Das kleine Eiscafé - Fenna Janssen - E-Book
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Das kleine Eiscafé E-Book

Fenna Janssen

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Beschreibung

Der Geschmack von Himbeereis und Liebe. Als Sophie von ihrem Freund verlassen wird, steht ihr Leben kopf. Angelo hat sich mit ihrem ganzen Ersparten davongemacht, nur seine alte Eismaschine ist noch da. Um Trost zu finden, fährt Sophie zu Tante Freda nach Langeoog. Aber statt sich im Strandkorb ihrem Liebeskummer hinzugeben, soll sie Fredas kleinen Kiosk hüten. Die Geschäfte laufen nur schleppend, nebenan wurde gerade ein Eiswagen aufgestellt. Aus Langeweile fängt Sophie an, ihre eigenen Eiskreationen herzustellen, was bei den Insulanern für großen Anklang sorgt. Besonders bei Matteo, dem Besitzer des Eiswagens ... Romantisch und voller Witz – die perfekte Lektüre für den Strandkorb.

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Über Fenna Janssen

Fenna Janssen wurde in Lübeck geboren und wuchs in Hamburg auf. Viele Jahre war sie als Journalistin für diverse Zeitungen tätig. Inzwischen arbeitet sie erfolgreich als Autorin und bleibt auch in ihren Büchern ihrer norddeutschen Heimat treu.

Im Aufbau Taschenbuch ist bereits ihr Roman »Der kleine Inselladen« erschienen.

Informationen zum Buch

Der Geschmack von Himbeereis und Liebe.

Als Sophie von ihrem Freund verlassen wird, steht ihr Leben kopf. Angelo hat sich mit ihrem ganzen Ersparten davongemacht, nur seine alte Eismaschine ist noch da. Um Trost zu finden, fährt Sophie zu Tante Freda nach Langeoog. Aber statt sich im Strandkorb ihrem Liebeskummer hinzugeben, soll sie Fredas kleinen Kiosk hüten. Die Geschäfte laufen nur schleppend, nebenan wurde gerade ein Eiswagen aufgestellt. Aus Langeweile fängt Sophie an, ihre eigenen Eiskreationen herzustellen, was bei den Insulanern für großen Anklang sorgt. Besonders bei Matteo, dem Besitzer des Eiswagens ...

Romantisch und voller Witz – die perfekte Lektüre für den Strandkorb.

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Fenna Janssen

Das kleine Eiscafé

Roman

Inhaltsübersicht

Über Fenna Janssen

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1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

Impressum

1. Kapitel

Wahrscheinlich hatte Sophie die Kurve zu forsch genommen – nach mehr als sechs Stunden Fahrt ließ wohl langsam ihre Aufmerksamkeit nach, und plötzlich rumpelte es irgendwo hinter ihr gewaltig. Es klang ganz so, als würde ein großes, schweres Möbelstück durch die Gegend geschleudert werden. Vor Schreck verriss sie das Lenkrad, der altersschwache Kleintransporter kam damit allerdings nicht so gut zurecht. Die abgefahrenen Reifen fanden keinen Halt auf dem Asphalt, das ganze Gefährt geriet ins Schlingern, und Sophie sah sich schon im Graben liegen, irgendwo auf der Landstraße, die sie eigentlich nach Aurich und dann bis an die Küste bringen sollte.

Mist, fuhr es ihr in der ersten Schrecksekunde durch den Kopf. Ausgerechnet jetzt, wo sie schon das Meer riechen konnte. Außerdem hatte sie eben erst am Himmel eine Möwe entdeckt, da war sie ganz sicher. Keine gewöhnliche Taube, wie sie sich in Frankfurt ständig und überall auf Hausdächern und Kirchtürmen tummelten. Die platte Landschaft, die so typisch für Ostfriesland war, hatte sie schon willkommen geheißen, der Himmel war auf einmal weiter und höher geworden. Auch darüber hatte sie nachgedacht, als in der Ferne die Kurve aufgetaucht war: Zu Hause in Frankfurt wirkte der Himmel immer wie eingezwängt zwischen den Türmen der Hochhäuser, und die Wolken hingen fest an diesen von Menschen gebauten Hindernissen. Hier jedoch durfte der Himmel noch er selbst sein, offen und frei, und die Wolken flogen, wohin sie wollten.

Zu Hause in Frankfurt. Sophie hatte gestockt, als ihr klar geworden war, dass sie dort streng genommen keinen Ort mehr hatte, den sie »Zuhause« nennen konnte. Nur die Villa ihres Vaters auf dem Lerchesberg in Sachsenhausen, in der sie bereits seit zwanzig Jahren nicht mehr lebte, gab es noch, aber die zählte wohl kaum. Ihre eigene kleine Wohnung in der Nordweststadt hatte sie an eine Freundin untervermietet, mit der Option, in spätestens zwei Monaten Hauptmieterin zu werden. Damit hatte sich Sophie zwar eine winzige Hintertür offengelassen, im Grunde aber war ihr klar, dass eigentlich alle Brücken abgebrochen waren.

