1,99 €
Ross und Reiter schienen direkt der Hölle entsprungen. Die Hufe des Pferdes schlugen Funken, und aus den Augenhöhlen sprühten gelb-orangene Flammen.
Aber noch mehr versetzte Wynn die Gestalt auf dem Pferderücken in Entsetzen. Der Reiter schien nur aus Schwärze zu bestehen, die allein von einem Umhang zusammengehalten wurde. Aus dieser Schwärze ragte eine riesige Sense heraus, von deren scharfer Schneide das Blut tropfte.
"Captain Schnitter", flüsterte Abby und krallte sich an Wynn fest. Ihre Fingernägel vergruben sich schmerzhaft in seine Haut ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Cover
Impressum
Was bisher geschah
Hell-o-ween
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Timo Wuerz
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5420-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Die Hauptpersonen dieses Romans sind:
Wynn Blakeston: Gestrandeter aus einer anderen Dimension
Abby Baldwin: Wynns beste Freundin
Lieutenant Bella Tosh: Ermittlerin der Abteilung Delta
Sergeant Kajahn: Bellas Partner in der Abteilung Delta
Samuel »Sam« Tosh: Bellas Bruder, Kopfgeldjäger
Kylandros: Anführer der Vampire in Twilight City
Die Schrecklichen Sieben: Kinder, die an Hell-o-ween Süßigkeiten sammeln wollen
Mashal Midnight & Captain Schnitter: Geister, die die Kinder an Hell-o-ween beschützen
Mr. Dance: Mysteriöser Nachbar
Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.
Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.
Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …
In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.
Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.
Als Wynn wegen eines unglücklichen Zwischenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilt wird, zahlt der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy das Bußgeld und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.
Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt.
Was Wynn nicht ahnt: Auch sein geheimnisvoller Gönner hat noch eine Rechnung mit dem Dämon Norek offen. Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, liefert er den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt Norek in seinem Sanatorium ein.
Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.
Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit Abbys Hilfe hat er inzwischen einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.
Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …
Währenddessen ist Abby dem Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter ein Stück näher gekommen. Offenbar war diese eine Hexe, und Sir Roger scheint eine düstere Vergangenheit zu haben. Nun fragt Abby sich, ob das Erbe ihrer Mutter auch in ihr schlummert …
Hell-o-ween
(2. Teil)
von Logan Dee
Es klopfte. Das Pochen an der Eingangspforte von Baldwin House dröhnte durchs ganze Haus.
»Wer kann das wohl sein?«, fragte Abby mit gespieltem Schrecken. Sie sah hinreißend aus in ihrem roten, hautengen Katzenfraukostüm. »Haben wir auch genügend Süßigkeiten für die Kids, Esrath?«, fragte sie den Diener.
»Selbstverständlich. Schließlich haben sie uns im letzten Jahr einige üble Streiche gespielt, weil wir nichts rausgerückt haben«, grollte Esrath.
»Erinnere mich nicht daran!«, schimpfte Sir Roger. »Die Bagage hat überall diese entsetzlichen magischen Kaugummis hinterlassen.«
»Oh, ich liebe Hell-o-ween!«, rief Abby begeistert.
»Du musstest das Zeug ja auch nicht wegmachen«, knurrte ihr Vater.
Es pochte erneut, und diesmal klang es weit fordernder. So, als würde der Gast, der draußen stand, bald die Geduld verlieren …
»Bevor ihr euch noch in die Haare kriegt, sehe ich mal nach, wer da draußen steht«, sagte Wynn und stellte seinen Punsch beiseite.
Es war eine orangene Flüssigkeit, in der einige nicht definierbare eklige Dinge herumschwammen, die allerdings erstaunlich gut schmeckten. Abby hatte den Punsch zubereitet und versichert, dass alle Zutaten absolut bekömmlich seien.
Bekömmlich ja, aber auch sehr wirksam. Wynn spürte, wie er leicht taumelte, als er aufstand und zur Tür ging.
»Warte! Ich komme natürlich mit!«, rief Abby und huschte an seine Seite. Sie fasste nach seinem Arm und hielt sich daran fest. Auch sie schwankte leicht.
Wynn genoss ihre Nähe. Sie strömte eine Hitze aus, die fast so wärmte wie der Punsch.
Noch während sie den Korridor entlanggingen, ertönte das Klopfen ein drittes Mal. Und diesmal glaubte Wynn, es geradezu zu spüren. So als hätte tatsächlich für einige Sekunden leicht der Boden gebebt.
