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Das Publikum stöhnte auf. Es litt mit seinem Helden, während die magischen Flammen immer höher wanderten und nun bald seinen gesamten Arm umwickelt hatten.
Mit einem wütenden Knurren riss sich der Dämon mit der gesunden Klaue den Arm ab und schleuderte ihn in die Zuschauermenge.
Panik brach aus. Die Flammen griffen sofort um sich, schnappten nach neuen Opfern. Wer konnte, versuchte sich in Sicherheit zu bringen.
Plötzlich verdunkelte sich der Saal, ein hohes, durch Mark und Bein gehendes Kreischen übertönte sämtliche Hilfeschreie. Die Luft war in Bewegung von flatternden schwarzen Schwingen. Riesige Schatten brachen sich an den Wänden und warfen einen Mantel aus Finsternis über die Zuschauer. Wie eine Decke senkte sie sich über sie hinab ...
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Cover
Impressum
Was bisher geschah
Grauen im Rampenlicht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4212-3
www.bastei-entertainment.de
Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Dämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor fliehen will, jagt Johnny ihm zwei Silberkugeln hinterher. Er trifft den Dämon! Eine der Kugeln pflügt eine tiefe Furche in den grässlichen Schnabel des Dämons. Doch sie kann ihn nicht aufhalten. Also springt auch Johnny durch das Tor und folgt dem Mörder seiner Mutter.
Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Johnny ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse – und voller Gefahren.
Abermals gerät er dort mit dem Mörder seiner Mutter aneinander, im Tunnel einer U-Bahn, doch der Schnabeldämon flieht, und Johnny verliert seine Spur.
Wochenlang irrt er in diesem Moloch von einer Stadt umher, in der Menschen und Dämonen miteinander leben und die ihm nicht nur deshalb fremd bleibt – auch wenn sie vertraute Züge aufweist und in vielen Details an Städte wie etwa eine ältere Version seiner Heimat London oder auch von New York aussieht. Aber andere Einzelheiten unterscheiden Twilight City eben auch von allen Orten, die er je kennengelernt hatte.
Irgendwann findet er die Fährte des Mörders dann doch wieder. Sie führt ihn in einen Nachtclub, wo er allerdings herausfinden muss, dass es nicht nur einen Schnabeldämon gibt, sondern viele. Und beinahe tötet er den Falschen. Der Manager des Clubs überwältigt ihn jedoch vorher.
Die Polizei holt ihn ab, und ein Richter, ebenfalls ein Schnabeldämon, verurteilt ihn aufgrund der Geringfügigkeit seines Vergehens zu einer Geldstrafe – die er allerdings mangels hiesiger Mittel nicht begleichen kann. Daraufhin wird aus dem Bußgeld eine Haftstrafe: Fünfzig Jahre soll er einsitzen!
Er ist schon fast auf dem Weg ins Gefängnis, als ihn einer der Polizisten, die er kennengelernt hat, aus dem Transporter holt, um ihn woanders hinzubringen. Wohin und warum, das verrät ihm der unheimliche Panthermann nicht.
Auf dem Weg zu dem unbekannten Ziel kommt es zu einem Unfall. Und zwar zu einem, der absichtlich verursacht wird!
Wynn Blakeston, wie Johnny sich in dieser Welt inzwischen nennt – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will –, hat gesehen, wie der andere Wagen auf sie zusteuerte. Allein am direkten Kurs des Fahrzeugs war zu erkennen, dass der Fahrer sie rammen wollte – aber mehr noch hat es sein Gesicht verraten, das Wynn in seinem letzten wachen Augenblick ganz deutlich gesehen hat: das Gesicht nicht irgendeines Dämons, sondern eines Schnabeldämons – und nicht irgendeines Schnabeldämons, sondern das Gesicht des Mörders seiner Mutter!
Er hat es eindeutig wiedererkannt an der Furche, die seine Silberkugel in dem langen Schnabel des Dämons hinterlassen hatte!
