John Sinclair 2003 - Logan Dee - E-Book

John Sinclair 2003 E-Book

Logan Dee

4,6
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

George zuckte zusammen und fuhr herum.

Er sah einen Fremden vor sich. Hochgewachsen und seltsam dürr, so als bestünde er nur aus Haut und Knochen. Der lange schwarze Wettermantel schien nur ein Gerippe darunter zu verbergen. Auf dem Schädel trug er einen altmodischen Südwester, der das darunterliegende Gesicht in Schatten tauchte.

Es war, als würden die Augen des Fremden kurz aufleuchten. Eine unheimliche Aura ging von ihm aus. Erst auf den zweiten Blick fiel George auf, dass die Kleidung des Fremden patschnass war, obwohl es nicht regnete. Algen und Muscheln hatten sich an dem Mantel festgesetzt. So, als schien er direkt aus dem Meer zu kommen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 139

Bewertungen
4,6 (16 Bewertungen)
11
3
2
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Töte John Sinclair!

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock/breakermaximus

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-4131-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Töte John Sinclair!

von Logan Dee

»Reich mir das Opfer!«, befahl einer der Vermummten.

Jemand streckte ihm den zugebundenen Sack hin, in dem etwas zappelte. Ein Tier vielleicht. Oder ein Neugeborenes.

Die fünf Frauen und fünf Männer in den dunklen Kutten hatten zuvor die Klippe erklommen. Der steinerne Kreis, den alle im Dorf die Schwarzen Zehn nannten, hob sich gegen den vollen Mond ab.

Das Böse war plötzlich hautnah zu spüren …

»Lasst uns mit der Beschwörung beginnen«, befahl der Anführer und riss sich die Kutte vom Leib. Darunter war er nackt.

Die anderen taten es ihm nach. Jeder von ihnen trug eine schwarze Kerze in der Hand. Trotz des Sturms verloschen sie nicht. Die Flammen trotzten dem Wind. Die Magie, die an diesem Ort herrschte, ließ sie weiterbrennen.

Bis auf eine.

Die Frau, deren Kerzenflamme plötzlich erlosch, blickte erstaunt auf.

Alle Augen richteten sich auf sie. Sie fühlte sich von den Blicken regelrecht durchbohrt.

»Wir haben eine Ungläubige unter uns«, stellte der Wortführer fest. Der Sturm riss ihm die Worte von den Lippen.

»Ich habe dir gleich gesagt, dass sie die Falsche ist!«, zeterte eine der Frauen. »Wir hätten eine andere in unseren Kreis aufnehmen sollen.«

Die Frau, deren Kerze ausgegangen war, trat erschrocken zurück. Sie befand sich jetzt sehr nah an der Felskante. Dahinter ging es vierzig Meter steil bergab. Das Tosen des aufgewühlten Meeres klang bedrohlich in ihren Ohren. Sie wusste, dass sie den Sturz in die Tiefe nicht überleben würde.

Die anderen rückten auf und bildeten einen immer enger werdenden Kreis um sie.

Der Anführer lachte plötzlich auf. »Nein, ich glaube nicht, dass sie die Falsche ist«, sagte er. »Sie ist genau die Richtige. Sie wird unser Opfer sein!«

Die Frau schrie auf. »Das könnt ihr nicht machen! Ich … bin auf eurer Seite!«

»Natürlich bist du das! Und indem du dich opferst, beweist du es uns. Und ihm!«

Der Kreis schloss sich noch enger um sie. Noch ein Schritt nach hinten und …

Da vernahm sie das Flüstern in ihrem Kopf. Es war so eindringlich, dass sie zusammenzuckte.

»Du brauchst keine Sorge haben«, flüsterte die Stimme. »Deine Seele ist es, die ich begehre, nicht deinen Tod. Diese Narren glauben, mich mit Blut herbeibeschwören zu können. Sag, willst du mir dienen?«

Ihre Angst war längst fortgeweht. Ein nie gekanntes Glücksgefühl durchströmte sie.

»Ja, ich will dir dienen!«, antwortete sie verzückt.

»Was faselt sie da?«, schrie einer der Männer. »Bringen wir es endlich hinter uns!«

Doch in diesem Moment flammte die Kerze der Frau wie aus dem Nichts wieder auf.

Diejenigen, die sie gerade noch in die Tiefe hatten stürzen wollen, wichen ungläubig zurück.

