Das Leuchten der Orangenblüten - Roberta Gregorio - E-Book
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Das Leuchten der Orangenblüten E-Book

Roberta Gregorio

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Beschreibung

So erfrischend wie italienischer Zitronenlikör: Der Sommerroman »Das Leuchten der Orangenblüten« von Roberta Gregorio jetzt als eBook bei dotbooks. Im idyllischen Pietragrigia an der italienischen Küste sagen sich noch Fuchs und Hase gute Nacht … bis plötzlich ein turbulenter Streit um das alte Kloster ausbricht! Die ebenso hübsche wie eigensinnige Paola sieht darin die Chance für ein Jugendzentrum, um ihrem geliebten Heimatort endlich wieder etwas Leben einzuhauchen – doch sie hat nicht mit Fortunato gerechnet, dem ebenso arroganten wie verflixt gutaussehenden Schnösel aus der Großstadt, der aus dem Kloster ein Luxushotel machen möchte. Zwischen den beiden Streithähnen fliegen schon bald die Funken – und das erst recht, als Santa Marina, die offizielle Schutzheilige des Dorfes, ihren Freund Amore auf den Plan ruft … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der Italienroman »Das Leuchten der Orangenblüten« von Roberta Gregorio – auch bekannt unter dem Titel »Wie im Himmel so im Herzen« – ist der dritte Band ihrer romantischen »Küsse in Venezien«-Trilogie, in der jeder Roman unabhängig gelesen werden kann. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 171

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Über dieses Buch:

Im idyllischen Pietragrigia an der italienischen Küste sagen sich noch Fuchs und Hase gute Nacht … bis plötzlich ein turbulenter Streit um das alte Kloster ausbricht! Die ebenso hübsche wie eigensinnige Paola sieht darin die Chance für ein Jugendzentrum, um ihrem geliebten Heimatort endlich wieder etwas Leben einzuhauchen – doch sie hat nicht mit Fortunato gerechnet, dem ebenso arroganten wie verflixt gutaussehenden Schnösel aus der Großstadt, der aus dem Kloster ein Luxushotel machen möchte. Zwischen den beiden Streithähnen fliegen schon bald die Funken – und das erst recht, als Santa Marina, die offizielle Schutzheilige des Dorfes, ihren Freund Amore auf den Plan ruft …

Über die Autorin:

Roberta Gregorio, geboren 1976 in Bayern, ist staatlich geprüfte Fremdsprachenkorrespondentin. Heute lebt sie als Autorin mit ihrer Familie im tiefsten Süden Italiens, wo sie am kleinen, grünen Schreibtisch mit Blick aufs Meer ihrer Fantasie freien Lauf lässt.

Bei dotbooks veröffentlicht sie ihre »Küsse in Venezien«-Trilogie, die auch im Sammelband »Sommerduft und Rosenknospen« erhältlich ist:

»Der Duft von Sommer und Limonen«

»Der Geschmack von Mirabelleneis«

»Das Leuchten der Orangenblüten«

Auch bei dotbooks erscheinen ihre Romane:

»Das kleine Restaurant des Glücks«

»Im Schatten der Zitronenbäume«

»Italienische Küsse«

»Der Sommer der Zitronenblüten«

»Winterküsse mit Zimt und Zucker«

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Originalausgabe Juli 2018, Juni 2022

Dieses Buch erschien bereits 2018 unter dem Titel »Wie im Himmel so im Herzen« bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 2018, 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Dr. Verena Stindl

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-96148-114-9

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Roberta Gregorio

Das Leuchten der Orangenblüten

Küsse in Venezien – Band 3

dotbooks.

Prolog

Erschrocken fuhr Santa Marina aus dem Tiefschlaf hoch und schlug dabei heftig gegen den morschen Balken über ihrem Bett. So heftig, dass sie zunächst nur Sternchen sah. Instinktiv und leicht benebelt hielt sie sich schützend die Hände über den Kopf. Erst als sie erleichtert feststellte, dass keine Naturkatastrophe über sie hereingebrochen war, entspannte sie sich. Sie horchte konzentriert. Stille im Kloster. Wahrscheinlich hatte sie nur schlecht geträumt, überlegte sie und ließ sich zurück auf die Matratze sinken. Dann ging es aber auch schon wieder los.

Klopf, klopf, klopf.