Als hätte auch Abby plötzlich Bedenken, sagte sie schnell: »Das sind wahrscheinlich ein paar Kinder aus der Nachbarschaft. Die meisten kenne ich – die wollen nur Süßes.«
»Na, dann schauen wir uns die lieben Kleinen doch mal an!«, sagte Wynn und öffnete die Pforte.
Vor der Tür stand …
Niemand.
Nur ein kalter Hauch wehte herein. Ein Hauch, der den Geruch von Herbst mit sich trug. Von welken Blättern und feuchter Erde. Und den Duft von Helloween: nach süßer Zuckerwatte, gerösteten Marshmallows und – faulen Eiern. Aber da lag noch etwas in der Luft. Ein Geruch, der kaum wahrnehmbar sich mit den anderen mischte – so als würde er sich tarnen, wie mit einem Mantel, der ihn fast unsichtbar werden ließ.
»Merkwürdig …«, sagte Wynn.
»Ein Dummekinderstreich«, wiegelte Abby ab.
Aber Wynn sah, dass sich die feinen weißen Härchen an ihrem Arm aufgerichtet hatten. Auch sie hatte es gespürt.
Plötzlich stand Esrath hinter ihm. Wie ein Schatten war er aufgetaucht, und auch er schien für einen Moment irritiert. Obwohl in seinem erdigen Gesicht keine Nase auszumachen war, hatte Wynn den Eindruck, dass der Naturalis schnüffelte. So als würde auch er diesen vagen Hauch wahrnehmen, der verborgen unter all den anderen Gerüchen lag und sich, wie ein unerwünschter Gast hereingeschmuggelt hatte.
»Schnell, schließt die Tür!«, verlangte Esrath, aber Abby schüttelte trotzig den Kopf. »Ich will sehen, wer uns da einen Streich gespielt hat. Kommst du mit nachsehen, Wynn?«
»Ihr solltet hierbleiben«, warnte Esrath, ohne sich jedoch konkret zu äußern.
»Ach was, siehst du etwa ausgerechnet an Helloween plötzlich Gespenster?«, neckte ihn Abby.
Sie lief hinaus, und Wynn blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.
Im Hinausgehen zuckte er mit den Schultern und warf Esrath einen entschuldigenden Blick zu. Als auch er draußen war, hörte er die Tür zuschlagen.
Draußen überwog wieder der andere Geruch. Der nach Helloween. Der Garten lag im Dunkel, nur einige Lampions und das flackernde Kerzenlicht in den ausgehöhlten Totenschädeln schufen geheimnisvolle Inseln aus Licht. Die Schatten schienen allgegenwärtig. Wynn rechnete jeden Moment mit einem aus dem Gebüsch hervorspringenden Kind. Überall raschelte und knisterte das welke Laub.
Abby klammerte sich geradezu an ihm fest.
»Glaubst du, dass …«
»Psst!«
»Glaubst du, dass hier wirklich …«
»Psst!«
Wynn platzte der Kragen. »Was ist denn eigentlich los? Erst macht sich Esrath fast in die Hose, und jetzt machst du auch noch Panik. Oder gehört das zu eurem Helloween-Fest dazu?«
Natürlich war Wynn nicht ganz unwissend und naiv. Abby hatte angedeutet, dass es zu Helloween in Twilight City etwas härter zur Sache ging, als er es aus seiner Heimat gewohnt war. Das fing schon mit dem »e« in dem Wörtchen »Hell« an. »Hell« wie Hölle. Und statt Kürbisfratzen waren es Totenschädel, in denen die Kerzen brannten. Nicht nur menschliche Totenschädel übrigens, sondern auch die von den absonderlichsten Dämonen. Und während Wynn nun dastand, war er sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob die Totenschädel, die überall im Garten verteilt waren, wirklich nur aus Pappmaschee waren, wie Abby ihm versichert hatte, oder vielleicht doch echt.
»Ich kann mich getäuscht haben …«, flüsterte Abby. »Aber ich glaube, ich habe doch jemanden gesehen. Ganz kurz nur, bevor du die Tür ganz geöffnet hast …«
»Ich habe niemanden gesehen«, beharrte Wynn.