»Und jetzt spring«, flüsterte die Stimme in ihrem Kopf. »Keine Angst, ich beschütze dich. Dir wird nichts passieren. Wir zeigen ihnen, wie mächtig wir sind! Vertraue mir!«

»Ja, ich vertraue dir«, bekräftige sie.

Sie drehte sich um und machte einen Schritt nach vorn.

Die Flamme brannte selbst dann noch, als sie ohne einen Schrei von sich zu geben in die Tiefe stürzte und sich die tosende See über sie schloss.

***

Die weißgetünchte kleine Kirche wirkte im Sonnenuntergang wie in Blut getaucht. Darinnen versammelt horchte die Gemeinde den ebenso blutigen Gleichnissen von Sodom und Gomorra, die Reverend Andrew vor ihnen ausbreitete.

»Dieses Dorf ist nicht minder verdorben als Sodom, und ihr seid nicht mehr wert als jene, die damals Gottes Zorn heraufbeschworen haben!«, endete er.

Reverend Andrew spuckte wie üblich Gift und Galle über seine Gemeinde aus. Die kleine Kirche war gefüllt bis auf den letzten Platz. Wie jeden Samstagabend. Bevor die Männer in die Kneipen stürmen würden, wollten sie sich noch Gottes Segen versichern. Für manche sollte es die letzte Predigt werden …

Für George und seine Freunde war es auch einfach nur ein herrlicher Spaß, den alten Reverend so wütend zu erleben. In jeder Predigt steigerte er sich in Rage.

Doch diesmal ging der Gottesmann weiter als sonst.

Speichel floss über seine schmalen Lippen, als er wetterte: »In dieser Stadt finden sich keine zehn Gerechten! Niemand von euch ist anständig genug, von Gottes Zorn verschont zu werden.«

Murren machte sich unter den Männern und Frauen breit. Jeder wusste, dass der Reverend schon mal über das Ziel hinausschoss. Doch beleidigen ließ sich niemand gerne.

»Woher willst du das wissen?«, rief der junge George Finnigan ihm zu.

Finnigan war sechsundzwanzig und gehörte zu jenen Burschen, die am Samstag bereits vormittags mit dem Trinken begannen. Trotzdem war er ein patenter Kerl. Zum Gottesdienst ging er nur, um dort seine Kumpels zu treffen und nachher mit ihnen weiterzuziehen.

Der Reverend warf Finnigan einen wütenden Blick zu. Dann fuhr sein Arm vor, und sein von der Gicht gekrümmter Zeigefinger wies wie eine Kralle in Richtung des Störenfrieds.

»Gott hat seinen Gesandten geschickt und es mir aufgetragen! Findet zehn Aufrichtige unter euch Gesindel, und ihr werdet verschont werden!«

Die Unruhe wuchs. Die ersten Gemeindemitglieder strebten empört dem Ausgang zu. Finnigan zeigte dem Pfarrer einen Vogel und drehte sich Beifall heischend zu seinen Kumpanen um. »Der Paffe spinnt. Der ist heute völlig durchgeknallt!«

Die schrille Stimme des Reverends ließ ihn wieder zur Kanzel blicken. »Auch du, George Finnigan, wirst vor dem Herrn niederknien. Ich erwarte dich um Mitternacht bei den Schwarzen Zehn! Und bring ruhig deine Freunde mit, wenn die Trunkenbolde sich trauen!«

George hatte es die Sprache verschlagen. Vor der versammelten Gemeinde versuchte ihn der Reverend als Feigling hinzustellen. Und tatsächlich hatte er ihn an seiner schwächsten Stelle erwischt. Er war nicht nur stolz, sondern auch abergläubisch.

George ging keiner Prügelei aus dem Wege. Er war berüchtigt dafür, sich mit jedem Fremden anzulegen, der ihn auch nur schief von der Seite ansah. Dazu gesellte sich ein Glauben an die eigene Unversehrtheit, der ihn bereits manches Mal fast den Hals gekostet hätte. Zum Beispiel letzten Silvester, als er wegen einer Wette angetrunken auf der Mauer mit einer Bierflasche balanciert und zwanzig Meter tief in das Hafenbecken gefallen war.

Die meisten in Blackcliff mochten den blondhaarigen, muskulösen Jungen, denn er war einer von ihnen. Und er ging für seine Freunde durchs Feuer. Das machte ihn umso beliebter.