»Ich habe kein Zuhause mehr!«, zum ersten Mal sprach sie es laut aus. »Kein Zuhause, keinen Freund, kein Leben! Kein gar nichts!«

Tja, und da hatte sie wohl zu fest aufs Gaspedal gedrückt, ausgerechnet während der Kleintransporter es mit einer verflixt scharfen Kurve aufnehmen musste.

War jetzt tatsächlich alles schon vorbei, so kurz vor dem Ziel? Das altersschwache Fahrzeug rutschte wie in Zeitlupe vor sich hin. Der Asphalt hingegen schien mit rasender Geschwindigkeit vorbeizufliegen – die Reifen quietschten laut, als Sophie mit aller Kraft auf die Bremse trat. Ein Leitpfosten knickte um wie ein Streichholz, ihre Hände krampften sich um das Lenkrad. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kam der Transporter zum Stehen: Den Graben hatte sie zwar glücklicherweise knapp verfehlt, aber mit den Vorderreifen steckte sie nun in einer sehr schlammigen Weide. Der Motor erstarb.

Ein Schreckensschrei blieb Sophie im Hals stecken. Sie lebte noch! Sie hatte sich nicht den Hals gebrochen! Dankbar schloss sie kurz die Augen. Sie hätte es wissen können, denn als sie die Kontrolle über das Fahrzeug verloren hatte, da war nicht ihr ganzes Leben vor ihrem inneren Auge vorbeigezogen, da hatte sie bloß Angelo zur Hölle gewünscht. Was lustig sein könnte, wenn es nicht so traurig wäre: Einen Engel zum Teufel zu schicken war schon ein starkes Stück.

Sophie atmete ein paar Mal tief durch und schaute nach draußen. Eine Kuh glotzte zurück, dann schleckte deren riesige Zunge über die Windschutzscheibe.

»Danke«, sagte Sophie automatisch. »Nicht nötig.« Sie musste an Angelos Heimatstadt Bari denken, wo sich an jeder Ampel die Fensterputzer auf die Autos stürzten.

Schon wieder Angelo.

»Verschwinde, du blödes Tier!«, rief Sophie. Die Schwarzbunte gehorchte und trottete, beleidigt mit dem Schwanz wedelnd, zu ihren Artgenossen zurück.

Vielleicht hatte dieses Rumpeln vorhin ja nur in ihrem Kopf stattgefunden, es fühlte sich definitiv so an, als wäre da etwas durcheinandergeraten. Vorsichtig betastete sie ihre Stirn, dann die Schläfen. Hm, zumindest äußerlich war nichts festzustellen …

Musste sie also aussteigen und hinten auf der Ladefläche nachsehen? Unter der graugrünen Plane, die schon seit mindestens zweihundert Kilometern an einigen Stellen wild im Fahrtwind flatterte? Vielleicht war es ja doch die Eismaschine gewesen, die dieses beunruhigende Geräusch von sich gegeben hatte.

Das Ungetüm, das vermutlich irgendwann in den Fünfzigern gebaut worden war, hatte Angelo ihr dagelassen – als einziges Souvenir aus drei gemeinsamen Jahren und um seine Schulden bei Sophie zu bezahlen. Sie sei eine wahre Wundermaschine, hatte er behauptet. Schon sein Großvater habe damit das beste, cremigste und süßeste Eis hergestellt. Dazu hatte er engelsgleich gelächelt, womit er seinem Vornamen alle Ehre machen wollte.

»Du kriegst das blöde Ding doch bloß nicht in dein Auto!«, hatte sie ihn angeschrien. Das war erst zwei Wochen her, an jenem Tag war sie noch sehr, sehr wütend und verletzt gewesen.

Verständlich, denn lange Zeit hatte sie an ein gemeinsames Leben, eine glückliche Zukunft und zwei bis drei Kinder geglaubt, nur um dann zu erfahren, dass der schöne Süditaliener ganz plötzlich andere Pläne hatte. Pläne, die mit einem Onkel zusammenhingen, der ihn zurück nach Bari rief, um die größte Eisdiele in der Altstadt zu übernehmen. Und als sei das nicht genug, schlossen diese Pläne wohl auch noch eine glutäugige junge Italienerin namens Carmela Grazia mit ein, die neuerdings seine Fotos auf Facebook mit vielen Herz-Emojis versah.

Als Sophie dies zum ersten Mal entdeckt hatte, war ihr fast das eigene lebendige Herz stehen geblieben.

Sie presste beide Fäuste auf die Augen. Du bist bloß übernächtigt, sagte sie sich. Völlig fertig. Deswegen verfolgt dich Angelo. Aber weiter als bis hierher kommt er nicht, das muss endlich vorbei sein. Auf die Insel nimmst du ihn nicht mit, kapiert?