Zuerst hatte sie ja an ein Erdbeben gedacht, verschlafen wie sie noch war. Jetzt aber war sie sich sicher, dass jemand sehr laut gegen die Wand des alten Klosters pochte. Eine logische Erklärung dafür hatte sie aber nicht.

Marina erhob sich mühsam und rieb sich den noch immer schmerzenden Kopf, wobei sie leise über ihre eigene Dummheit schimpfte. Auch ihre Knochen schienen zu schimpfen und schmerzten mehr als sonst. Obwohl sie im deutlich wärmeren und trockeneren Pietragrigia überwinterte, steckte Venedigs Feuchtigkeit inzwischen unauslöschlich in ihren Gliedern. Sie richtete den Blick entnervt gen Himmel und verkniff es sich, laut zu fluchen. Das war so eine Sache, die sie vermisste. Damals, während ihres irdischen Daseins, hatte sie es stets genossen, ausgiebig zu fluchen, wenn mal etwas nicht passte. Ihre Position als Heilige ließ das aus offensichtlichen Gründen nicht mehr zu. Was nicht hieß, dass in ihrem Kopf kein ganzer Schwall an Flüchen herumtanzte. Ihre Gedanken konnte sie nicht steuern, bei aller Frömmigkeit!

Wackeligen Schrittes ließ sie sich von ihrem Gehör in die Richtung des Lärms leiten und blickte neugierig durch ein großes Loch in der Wand nach draußen, wo zwei Männer standen.

Einer der beiden sah piekfein aus. Teurer, heller Anzug. Krawatte. Und streng gescheiteltes Haar. Er passte hier aufs offene, verwilderte Land wie ein König auf einen Flohmarkt. Der andere hingegen war ganz offensichtlich ein Bauarbeiter. Ohne ersichtlichen Grund trug er einen dieser gelben Kunststoffhelme. Eine Gemeinsamkeit der Männer war ihre übertriebene Lautstärke. Typisch Mann, wusste Santa Marina. Immerhin hatte sie einen Großteil ihres Lebens damit verbracht, sich als solcher auszugeben.

»Diese Wand hält!«, behauptete der Bauarbeiter und klopfte mit seinem schweren Hammer wie zum Beweis noch einmal gegen die Mauer. Das Geräusch, das dabei entstand, hallte durch das ganze Gebäude, das mit seinen unzähligen Löchern einem Schweizer Käse glich. Aber, und da musste Marina ihm recht geben, es bröckelte nirgendwo. Die Wände, oder das, was davon übrig war, hielten tatsächlich.

Der Typ im Anzug kritzelte irgendetwas in seine Unterlagen, nickte und schaute hoch. Direkt zu ihr, wie es Marina erschien. Sie zuckte sogar kurz zurück, rollte dann aber mit den Augen. Für Menschen war sie nicht sichtbar. Nur vergaß sie das manchmal.

»Das Dach macht mir Sorgen«, erwähnte der Feine, wobei er den Blick noch immer nach oben gerichtet hielt.

Welches Dach, musste Santa Marina sich fragen. Davon war nun wirklich nicht mehr viel vorhanden. Ihr war das ja ganz recht. Sie blickte nachts so gerne in den überwältigend schönen Sternenhimmel. So besonders Venedig auch war, mit Pietragrigias Himmelszelt konnte es nicht konkurrieren. Das machte San Lorenzo, vermutete sie. Ihr Nachbar und Kollege aus dem Nachbarort Villebianche war ein begnadeter Sternschnuppen-Zauberer.

»Na, das Dach muss komplett erneuert werden!«, fand auch der Bauarbeiter. »Wenn es durchbricht, schadet das der ganzen Struktur.«

Und wieder schrieb der Mann etwas auf.

Was gab es denn da zu schreiben, wunderte sich Marina. Was hatten die Männer mit ihrem Kloster vor? Nun, die Ruine war nicht wirklich ihre, musste sie zugeben. Sie wohnte hier nur ein paar Monate im Jahr. Aber sie liebte diesen idyllischen Ort. Bei dem fürchterlichen Touristenandrang in Venedig, den sie das ganze Jahr über aushalten musste, freute sie sich beim Überwintern in Pietragrigia vor allem auf eines: Ruhe.

Das würden ihr diese zwei Witzfiguren doch nicht verderben wollen?