Reverend Andrew hatte seine Freunde in Spiel gebracht. Nun musste er nicht nur seine Ehre verteidigen, sondern auch die seiner Freunde.

Der Reverend beendigte die Predigt abrupt. Dass etwas mit ihm nicht stimmte, war allen klar. Eine besonders dicke Laus musste ihm über die Leber gelaufen sein. Auch nachdem die Gemeinde die Kirche verlassen hatte standen viele Zuhörer noch draußen auf dem Vorplatz und diskutierten über die seltsame Predigt.

Nicht so George Finnigan. Der Reverend hatte ihm den Fehdehandschuh hingeworfen, und er würde ihn aufnehmen. Er und seine Kumpels würden dem Pfaffen beweisen, dass sie sich nicht von Kleinkindergeschichten ins Bockshorn jagen ließen. Alle waren sie mit den Legenden, die sich um die Schwarzen Zehn rankten, von klein auf vertraut.

Es hieß, dass vor zweihundert Jahren ein Schiff gestrandet wäre und zehn in Schwarz gekleidete Seeleute die Bewohner von Blackcliff überfallen hätten. Die Angreifer hätten sich wie Hunde benommen, wären auch auf allen vieren herumgekrochen und hätten den Vollmond angeheult. Die Seeleute, so erzählte man, wären direkt dem Höllenschlund entstiegen und hätten den Auftrag gehabt, die Saat ihres Herrn in Blackcliff zu verbreiten. Nur einigen gottesfürchtigen Bewohnern wäre es zu verdanken gewesen, dass diese dank Gottes Hilfe die Angreifer gebannt und zu Stein verwandelt hätten. Dort hockten sie noch immer hoch über den Klippen. Bis zum heutigen Tag …

***

Aus dem persönlichen Tagebuch von Harry Vendenstaal, Kapitän der Elaine

Heute hat sich unser geheimnisvoller Passagier zum ersten Mal an Deck gezeigt. Seit der Abfahrt in Norwegen hat er nur in seiner Kabine gehockt. Mr. Smith, wie er sich nennt, ist groß und ungewöhnlich hager. In seinem schwarzen Wollmantel wirkt er wie eine riesige Krähe. Er trägt einen Hut, der sein Gesicht verbirgt. Obwohl er nur ein paar Minuten Luft schnappte, machte sich gleich Unruhe unter den Männern breit. Sie sind eh schon abergläubisch. Nun sagte mir der 1. Offizier, dass sie überzeugt davon sind, dass unser Passagier Unglück über die Elaine bringen wird …

***

Als George Finnigan das Old Whale, den einzigen Pub im Ort, betrat, waren ihm erstaunlich wenige seiner Freunde gefolgt. Nur der geistig etwas zurückgebliebene William und Justin, ein Säufer vor dem Herrn.

George blickte etwas mitleidig auf sein Gefolge und seufzte. Dann bestellte er erst einmal eine Runde Ale.

Luca, der spanische Wirt, den es irgendwann vor Jahren nach Blackcliff verschlagen hatte, sah ihn mitleidig an. »Ich habe schon gehört, auf was du dich eingelassen hast, Junge …«

»Dann muss es dir der Wind geflüstert haben«, antwortete George. »Oder kannst du neuerdings hellsehen?«

Grinsend zog Luca sein Handy hervor. »Manche Nachrichten verbreiten sich sogar schneller als der Wind. Ohne Zauberei.«

George wusste nicht, ob er nun lachen oder noch saurer sein sollte. Offensichtlich war die blöde Forderung des Pfaffen längst Stadtgespräch, und er würde ganz schön dumm dastehen, wenn er die Wette verlor. Oder kniff.

»Weißt du was? Die erste Runde geht auf meine Kappe«, sagte Luca, und damit hellten sich Georges düstere Gedanken erst einmal auf. Nach und nach trudelten noch ein paar weitere Mitstreiter ein, und mit jedem Pint Ale wurde die Stimmung besser.

Am späten Abend war die kleine Kneipe so voll, dass die Männer und Frauen wie in einer Sardinenbüchse eng zusammenstanden. Entsprechend stickig war die Luft. Es roch nach Rauch, Schweiß, Alkohol und der salzigen See. Der Geräuschpegel war lauter als sonst, und die meisten Gespräche drehten sich noch immer um die Predigt des Pfarrers und sein seltsames Benehmen in der Kirche.