Als er nach dem Unfall erwacht, findet er sich im Haus von Sir Roger Baldwin-Fitzroy wieder, in dem auch dessen Tochter Abby und der dämonische Diener Esrath, ein sogenannter Naturalis, leben.
Sir Roger hat Wynn aus dem Gefängnis freigekauft – warum, das weiß Wynn nicht. Während er noch darüber nachgrübelt, blickt er aus dem Fenster – und erstarrt.
Vor dem Haus steht der Schnabeldämon!
Grauen im Rampenlicht
von Logan Dee
Das Mädchen war an einen Stuhl gefesselt. Das Seil schnitt tief in das Fleisch und schuf blutige Furchen.
Der Schnabeldämon näherte sich seinem Opfer. Es schien ihm einen unbändigen Spaß zu bereiten, es so leiden zu sehen. Pure Todesangst verzerrte das Antlitz der jungen Frau. Die blauen Augen waren weit aufgerissen. Der grässliche Dämon spiegelte sich darin.
Und dann stach er mit einer seiner langen, rasiermesserscharfen Krallen zu …
Das war erst der Anfang. Wieder stach der Dämon zu. Als er die Klaue wieder herauszog, war sie blutrot. Triumphierend sah er die geifernden Zuschauer an. Sie johlten begeistert.
Doch plötzlich ging ein Raunen durch das Publikum. Die Ersten schrien auf. Warnten. Riefen.
Ein junger bleichgesichtiger Mann schlich sich von hinten an. Er hatte einen Dolch in der linken Hand. Die gekrümmte Klinge war mindestens dreißig Zentimeter lang. Wie ein Spiegel funkelte sie im Scheinwerferlicht und warf goldfarbene Reflexe auf die Bühne.
Der Schnabeldämon hatte die Gefahr in seinem Rücken nicht bemerkt. Noch immer sonnte er sich in seinem Triumph. Er wandte sich wieder seinem Opfer zu.
Mit einem Schrei, in dem Wut und Verzweiflung lagen, sprang der Mann vor und holte weit mit dem Dolch aus. Magische Zeichen waren auf der Klinge zu erkennen. Feine, filigrane Linien, die sich wie Schlangen zu bewegen schienen und nun aufglühten.
Blitzschnell, sodass kaum jemand seiner Bewegung folgen konnte, wirbelte der Schnabeldämon herum. In einer einzigen fließenden Bewegung schlug er die Hand, die den Dolch umfasste, beiseite. Der Angreifer wurde nach hinten geschleudert und landete auf dem Parkett. Doch noch immer hielt seine Hand den Dolch fest umklammert.
Mit einem animalischen Fauchen, das an einen hungrigen Alligator erinnerte, sprang der Dämon auf das am Boden liegende Opfer.
Der junge Mann schrie vor Schmerzen, hechelte nach Luft, während der Dämon ihm den Dolch entwendete. Mit der Faust schlug er zu, sodass sich die Finger lösten, und der Dolch klirrend zu Boden fiel.
Der Dämon griff danach, zuckte jedoch zurück. Die magischen Zeichen schienen nun ein Eigenleben zu entwickeln, kringelten sich in irrwitziger Geschwindigkeit, kaum mehr nachvollziehbar für menschliche Sinne, wuchsen aus der Klinge heraus, blähten sich auf, züngelten sich dem Dämon entgegen.
Bevor er wieder einen ausreichenden Abstand zwischen sich und dem Dolch hergestellt hatte, hatten sich die ersten der schlangengleichen Glyphen um sein Handgelenk gewickelt. Wie glühende Schlingpflanzen wickelten sie sich um die Klaue des Dämons, fraßen sich tief in das Fleisch. Aufbrüllend sprang der Gepeinigte auf, versuchte die Schlangenflammen abzustreifen.
Das Publikum stöhnte auf. Es litt mit seinem »Helden«, während die magischen Flammen immer höher wanderten und nun bald den gesamten Arm umwickelt hatten.
Mit einem wütenden Knurren riss sich der Dämon mit der gesunden Klaue den Arm ab und schleuderte ihn in die Zuschauermenge.