Ein hysterisches Kichern stieg in ihrer Kehle auf. Sie schluckte es mühsam herunter. Wenn sie schon ihr ganzes Leben umkrempelte, musste sie wenigstens bei Verstand bleiben.

Und immerhin: Auf sie wartete zwar keine große, berühmte Eisdiele in Bari, aber wenigstens ein gut geführter Kiosk am Strand von Langeoog. Das war doch auch was! Und Tante Freda hatte versprochen, sie dürfe dort schalten und walten, wie sie wolle. Das Gebäude sei groß genug, um eine Eisdiele und eine Bäckerei einzurichten. Eigentlich war Sophie nämlich Bäckerin, sowohl beruflich als auch aus Leidenschaft, und nun träumte sie davon, endlich all die Brote, Kuchen und Plätzchen zu backen, mit denen sie seit Jahren ihr Rezeptbuch füllte, für die sie aber nur viel zu selten Zeit hatte.

Aus ihrem Handy schallte die italienische Nationalhymne.

Verflixt, dachte sie, den Klingelton muss ich schleunigst ändern. Eine Weile starrte sie hilflos darauf. Sie hatte das Handy am Armaturenbrett befestigt und zur Navigation benutzt, jetzt aber erschien das Wörtchen »Papa« auf dem Display, und Sophie war sich keineswegs sicher, ob das ein guter Moment für ein Gespräch mit ihm war. Bloß gaben die »Fratelli D’Italia« keine Ruhe und waren laut dem martialischen Text der Hymne schon zum Tode bereit, als Sophie das Gespräch annahm.

»Kind! Endlich!«

»Hallo, Papa.«

»Warum hast du nicht angerufen?« Seine Stimme klang ungewöhnlich forsch. Normalerweise sprach Bernhard Barensen leise, beinahe emotionslos. Ob das daran lag, dass seine Frau damals ihn und die vierjährige Sophie verlassen hatte, oder an einem langen Berufsleben im Gerichtssaal, wo überall ein allzu lauter, bestimmender Ton herrschte, hatte sie nie verstanden. Sowohl ein greinendes Kind als auch schreiende Angeklagte konnten einen Mann sicherlich dazu bringen, zu Hause höchstens noch zu flüstern.

Sophie überlegte kurz, was eigentlich schlimmer war, eine riesige Eismaschine oder ein kleines Kind. Noch einmal presste sie die Fäuste auf die Augen.

»Ich bin noch unterwegs«, sagte sie dann.

»Wieso denn das? Ich habe ausgerechnet, dass du nach höchstens fünfeinhalb Stunden am Hafen von Bensersiel sein müsstest. Was hat dich aufgehalten?«

»Eine …« Sie stoppte sich gerade noch rechtzeitig, bevor sie die Kurve erwähnen konnte. Ihr Vater hätte sich nur unnötig Sorgen gemacht. Sie blickte hinüber zu der Herde Kühe, ihre Besucherin von eben streckte den Schwanz in die Höhe und wirkte immer noch beleidigt.

»Mit der Klapperkiste ging es einfach nicht so schnell wie gedacht«, antwortete sie schließlich. »Es war nett von deinem Gärtner, mir den Transporter zu leihen, aber ich kann euch nicht versprechen, dass er es noch einmal zurück schafft.«

»Das ist bereits geregelt, in Bensersiel nimmt ihn dir ein Autohändler ab. Du könntest ihn ohnehin nicht mitnehmen, Langeoog ist ja eine autofreie Insel. Und dem Otto habe ich einen gut erhaltenen Pick-up gekauft.«

Ein gut erhaltener Pick-up wäre hier vielleicht nicht aus der Kurve gerutscht, dachte Sophie missmutig. Auf einmal hatte sie das Gefühl, die Vorderräder würden ein bisschen tiefer in die Wiese sacken. Sophie erschrak furchtbar. Wo war sie nur gelandet? Die Gegend hier war doch berühmt für Moore, oder nicht? Aber dann rief sie sich schnell selbst zur Ordnung. Die Schwarzbunten da drüben waren ja noch da, also würde auch ihr Kleintransporter noch eine Weile durchhalten, selbst wenn er um einiges schwerer war.

»Du telefonierst doch nicht etwa während der Fahrt mit mir?«, fragte ihr Vater plötzlich.