Selten zuvor stand George so sehr im Mittelpunkt wie heute Abend. Selbst sein ehemaliger Lehrer, Donald McIrvine, der ihn in der Grundschule immer nur einen nichtsnutzigen Versager genannt hatte, stand plötzlich an seiner Seite und klopfte ihm auf die Schulter.

»Ich wünsche dir viel Glück, George«, sagte McIrvine und zog an seiner alten Pfeife. »Ich wollte ja schon immer wissen, ob an den alten Sagen was dran ist.«

George sah von seinem Bierglas auf. Mittlerweile hatte er mehr getrunken, als selbst er normalerweise vertragen konnte.

»Was kümmert Sie das?«, fragte er mit schwerer Zunge.

McIrvine grinste und zeigte seine gelben Zähne. Sein Grinsen hatte etwas Teuflisches. »Ich habe wie der Reverend die alten Legenden erforscht. Wie du weißt, war Heimatkunde schon immer meine Leidenschaft. Aber ich habe mich nie um Mitternacht hoch zu den Klippen getraut.«

»Jetzt werden Sie mir sicher gleich sagen, warum nicht!«

»Weil der Letzte, der es versucht hat, mein Vorgänger war, der gute alte Alan Davis. Ich weiß, du kennst ihn nicht, das war vor deiner Zeit. Er und seine Familie waren auch nur ein Jahr hier in Blackcliff. Sie stammten aus London und kamen sich natürlich unglaublich gebildet und aufgeklärt vor. Um zu zeigen, dass an den alten Geschichten nichts dran ist, ist Davis eines Nachts hoch zu den Klippen gestiegen – und nie wieder zurückgekehrt.«

George sah von seinem Bierglas auf. »Und seine Familie?«

McIrvines Grinsen erlosch. Er biss auf das Mundstück seiner Pfeife, während er gleichzeitig antwortete: »Tja, auch das ist merkwürdig. Ein paar Nächte später war die auch verschwunden. Seine junge, hübsche Frau und ihr einjähriges Kind, ein Mädchen. Seitdem rankt sich eine Legende mehr um die zehn schwarzen Seeleute …«

Wieder klopfte er George auf die Schulter. »Junge, vielleicht solltest du es dir noch mal überlegen. Es täte mir leid, denn vielleicht wird ja doch noch was aus dir.«

Damit wandte er sich ab und ging wieder zu seinem Tisch zurück.

Eine Sperrstunde gab es in Blackcliff nicht, zumindest nicht samstags. Um dreiundzwanzig Uhr erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt, als der junge Gajus auf seinem Dudelsack den Drunken Sailor anstimmte und sämtliche Gäste aus voller Kehle mitsangen.

Nur George schwieg. Je näher die Mitternachtsstunde heranrückte, desto mehr kamen ihm Zweifel. Selbst in seinem durch den Alkohol benebelten Zustand ahnte er, dass es vielleicht doch einen triftigen Grund gab, die Klippen um Mitternacht zu meiden.

Plötzlich spürte er einen weichen Körper an seiner Seite. Überrascht sah er, dass sich Fiona neben ihn gesellt hat. Sie war in seinem Alter, und sie hatten zusammen die Schulbank gedrückt. Mittlerweile war aus ihr eine attraktive Frau geworden. Die schwarzen Locken umrahmten ein ebenmäßiges Gesicht, in dem die grünen Augen stets abenteuerlustig blitzten. Sie trug ein rotes Kleid, und zwischen dem Saum und den hohen Boots war genügend Platz, um ihre schlanken Beine zur Geltung zu bringen. Bisher hatte sie Georges Annäherungsversuche stets abgeblockt.

»Na, hast du schon Bammel, du großer Held?«, fragte sie ihn lächelnd.

Im ersten Moment wollte er vor ihr prahlen, aber dann sagte er ehrlich: »Wenn du es wirklich wissen willst: Ich habe irgendwie kein gutes Gefühl bei der Sache.«

»Wie wär’s, wenn du ab jetzt mit dem Trinken aufhörst?«

»Meinst du wirklich?«

Fiona winkte den Wirt herbei. »Eine Limo für den jungen Herrn. Ab jetzt kein Alkohol mehr.«

George wollte protestieren, besann sich jedoch abermals. »Bist du jetzt mein Kindermädchen?«, fragte er dennoch.