Die Männer entfernten sich langsam, während sie sich weiter unterhielten. Marina bekam mit, dass es um das Kloster ging und die Idee des Feinen, daraus irgendetwas Spektakuläres zu machen. Das schockierte sie ziemlich. Was meinte er denn mit spektakulär? Sie fühlte sich hier wohl, weil die alten Gemäuer sich dezent ins landschaftliche Bild fügten und die Vöglein zwitscherten. Das war genau das Gegenteil von dem, was offenbar gerade geplant wurde.

»Va bene, dann ruf mich an, sobald du mehr weißt, Fortunato!«, hörte sie, wie der Bauarbeiter sich verabschiedete.

Danach bekam sie nicht mehr viel mit.

Fortunato.

Jedes Mal, wenn dieser Name fiel, setzte ihr logisches Denken aus, denn ihr Herz machte dann immer einen gigantischen Satz und ihr Kopf hörte auf, korrekt zu funktionieren.

Kapitel 1

Paola bediente gerade den alten Oscar, der Stammkunde des Ladens war, in dem sie arbeitete. Sie mochte den Mann sehr, erinnerte er sie mit seinen buschigen Augenbrauen und der etwas zu groß geratenen Nase doch an ihren geliebten nonno. Heute aber machte seine langsame – sehr, sehr langsame – Art sie schier wahnsinnig. Sie hatte einen Termin beim Bürgermeister, den sie unbedingt einhalten wollte, und deswegen extra darum gebeten, ein paar Stunden eher Schluss machen zu dürfen. Aber Oscar, der ließ sich Zeit. Inzwischen versuchte sie, ihren besten Freund Rino zu ignorieren, der schon von draußen durch die Scheibe hereinsah und dabei irgendwie an einen Fisch im Aquarium erinnerte.

»Darf es sonst noch etwas sein?«, erkundigte sie sich deshalb. Freundlich, aber innerlich ungeduldig.

Der alte Mann überlegte, schaute dabei in die Luft, obwohl die Theke mit dem Aufschnitt doch direkt vor ihm stand. Und Paola dahinter. Mit unruhig auf den Boden klopfendem rechtem Fuß.

»Salami?« Er sprach es aus wie eine Frage. Blickte aber noch immer in die Höhe.

»Habe ich Ihnen gerade aufgeschnitten, Signor Oscar. 100 Gramm.«

Er machte ein überraschtes Gesicht. Suchte jetzt in seinem Einkaufskorb. Vermutlich nach der Salami. Fand sie auch. Und strahlte.

»Dann brauche ich nichts mehr!«, freute er sich und hob die Hand zum Gruß.

Paola war erleichtert, wusste vor Eile aber nicht, was sie zuerst machen sollte. Zur Auswahl standen: grüßen, Schürze abnehmen oder sofort den Laden verlassen. In ihrer Unentschlossenheit wurde ein ganz seltsamer Tanz daraus, den Oscar amüsiert betrachtete. Dann aber veränderte sich der Gesichtsausdruck des Alten.

»Jetzt weiß ich’s wieder. Ich brauche dringend noch geriebenen parmigiano!«, rief er, und es fehlte dabei nur noch ein »Heureka«, um seine Freude darüber, dieses Detail nicht vergessen zu haben, zu unterstreichen.

Manchmal wünschte sie, dass auch nur ein Bruchteil ihrer Kundschaft die von vielen unterschätzte Angewohnheit hätte, eine Einkaufsliste zu schreiben.

Parmesan reiben. Das war ziemlich zeitaufwendig, obwohl sie dafür natürlich eine Maschine hatte. Sie seufzte. Daran konnte sie jetzt auch nichts ändern. Also zog sie es durch und verließ den Laden mit beachtlicher Verspätung.

Rino empfing sie mit einem schiefen Lächeln, das ihn immer etwas hochnäsig wirken ließ, in Wahrheit aber ein Nebeneffekt eines kleinen Unfalls war, der sich vor Ewigkeiten zugetragen hatte. Sie war dabei gewesen, bei diesem Unfall. Sie kannte das Lächeln von zuvor und das von danach. Und mochte beide. Weil sie Rino ganz allgemein mochte.

Einmal hatte sie sich sogar eingebildet, in ihm den Mann ihres Lebens gefunden zu haben. Sie verstanden sich. Ohne Worte. Sie hatten auch die gleichen Ideale und Weltanschauungen. Schon seit der Grundschule hingen sie dauernd zusammen.