Panik brach aus. Die Flammen griffen sofort um sich, schnappten nach neuen Opfern. Wer konnte, versuchte sich in Sicherheit zu bringen.
Plötzlich verdunkelte sich der Saal, ein hohes, durch Mark und Bein gehendes Kreischen übertönte sämtliche Hilfeschreie. Die Luft war in Bewegung von flatternden schwarzen Schwingen. Riesige Schatten brachen sich an den Wänden und warfen einen Mantel aus Finsternis über die Zuschauer. Wie eine Decke senkte sie sich über sie hinab.
Doch die Schattenvögel hatten es nicht auf das Publikum abgesehen. Hungrig stürzten sie sich auf das Flammengewürm, zerrissen es mit ihren scharfen, spitzen Schnäbeln, verschlangen es in offensichtlicher Gier.
Innerhalb von zwei Minuten war der Spuk vorbei. Mit lautem Kreischen zogen die Schattenvögel wieder davon.
Zurück blieben ein paar Dutzend verstörte Zuschauer. Viele von ihnen waren verletzt, und es gab drei Leichen: zwei Dämonen, ein Mensch.
Aus der Ferne drang das auf und ab schwellende Heulen sich nähernder Sirenen wie ein sich ankündigendes neues Unheil ins Ripp Tide herein.
***
24 Stunden zuvor
Norek duckte sich tiefer in die Schatten der Bäume, die Sir Rogers Haus umgaben. Es war nicht das erste Mal, dass der Schnabeldämon hier eingedrungen war. Er kannte die Fallen, mit denen Sir Roger sich vor Dämonen schützte. Jede einzelne hatte er ausgekundschaftet. Manchmal kamen neue dazu, während alte ihre Funktion erfüllt hatten. Ein falscher Schritt, und auch Norek würde in einer der Fallen elendig verrecken.
Jede Falle schürte Noreks Hass. Das Menschengezücht glaubte sich erhaben, glaubte, etwas Besseres zu sein als die Dämonen. Und dank der Gesetze waren sie zumeist im Vorteil. Gesetze, die vor allem von Menschen gemacht worden waren, auch wenn sie sich den Anschein gaben, dass die Dämonen gleichberechtigt seien, und es sogar Dämonen als Polizisten und Richter gab.
In Wahrheit hielten sie die Dämonen so nur noch besser in Schach, glaubten sie. Und auch über ihn erlaubten sie sich zu richten. Aber wer sagte, dass das Gute besser war als das Böse? Vielleicht war es ja umgekehrt? Nein, nicht vielleicht! Ganz sicher sogar!
Dämonen waren nicht auf der Welt, um sich den Menschen anzupassen. Sie existierten, um die Menschen zu töten, sich ihren Lebensraum zurückzuerobern. Norek hatte eine andere Welt kennengelernt. Eine, in der es keine Strafen für Dämonen gab – weil die meisten Menschen nicht an sie glaubten. Eine, in der vielmehr das Gute bekämpft und bestraft wurde. Von Geschöpfen wie ihm, die das Böse in die Welt trugen.
In Twilight City jedoch war es anders: Die Menschen wussten nicht nur, dass Dämonen existierten, sie leben sogar Seite an Seite mit ihnen.
Aber wehe, einer wie er hielt sich nicht an die von Menschen gemachten Regeln. Noch immer zählte ein toter Dämon weniger als ein toter Mensch.
Norek spuckte aus. Vor Ekel. Besonders, wenn er daran dachte, wer in dem Haus lebte, das er observierte, brodelte in ihm die Wut. Vor allem auf den einen empfand er abgrundtiefen Hass.
Er verschmolz geradezu mit der Dunkelheit, traute sich aber nicht näher, während er still das Haus betrachtete. Die steinernen Figuren, die ihre Köpfe unter den Dachvorsprüngen hervorstreckten, schienen seinerseits ihn zu beobachten. Wie die Scherenschnitte schwarzer Gargoyles hoben sie sich vor dem nachtgrauen Himmel ab, in dem dichte Wolkengebirge dahinrasten.