»Nein, Papa. Ich mache zufällig gerade eine kurze Pause. Hörst du? Der Motor läuft nicht.« Wie genau diese Pause zustande gekommen war, brauchte er ja nicht zu wissen. »Und ich bin schon bald in Aurich. Lange wird es nicht mehr dauern.«

»In Ordnung. Wenn du die letzte Fähre nicht mehr erwischst, musst du halt in Bensersiel übernachten. Oder vorher in Esens. Die fahren nämlich streng nach Fahrplan und sind nicht von der Flut abhängig.«

»Ja, ich weiß, Papa.« Ihr Vater hatte für diese Fahrt einen akribischen Schlachtplan aufgestellt, damit sie auch ja heil ankam. Bei ihm hatte es geklungen, als wollte sie zu einer Nordpolexpedition aufbrechen. Wenn sie einwarf, sie sei schon erwachsen, sie werde es bestimmt schaffen, nach Langeoog zu kommen, entgegnete er regelmäßig, für sie als Großstadtkind berge das platte Land Gefahren, die sie sich nicht einmal vorstellen könne.

Die Sache mit dem Großstadtkind stimmte. Mal abgesehen von ein paar Urlauben in der Kindheit, die Vater und Tochter an einem italienischen Strand an der Adria verbracht hatten, sowie ein paar Besuchen bei ihrer Mutter auf Ibiza hielt sie sich am liebsten in Frankfurt oder in anderen Städten auf. Hochhäuser, Straßenverkehr und die immer gleichen Geschäfte hatten für Sophie eine beruhigende Wirkung. Aber da sie eine mutige junge Frau war, wollte sie ab sofort auch die freie Natur genießen – und sie fand, abgesehen von dem kleinen Unfall gelang ihr das schon recht gut.

»Kind, hörst du mir noch zu?«

»Natürlich, Papa«, sagte sie schuldbewusst.

»Gut, also wie gesagt: Seit die Fahrrinne zwischen dem Festland und Langeoog in den siebziger Jahren ausgebaggert wurde, können die Fähren auch bei Ebbe fahren. Du kannst also nicht darauf hoffen, aufgrund von Verspätungen noch eine zu erwischen. Ich schicke dir gleich die Adressen von zwei Pensionen. Nur für alle Fälle. Sie haben ausgezeichnete Bewertungen, und wir haben Glück: Beide haben noch Zimmer frei, obwohl schon Anfang Juni ist.«

So war er, ihr Papa. Er überließ absolut nichts dem Zufall.

»Danke. Du bist ein Schatz.« Sie meinte es ehrlich. Mochte sie hier auch in einem Moor zusammen mit zwei Dutzend Schwarzbunten festsitzen – es war schön, dass es irgendwo jemanden gab, der sich um sie kümmerte.

Sie beendete das Gespräch, indem sie ihrem Vater vorflunkerte, sie müsse jetzt weiterfahren.

Ein bisschen hatte Sophie sich schon gewundert, dass er sie so einfach ziehen ließ. Bis ihr aufgegangen war, dass er nicht an das Projekt glaubte. Er war der festen Überzeugung, dass seine Kleine schon bald zurück nach Frankfurt kommen würde – und dann würde sie vielleicht sogar bereit sein, doch noch Jura zu studieren. Im zarten Alter von siebenunddreißig Jahren. Na ja.

Es war die größte Enttäuschung seines Lebens gewesen, als Sophie nach einem sehr guten Abitur beschlossen hatte, nicht Anwältin zu werden, sondern Bäckerin. Darüber hätten sie sich damals beinahe entzweit, aber schließlich hatte Bernhard Barensen einsehen müssen, dass seine Tochter weniger nach ihm und mehr nach seiner Ex-Frau kam, einer temperamentvollen Künstlerin mit spanischen Wurzeln, die lieber mit den Händen als mit dem Kopf arbeitete. Sein einziger Trost war es, dass Sophie ihm wenigstens äußerlich nachschlug: sehr groß, sehr blond, mit sehr blauen Augen. Auf ein paar Zentimeter ihrer Größe hätte sie selbst eigentlich gern verzichten können, aber da war nichts zu machen.

Sie lächelte und verspürte plötzlich große Sehnsucht nach ihrem Vater. Nach ihrer großen Auseinandersetzung vor beinahe zwanzig Jahren hatte er nie mehr ein Wort gegen ihre Berufswahl gesagt. Nicht einmal, als sie ihm gestand, dass sie in der Großbäckerei unglücklich war, wo sie methodisch und nach vorgegebenen Rezepten arbeiten musste und nie etwas Eigenes erschaffen durfte. Das rechnete sie ihm hoch an. Auch die beiden Male, in denen sie versucht hatte, sich selbstständig zu machen und an übermäßig hohen Pachtzahlungen und nicht genügend Kunden gescheitert war, hatte er sich zurückgehalten.

Nur zu Angelo hatte er seine Meinung geäußert, und die war nicht besonders schmeichelhaft ausgefallen. Er nannte ihn »Hallodri« und »Tunichtgut«, und Sophie erzählte ihm schon bald nicht mehr, wenn Angelo sie mal wieder um Geld angepumpt hatte, weil seine Eisdiele nicht so lief, wie sie sollte.