An einem Abend, es war Sommer und Paola um die 17 Jahre alt – Rino nur unbedeutend älter –, waren sie auf seiner ratternden Vespa gemeinsam ans Meer gefahren, um dort den Sonnenuntergang abzuwarten. Das Bild, das sich ihnen bot, war beinahe kitschig romantisch gewesen. Und sobald die gelbe Scheibe dramatisch schön ins Meer getaucht war, hatte Rino es getan. Er hatte sie geküsst.

Die Stimmung war fast augenblicklich gekippt. Sie hatten sich halb totgelacht und begriffen, dass sie wirklich nur beste Freunde waren und bleiben würden.

Kurz darauf hatte Rino ein Mädchen kennengelernt. Sonia. Zwei Jahre später hatte er sie geheiratet – als vermutlich jüngster Bräutigam der Geschichte von Pietragrigia – und ein knappes Jahr darauf war Rino Vater geworden. Von einem Jungen, der ihm auf so beeindruckende Weise ähnelte, dass Paola oft schmunzelte.

Rinos Sohn war inzwischen neun Jahre alt. Und Paola blickte mit Schrecken ihrem dreißigsten Geburtstag entgegen. Ohne Mann. Ohne Kind.

Daran wollte sie jetzt aber nicht denken, viel mehr interessierte sie, ob Rino Neuigkeiten hatte.

»Hast du noch etwas in Erfahrung bringen können?«, erkundigte sie sich deshalb gleich, während sie zusammen zum Rathaus gingen. Sie war froh, dass sie auch in dieser Mission Komplizen waren.

Er schüttelte den Kopf, so ahnte sie es zumindest, während sie zu Boden schaute. Denn sie glaubte, Rinos Locken, die ihren so sehr glichen, beinahe hin und her wehen zu hören.

Dann sprach er. »Wir brauchen keine Neuigkeiten. Die Lage ist allzu offensichtlich. Seit dieser feine Schnösel hier eingetroffen ist, war er schon diverse Male am alten Kloster oben. Er hat etwas damit vor. Ist doch klar.«

Ja. Und genau diese Tatsache störte sie beide.

Vor Monaten schon hatten sie im Rathaus einen detaillierten Plan abgegeben, auf dem sie in liebevoller, fast hingebungsvoller Arbeit ihre Idee zusammengetragen hatten, aus dem alten Kloster ein Jugendzentrum zu machen.

Nun, dieser Plan hatte bestimmt schon mehrere Schichten Staub angesetzt. Immer hatte der Bürgermeister sie vertröstet. Und jetzt drohte dieser Lackaffe aus der Stadt ihnen das Kloster vor der Nase wegzuschnappen. Das würden sie zu verhindern wissen!

Wenig später betraten sie das Rathaus, das seit etwa einem Jahr wieder besonders schön aussah. Das musste man Di Martino, dem Bürgermeister, lassen: Er nahm seine Rolle sehr ernst. Während seines Wahlkampfs hatte er versprochen, dem Gebäude wieder zu einstigem Glanz zu verhelfen. Und er hatte sein Versprechen gehalten. Eigentlich war er ja auch ganz in Ordnung. Nur eben diese Sache mit dem Jugendzentrum hatte er vernachlässigt. Und Paola begann zu glauben, dass er das nicht unabsichtlich getan hatte.

Das Büro des Bürgermeisters befand sich im obersten Stockwerk des Gebäudes. Sie stiegen flink die Treppen hoch. Wie so oft trafen sie dabei auf die Creme de la Creme der Gelegenheitsarbeiter von Pietragrigia, die – wie Paola sehr wohl wusste – darauf hofften, irgendeinen Job zu ergattern, bei dem sie sich so wenig wie möglich anstrengen mussten. Das Rathaus erteilte oft und spontan kleinere Aufgaben, die sofort entlohnt wurden. Das wusste sie so genau, weil sie mit einem solchen Gelegenheitsarbeiter ohne Ambition zusammen gewesen war. Ziemlich lange sogar. Und, natürlich, traf sie ausgerechnet auf ihren Ex-Freund. Sie versuchte ihn zu ignorieren. Er hielt hingegen sofort an. Die Treppe war eng. Keine Chance, aneinander vorbeizukommen, ohne dabei Kontakt aufzunehmen.

»Sieh an, sieh an«, rief ihr Ex auch schon und versperrte ihr den Weg. Seine Freunde waren zum Glück schon weitergegangen. »Paoletta und ihr treuer Sancho Panza ...«, versuchte er weiter zu provozieren.