Norek streckte seine Sinne aus. Er wusste, dass er heute nicht zu seinem Ziel kommen würde. Aber es gab ihm allein schon eine Befriedigung, seinem Gegner so nah zu sein. Der andere mochte ahnen, dass er ihn belauerte, aber er konnte ihn nicht sehen, nicht spüren, nicht wittern!
Was waren die Menschen doch arm und schwach! Ein Triumphgefühl durchflutete Norek, während er sich vorstellte, was er mit dem Menschen alles anstellen würde, wenn er ihn erst einmal in die Klauen bekäme …
Halt! Da war etwas! Eine kaum merkliche Bewegung hinter einem der Fenster. Ein Mensch, sagte ihm seine Witterung.
In der nächsten Sekunde war er schon nicht mehr zu sehen. Aber er war noch da, versteckte sich hinter den Mauern …
Norek konnte seine Angst riechen, aber auch seine Wut. Oh ja, das war großartig! Begierig sog er die Gerüche in sich auf.
Fast zu spät hätte er den anderen bemerkt. Esrath! Der dämonische Hausdiener, dessen Existenz ihn daran hinderte, schon längst sein Werk vollzogen zu haben, war aus dem Hauseingang getreten.
Norek huschte lautlos zurück, faltete seine Aura, die ihn vielleicht verraten hätte, wie ein Blatt zusammen, bis sie selbst für Dämonen nicht mehr wahrnehmbar war, und rührte sich nicht mehr. In dieser Seinsebene war er nicht auffälliger als irgendein lebloser Stein unter Millionen anderen.
Aus seinem sicheren Versteck heraus beobachtete er, wie der livrierte Dämon namens Esrath Witterung aufnahm. Doch plötzlich zuckte Esraths Blick zu den Fenstern neben der Eingangstür. Aha, also hatte auch er den jungen Spion dort bemerkt. Dann sah der Diener aus seinen kleinen schwarzen Augen wieder in Noreks Richtung, sein Blick verweilte kurz, dann ließ er ihn durch den Park schweifen.
Wie er selbst, so konnte auch Norek in der Dunkelheit nicht viel mehr erkennen als jeder Mensch. Aber ihm standen andere Sinne zur Verfügung. Sinne, die in Bezug auf Norek nach wie vor nicht anschlugen. Esraths Nasenflügel blähten sich, ein eisiger Hauch legte sich über den Park und brachte die Bäume und Büsche zum Erzittern. Schatten ballten sich dort, wo eigentlich keine sein durften. Ein Grollen wie ferner Donner rollte vorüber.
Norek grinste insgeheim. Der Diener mochte sich noch so anstrengen, er würde ihn niemals entdecken. Kurz überlegte er sogar, an Esrath vorbei heimlich ins Hausinnere zu huschen. Aber das erschien ihm dann doch zu tollkühn. Jederzeit konnte der andere ihn doch durch Zufall bemerken.
Er musste Geduld haben. Geduld hatte ihn bisher immer ans Ziel geführt.
Und so wartete er ab, sah zu, wie Esrath sich noch einmal genau umsah, aber schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, wieder zurück ins Haus ging und die Tür hinter sich schloss.
Endlich! Er hatte noch einmal Glück gehabt.
Auf demselben Weg, den er gekommen war, verließ Norek das Grundstück.
Und genauso heimlich und unbemerkt.
Zumindest glaubte er, dass niemand ihn gesehen hatte.
***
Als Wynn erwachte, glaubte er zunächst zu träumen. Er rieb sich den Schlafsand aus den Augen, reckte sich und kostete für einen Moment den schwebenden Zustand zwischen Schlaf und Wirklichkeit aus, genoss die angenehme Wärme, die die Daunendecke ihm bescherte. Er stöhnte wohlig, reckte sich erneut. Und dachte an Abby.
Und dann an den Rest. Den Albtraum, der trotz allem immer noch angenehmer zu ertragen war als alles, was er in den Monaten zuvor in dieser fremden Stadt erlebt hatte.
Seit er hier, in diesem Haus, aufgenommen worden war, wusste er wieder, was Luxus war.