»Hättest du was dagegen?«

»Nein, eigentlich nicht«, sagte er. »Vielleicht ist es ganz gut, wenn ab und zu jemand auf mich aufpasst.«

»George Finnigan, du bist wirklich noch nicht erwachsen! Warum hast du dich auf diese Mist-Wette eingelassen? Jeder Dummkopf weiß, dass es gefährlich ist, sich um Mitternacht bei den Klippen aufzuhalten. Ich wette, der Reverend treibt irgendein falsches Spiel. In letzter Zeit ist er sehr komisch geworden. Vielleicht glaubt er ja, dem Teufel Paroli bieten zu können. Und du bist das Opferlamm.«

»Du glaubst doch noch wirklich an das, was die Alten palavern?«

»Oh doch!« Fionas Augen bekamen dieses eigentümliche Funkeln. »Ich will dir erzählen, was meine Oma …«

George reichte es. »Hör auf mit den alten Kamellen. Die kenn ich auch alle.« Er wollte sich nicht noch mit weiteren unheimlichen Geschichten belasten. Auch wenn es ihm sofort wieder leidtat, Fiona über den Mund gefahren zu sein.

»Na schön, dann wünsche ich dir nur noch viel Glück!«

Sie wandte sich ab, aber er fasste ihren Arm und sagte: »Komm doch einfach mit. Dann sehen wir schon, ob deine Oma dir nur Unsinn erzählt hat oder nicht.«

Einige Augenblicke lang sahen sie sich in die Augen. Es war ein Kräftemessen. Aber schließlich sagte Fiona: »Glaubst du etwa, du bist mutiger als wir alle?«

»Scheint so, oder?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, George, du bist nur eine ganze Ecke dümmer.«

Sie machte sich frei und ließ ihn allein an der Bar stehen. Kopfschüttelnd sah er sie in dem Pulk der Gäste verschwinden.

Der Wirt stellte die Limonade vor ihn hin und grinste. »Wohl bekomm’s. Manchmal ist ein guter Rat von den Weibern ja doch ganz hilfreich. Du solltest wirklich einen klaren Kopf behalten. Nicht, dass du noch dort oben abstürzt. Ein Fehltritt – und du fällst vierzig Meter tief auf die Klippen.«

»Das brauchst du mir nicht zu sagen!«, blaffte George. Er war es jetzt wirklich leid, wollte nur noch seine Ruhe haben.

Vielleicht sollte er wirklich nach Hause gehen und sich noch eine halbe Stunde aufs Ohr legen. Andererseits hatte er noch immer nicht genügend Mitstreiter gefunden.

Findet zehn Aufrichtige unter euch Gesindel, und ihr werdet verschont werden!

Je mehr er über die seltsame Drohung Finnigans nachdachte, umso unsinniger kam sie ihm vor. Wovor sollten die Zuhörer verschont werden? Zehn Aufrichtige? Was hieß das? Er hatte es auf seine Wette bezogen. Zehn Leute aus dem Dorf, die mutig genug waren. Aber stand die Wette überhaupt damit in Zusammenhang? Bisher war er davon ausgegangen, aber je mehr ihm klar wurde, dass kaum jemand ihm folgen würde, desto sicherer war er, dass er auch allein gehen konnte, um zu gewinnen.

Auch wenn ihm der Gedanke überhaupt nicht gefiel. Und überhaupt: Was gab es denn für ihn zu gewinnen? Einen Platz im Himmelreich, an das er sowieso nicht glaubte?

Er hielt es plötzlich nicht mehr aus in der stickigen Luft. Hielt es nicht aus mit den Schulterklopfern und Spökenkiekern. Sie warteten doch alle nur darauf, dass er dem Reverend auf den Leim ging. Vielleicht würde sich sogar der eine oder andere freuen, wenn er wirklich heute Nacht sterben würde.

Niemand mochte in seiner Haut stecken. Aber jeder glaubte zu wissen, was gut für ihn war.

Mit einer Handbewegung wischte er das Limonadenglas von der Theke, sodass es dahinter auf dem Boden zerschellte.

Dann verließ er wortlos das Old Whale.

Er achtete nicht auf die erstaunten Rufe, die ihm nachgeworfen wurden.