Nein, Angelo war generell ein Thema gewesen, das sie besser vermieden hatte. Und nach seinem plötzlichen Abgang war Bernhard trotzdem zu seiner Tochter geeilt, hatte sie getröstet und dabei fassungslos das Ungetüm von Eismaschine betrachtet, das der Italiener ihr vermacht hatte.

»Herrjemine! Was in aller Welt ist das?«

Sie hatte es ihm erklärt.

»Und die funktioniert noch? Sie sieht aus wie einer dieser Kühlschränke aus den Vierzigern. Nur runder, und dann noch diese schreckliche giftgrüne Farbe …«

»Angelo sagt, sie macht das allerbeste Speiseeis.«

»So, so. Angelo sagt das?«

»Ja. Es war nicht alles Lüge, was er von sich gegeben hat.«

»Vielleicht kannst du sie verkaufen«, hatte er diplomatisch vorgeschlagen. Aber nur ein paar Tage später bot sich eine andere Möglichkeit – eine, mit der Bernhard Barensen alles andere als glücklich war.

Zumindest vorerst.

Doch jetzt musste Sophie sich erst einmal wieder auf ihr aktuelles Problem konzentrieren. Sie startete den Motor, der auch brav wieder ansprang, legte den Rückwärtsgang ein und hörte, wie die Vorderräder durchdrehten.

Tja, es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sie sich so einfach aus ihrer Notlage hätte befreien können.

Was nun? Tante Freda auf Langeoog um Hilfe bitten? Aber was könnte die schon tun?

Besser war es also, einen Abschleppdienst in Aurich zu erreichen. Sie gab telefonisch ihren Standort durch und erfuhr, dass sie sich auf eine längere Wartezeit einstellen müsste, denn es sei Sonntagnachmittag, man verfüge nur über zwei Einsatzfahrzeuge, und außerdem hätten schon ein paar Touristen einen Ausflug ins Moor unternommen, der nicht so gut ausgegangen sei. Das klang dermaßen abfällig, dass Sophie sich lieber auf keine Diskussion einließ, sondern versprach, sie werde an Ort und Stelle auf Hilfe warten. Für Ironie hatte der Mann am Telefon keinen Sinn, sondern erwiderte trocken, das wolle er ihr auch geraten haben, denn er hätte keine Lust, umsonst loszufahren.

Nach einer Weile stieg sie schließlich aus dem Fahrzeug, streckte sich einmal ordentlich und ging dann zur Ladefläche. Vorsichtig hob sie ein freigewehtes Stück der Plane an und lugte darunter. Die Eismaschine schien sich doch tatsächlich ein Stück bewegt zu haben, und das obwohl ihr Vater sie mindestens zehnfach festgebunden hatte. Sie stand jetzt viel weiter rechts, und fast schien es, als wäre dadurch der ganze Kleintransporter auf dieser Seite ein Stück tiefer eingesackt. Das konnte aber auch an der morastigen Weide liegen.

Sophie ließ die Plane wieder sinken und sah sich um. Vorhin noch war sie durch ein Dorf gekommen, hatte ein paar Gehöfte gesehen, aber hier, genau in dieser blöden Kurve, war nichts und niemand zu entdecken, sie schien am Ende der zivilisierten Welt angekommen zu sein.

Ihr blieb also nichts anderes übrig, als sich wieder in den Wagen zu setzen und zu warten. Die lange Fahrt und die Aufregungen der Tage vor ihrer Abreise machten sich nun doch bemerkbar, Sophie schloss die Augen und schlief beinahe augenblicklich ein. Sie merkte nicht einmal mehr, wie sie langsam zur Seite rutschte, und die Stunden vergingen.

2. Kapitel

»Glaubst du, sie ist tot?«, hörte sie jemanden fragen. Bestimmt schlief sie noch, denn sie glaubte, einen leichten italienischen Akzent in der Männerstimme zu hören, und das konnte nur bedeuten, dass Angelo sie in ihren Träumen heimsuchte.

»Das will ich nicht hoffen«, entgegnete eine zweite Stimme. »Aber sie liegt schon sehr krumm und schief da.«

Im nächsten Moment traf Sophie der grelle Strahl einer Taschenlampe. Sie blinzelte. Dann stöhnte sie auf – plötzlich merkte sie, wie die Handbremse schmerzhaft gegen ihren rechten Hüftknochen drückte.

Mit einiger Mühe brachte sie sich in eine sitzende Position zurück. Die beiden Männer waren immer noch da, also keine Traumgestalten. Und zumindest der erste klang gar nicht nett. Sie blendeten sie immer noch, so dass Sophie ihre Gesichter nicht erkennen konnte. Fieberhaft überlegte sie, was sie als Waffe zur Verteidigung benutzen könnte, aber ihr fiel bloß die Sprühflasche mit antibakteriellem Reiniger unter dem Vordersitz ein. Ihr Vater hatte vorgesorgt, falls sie mal ein unsauberes gewisses Örtchen aufsuchen musste.

An einen Überfall in der Nacht hatte er leider nicht gedacht.