Luxus war, in einem richtigen Bett zu schlafen. Nicht auf solch einer verwanzten Matratze wie in der Herberge, in der er noch vor Kurzem für Kost und Logis hatte nächtigen müssen. Prompt musste er an Annabelle denken. Die Puppe, die ihn in diese Lasterhöhle geführt und mit ihrem Leben dafür bezahlt hatte. Natürlich war es nicht seine Schuld gewesen. Polizisten hatten den Laden gestürmt, und sie war irrtümlich erschossen worden.
Oder sogar wissentlich. Bei dem Gedanken ballte Wynn unwillkürlich die Fäuste. In der Zeit, die er hier war, hatte er gelernt, dass es unterschiedliche Dämonen gab. Die wenigsten schienen bösartig zu sein. Sie lebten Seite an Seite mit den Menschen. Annabelle war ganz und gar nicht bösartig gewesen. Ein bisschen seltsam vielleicht. Schräg.
Seine Gedanken wanderten weiter. Er suchte noch immer den Mörder seiner Mutter. Es war ein Schnabeldämon, und genau so einen hatte er im Ripp Tide wiedergesehen, einem Nachtclub, in dem die sonderbarsten Dinge vor sich gingen. Er hatte sofort reagiert und auf den Dämon geschossen, ihn aber nicht erwischt. Stattdessen hatte man ihn erwischt. Der Schnellrichter hatte ihn zu hundertfünfzig Beads wegen Störung einer kulturellen Veranstaltung und unerlaubten Waffenbesitzes verurteilt. Er hatte das Geld nicht gehabt. Nicht einmal einen Bead. Also hatte man ihn kurzerhand zu fünfzig Jahren Haftstrafe in Land’s End verdonnert. So ging man hier mit Kriminellen um.
Aber jemand hatte die Strafe für ihn bezahlt. Sir Roger Baldwin-Fitzroy, wie er vermutete. Jedenfalls war er nach einem mysteriösen Unfall in dessen luxuriösem Haus aufgewacht. Genau wie Abby, seine Tochter, über die Sir Roger eifersüchtig wachte, hatte er versucht, zu fliehen. Zumindest für kurze Zeit.
Und war doch wieder zurückgekehrt. Abby hatte ihm verraten, warum: Diese Dienerkreatur namens Esrath hatte ihn verhext. Es gruselte ihn vor dem Dämon mit dem erdigen Gesicht, das ihn an einen Golem erinnerte. Mit den Augen Zyllas hatte Wynn schließlich Dinge gesehen, die ihn vor Angst wieder nach Hause getrieben hatten.
Nach Hause.
Der Gedanke ließ ihn frösteln. Andererseits erfüllte er ihn mit einer gewissen Wärme. Vor allem, wenn er an Abby dachte. Nein, er hatte keinerlei Ambitionen, mit ihr eine Liaison einzugehen. Allein Sir Rogers Eifersucht schien ihm ein zu gefährliches Pflaster, um es zu betreten. Er musste nur daran denken, wie Sir Roger am Abend zuvor einen Dämon über den Haufen geschossen hatte. Und das nur, weil Abby und ihr Geliebter mit der Teufelsfratze ein Paar gewesen waren.
Auch das wunderte ihn: Die Polizei war zwar gekommen, hatte Sir Roger aber an Ort und Stelle rehabilitiert. Offensichtlich durfte man auf dieser Welt Dämonen einfach erschießen, wenn sie ein fremdes Grundstück betraten. Allerdings hatte Wynn die starke Vermutung, dass jemand wie Sir Roger gewisse Sonderrechte für sich in Anspruch nahm.
Alles in allem wusste er noch viel zu wenig – vor allem wusste er nicht, warum Sir Roger ihn aufgenommen hatte.
Zumindest verdankte er ihm sein Leben. Ihm – und dieser Dienerkreatur, die sich Esrath nannte. Abby hatte ihm erzählt, dass Esrath ein Naturalis sei. Ein Dämon, der vielen ursprünglichen Dingen näher als andere stand. Dem Leben. Und dem Tod.