Sie hörte, wie Rino abfällig schnaubte. Der konnte ihn nicht ausstehen und ihre damalige Beziehung hatte sie beinahe die Freundschaft gekostet.

Am liebsten hätte sie den Idioten getreten. Oder in den Bauch geboxt. Was fiel ihm überhaupt ein, ihr den Weg zu versperren? Je mehr sie darüber nachdachte, desto wütender wurde sie. »Lass mich vorbei«, sagte sie aber nur. Sie war ja schließlich nicht hier, um sich auf das niedrige Niveau des Mannes herabzulassen, der nur mit ihr und ihren Gefühlen gespielt hatte.

»Warum so aggressiv, Paoletta?« Er hob abwehrend die Arme. Schaute sie an, mit seinem Dackelblick. Und sah dabei so unverschämt gut aus wie immer, bemerkte sie am Rande. Dass er sie Paoletta nannte, hatte sie natürlich gehört. Das war sein Kosename für sie gewesen. Er benutzte ihn noch. Sie konnte nicht leugnen, dass er ihr wahrscheinlich nie richtig gleichgültig sein würde. Aber lieber bis in alle Ewigkeit allein bleiben, als sich wieder auf ihn einlassen. Sie passten nicht zusammen. Dafür war er viel zu oberflächlich.

Sie seufzte, merkte, dass diese Gedanken nun wahrlich nichts im Treppenhaus des Rathauses zu suchen hatten, und schlängelte sich ohne ein weiteres Wort an ihm vorbei. Mit gesenktem Kopf stapfte sie die restlichen Stufen hinauf.

Rino folgte ihr, holte sie bald ein. »Alles okay?«, erkundigte er sich leise.

»Ja, ja!«, erwiderte sie bestimmt und machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Er ist ein solcher Idiot!« Rino ließ nicht locker. Und sie hatte so gar keine Lust, noch weiter über ihren Ex zu reden.

»Ich weiß ...«

Zum Glück hatten sie das oberste Stockwerk erreicht und konnten sich in Richtung Bürgermeister begeben.

Paola sammelte sich vor der Tür seines Büros, holte tief Luft und löschte dabei alles aus, was sich eben zugetragen hatte. Ihr Klopfen erschien ihr viel zu leise, das Holz, auf das sie schlug, viel zu wuchtig.

»Avanti!«, ertönte es aber trotzdem von drinnen.

Sie blickte sich nach Rino um, der ihr aufmunternd zunickte, dann drückte sie die Türklinke herunter. Gleichzeitig wurde die Tür aber von innen geöffnet, sodass der Sog sie in den Raum poltern ließ. Paola stieß dabei gegen einen Mann. Sie hob den Blick und erkannte, dass es sich um den feinen Schnösel handelte.

»Mi scusi«, bat er höflich, nickte ihr dann zu und machte sich eilig davon.

Verdattert blieb sie mit der Frage zurück, warum ausgerechnet die eingebildetsten Menschen so blendend gut aussahen.

Kapitel 2

Di Martino empfing sie sehr herzlich, während Paola noch angestrengt versuchte, den Duft des feinen Schnösels aus der Nase zu bekommen. Offenbar hatte er in Parfüm gebadet. Dass es sich sicherlich um ein sehr teures Duftwasser handelte, welches auch noch richtig gut roch, versuchte sie zu ignorieren. Stattdessen konzentrierte sie sich auf das unkomplizierte Auftreten des Bürgermeisters und nahm dankend Platz.

»Paola, Rino, schön, euch zu sehen!«, gab sich Di Martino freundlich und aufgeschlossen.

Ihr entging natürlich nicht, dass er sich an ihre Namen erinnerte. Gut, Pietragrigia war ein Nest, mehr als 2000 Einwohner gab es hier nicht. Trotzdem fühlte es sich nicht übel an, vom Bürgermeister mit dem Vornamen angesprochen zu werden, erkannte sie und entspannte sich dabei etwas.

»Was führt euch zu mir?«, erkundigte er sich und lehnte sich im Stuhl zurück, der deutlich bequemer aussah, als ihrer sich anfühlte.

Und hier begriff Paola, dass alles nur Show war. Ihr Gegenüber wusste sehr wohl, was sie zu ihm führte: das antike Kloster.

