlichen Burg wohnen, auf der Clarissa immerhin noch lebenslanges Wohnrecht hatte. Die Vorstellung reizte ihn nach wie vor, auch wenn Cousin Johannes sehr stören würde. Nicht nur durch seine bloße Anwesenheit, das Anwesen war ja groß genug, um sich aus dem Weg zu gehen. Nein, vor allem, weil er die Geschicke des Weinguts leitete, um die Sven sich zu gern selbst gekümmert hätte. Er hätte mit seinem Wissen und seinen Fähigkeiten als Unternehmensberater sicher viele Geschäftsabläufe optimieren können.

Sven streckte die Beine von sich. Er hatte es nicht fassen können, als Clarissa ihm vor über zwei Jahren mitgeteilt hatte, dass sie ihr Erbe nicht antreten wolle und stattdessen ihr Cousin Johannes von Altenberg sowohl das Weingut als auch die Burg übernehmen würde. Lange Zeit hatte er geglaubt, ihr Engagement für das kleine Floristikgeschäft mit Gärtnerei wäre nur eine vorrübergehende Spielerei, getrieben von der Neugier auf ein bürgerliches Leben. Doch er hatte sich geirrt. Clarissa hatte sowohl ihn als auch ihre Elternruhig und entschlossen wissen lassen, dass sie sich nicht als Burgherrin und Eigentümerin des Weingutes Lehenstorf sah. Für eine Weile hatte Gerstner noch alle Hoffnung, sie könnte zur Vernunft kommen.

Sven massierte sich den Nacken. Im Bad wurde die Dusche abgestellt. Er sah auf die Uhr. Sie würden nie und nimmer pünktlich kommen. Das war sehr ärgerlich. Er hatte sowohl beiläufig als auch ganz entspannt und freundlich an Wendts Seite sein wollen, wenn er die Gäste begrüßte. Schließlich kamen etliche von Rang und Namen. Gerald Schmieger, dem über das ganze Bundesgebiet verteilt Juweliergeschäfte gehörten, Sandra Stolze, die Inhaberin der größten Pralinenmanufaktur im Umkreis von 500 Kilometern, Werner Kalupke, der eine Fabrik für maßgeschneiderte Schuhe besaß, zumeist aus feinstem italienischem Leder gefertigt, sowie viele andere Kunden, denen Wendt und er mit dessen Unternehmensberatung schon zur Seite gestanden hatte. Gute Kontakte waren bare Münze wert.

Nun ja, die Elite kam oft als Letztes, versuchte Sven sich die anstehende Verspätung schön zu reden. Zudem war er immer noch der Freund der Prinzessin von Lehenstorf und in ihrem Stand konnte sie es sich erlauben, zu spät zu kommen. Dennoch musste er nun Wendt informieren, dass sie unpünktlich erscheinen würden. Wie er das begründen wollte, war ihm noch nicht klar. Doch. Er würde einfach die Wahrheit sagen. Clarissa war noch mit Frisur, Kleidung und Make-up beschäftigt. Sven zog sein Handy aus der Tasche. Er wollte gerade Wendts Telefonnummer aufrufen, als Clarissas Mobiltelefon läutete.

Clarissa hatte sich eben ein Handtuch um den Körper gewickelt, als sie ihr Telefon klingeln hörte. Barfuß trat sie aus dem kleinen Badezimmer. Über ihre nackten Schultern tropfte Wasser aus ihren frisch gewaschenen Haaren. Sven saß im Wohnzimmer im Sessel und sah ihr entgegen, sein Handy in der Hand. Ihres lag auf dem Couchtisch. Auf dem Display sah sie das Bild ihrer Mutter. Sie nahm das Gespräch an.

»Hallo, Mama«, begrüßte sie sie und tauschte einen Blick mit Sven aus.

Sie hätte nicht rangehen sollen. Sie hatte jetzt sowieso keine Zeit, um länger mit ihrer Mutter zu sprechen.