»Sieh einer an, doch nicht tot«, sagte die erste Männerstimme. »Tote stöhnen nicht.«

»Gott sei Dank«, kommentierte die zweite, woraufhin Sophie trotz ihrer Angst spontane Sympathie für den Mann empfand. Der klang wenigstens nicht gefährlich, sondern mitfühlend.

»Und es sieht auch nicht so aus, als hätte sie irgendwelche Reichtümer dabei.« Das war wieder Nummer eins, und Sophie lief es prompt eiskalt den Rücken runter.

»Blödmann.«

Danke, Nummer zwei, dachte sie. Wenn ich schon ausgeraubt werden muss, dann bitte von einem netten Dieb wie dir. Ihre Furcht konnte er ihr trotzdem nicht nehmen.

Oder – Hoffnung flackerte in ihr auf – waren die beiden möglicherweise vom Abschleppdienst?

Aber dann hörte sie, wie der Erste sagte: »Die hat bloß ’ne Panne. Lass uns weiterfahren.«

Keine schlechte Idee, fand Sophie. Andererseits säße sie dann wieder allein fest. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und machte sich bemerkbar:

»Hören Sie gefälligst auf, mich zu blenden!«

Das grelle Licht verschwand, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sich Sophies Augen an ihre nunmehr schwach beleuchtete Umgebung gewöhnt hatten.

Dann erkannte sie, dass die beiden Männer neben der Fahrertür ebenfalls um die dreißig waren. Der eine war etwas jünger und sehr groß, wahrscheinlich sogar größer als sie selbst, dafür hatte sie als sehr groß gewachsene Frau einen Blick. Bis auf einen halben Zentimeter konnte Sophie auch im Sitzen einschätzen, ob ein Mann sie überragte. Eine lebensnotwendige Fähigkeit, fand sie. Zumindest wenn man nicht so gern einen kleineren Partner hatte. Angelo hatte das Soll ganz knapp erfüllt.

Auf den zweiten Blick sah dieser Mann hier auch noch umwerfend gut aus: braunes, volles Haar, schwarz blitzende Augen, markantes Kinn … Ein Kerl zum Dahinschmelzen wie Vanilleeis in der Sonne. Der andere war ein Stück kleiner, trug sein ebenfalls braunes Haar zu einem Knoten gebunden und hatte sich einen Vollbart wachsen lassen, der sein Gesicht seltsam konturlos wirken ließ. Seine Augen waren hinter dicken Brillengläsern fast nicht zu erkennen. Außerdem war er sehr dünn – seine Jeans konnten jeden Augenblick über die knochigen Hüften nach unten rutschen. Instinktiv wusste Sophie, dass er Nummer zwei war.

»Zufrieden?«, fragte der Erste irritiert. »Wir müssen jetzt aber dringend weiter. Mein Bruder hier will immer den guten Samariter spielen, besonders bei jungen, hübschen Frauen. Aber da Ihnen offenbar nichts fehlt, verschwinden wir wieder.«

Brüder also, überlegte sie. Wer hätte das gedacht.

»Riccardo«, mahnte Nummer zwei. »Hör auf, dich so schlecht zu benehmen. Wenn ich das Mamma erzähle, gibt sie dir eins hinter die Löffel.«

Der große Riccardo lachte, was ihn noch attraktiver machte, aber die Erwähnung ihrer Mutter schien ihn ein wenig zu beunruhigen. »Mamma ist tausendfünfhundert Kilometer weit weg in Neapel«, erwiderte er dennoch.

»Das macht keinen Unterschied. Sie weiß es immer, wenn du was anstellst, und ihre Strafe wird dich treffen!«

»Ach, hör doch auf mit deinem Aberglauben …«

Mist, Italiener, fluchte Sophie innerlich. Ausgerechnet auf zwei Italiener muss ich in Ostfriesland stoßen! Wenigstens kamen sie von der anderen Seite des Stiefels und nicht aus Angelos Gegend.

»Neapel? Sie haben dann aber eine weite Fahrt hinter sich!«, sagte sie.

Riccardo lachte schon wieder. »Ach was, wir kommen heute bloß aus Leer und wollen zurück nach Langeoog. Wir leben seit bald zwanzig Jahren nicht mehr in Italien.«

Offenbar erlaubte das Schicksal sich einen Scherz mit ihr. Da flüchtete sie vor ihrer Vergangenheit mit einem Italiener, nur um Landsleute von ihm als erste Einwohner ihrer zukünftigen Heimatinsel zu treffen.

»Matteo!«, rief Riccardo. »Lass das! Starr die Signorina doch nicht so an!«

Der Angesprochene senkte den Blick. Sophie lächelte ihm zu. Sie hatte nichts mitbekommen, was ihr unangenehm gewesen wäre. Vielleicht, weil seine Augen so schwer zu erkennen waren.