»Ich auch nur ganz kurz, eher aus dem Augenwinkel …«
Sie konnte oder wollte es ihm nicht anders erklären. Er wusste, dass sie mehr Sinne hatte als er. Immerhin war ihre Mutter eine Hexe gewesen. Erst Esrath mit seinem komischen Verhalten, nun auch Abby. Sollte er es vielleicht auch nicht auf die leichte Schulter nehmen? Andererseits …
»Ich glaube, dort hinten ist jemand!«, flüsterte Abby aufgeregt und zeigte zum Garten-Pavillon, der Wynn jedes Mal an ein japanisches Teehaus erinnerte – allerdings an ein sehr dämonisches Teehaus.
Es bestand aus schwarzem Ebenholz, in das dämonische Fratzen eingeschnitzt worden waren. Vielleicht waren sie auch in das Holz gebannt worden. Sir Roger hatte laut eigener Aussage das Teehaus in Sinatown erworben, dort abbauen und in seinem Garten wiedererrichten lassen.
Jetzt schaute auch Wynn dorthin, und er glaubte, eine hoch aufgerichtete Gestalt zu sehen, von der nur ein Schatten zu erkennen war. Im nächsten Augenblick war der Schatten schon wieder verschwunden.
»Los! Den schnappen wir uns!«, rief Abby ihm zu und lief bereits los.
Wynn war weniger begeistert. Auf dem rutschigen Laub glich jeder Schritt einer Rutschpartie. Außerdem kannte er sich im Garten kaum aus, während Abby hier groß geworden war und sich auch mit geschlossenen Augen orientieren konnte.
Bereits nach wenigen Metern hatte die Dunkelheit sie verschluckt. Zu erkennen war nur der Pavillon, der heute Abend in einem kranken grünlichen Licht schimmerte.
Plötzlich hörte er Abby aufkreischen. Alarmiert begann nun auch er zu laufen. Der Schrei wiederholte sich. Er erklang irgendwo hinter dem Pavillon.
Wynn hatte ihn fast erreicht, als sich ihm ein kleiner Schatten entgegenstürzte. Wynn schrie unwillkürlich auf, begriff aber noch im ersten Erschrecken, dass der Angreifer im letzten Moment einen Haken schlug und sich an ihm vorbeidrücken wollte.
Wynn griff nach ihm, bekam ein Stück Stoff zu fassen, dann einen Arm. Dann zappelte der Gegner in seinem Griff und schrie aus Leibeskräften.
Fast hätte Wynn ihn losgelassen – vor Überraschung. Denn ihm wurde klar, wen er da festhielt.
Ein Kind!
Bevor die Entdeckung jedoch zu irgendeiner Reaktion bei ihm führte, stürzten sich mit lautem Geschrei und Heulen weitere Schattenkinder auf ihn. Sie kratzten und bissen und rissen an seinen Haaren, sodass er sein erstes Opfer schließlich losließ.
»Schluss jetzt!«, schrie jemand, und augenblicklich ließen sie tatsächlich von ihm ab.
Es war Abby, die im Befehlston geschrien hatte. »Schluss – oder ich verhexe euren Freund in eine hässliche kleine Kröte!«
»Bitte nicht!«, hörte Wynn ein verängstigtes Stimmchen wimmern.
»Nicht in eine Kröte!«, schrie ein anderes Kind.
Und ein Drittes: »Verhex ihn lieber in einen Kraak!«
Von einem Moment zum anderen wurde der ganze Park illuminiert. Farbige Hexenlichter tanzten über den Rasen, gleißende Lichterfontänen sprühten aus der Erde. Inmitten dieses Feuerwerks stand Abby, hocherhoben und hielt einen Jungen fest umfasst. Aufgrund seiner Größe schätzte Wynn ihn auf neun oder zehn Jahre, genau konnte er das nicht bestimmen, weil das Gesicht von einer Teufelsmaske verdeckt war.
Ausgerechnet ein Teufel! Mit dieser Art von Dämonen hatte Wynn schlechte Erfahrungen gemacht.
Der Junge war vor Schreck erstarrt. Offensichtlich nahm er Abbys Warnung, ihn zu verhexen, für bare Münze.
Wynn sah sich um. Um ihn herum standen die anderen Kinder. Sie alle hatten sich verkleidet: als Zombie, Krakenwesen, Horror-Clown und eine Art Leprechaun. Ein Mädchen hatte sich ein Hexen-Outfit zugelegt. Wynn, der in Witchmoor bereits mit echten Hexen zu tun gehabt hatte, schauderte, als er sah, dass das Mädchen sich sogar täuschend echt wirkende Narben auf die Stirn und quer über das Gesicht gemalt hatte.
Oder waren die vielleicht wirklich echt?