»Clarissa«, hauchte Elvira von Lehenstorf ins Telefon. »Es ist etwas Grauenhaftens passiert.« Clarissa überlief ein Kälteschauer. Sie hielt mit der freien Hand das Badetuch fest, obwohl es sicher an ihrem Körper saß.

»Was ist los, Mama?« Ihr Mund wurde trocken.

»Johannes ist tot.«

»Wie bitte?« Clarissa war fassungslos, zugleich überkam sie Erleichterung, über die sie nicht nachdenken wollte. Offenbar war ihr Vater wohlauf.

»Ja, es ist entsetzlich. Wir können es einfach nicht glauben. Es war ein Unfall, bei der Jagd. Er ist vom Pferd gestürzt und hat sich das Genick gebrochen.« Ihre Mutter schluchzte auf.

Clarissa setzte sich auf das Sofa.

»Oh, Mama. Es tut mir unendlich leid.« Sie sah ihren Cousin vor sich, groß und schlank, die braunen Haare stets penibel zurückgekämmt und mit Gel an Ort und Stelle gehalten. Die schmale, goldgeränderte Brille, das sorgfältig rasierte Gesicht, und sie meinte sogar, sein Eau de Toilette zu schnuppern, von dem er immer ein wenig mehr auftrug, als sie für gut befand.

»Clarissa.« Sie hörte, dass ihre Mutter um Fassung rang.

»Ja?« Ein unheilvolles Gefühl beschlich sie, während sie noch damit beschäftigt war, die ungeheuerliche Nachricht zu begreifen.

»Dir ist doch klar, was das bedeutet?«, fuhr Elvira von Lehenstorf fort.

Clarissa hörte die unbeugsame Erwartungshaltung ihrer Mutter aus den wenigen Worten und ihr war, als würden sich eiserne Arme um sie legen.

»Mama, bitte«, erwiderte sie mit spröder Stimme. »Ich weiß seit kaum einer Minute was vorgefallen ist.«

»Natürlich.« Die Mutter hatte sich wieder unter Kontrolle. »Papa und ich reisen morgen an. Wir werden am frühen Abend vor Ort sein, und wir hoffen sehr, dich auf der Burg anzutreffen, damit wir alles Weitere besprechen können.«

»Sicher«, würgte Clarissa hervor.

Ihre Finger waren eiskalt, als sie mit zitternder Hand das Mobiltelefon wieder auf den Couchtisch legte.

»Was ist los?«, forschte Sven.

»Johannes ist tot. Er ist vom Pferd gefallen und hat sich das Genick gebrochen«, informierte sie ihn.

Sie presste die nackten Knie zusammen und schlang beide Arme fest um sich. So leid es ihr tat, was geschehen war, sie ahnte, dass in Folge des Unglücks auch ihr Leben ins Wanken geriet.

Sven Gerstner setzte sich neben Clarissa und legte den Arm um ihre bloßen Schultern.

»Clärchen«, sagte er sanft und wählte bewusst den Kosenamen, den er ihr zu Beginn ihrer Beziehung oft gegeben hatte. »Das tut mir wirklich leid.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Schläfen und tat gleichzeitig alles, um die geradezu eskalierende Hoffnung in ihm zu beherrschen.

Johannes hatte ein tragisches Schicksal ereilt.

In Folge dessen musste Clarissa nun doch ihr Erbe antreten, denn sonst war niemand da. Und für ihn hatten sich Geduld und Warten gelohnt, auch wenn ihm jetzt erst, in eben diesem Moment, klar wurde, dass er im Stillen auf ein Wunder gewartet hatte. Aber er musste Clarissa Zeit geben. Und er musste schleunigst Wendt absagen. Nun hatte er eine Begründung, die ihm sein Vorgesetzter nicht verübeln konnte. Bedauerlich war nur, dass er jetzt ganz auf die Feierlichkeit verzichten musste, damit man ihm nicht Pietätlosigkeit unterstellen konnte.

»Ich rufe rasch Wendt an«, informierte er seine Freundin mit gedämpfter Stimme.