»Es ist sehr nett, dass Sie angehalten haben. Ich fürchte, ich habe mich festgefahren.«

»Weil Sie ein bisschen Moorleiche spielen wollten?«, fragte Riccardo spöttisch.

»Ich … na ja, ich bin hinter Leer von der Autobahn abgefahren. Anstatt die Bundesstraße nach Aurich zu nehmen, dachte ich, es wäre schön, ein bisschen was von der Landschaft zu sehen. Deshalb bin ich auf Nebenstrecken weitergefahren.«

»Touristen«, Riccardo schnaubte abfällig. »Die wissen nie, was gut für sie ist. Erst neulich sind zwei Wanderer im Watt vor Langeoog verschwunden …«

Sophie riss erschrocken die Augen auf. »Wirklich?«

Matteo verpasste seinem Bruder einen kräftigen Stoß in die Seite. Für einen so dünnen Mann schien er überraschend stark zu sein. »Jetzt lass doch deine Gruselgeschichten!« Dann wandte er sich an Sophie. »Riccardo übertreibt immer maßlos. Die zwei hatten sich nur verlaufen und wurden rechtzeitig gefunden.«

»Ja, als ihnen die Flut buchstäblich bis zum Hals stand.«

Matteo achtete nicht weiter auf ihn. »Sollen wir einen Abschleppdienst für Sie anrufen? Wir sind leider nur mit dem Ape hier. Damit können wir Sie unmöglich rausziehen.« Er deutete auf das dreirädrige Gefährt, das hinter ihnen am Straßenrand stand. In Italien gehörten die praktischen Miniaturlastwagen zum Straßenbild, hier oben in Norddeutschland wirkte der Ape eher exotisch. Die kleine Ladefläche war mit mehreren Kisten beladen, denen ein fruchtig-saurer Duft entströmte.

»Zitronen«, erklärte Matteo, als er Sophies fragenden Blick bemerkte. »Wir haben einen Obsthändler in Leer aufgetan, der uns die schönsten Früchte direkt aus Sorrento besorgen kann.«

»Oh, es duftet wundervoll.«

»Was ist denn nun mit dem Abschleppdienst?«, unterbrach Riccardo, der offensichtlich die Geduld verlor.

»Danke«, sagte sie schnell. »Den habe ich bereits kontaktiert, aber es hieß, das könnte dauern.«

»Sonntagnachmittag. Touristen.« Offenbar wollte Riccardo keine Zeit mehr für ganze Sätze verschwenden.

Matteo warf ihm einen strafenden Blick zu. »Spiel dich nicht so auf, kleiner Bruder. Die letzte Fähre haben wir sowieso schon verpasst, weil du dich nicht von deiner schönen Julia trennen konntest.« Erklärend für Sophie fügte er hinzu: »Das ist eine Freundin von ihm. Sie wohnt in Timmel.«

»Oh, ich glaube, da bin ich heute Nachmittag sogar durchgekommen.«

Riccardo grinste. »Wir können bei Saskia in Esens für die Nacht unterkommen.« Er hielt sein Smartphone hoch.

»Ich habe schon alles geregelt.« Immerhin. Ganze Sätze waren wieder möglich.

»Ach, deshalb hast du es plötzlich so eilig.« Matteo stieß einen langen, resignierten Seufzer aus. Anscheinend war er mit einem Don Giovanni als Bruder einigen Kummer gewöhnt. Unentschlossen hob er die Schultern.

»Sie können ruhig fahren«, sagte Sophie. »Der Abschleppdienst wird bestimmt jeden Moment hier sein, und ich komme schon klar.«

Sie war sich dessen keineswegs sicher und fürchtete sich auch ein wenig davor, hier draußen allein die Nacht zu verbringen. Nicht einmal die Kühe waren mehr da, der Bauern musste sie zum Melken in den Stall geholt haben, als sie geschlafen hatte. Am liebsten hätte sie die Brüder angefleht, sie nicht allein zu lassen, doch das kam natürlich nicht infrage. Sie kannte die beiden ja gar nicht, und sie hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben.

»Ganz genau«, stimmte Riccardo eilig zu. »Dann wollen wir mal.«

Schon wandte er sich ab und stapfte zurück in Richtung Straße, aber Matteo blieb standhaft: »Nein«, sagte er mit fester Stimme. »Wir lassen Sie doch jetzt nicht allein!«

Aus lauter Dankbarkeit wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen, aber das hätte den armen Mann vermutlich in die Flucht geschlagen. Schon seit ihrer Kindheit hatte Sophie die Angewohnheit, in emotionalen Momenten Leute zu umarmen, manchmal sogar völlig fremde Menschen – ihre Tante Freda behauptete seit jeher, das wäre der Knacks, den sie nun weghätte, weil ihre Mutter sie verlassen hatte. Zum Glück befand sich die Autotür zwischen ihr und Matteo. Aber vielleicht, dachte sie, vielleicht hätte er sich sogar über eine Umarmung gefreut.