»Wir wollen uns erkundigen, ob Sie inzwischen Zeit hatten, unser Projekt durchzugehen«, nahm Rino ihr den Part ab, das Offensichtliche auszusprechen. Sie war ganz froh drum. Ihr bester Freund war oft diplomatischer und weniger direkt als sie. Nicht selten rettete er sie als ruhender Pol aus potenziell brenzligen Situationen.

»Ja, natürlich!«, behauptete der Bürgermeister und nahm dabei seine randlose Brille ab, legte sie auf einen unordentlich zusammengelegten Stapel Dokumente. Paola ertappte sich dabei, um das Wohl der Brille zu bangen. Vielleicht versuchte sie auch nur, ihre innere Anspannung mit ablenkenden Gedanken zu lockern, überlegte sie.

Er massierte sich kurz die Augen, bevor er sie wieder auf sie richtete. Er sah müde aus. »Ich habe euer Projekt sogar mit großem Interesse gelesen. Ihr habt eure Idee wirklich detailliert und sehr professionell dargelegt.«

Das klang ganz deutlich nach einem Aber, erkannte Paola.

»Aber ...«, fuhr der Mann auch schon fort, »leider weist eure Ausführung eine große Schwachstelle auf.«

Paola schloss die Augen. Klar, das Geld, das wusste sie. Das brauchte niemand laut auszusprechen. »Das ist uns natürlich bewusst. Wir sind uns aber sicher, dass wir mit Ihrer Hilfe auf einen öffentlichen Zuschuss hinarbeiten können, mit dem wir die Renovierungskosten decken werden.«

Di Martino schwieg dazu. Er setzte seine Brille wieder auf, und es erschien Paola, als spräche er damit das vernichtende Urteil aus.

»Die Idee mit dem Jugendzentrum ist toll. Da will ich gar nicht diskutieren. Auch die Kurse, die ihr anbieten wollt, begeistern mich. Sicherlich könnte direkt mit den Schulen aus dem Umkreis gesprochen werden, um eine Zusammenarbeit anzustreben. Nur denke ich, dass ihr dazu Räume nutzen solltet, die bereits stehen. Wie zum Beispiel hier im Rathaus. Ich lasse euch gerne ein paar Zimmer frei räumen.«

Paola wusste, dass das ein unheimlich nettes Angebot war. Aber das war nicht das, was sie wollte.

»Jugendliche sind laut. Jugendliche wollen unter sich sein. Ins Rathaus würden sie niemals kommen«, versuchte sie zu erklären, obwohl sie bereits begriffen hatte, dass es zwecklos war.

»Außerdem ist der Wiederaufbau des Klosters doch Teil des Projekts. Die Kids sollen mitanpacken. Beschäftigungstherapie«, sagte Rino, der sich nun wieder aktiv am Gespräch beteiligte. Und zwar so intensiv, dass seine Locken sich aufgeregt mitbewegten. Wie ein ruhender Pol wirkte er nun nicht mehr.

»Tut mir leid. Aber ich halte das für keine gute Idee. Wir haben das nötige Geld nicht.« Di Martino wurde direkter.

Paola merkte, dass ihr diese wundervolle Möglichkeit aus den Händen glitt. Sie bedauerte das sehr. Natürlich hatte sie persönliche Gründe. Ihr jüngerer Bruder ... der war als Jugendlicher in die Kleinkriminalität geschlittert. Zwar hatte er den Sprung zurück auf die rechte Bahn geschafft. Inzwischen war die hässliche Zeit von damals nichts weiter als eine böse Erinnerung. Dennoch hatte sie in Paola Spuren hinterlassen. Die ganze Familie hatte sich Vorwürfe gemacht. Ganz besonders aber sie. Es hatte sie schockiert, dass sie gar nichts gemerkt hatte, und sie hatte sich unzählige Male gefragt, ob sie es nicht hätte verhindern können. Jedenfalls hatte sie sich damals versprochen, sich mehr um Jugendliche zu kümmern. Und zwar mithilfe des Klosters, das für alle Heranwachsenden aus der Umgebung eine Bedeutung hatte. Man erzählte sich ja, dass es dort spuke, weshalb unzählige Teenies in den Ruinen ihre erste Mutprobe erlebten. Und genau da wollte Paola ansetzen: Das Kloster stand ihrer Meinung nach für Mut. Mut, auch mal nein zu sagen. Mut, sich der Zukunft zu stellen. Mut zu leben.