»Ich bin übrigens Sophie Barensen«, schnell stellte sie sich vor, bevor sie noch mehr wirres Zeug denken konnte.

»Freut mich, Sophie. Matteo Torrioni.« Durch die offene Scheibe reichte er ihr seine Hand. Sophie ergriff sie. Sein Händedruck war energisch und gleichzeitig irgendwie zärtlich. Sie wunderte sich über diesen Eindruck. Wie passte das denn zusammen?

»Und der da ist mein missratener Bruder Riccardo.«

Sophie nickte dem schönen Italiener knapp zu. Der ignorierte sie mittlerweile und tippte auf seinem Handy herum.

Doch plötzlich schnellten Matteos Augenbrauen vor Überraschung in die Höhe. »Ach, Barensen, sagen Sie? Sind Sie zufällig mit Freda Barensen verwandt?« Er ließ ihre Hand wieder los. Zu ihrem größten Erstaunen tat ihr das leid. Es war angenehm gewesen, ihre Finger zwischen seinen zu haben.

»Ja, das ist meine Tante. Kennen Sie sie?«

Die Brüder wechselten einen schnellen Blick, den Sophie nicht zu deuten wusste. Dann murmelte Riccardo unbestimmt: »Auf einer kleinen Insel sind alle Leute irgendwie miteinander bekannt.«

»Aha, verstehe.« Aber sie verstand nicht. Irgendetwas ging da vor sich, die beiden Brüder wirkten auf einmal unangenehm berührt.

»Und Sie machen Urlaub bei Ihrer Tante?«, fragte Matteo schließlich, nach einer unangenehmen Stille.

»Nein, ich … bleibe vielleicht länger.« Sie zog es vor, keine so genaue Auskunft zu geben. Aber weil Matteo wieder so freundlich wirkte, fügte sie dennoch hinzu: »Ich werde ihren Kiosk übernehmen.«

Nun konnte man den Torrionis ihren Schreck deutlich ansehen. Riccardo wandte sich ab, Matteo räusperte sich ein paar Mal, bevor er sagte: »Leider können wir Sie nicht einfach bei uns mitnehmen. Im Führerhäuschen ist nur knapp für zwei Leute Platz, und auf die Ladefläche passt auch niemand mehr.«

Sie schaute ihn groß an. Hätte er sonst vorgeschlagen, sie könne wie ein Stück Fracht hinten mitfahren? Ganz oben auf den Zitronenkisten?

Matteo schien ihre Gedanken zu erraten, denn er fügte schnell hinzu: »Selbstverständlich hätte ich den Platz da hinten eingenommen.«

Riccardo sah auf. »Wir können ja dich hierlassen, und ich nehme Sophie mit.«

Gott behüte, dachte sie. Mit einem italienischen Frauenhelden allein auf den Straßen Ostfrieslands. Das hatte was von einer schrägen Komödie.

Matteo wirkte hin- und hergerissen. Doch noch bevor eine Entscheidung gefällt wurde, erschien endlich der Wagen des Abschleppdienstes.

Die Brüder verabschiedeten sich von Sophie, und Matteo nahm ihr das Versprechen ab, die Eisdiele Dolomiti zu besuchen. »Direkt im Zentrum, jeder kennt sie.«

Sophie bemerkte, dass Riccardo seinen Bruder stirnrunzelnd beobachtete. Es machte den Eindruck, als ob er etwas sagen wollte, doch er blieb stumm.

»Wieso heißt sie denn Dolomiti?«, fragte sie. »Sie kommen doch gar nicht aus Südtirol.«

»Der Name macht sich einfach gut«, Matteo zuckte grinsend mit den Schultern. »Die ersten berühmten Gelatieri, die Eishersteller, zogen vor mehr als hundert Jahren aus Südtirol über die Alpen in den Norden. Die Deutschen sind daran gewöhnt, dass sie das beste Eis von Menschen aus genau dieser Gegend bekommen. Napoli lässt sie nur an Pizza denken.«

»Stimmt«, musste sie zugeben und grinste auch. Klassisch schön war er nicht, dieser Matteo, aber dafür ungemein sympathisch. Zuletzt holte er noch einen Sack voll duftender Zitronen und schenkte ihn Sophie. »Und wenn Sie mich besuchen, mache ich Ihnen das beste Zitroneneis, das Sie je gegessen haben.«

Sophie war fast ein bisschen gerührt. »Dankeschön!«

»Was transportieren Sie eigentlich? Scheint ja ziemlich schwer zu sein.«

»Ach, nichts Besonderes.« Auf keinen Fall wollte sie sich die neue Freundschaft verscherzen, indem sie Matteo erzählte, dass sie bald seine Konkurrentin sein würde.

Er gab sich damit zufrieden, und der Ape mit den beiden Brüdern tuckerte davon.